Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 13.11.2013

LSG Niedersachsen: berufliche eingliederung, reisekosten, fahrtkosten, verkehrsmittel, ermessensfehlgebrauch, bahnhof, taxi, stress, verfügung, niedersachsen

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Angelegenheiten nach dem SGB II
SG Lüneburg 37. Kammer, Urteil vom 13.11.2013, S 37 AS 1114/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Reisekosten.
Der im Jahr 1982 geborene Kläger bezieht seit dem Jahr 2004 Leistungen
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (= SGB II).
Mit dem für die Zeit vom 09.02.2012 bis zum 08.08.2012 geltenden
Eingliederungsverwaltungsakt vom 09.02.2012 wurde unter anderem
festgestellt, dass der Beklagte die Bewerbungsaktivitäten nach Maßgabe des
§ 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 45 SGB III durch die Übernahme von
angemessenen und nachgewiesenen Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen
unterstützt, sofern die Kostenübernahmeverfahren durch den Kläger beantragt
wurde (Bl. 7 der Akte des Sozialgerichts <= SG>).
Am 03.05.2012 beantragte der Kläger die Erstattung von Reisekosten für ein
am 10.05.2012 stattfindendes Vorstellungsgespräch in Hannover. Den an
diesem Tag um 11:00 Uhr stattfindenden Termin nahm der Kläger wahr. Mit
dem Bescheid vom 30.05.2012 bewilligte der Beklagte Fahrtkosten i. H. v.
insgesamt 29,00 €. Abgelehnt wurden demgegenüber Taxikosten für die Fahrt
vom Bahnhof bis zu dem Ort, an dem das Vorstellungsgespräch stattfand. Für
diesen Teil des Weges wurde lediglich eine Pauschale in Höhe von 0,20 €/Km
gewährt.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass
sich der Beklagte in der Eingliederungsvereinbarung verpflichtet habe, die
angemessenen und nachgewiesenen Fahrtkosten zu übernehmen. Die
Angemessenheit der Taxikosten ergebe sich daraus, dass er sich in Hannover
nicht auskennen würde und nicht zu spät oder gestresst zu dem Termin habe
erscheinen wollen. Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid
vom 06.07.2012 zurückgewiesen. Darin wurde unter anderem ausgeführt,
dass nicht erkennbar sei, dass der Kläger infolge von Zeitdruck ein Taxi habe
nehmen müssen. Der Vorstellungstermin habe vielmehr erst um 11:00 Uhr
stattgefunden. Die Ablehnung der Kostenerstattung für die Benutzung eines
Taxis sei regelmäßig ermessensfehlerfrei, weil es einem Arbeitslosen
grundsätzlich zumutbar sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, sich
rechtzeitig über die entsprechenden Verkehrsverbindungen zu informieren und
auch rechtzeitig die Fahrt anzutreten. Bei der Benutzung dieser Verkehrsmittel
werde auf die jeweilige Fassung von § 5 des Bundesreisekostengesetzes (=
BRKG) Bezug genommen, wobei nach der gegenwärtigen Fassung 0,20 €/Km
erstattet würden.
Hiergegen hat der Kläger am 23.07.2012 beim SG Lüneburg Klage erhoben
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und geltend gemacht, dass er neben der fehlenden Ortskenntnis auch mit
einer Sanktion hätte rechnen müssen, wenn er zu dem Termin nicht
erschienen wäre. Die Ablehnungsbegründung würde sich darüber hinaus auch
nicht mit den Vorgaben in der Eingliederungsvereinbarung vom 09.02.2012 zur
Übernahme von Reisekosten decken.
Der Beklagte hat demgegenüber weiterhin die Auffassung vertreten, dass die
Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln dem Kläger im konkreten Fall
zumutbar gewesen wäre, zumal er auch über die intellektuellen Fähigkeiten
verfügen würde, sich die notwendigen Informationen zu beschaffen.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger an seinem Vortrag festgehalten
und außerdem einen Schriftsatz vom 12.11.2013 eingereicht. Auf dessen
Inhalt wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
1.) den Bescheid des Beklagten vom 30.05.2012 und den
Widerspruchsbescheid vom 06.07.2012 teilweise aufzuheben.
2.) den Beklagten zu verpflichten, ihm weitere Reisekosten in Höhe von
22,30 € zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der
Beteiligten wird auf die Prozessakten und die den Kläger betreffende
Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf die
Erstattung von weiteren Reisekosten hat. Die angefochtene Entscheidung
erweist sich als rechtmäßig.
Gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 6 b Abs. 1 SGB II kann der Beklagte u. a. die
im 3. Kapitel des SGB III geregelten Leistungen erbringen. Gemäß § 45 Abs. 1
SGB III in der bis zum 01.04.2012 geltenden Fassung (= § 44 SGB III in der ab
dem 01.04.2012 geltenden Fassung) war wiederum bestimmt, dass
Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget… bei der Anbahnung oder Aufnahme
einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für
die berufliche Eingliederung notwendig ist. Sie sollen insbesondere bei der
Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten
Eingliederungsziele unterstützt werden. Die Förderung umfasst die
Übernahme der angemessenen Kosten, soweit der Arbeitgeber gleichartige
Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird. In § 45 Abs. 3 S. 1
SGB III a. F. war außerdem bestimmt, dass die Bundesagentur für Arbeit bzw.
der Beklagte über den Umfang der zu erbringenden Leistungen entscheidet
und auch Pauschalen festlegen kann. Da es sich bei der genannten
Förderung um eine Ermessensleistung handelt, besteht in diesem Rahmen
grundsätzlich kein von vornherein festgelegter Rechtsanspruch, dass eine
bestimmte Leistung in einer bestimmten Höhe erbracht wird. Gem. § 39 Abs. 1
SGB I haben die Leistungsträger ihr Ermessen vielmehr entsprechend dem
Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des
Ermessens einzuhalten, wobei auf die pflichtgemäße Ausübung des
Ermessens ein Anspruch besteht. Weiterhin ist zu beachten, dass eine
Ermessensentscheidung gerichtlich nur in eingeschränktem Umfang
überprüfbar ist, da das Gericht grundsätzlich nur feststellen kann, ob die
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gesetzlichen Grenzen des Ermessens über- bzw. unterschritten sind oder ein
Ermessensfehlgebrauch vorliegt (§ 54 Abs. 2 S. 2 SGG).
Im vorliegenden Fall liegt ein Ermessensfehlgebrauch nicht vor. Bei der
Erstattung von Fahrt- bzw. Reisekosten zum Vorstellungstermin ist das
Ermessen dahingehend eingeschränkt, dass lediglich eine Förderung in Höhe
der angemessenen Kosten gesetzlich vorgesehen ist. Aus dem
Eingliederungsverwaltungsakt vom 09.02.2012 kann sich keine für den Kläger
abweichende bzw. günstigere Rechtsfolge ergeben, da darin für die Förderung
auf den Wortlaut des § 16 Abs. 1 SGB II und 45 SGB III a. F. Bezug
genommen und ebenfalls nur die Übernahme von angemessenen Kosten zu
Vorstellungsgesprächen festgelegt wurde.
Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass es sich bei den Taxikosten nicht
um angemessene Kosten zu dem Vorstellungsgespräch gehandelt hat. Dem
Kläger standen vielmehr günstigere Verkehrsmittel zur Verfügung. Aufgrund
des im Recht der Grundsicherung geltenden Subsidiaritätsgrundsatzes (§ 2
Abs. 1 S. 1 SGB II) muss der Leistungsberechtigte wiederum zuvor alle
Möglichkeiten ausschöpfen, die Ausgaben so gering wie möglich zu halten,
wenn er eine entsprechende Kompensation durch den SGB II-Träger erstrebt.
Vor diesem Hintergrund war der Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger die
Taxikosten für die Fahrt vom Bahnhof zum Ort des Vorstellungsgesprächs zu
erstatten. Auch nach Auffassung der Kammer war es im konkreten Fall
zumutbar, dass der Kläger die Fahrt zu dem Vorstellungsgespräch mit
öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt. Der Termin fand am 10.05.2012 um
11:00 Uhr, d. h. am späten Vormittag, statt, so dass der Ort des
Vorstellungsgesprächs unschwer mit den in einer Großstadt regelmäßig
verkehrenden öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden konnte. Es war dem
Kläger außerdem zumutbar, sich im Vorfeld über die Verbindungen zu
informieren, um die Reise so rechtzeitig anzutreten, dass er dort trotz
Ortsunkenntnis auch ohne Benutzung eines Taxis rechtzeitig und ohne Stress
bei dem Termin erscheinen konnte. Die Kammer pflichtet dem Beklagten auch
darin bei, dass der Kläger hierzu intellektuell in der Lage war, da in der
mündlichen Verhandlung deutlich wurde, dass sich der Kläger in komplizierte
Sachverhalte akribisch einarbeiten und die gewonnenen Erkenntnisse auch
umsetzen kann. Schließlich ist es auch nicht ermessensfehlerhaft, dass sich
der Beklagte für den Teil des Weges, den der Kläger mit dem Taxi
zurückgelegt hat, bei der Erstattung der Fahrtkosten an den Vorgaben des
BRKG orientiert hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe die Berufung zuzulassen, sind nicht ersichtlich.