Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 29.08.2000

LSG Nsb: arbeitslosigkeit, altersrente, zumutbare arbeit, arbeitslosenhilfe, anerkennung, meldung, arbeitsamt, verfügung, arbeitsvermittlung, leistungsbezug

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 29.08.2000 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Aurich S 6 RA 6/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 1 RA 200/00
Das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 29. August 2000 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit für die Zeit vom 28. September bis
31. Dezember 1997 als rentensteigernden Tatbestand.
Der im Dezember 1937 geborene Kläger ist in seinem Erwerbsleben zunächst als Funker bzw. Funk-offizier zur See
gefahren und hat zuletzt als Vertriebsmitarbeiter gearbeitet. Nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages war er seit
dem 1. Februar 1995 arbeitslos gemeldet. Dabei bezog der Kläger vom zuständigen Arbeitsamtes (AA) D.zunächst
Arbeitslosengeld (Alg) bis zum 27. September 1997 (Bescheinigungen des AA vom 5. Januar und 31. Januar 1996,
13. März 1998 und 22. Oktober 1997). Nach Mitteilung des AA vom 18. Februar 1996, 22. Oktober 1997 und 16.
Januar 1998 blieb der Klä-ger für die hier streitige Zeit ab dem 28. September 1997 bis zum 31. Dezember 1997
weiterhin ar-beitslos gemeldet, hatte jedoch nach Auslaufen des Alg am 27. September 1997 auf eine Antragstel-lung
auf Alhi ab dem 28. September 1997 verzichtet und daher bis zum 31. Dezember 1997 keine Leistungen vom AA
mehr bezogen. Daneben hatte der Kläger am 2. Januar 1996 (unmittelbar nach Vollendung seines 58. Lebensjahres)
eine Erklärung nach § 105c AFG abgegeben und diese Erklä-rung weder widerrufen noch nach Auslaufen des Alg-
Anspruchs am 27. September 1997 zurückge-nommen.
In § 105c Abs. 1 AFG in der Fassung vom 26. Juli 1994 (BGBl. I, S. 1786, seit dem 1. August 1996 in der Fassung
vom 23. Juli 1996, BGBl. I S. 1078) hieß es:
"Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 100 Abs. 1 hat auch, wer das 58. Lebensjahr vollendet hat und die in den §§
101 bis 103 genannten Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeits-losengeld allein deshalb nicht erfüllt, weil er
nicht bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung an-zunehmen ... Das Arbeitsamt soll den Arbeitslosen ...auffordern,
...Altersruhegeld zu beantragen. Stellt der Arbeitslose den Antrag nicht, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld ... bis
zu dem Tage, an dem der Arbeitslose Altersruhegeld beantragt."
Auf dem dazu vom Kläger unterschriebenen Formblatt hieß es u.a.:
Ich möchte von der Möglichkeit Gebrauch machen, Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe unter der erleichterten
Voraussetzung des § 105c AFG zu beziehen, denn ich möchte nicht mehr voll am Erwerbsleben teilnehmen.
Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe nach § 105c AFG kann ich allerdings nur beanspruchen, wenn ich
Beschäftigungen unter den üblichen Be-dingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf und wenn
ich für das Ar-beitsamt erreichbar bin und es täglich aufsuchen kann (Aufenthaltspflicht) ...
Mir ist bekannt, daß a) das Arbeitsamt mich auffordern wird, innerhalb eines Monats Altersrente zu beantra-gen, wenn
ich - Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe unter der erleichterten Voraussetzung des § 105c AFG mindestens 3
Monate erhalten habe und - in absehbarer Zeit die Voraussetzungen auf Altersrente voraussichtlich erfülle, b) der
Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe vom Tage nach Ablauf der genannten Monatsfrist an bis zu dem
Tage, an dem ich Altersrente beantrage, ruht, wenn ich den Antrag auf Altersrente nicht stelle, c) die
Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe unter der erleich-terten Voraussetzung des § 105c AFG
Auswirkungen auf die Altersrente haben kann, d) ich die in diesem Zusammenhang stehenden rentenrechtlichen
Angelegenheiten, ins-besondere den frühestmöglichen Beginn der Altersrente und die dann zu erwartende Höhe der
Rente bei meinem Rentenversicherungsträger klären kann (Bitte im Falle eines Antrags auf Rentenauskunft zu
dessen beschleunigter Bearbeitung dem Ren-tenversicherungsträger auf die beabsichtigte Inanspruchnahme der
Gewährung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe nach § 105c AFG hinweisen), e) (Belehrung über die
Widerrufbarkeit der Erklärung) f) ich im Falle der Nichtgewährung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe diese
Er-klärung bis zum Ablauf des auf die Beendigung der letzten Beschäftigung oder des Leistungsbezuges folgenden
Kalendermonats schriftlich zurücknehmen und ein Be-werberangebot bei meinem Arbeitsvermittler abgeben muß,
wenn ich die Zeit der Ar-beitslosigkeit, in der allein wegen Zusammentreffens mit anderen Leistungen oder der
Berücksichtigung von Einkommen oder Vermögen ein Leistungsbezug nicht gegeben ist, als Ausfallzeit für meine
Rentenversicherung gemeldet haben möchte, und g) (Regelungen zum Widerruf der Erklärung)
Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Altersrente werde ich voraussichtlich frühestens ab (es folgt die
handschriftliche Eintragung "01/98") erfüllen.
