Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.02.2001
LSG Nsb: wiedereinsetzung in den vorigen stand, eigenes verschulden, ablauf der frist, anwartschaft, nachzahlung, besondere härte, beitragslücke, avg, niedersachsen, steuerberater
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 22.02.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 14 RA 114/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 1 RA 89/00
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zulassung der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit vom 1.
Januar bis zum 31. Dezember 1992.
Der im Jahre 1947 geborene Kläger ist selbständiger Unternehmer und entrichtet seit 1965
Rentenversicherungsbeiträge an die Beklagte, davon seit 1977 freiwillige Beiträge. Die Beitragsentrichtung erfolgte
ununterbrochen bis zum 31. Dezember 1991 sowie seit dem 1. Januar 1993. Der Beitragseingang wurde jährlich von
der Beklagten bestätigt. Allein für das vollständige Kalenderjahr 1992 wurden keine Beiträge entrichtet (Lücke) und die
Beklagte hat auch keine Eingangsbestätigung erteilt.
Im Februar 1998 wandte sich der Kläger an die Beklagte und bat um eine Rentenberechnung. Die Beklagte übersandte
einige Fragebögen bzw. Vordrucke, die der Kläger teilweise noch im Februar und teilweise im März ausgefüllt
zurücksandte. Daraufhin erstellte die Beklagte unter dem 19. März 1998 einen Kontospiegel und übersandte ihn an
den Kläger. Aus dem Kontospiegel ergibt sich in der tabellarischen Auflistung der Beitragszeiten die Lücke für das
Kalenderjahr 1992, an anderer Stelle heißt es "Das Konto enthält keine aufklärungsbedürftigen Lücken".
Im Dezember 1998 suchte der Kläger die Auskunfts- und Beratungsstelle (A+B-Stelle) der
Landesversicherungsanstalt Hannover (LVA) in Lüneburg auf. Nach dem von der A+B-Stelle an die Beklagte
gerichteten Schreiben vom 1. Dezember 1998 hatte der Kläger um eine Beratung in
Rentenversicherungsangelegenheiten gebeten. Dabei sei anhand des vom Kläger mitgebrachten Kontospiegels
aufgefallen, dass für das Jahr 1992 keine freiwilligen Beiträge entrichtet wurden. Hierzu habe der Kläger erklärt, dass
ihm diese Lücke bislang nicht bekannt gewesen sei. Er könne sich dies nur so erklären, dass seine Mutter, die im
Jahre 1992 bereits gesundheitlich angeschlagen gewesen sei, die Entrichtung versäumt habe. Seine Mutter sei in sein
Unternehmen eingebunden gewesen, sei für die kaufmännische Abteilung zuständig gewesen und habe auch seine
privaten Beitragszahlungen veranlasst; er selbst sei in der Firma für den technischen Bereich zuständig gewesen. Da
durch die Lücke im Versicherungsverlauf die Anwartschaft auf eine Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit
(EU/BU) verloren gehe, habe der Kläger dringend um die Zulassung der Nachentrichtung gebeten.
Die Beklagte forderte den Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 1999 auf, den Nachweis dafür zu erbringen, dass
seine Mutter bis zu ihrem Tod für die Beitragszahlungen zuständig gewesen sei. Der Kläger übersandte eine
Bescheinigung des Steuerberaters des Unternehmens vom 2. Februar 1999, wonach der Mutter des Klägers die
kaufmännische Leitung der Firma einschließlich der privaten Vorgänge oblegen und sie den gesamten
Zahlungsverkehr durchgeführt habe. Im Anschluss lehnte die Beklagte die beantragte Nachentrichtung mit hier
angefochtenem Bescheid vom 18. Februar 1999 mit der Begründung ab, dass eine Nachentrichtung in einem Härtefall
gem. § 197 Abs. 3 und 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nur dann zugelassen werden dürfe, wenn die
Nachentrichtung innerhalb von drei Monaten nach dem Wegfall der Hinderungsgründe erfolge. Diese Frist habe der
Kläger vorliegend versäumt.
