Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 13.06.2003

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 13.06.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 28 SB 378/00
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 9 SB 94/02
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Hannover vom 30. April 2002 und der Bescheid des Beklagten vom 27.
Dezember 1999 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 08. Juni 2000 und des Bescheides vom 16. Mai
2002 werden abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung – GdB – von 40
seit dem 19. August 1999 festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat 1/4 der
außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im schwerbehindertenrechtlichen Neufeststellungsverfah-ren um die Höhe des der
Berufungsklägerin zustehenden Grades der Behinde-rung (GdB).
Die 1941 geborene Berufungsklägerin war als Sportlehrerin tätig. Sie bezieht seit 1998 Berufsunfähigkeitsrente.
Mit zuletzt bindend gewordenem Bescheid vom 7. Dezember 1998 hatte das Ver-sorgungsamt (VA) Hannover bei der
Berufungsklägerin einen GdB von 30 festge-stellt. Dem hatten folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde
gelegen:
1. Wirbelsäulenschaden mit Nervenwurzelreizung, Schulter-Arm-Syndrom und Belastungsbeschwerden der Hände, 2.
Herz-Kreislaufschaden, Bluthochdruck, 3. Chronisches Schmerzsyndrom mit Beteiligung aller Gelenke und der
Muskulatur.
Dieser Feststellung hatte das versorgungsärztliche Gutachten von Medizinalober-rat Dr. D. vom 13. November 1998
zugrunde gelegen.
Im August 1999 stellte die Berufungsklägerin einen Neufeststellungsantrag. Hierin heißt es unter 4., die beantragte
Feststellung solle für die Zeit ab Antragstellung und ab Dezember 1998 gelten. Beigefügt war dem
Neufeststellungsantrag ein Befund des Orthopäden Dr. E. von September 1999.
Das VA leitete Ermittlungen ein und zog diverse medizinische Unterlagen der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte (BfA) bei (Rentengutachten des Or-thopäden Dr. F. von Oktober 1997 sowie ein weiterer Befund des
Orthopäden Dr. E. von April 1999). Auch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Kranken-kassen (Dr. G. vom
7. September 1998) gelangte zum Vorgang. Weiter erstattete der Allgemeinmediziner Dr. H. einen Befundbericht.
Nach Auswertung dieser Unterlagen durch den versorgungsärztlichen Dienst lehnte das VA die Neufeststellung mit
Bescheid vom 27. Dezember 1999 ab. Auf den Widerspruch der Berufungsklägerin, mit dem diese auch geltend
machte, schon der Bescheid vom 7. Dezember 1998 sei falsch gewesen, erging der Be-scheid des VA vom 23. März
2000, worin dies eine Rücknahme des Bescheides vom 7. Dezember 1998 ablehnte, da dieser nicht rechtswidrig
gewesen sei.
Der Widerspruch ist sodann mit Widerspruchsbescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale
Aufgaben (NLZSA) vom 8. Juni 2000 zurück-gewiesen worden.
Am 7. Juli 2000 ist Klage erhoben worden.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat einen Befundbericht des die Berufungsklä-gerin behandelnden Orthopäden Dr. I.
vom 2. Februar 2001 beigezogen und sich sodann ein Gutachten des Orthopäden Dr. J. vom 7. September 2001
erstatten lassen. Dieser hat die Berufungsklägerin untersucht und ist zu dem Ergebnis ge-langt, die vormalige
Bewertung mit einem GdB von 30 sei zutreffend gewesen. Indessen müsse der GdB nunmehr seit dem 19. August
1999 mit 40 bewertet werden, da weitere Beschwerden hinzugetreten seien.
Hierauf hat das beklagte Land unter dem 7. November 2001 ein Teil-Anerkenntnis abgegeben, mit dem es den GdB
bei der Berufungsklägerin ab Au-gust 2001 mit 40 bewertet hat. Dieses Teil-Anerkenntnis ist von der Berufungs-
klägerin angenommen worden.
Das SG hat die darüber hinausgehende Klage nach vorheriger Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 30.
April 2002, der dem Prozessbevoll-mächtigten der Berufungsklägerin am 6. Mai 2002 zugestellt worden ist, abgewie-
sen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt:
Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig und nicht zu beanstanden. Der Berufungsklägerin komme weder ein
Anspruch auf eine frühere Höherbewertung des bei ihr festgestellten GdB noch auf einen höheren GdB zu. Aus dem
Gut-achten von Dr. J. ergebe sich, dass die Beschwerden der Berufungsklägerin im Bescheid vom 7. Dezember 1998
richtig bewertet worden seien. Daher habe die Berufungsklägerin auch keinen Anspruch auf Rücknahme dieses
Bescheides. Die Berufungsklägerin habe auch keinen Anspruch auf eine höhere Bewertung des bei ihr
festzustellenden GdB. Auch dies lasse sich dem ausführlichen und über-zeugenden Gutachten von Dr. J. entnehmen.
Das VA hat das im Gerichtsverfahren abgegebene Teil-Anerkenntnis mit Be-scheid vom 16. Mai 2002 ausgeführt und
einen GdB von 40 ab August 2001 fest-gestellt.