Anlagen: Text des § 105c AFG ..."
Im August 1997 beantragte der Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres zum
1. Januar 1998. Mit Bescheid vom 7. Januar 1998 entsprach die Beklagte dem Antrag, wobei sie die Zeit vom 1.
Februar 1995 bis zum 27. September 1997 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit berücksichtigte, die hier
streitige Zeit vom 28. September bis 31. Dezember 1997 aber nicht anerkannte (Neuberechnungen der Rente erfolgten
mit Bescheiden vom 16. April, 22. Juli, 26. August und 3. September 1998 sowie mit Bescheiden vom 17. Dezember
1998, 1. November 1999, 17. Januar 2000.)
Gegen den Ausgangsbescheid vom 7. Januar 1998 legte der Kläger Widerspruch ein wegen mehre-rer, seines
Erachtens zu Unrecht nicht berücksichtigter Versicherungszeiten, darunter auch wegen der Nichtberücksichtigung der
hier streitigen Zeit. Die Beklagte half dem Widerspruch teilweise ab, lehnte aber die Anerkennung weiter Zeiten,
darunter auch die hier streitige Zeit, mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 1998 ab. Zur Begründung führte sie
aus: Nach Mitteilung des AA habe der Kläger eine Erklärung gem. § 105 c AFG abgegeben und damit der
Arbeitsvermittlung nur noch einge-schränkt zur Verfügung gestanden. Diese Erklärung habe der Kläger auch nach
dem Ende des Be-zugs von Alg nicht widerrufen. Bei eingeschränkter Verfügbarkeit bestehe jedoch keine
Arbeitslosig-keit im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) E. erhoben und einen Aufklärungsmangel geltend
gemacht. Er sei nicht darüber aufgeklärt worden und ha-be deshalb nicht gewusst, dass er nach Auslaufen des Alg
die Erklärung nach § 105c AFG habe zurücknehmen bzw. sich wieder habe arbeitslos melden müssen, um eine
Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit anerkannt zu erhalten. Nach Auslaufen des Alg sei er sowohl bei der
Seekasse F. als auch beim AA vorstellig geworden und habe gefragt, wie er sich verhalten solle, um seine
Rentenansprüche aufrecht zu er-halten. Dort seien unzutreffende Auskünfte erteilt worden. Die damaligen Mitarbeiter
sollten als Zeugen vernommen werden. Auch sei der Kläger durch den von ihm un-terschriebenen Vordruck nicht
ausreichend informiert worden. Der Vordruck sei irre-führend gestaltet, so dass die Bedeutung des § 105c AFG mit
seinen rentenrechtli-chen Folgen für den Kläger nicht erkennbar gewesen sei. Das SG hat die Beklagte in einem
rechtlichen Hinweis darauf hingewiesen, dass nach einer Entscheidung des 5. Senats des Bundessozialgerichts
(BSG) aus dem Jahre 1997 die Abgabe einer Er-klärung nach § 105c AFG der Annahme von Arbeitslosigkeit i.S.v. §
58 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht entgegenstehe. Die Beklagte hat erwidert, dass die
Entscheidung des 5. Senats im Widerspruch stehe zu den Entscheidungen anderer Senate des BSG, denen sie folge.
Sodann hat das SG mit hier angefochte-nem Urteil vom 29. August 2000 die Beklagte verpflichtet, die streitige Zeit
als An-rechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit anzuerkennen und die dem Kläger gewährte Rente wegen
Arbeitslosigkeit unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide neu zu berechnen. Zur Begründung hat das SG
ausgeführt: Nach der Entscheidung des 5. Senats des BSG aus dem Jahre 1997 sei beim Kläger trotz der Erklärung
nach § 105c AFG ein Anrechnungstatbestand wegen Arbeitslosigkeit anzuerkennen. Ein anderes Ergebnis würde sich
im Übrigen auch nach der Rechtsprechung der an-deren Senate nicht ergeben. Denn nach den Entscheidungen des
4., 8. und 13. Se-nats des BSG bestehe die aus der Erklärung gem. § 105c AFG folgende Beschrän-kung der
subjektiven Verfügbarkeit des Versicherten jedenfalls dann nicht mehr fort, wenn sich der Versicherte im Anschluss
an den Leistungsbezug regelmäßig, d.h. in Abständen von 3 Monaten, beim AA melde. Nach dem Vortrag des
Klägers habe er sich aber am 1. Oktober 1997 und damit innerhalb von drei Monaten wieder beim AA gemeldet.