Der Kläger erhob Widerspruch und betonte, dass ein Härtefall deshalb vorliege, weil in Anbetracht der
jahrzehntelangen ununterbrochenen Zahlungen die Versäumnis einer Beitragszahlung von nur 12 Monaten nicht zum
Verlust der Anwartschaft auf eine EU/BU-Rente führen dürfe. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei aber auch
die Antragsfrist von drei Monaten gewahrt bzw. dürfe ihm diese Fristversäumnis nicht zum Nachteil gereichen. Denn
die Verspätung sei von der Beklagten zu vertreten, weil diese anlässlich des Kontenklärungsverfahrens im
Februar/März 1998 nicht auf die Lücke hingewiesen habe, obwohl sie aufgrund der jahrzehntelangen
Beitragsentrichtung habe erkennen müssen, dass es sich augenscheinlich nur um ein Versehen handeln konnte.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit hier gleichfalls angefochtenem Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 1999
zurück und führte zur Begründung aus: Zwar sei ein Fall besonderer Härte dem Grunde nach gegeben. Jedoch sei der
Kläger nicht ohne Verschulden an der rechtzeitigen Beitragszahlung für 1992 gehindert gewesen. Denn wenn die
Mutter infolge Erkrankung die Beitragszahlung nicht habe ordnungsgemäß veranlassen können, dann habe der Kläger
seine Aufsichts- bzw. Kontrollpflichten verletzt. Auch habe dem Kläger bzw. seinem Steuerberater auffallen müssen,
dass für das Jahr 1992 keine Beitragsbescheinigung von der Beklagten erstellt wurde. Schließlich sei auch die 3-
Monats-Frist für den Nachentrichtungsantrag versäumt worden, weil der Kläger aus dem Kontospiegel vom 19. März
1998 die Beitragslücke habe ersehen können, die Nachentrichtung aber erst im Dezember 1998 beantragt habe.
Mit der am 2. Juni 1999 vor dem Sozialgericht (SG) Lüneburg erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass
er die Beitragsentrichtung unverschuldet versäumt habe, weil ihm weder ein Verschulden seiner Mutter noch seines
Steuerberaters zuzurechnen sei. Die Mutter habe über Jahrzehnte hinweg die Beitragszahlung ordnungsgemäß
getätigt, weshalb es keinen Anlass für Beanstandungen gegeben habe. Und dem Steuerberater habe eine
Eingangsbestätigung der Beklagten für die Beiträge in 1992 nicht vorgelegen, weshalb ihm das Versäumnis nicht habe
auffallen können oder müssen. Daneben sei die Antragsfrist gewahrt, weil der Klägers erstmals im Dezember 1998 in
der A+B-Stelle von der Lücke erfahren und unverzüglich den Nachentrichtungsantrag gestellt habe. Darüber hinaus sei
zu berücksichtigen, dass gerade im maßgeblichen Zeitraum 1991/1992 eine Rechtsänderung zur
Beitragsnachentrichtung in Kraft getreten sei. Schließlich ergebe sich der Anspruch des Klägers aus dem
sozialrechtlichen Herstellungsanspruch sowie aus der sog. Nachsichtgewährung. In diesem Zusammenhang dürfe
nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte auch nach dem 31. Dezember 1992 noch jahrelang unbeanstandet
freiwillige Beiträge entgegengenommen, obgleich sie gewusst habe, dass der Kläger wegen der Beitragslücke in 1992
bereits eine wesentliche Anwartschaft verloren hatte.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, ihr habe die Beitragslücke in 1992 nicht auffallen müssen, weil nach der
Organisation in ihrem Hause die Zahlung, Verbuchung und Absendung der Eingangsbestätigung freiwilliger
Beitragsleistungen in einem automatisierten Verfahren geschehe und daher die Sachbearbeitung nicht eingeschaltet
sei.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 4. April 2000 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Zwar liege
ein Fall besonderer Härte nach § 197 Abs 3 SGB VI vor. Jedoch habe nicht festgestellt werden können, dass der
Kläger an der rechtzeitigen Beitragszahlung schuldlos gehindert war. Denn da die Mutter des Klägers als dessen
Vertreterin tätig geworden sei, sei ihr Verschulden dem Kläger zuzurechnen. Sofern die Mutter infolge Krankheit nicht
(mehr) zur ordnungsgemäßen Erledigung in der Lage gewesen sei, läge eine Sorgfaltspflichtverletzung des Klägers
selbst vor. Daneben sei aber auch die dreimonatige Antragsfrist zur Nachentrichtung versäumt, da der Kläger bereits
aus dem Kontospiegel vom 19. März 1998 die Lücke habe erkennen können, der Antrag aber erst im Dezember 1998
gestellt wurde.