Am 4. Juni 2002 ist Berufung eingelegt worden. Zu deren Begründung führt die Berufungsklägerin aus, bereits im
letzten bindend gewordenen Bescheid habe das berufungsbeklagte Land allein für die Wirbelsäulenbeschwerden der
Beru-fungsklägerin einen Teil-GdB von 30 zugrunde gelegt. Da nun weitere Beschwer-den hinzugetreten seien, müsse
sich nunmehr ein GdB von 50 ergeben.
Die Berufungsklägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen sinngemäß,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Hannover vom 30. Ap-ril 2002 sowie den Bescheid des
Versorgungsamtes Hannover vom 27. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Nie-
dersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 8. Juni 2000 aufzuheben sowie den Bescheid des
Versorgungsamtes Hannover vom 16. Mai 2002 abzuändern,
2. das beklagte Land zu verurteilen, bei der Berufungsklägerin ab dem 19. August 1999 einen GdB von 40 und ab dem
21. August 2001 einen GdB von 50 festzustellen. Das berufungsbeklagte Land beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht es sich auf seinen angefochtenen Bescheide und den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsät-ze, den sonstigen Inhalt der
Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwal-tungsvorgang des berufungsbeklagten Landes (1 Bd. zum Az.: K.)
Bezug ge-nommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nur zum Teil begründet.
Das SG hat im Wesentlichen zutreffend erkannt, das die Berufungsklägerin we-der einen Anspruch auf Aufhebung des
Bescheides vom 7. Dezember 1998 noch auf Zuerkennung eines höheren GdB im Zeitverlauf hat. Die Bescheide vom
27. Dezember 1999 und vom 23. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 8. Juni 2000 und des
Ausführungsbescheides vom 16. Mai 2002 sind überwiegend rechtmäßig und verletzen die Berufungsklägerin nicht in
ihren Rechten.
Das SG ist bei seiner Entscheidung von den richtigen rechtlichen Grundlagen ausgegangen. Zur Vermeidung von
Wiederholungen wird auf die Entscheidungs-gründe des Gerichtsbescheides vom 30. April 2002 Bezug genommen, §
153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Das SG und das beklagte Land haben indessen nicht berücksichtigt, daß Dr. J. in seinem Gutachten vom 7.
September 2001 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, die Behinderung der Berufungsklägerin sei seit dem 19. August
1999 neu zu be-zeichnen und zu bewerten (S. 28 des Gutachtens = Bl 50 der Gerichtsakte). In-soweit waren die
erstinstanzliche Entscheidung und die angefochtenen Beschei-de in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu
ändern.
Im übrigen war die Berufung zurück zu weisen.
Darüber hinaus sind im Berufungsverfahren keine wesentlichen neuen Gesichts-punkte zutage getreten.
Soweit die Berufungsklägerin meint, das berufungsbeklagte Land dürfe der Ein-schätzung ihres GdB nunmehr nicht im
Hinblick auf ihre Wirbelsäulenerkrankung, wie von Dr. J. vorgeschlagen, einen Teil-GdB von 20 zugrunde legen, trifft
dies aus zwei Gründen nicht zu. Zum Einen erwächst die Bemessung des Teil-GdB im begründenden Teil eines
schwerbehindertenrechtlichen Bescheides nicht in Be-standskraft, wie die Berufungsklägerin selbst eingeräumt hat.
Zum Anderen trifft schon der Ausgangspunkt der Berufungsklägerin nicht zu. Auch im Bescheid vom 7. Dezember
1998 war nämlich nicht die Wirbelsäulenerkrankung der Berufungs-klägerin isoliert mit einem Teil-GdB von 30 bewertet
worden. Vielmehr war hier der Wirbelsäulenschaden mit Nervenwurzelreizung mit dem Schulter-Arm-Syndrom und den
Belastungsbeschwerden der Hände zusammengefasst worden, wie sich aus dem versorgungsärztlichen Gutachten
von Dr. D. vom 13. November 1998 (Bl. 69 R des Verwaltungsvorgangs) ergibt. Dr. J. hat in seinem erstinstanz-lichen
Gutachten nun – in Übereinstimmung mit dem System der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im
sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, Ausgabe 1996 (AP 96) - eine andere
Zuordnung der jeweiligen Beschwerden vorgeschlagen. Insoweit hat er sich an den von den AP 96 vorgegebenen,
unterschiedlichen Funktionssystemen (vgl. insoweit Rdnr. 18 Abs. 4 der AP 96) orientiert und hat einerseits die
Beschwerden seitens des Rumpfs der Berufungsklägerin mit einem Teil-GdB von 20 und andererseits die
Beschwerden seitens der Extremitäten ebenfalls mit einem Teil-GdB von 20 be-wertet.
Angesichts der Angaben der Berufungsklägerin anlässlich der gutachtlichen Un-tersuchung durch Dr. J. und
angesichts der von Dr. J. erhobenen objektiven Be-funde liegen bei der Berufungsklägerin keine
Funktionseinschränkungen vor,die höher bewertet werden müssten. Insoweit hat auch die Berufungsklägerin keine
konkreten Hinweise vortragen lassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von §§ 183, 193 SGG.
Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.