Gegen den am 7. April 2000 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 2. Mai 2000 eingelegte Berufung, mit
der der Kläger vorträgt, dass die Erkrankung der Mutter nur kurzfristig gewesen sei, nämlich eine Woche gedauert
habe, und sie unmittelbar im Anschluss verstorben sei. Bis dahin habe ihre jahrzehntelange Tätigkeit in der
kaufmännischen Abteilung des Unternehmens keinerlei Anlass zu Beanstandungen geboten. Auch habe der Kläger
anlässlich der Übersendung des Kontospiegels vom 19. März 1998 die Beitragslücke nicht erkennen können, weil es
in dem Kontospiegel ausdrücklich geheißen habe: "Das Konto enthält keine aufklärungsbedürftigen Lücken." Im
Übrigen habe die Beklagte durch ihre Anfrage vom 29. Januar 1999 selbst den Eindruck erweckt, dass ein Fall
zulässiger Nachzahlung vorliege.
Der Kläger beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lüneburg vom 4. April 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 18.
Februar 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 1999 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, die Zahlung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember
1992 durch den Kläger zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide als zutreffend und bezieht sich zur Begründung ergänzend auf den
Gerichtsbescheid des SG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand von mündlicher
Verhandlung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet.
Weder der Gerichtsbescheid des SG noch der angefochtene Bescheid der Beklagten in Gestalt des
Widerspruchsbescheides erweisen sich als rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf
Zulassung der Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für das Kalenderjahr 1992.
Als Rechtsgrundlage für die begehrte Nachzahlung kommt allein § 197 Abs. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB VI) in Betracht, denn die Frist des § 197 Abs 2 SGG (vorliegend der 31. März 1993) ist verstrichen. Nach § 197
Abs. 3 Satz 1 SGB VI ist auf Antrag des Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der Frist aus §
197 Abs. 2 SGB VI zuzulassen, wenn ein Fall besonderer Härte gegeben ist und der Versicherte an der rechtzeitigen
Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert war. Nach § 197 Abs. 2 Satz 2 SGB VI kann der Antrag nur innerhalb
von drei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt werden.
Der Senat geht wie auch die Beklagte und das SG davon aus, dass eine besondere Härte gegeben ist. Denn der
Kläger hat seit 1977 bis jetzt mehr als 20 Jahre freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet (und entrichtet
sie weiter) und verliert wegen der Notwendigkeit ununterbrochener Beitragsentrichtung (§§ 240, 241 SGB VI)
gleichwohl die Anwartschaft auf Rente wegen EU/BU, obwohl in den mehr als 20 Jahren lediglich 12 Monate nicht mit
(freiwilligen) Beiträgen belegt sind (zur besonderen Härte bei Verlust einer Anwartschaft wegen der Folgen des
Haushaltsbegleitgesetzes 1984 ebenso: Hauck/Haines/Finke, Kommentar zum SGB, § 197 SGB VI, Rn. 17, 29).
Gleichwohl steht dem Kläger ein Anspruch auf Nachzahlung nicht zu. Denn er muss sich entgegenhalten lassen, dass
die nicht rechtzeitige Beitragszahlung bis zum 31. März 1993 auf einem Umstand beruhte, den er zu vertreten hat. Es
entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und ist einhellige Meinung in der Literatur, dass
der Versicherte sich ein Verschulden seines Vertreters bei der nicht rechtzeitigen Beitragszahlung zurechnen lassen
muss (BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994, SozR 3 - 2600 § 197 Nr. 1, S. 1, 2, 5; Hauck/Haines/Finke, a.a.O., § 197
SGB VI, Rn. 22, 23). Nach dem eigenen Vortrag des Klägers war seine Mutter seit Jahrzehnten für ihn nicht nur
(beruflich) in der kaufmännischen Leitung des Unternehmens, sondern auch gerade im Hinblick auf die (private)
Entrichtung der freiwilligen Rentenbeiträge eigenverantwortlich tätig. Sie hat damit für den Kläger als Vertreterin
gehandelt und nicht als bloße Hilfsperson (vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994, SozR 3 - 2600 § 197 Nr. 1, S. 1,
2, 5; zur Abgrenzung im Einzelnen vgl. Finke/Schmidt, Aktuelle Probleme der Aufrechterhaltung des
Invaliditätsschutzes, Die Angestelltenversicherung 1988, S. 102, 107). Dies nimmt der Kläger auch nicht in Abrede.
Ein fahrlässiges Handeln des Vertreters muss sich aber der Vertretene zurechnen lassen. Vorliegend hat sich der
Kläger daher die fahrlässige Versäumung der rechtzeitigen Beitragsentrichtung durch die Mutter zurechnen zu lassen.
Worauf die Fahrlässigkeit des Vertreters beruhte, ist dabei unbeachtlich (zum schädlichen schlichten Vertrauen auf
die Beitragsentrichtung durch einen Dritten: Kreikebohm in: Gemeinschaftskommentar zum SGB, Gesetzliche
Rentenversicherung, § 197 SGB VI, Rn. 19, 20). Diese Zurechnung ist nach dem gesetzgeberischen Willen ein
Korrelat dafür, dass der Vertretene durch das Einsetzen eines Vertreters eigene Zeit und eigenen Aufwand erspart; im
Gegenzug hat er in Anbetracht dieser Vergünstigung für die rechtlichen Folgen des Handelns des von ihm
eingesetzten Vertreters einzustehen (vgl. nur Palandt-Heinrichs, Kommentar zum BGB, 60. Aufl. 2001, § 278 Rn. 1,
21 m.N. zur Rechtsprechung). Eine Exkulpation (Berufung auf fehlendes Auswahl- und Überwachungsverschulden)
kommt für den Kläger nicht in Betracht. Denn diese Entlastungsmöglichkeit besteht – im öffentlichen Recht wie im
Zivilrecht – allein im Bereich deliktischer Haftung (vgl. nur § 831 Bürgerliches Gesetzbuch, BGB), nicht aber im
Vertragsrecht oder bei einem vertragsähnlichen Sachverhältnis, das aber bei der Beziehung zwischen
Rentenversicherungsträger und Beitragszahler gegeben ist (vgl. nur: BSG, Urteil vom 29. Juni 2000, B 4 RA 57/98 R,
S. 14 und BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994, a.a.O.).
Mangels unverschuldeter Versäumung der rechtzeitigen Beitragszahlung liegen daher bereits die Voraussetzungen
des § 197 Abs. 3 Satz 2 SGB VI nicht vor. Ob daneben der Antrag auf Nachzahlung im Dezember 1998 überhaupt
rechtzeitig gestellt war (innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes) und daher die
Voraussetzungen des § 197 Abs. 3 Satz 3 SGB VI vorliegen, kann deshalb dahinstehen.
Soweit der Kläger im Zusammenhang mit § 197 Abs. 3 SGB VI auf eine Rechtsänderung hinweist und auf die frühere
Möglichkeit der sog. Bereiterklärung Bezug nimmt, ist dieser Hinweis unerheblich. Denn die sog. Bereiterklärung zur
Nachzahlung freiwilliger Beiträge war unter der Geltung des § 140 AVG (ebenso: § 1418 RVO, § 133 RKG)
vorgesehen und möglich. § 140 AVG ist aber mit der Einführung des § 197 SGB VI zum 1. Januar 1992 aufgehoben
worden und die neue Vorschrift immer dann anzuwenden, wenn Nachzahlungszeiträume ab dem 1. Januar 1992 in
Rede stehen (allg. Ansicht; vgl. nur Kasseler-Kommentar-Peters, § 197 SGB VI, Rn. 3 m.w.N.). Für den vorliegenden
Zeitraum des Kalenderjahres 1992 ist daher das alte Recht des § 140 AVG nicht mehr anwendbar und die frühere
Möglichkeit einer sog. Bereiterklärung folglich nicht mehr gegeben.
Nicht anwendbar ist auch die frühere Praxis zur sogenannten Nachsichtgewährung. Auch sie ist nach der gesetzlichen
Neuregelung des § 197 SGB VI nicht mehr gültig (allg. Ansicht; vgl. nur Peters, a.a.O.).
§ 115 Abs 6 SGB VI kommt nicht in Betracht, weil kein Anspruch auf Leistung, sondern ein solcher auf
Beitrags(nach)entrichtung in Rede steht.
Schließlich kann der Kläger sein Begehren auch nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Zum
einen ist bereits zweifelhaft, ob der sozialrechtliche Herstellungsanspruch neben § 197 Abs. 3 SGB VI überhaupt
anwendbar ist, und zwar auch bzgl. der Entrichtung freiwilliger Beiträge (vgl. die Nachweise zur Rspg. bei Kasseler-
Kommentar-Peters, § 197 SGB VI, Rn. 19; zuletzt wieder BSG, Urteil vom 17.8.2000, B 13 RJ 87/98 R, S. 11).
Gegen seine Anwendbarkeit könnte sprechen, dass § 197 Abs. 3 SGB VI eine umfassende und abschließende
Neuregelung der Möglichkeiten zur Beitragsnachzahlung bei Fristversäumnis darstellt, was etwa an dem Ausschluss
der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in § 197 Abs. 4 SGB VI deutlich wird. Die Norm könnte daher als lex
specialis gelten (eine Anwendbarkeit daher ablehnend: LSG Niedersachsen, Beschluss vom 19. April 2000, L 1 RA
212/99). Zum zweiten lägen auch die Voraussetzungen des Herstellungsanspruchs nicht vor, wenn man ihn für
anwendbar hielte (für die Anwendbarkeit neben § 197 Abs. 3 SGB VI: Hauck/Haines/Finke, § 197 SGB VI, Rn 28;
Kreikebohm, Kommentar zum SGB VI, 1997, § 197, Rn. 22, 24 ; für eine "Integration” in die Prüfung des § 197 Abs. 3
SGB VI: Kasseler-Kommentar-Peters, § 197 SGB VI, Rn. 19; Gleitze/Dötsch in Wannagat, Kommentar zum SGB, §
197 SGB VI, Rn. 29):
So fehlt es für den Zeitraum unmittelbar nach 1992 bis zum Februar 1998 bereits am objektiven Fehlverhalten der
Beklagten. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe bereits dadurch fehlerhaft gehandelt, dass sie ab dem
1. Januar 1993 weiterhin freiwillige Beiträge entgegengenommen habe, ohne den Kläger auf den Verlust seiner
Anwartschaft auf Rente wegen EU/BU hinzuweisen, kann zwar nicht übersehen werden, dass nach der
Rechtsprechung zum zivilrechtlichen Versicherungsrecht eine Treuwidrigkeit des Versicherers in Betracht kommt,
wenn er den Folgebeitrag unbeanstandet entgegennimmt, ohne auf das Fehlen des Erstbeitrages hinzuweisen (vgl.
Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 242, Rn. 84 m.N.z.Rspg.d.BGH). Zum einen ist jedoch die dortige mit der hiesigen
Konstellation bereits aus systematischen Gründen nicht vergleichbar, da im Privatversicherungsrecht mit dem Fehlen
eines Beitrags der gesamte Versicherungsschutz erlischt, währenddessen im hier maßgeblichen gesetzlichen
Rentenversicherungsrecht das wesentliche Versicherungsrisiko des Alters (insbesondere die Altersrente) abgesichert
bleibt und nur eine Teilleistung (wenn auch eine bei vielen Menschen wesentliche) verloren geht. Und zum zweiten
kann ein zu einem Herstellungsanspruch führender Beratungsfehler im Regelfall nur bei einem besonderen
Beratungsanlass angenommen werden, etwa in einem besonderen Kontenklärungsverfahren oder nach einem
Beratungsersuchen des Versicherten (vgl. nur BSG SozR 1200 § 14 Nr. 9, Nr. 12; weitere Nachweise bei Kasseler-
Kommentar-Seewald, § 14 SGB I, Rn. 25). Ein solcher konkreter Anlass ist vorliegend aber in den Jahren nach 1992
bis zum Februar 1998 nicht erkennbar. Zwar hat das BSG ein Fehlverhalten auch dann bejaht, wenn ein konkreter
Beratungswunsch nicht bestand, aber klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten dem Versicherungsträger die
Notwendigkeit eines Hinweises an den Betroffenen aufdrängen mussten. So hat nach einer Entscheidung des BSG,
die dem vorliegenden Fall vordergründig ähnlich erscheint (Urteil vom 6. Mai 1992, 12 RK 45/91, SozR 3 – 1200 § 14
Nr. 6), der Rentenversicherungsträger bei einer Entrichtung freiwilliger Beiträge durch den Versicherten diesen auf die
Notwendigkeit ununterbrochener Beitragsleistungen zur Erhaltung der Anwartschaft auf eine Rente wegen EU/BU
hinzuweisen. Die Ähnlichkeit mit dem vorliegenden Fall ist indes nur vordergründig. Denn das BSG nahm in seiner
Entscheidung ein Fehlverhalten durch unterlassenen Hinweis nur deshalb an, weil der dortige Versicherte schuldlos
gehandelt und der dortige Versicherungsträger durch vorheriges eigenes Fehlverhalten den Hinweis erforderlich
gemacht hatte: Obgleich der dortige Versicherte eine Beitragsbelegung für 12 Monate eines Jahres beantragt und
regelmäßig die Beiträge entrichtet hatte, hatte die Beklagte diesen Willen missachtet und stattdessen eine
Verbuchung auf 6 Monate (à 2 Beiträgen) mit den daraus folgenden Beitragslücken vorgenommen (BSG, a.a.O., S.
13, 14). Im vorliegenden Fall ist dem hingegen ein vergleichbares eigenes Verschulden der Beklagten im Jahre 1992
oder unmittelbar danach nicht zu erkennen. Die Beklagte hat die gezahlten Jahresbeiträge stets auf 12 Monate
verteilt. Zudem hat der Versicherte vorliegend selbst durch eigenes Verschulden bzw durch dasjenige seines
Vertreters den Grund für die Beitragslücke gesetzt.
Soweit der Kläger des weiteren geltend macht, ein Fehlverhalten der Beklagten sei in der Übersendung des
Kontospiegels vom 19. März 1998 zu erblicken, da hierin der Eindruck einer lückenlosen Beitragsbelegung erweckt
werde, kann auch dies einen Herstellungsanspruch des Klägers nicht begründen. Zwar ist dem Kläger einzuräumen,
dass der Satz "Das Konto enthält keine aufklärungsbedürftigen Lücken" für den im Rentenbeitragsrecht ungeschulten
Empfänger so zu verstehen sein könnte, dass Lücken im Beitragsverlauf nicht bestehen. Andererseits konnte und
musste jedoch auch der ungeschulte Empfänger erkennen, dass in der ebenfalls in dem Kontospiegel befindlichen
tabellarischen Darstellung der Beitragszahlungen eine solche Lücke sehr wohl verzeichnet war, und zwar für den hier
streitigen Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 1992. Damit würde sich das Fehlverhalten der Beklagten auf eine
nicht unzweideutige Darstellung im Kontospiegel beschränken. Der Senat lässt offen, ob diese zu Missverständnissen
möglicherweise Anlass gebende Darstellung für die Annahme eines objektiven Fehlverhaltens i.S.d. sozialrechtlichen
Herstellungsanspruches ausreichend ist (vgl. die Übersicht der möglichen Fehlerquellen des Verwaltungshandelns
beim Herstellungsanspruch bei:Gagel, Der Herstellungsanspruch, Die Sozialgerichtsbarkeit 2000, S. 517, 522; zum
Privatversicherungsrecht vgl. nochmals: Palandt-Heinrichs, a.a.O., § 242, Rn. 84 m.N.z.Rspg.d.BGH). Denn
jedenfalls wäre sie nicht kausal für den als Schaden allein in Betracht kommenden Verlust der Anwartschaft auf
EU/BU-Rente gewesen. Nach der Rechtsprechung des BSG kann ein objektives Fehlverhalten eines
Versicherungsträgers nur dann einen Herstellungsanspruch auslösen, wenn dieses Fehlverhalten wesentliche Ursache
für den eingetretenen Schaden war (vgl. nur BSG, Urteil vom 1. September 1999, B 13 RJ 73/98 R, S. 6,7; weitere
Nachweise bei Kasseler-Kommentar-Seewald, vor §§ 38 SGB I, Rn. 38). Diese Voraussetzung der wesentlichen
Verursachung ist jedoch vorliegend nicht erfüllt. Denn wesentlich für den Verlust der Anwartschaft ist nicht die
Zweideutigkeit des Bescheides aus dem Jahre 1998 gewesen. Vielmehr war Ausgangspunkt und wesentliche Ursache
des Anwartschaftsverlustes das dem Kläger zuzurechnende Verschulden der Vertreterin, die es bereits im Jahre 1992
bzw. bis zum 31. März 1993 versäumt hatte, den Beitrag zu entrichten. Dabei liegt auch keine sogenannte
überholende Kausalität vor, denn das Versäumnis der Vertreterin ist nicht etwa durch die zweideutige Formulierung im
Kontospiegel abgelöst, sondern allenfalls aufrecht erhalten (perpetuiert) worden. Ob die Kausalität darüber hinaus
auch deshalb entfällt, weil es der Kläger selbst war, der es unterlassen hat, die u.U. zweideutige Aussage im
Kontospiegel zu hinterfragen und die Beklagte um eine Klarstellung zu bitten, kann hier ebenso unerörtert bleiben wie
die Frage, ob nicht der Steuerberater des Klägers diesen hätte bereits 1993 auf eine fehlende Beitragsentrichtung
hinweisen müssen.
Im Übrigen lässt der Senat bei alledem ungeprüft, ob ein Anspruch des Klägers auf Nachzahlung bereits deshalb
ausscheidet, weil seit dem Ende der versäumten Frist am 31. März 1993 bis zur Geltendmachung des
Nachzahlungsbegehrens durch den Kläger im Jahre 1998 mehr als ein Jahr vergangen ist, ohne dass der Kläger
infolge höherer Gewalt gehindert gewesen wäre, die Nachzahlung zu betreiben (zur Übertragung dieser Ausschlussfrist
des § 27 Abs. 3 SGB X auf die versäumte Beitragszahlung vgl. etwa: BSG, Urteil vom 17. August 2000, B 13 RJ
87/98 R, S. 10; zur zügigen Klärung des Versicherungsverhältnisses als gesetzlicher Zweck des § 197 SGB VI:
Kreikebohm in: Gemeinschaftskommentar zum SGB, Gesetzliche Rentenversicherung, § 197 SGB VI, Rn. 24).
Schließlich kann der Kläger sein Begehren auch nicht auf das Schreiben der Beklagten vom 29. Januar 1999 stützen.
Denn dabei handelte es sich nicht um eine Zusicherung iS von § 34 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X),
sondern um eine bloße Ermittlungshandlung zur Vorbereitung der abschließenden Entscheidung durch Bescheid vom
18. Februar 1999.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).