Gegen dieses ihr am 16. September 2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. September 2000 eingelegte
Berufung der Beklagten, die an der Auffassung festhält, dass eine Erklärung nach § 105c AFG der Annahme von
Arbeitslosigkeit im Sinne von § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI entgegenstehe. Auch habe sich der Kläger nicht im
Abstand von 3 Monaten nach dem Auslaufen des Alg am 27. September 1997 beim AA arbeitslos gemeldet. Denn
eine solche Meldung gehe aus der gesamten Verwaltungsakte nicht hervor und ergebe sich auch nicht aus der
Erklärung des AA vom 16. Januar 1998. Darin sei allein pauschal die Arbeitslosmeldung und Verfügbarkeit des
Klägers in der streitigen Zeit bescheinigt worden, nicht aber die tatsächliche und persönliche Meldung des Klägers
beim AA.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
1. das Urteil des Sozialgerichts E.vom 29. August 2000 aufzuheben,
. die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Er bezieht sich zur Begründung auf das Urteil des SG und trägt ergänzend vor: er habe sich am 1. Oktober 1997
persönlich arbeitslos gemeldet. Zwar sei diese Arbeitslosmeldung nicht dokumentiert, der Nachweis ergebe sich
jedoch aus der zusammenschauenden Betrachtung der vorliegenden Un-terlagen, insbesondere der Bescheinigung
des AA vom 16. Januar 1998. Dort habe das AA die Ar-beitlosmeldung und Verfügbarkeit des Klägers im streitigen
Zeitraum bestätigt. Zwar gehe aus der Bescheinigung nicht die tatsächliche und persönliche Meldung beim AA hervor,
jedoch sei zu berück-sichtigen, dass das AA ohne die tatsächliche Meldung die Bescheinigung nicht hätte erteilen
dürfen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zuge-stimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwal-tungsakte der
Beklagten sowie auf die beigezogene Akte des AA D.Bezug genommen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand
von Beratung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung
entscheiden, da sich die Beteiligten zuvor hiermit einverstanden erklärt haben.
Die gem. §§ 143 f. SGG statthafte und zulässige Berufung ist begründet.
Das Urteil des SG war aufzuheben. Die Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Der Klä-ger hat keinen
Anspruch auf Anerkennung der streitigen Zeit als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosig-keit. Denn Arbeitslosigkeit im
rentenrechtlichen Sinn des § 58 SGB VI lag nicht vor.
Zutreffend hat das SG als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI
abgestellt. Danach sind als rentenrechtliche Anrechnungstatbestände solche Zeiten anzuer-kennen, "in denen
Versicherte wegen Arbeitslosigkeit bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitssu-chende gemeldet waren und eine
öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu be-rücksichtigenden Einkommens oder Vermögens
nicht bezogen haben." Ebenso zutreffend ist das SG davon ausgegangen, dass der Kläger nach dieser Vorschrift im
streitigen Zeitraum arbeitslos war und nach dem Auslaufen von Alg nur deshalb keine Alhi bezog, weil Einkommen
oder Vermögen zu be-rücksichtigen waren und der Kläger deshalb auf eine Antragstellung für Alhi verzichtet hat
(Erklärung des Klägers vom 15. August 1997).
Zutreffend hat das SG auch ausgeführt, dass das Tatbestandsmerkmal "als Arbeitssuchende(r) ge-meldet" bei
Inanspruchnahme von Alg/Alhi nach § 105c AFG (ebenso bei der Nachfolgevorschrift des § 428 Drittes Buch
Sozialgesetzbuch - SGB III) in der Rechtsprechung der für das Rentenversiche-rungsrecht zuständigen Senate des
BSG (und in der einschlägigen Literatur) unterschiedlich ausge-legt wird. Dabei geht es um eine einzelne
Fallkonstellation, die hier vorliegt und als solche bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen verschiedener Senate
des BSG war:
Der Versicherte wird kurze Zeit vor Vollendung seines 58. Lebensjahres arbeitslos und beantragt Alg/Alhi. Dazu
müssen zwar grundsätzlich alle arbeitsförderungsrechtlichen Voraussetzungen nach AFG/SGB III erfüllt sein, d.h. der
Versicherte muss (1.) beschäftigungslos sein (Arbeitslosigkeit), (2.) arbeiten können und dürfen (objektive
Verfügbarkeit) und (3.) das AA täglich aufsuchen können und für das AA erreichbar sein (persönliche Erreichbarkeit;
3.a.) sowie bereit sein, jede zumutbare Be-schäftigung aufzunehmen (Arbeitsbereitschaft; 3.b.). Die Voraussetzungen
zu 3.a. und b. bewirken die sogenannte uneingeschränkte subjektive Verfügbarkeit. Während jedoch die
Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit, der objektiven Verfügbarkeit und der persönlichen Erreichbarkeit (1. bis 3.a.)
stets erfüllt sein müssen, besteht im Hinblick auf die Arbeitsbereitschaft (3.b.) nach dem Arbeitsförderungs-recht die
Möglichkeit einer erleichterten Inanspruchnahme von Alg/Alhi, nämlich trotz nur einge-schränkter subjektiver
Verfügbarkeit. Denn nach § 105c AFG bzw. § 428 SGB III kann Alg/Alhi auch dann gewährt werden, wenn der
Arbeitslose das 58. Lebensjahr vollendet hat und nicht bereit ist, jede zumutbare Arbeit aufzunehmen (sogenannte
eingeschränkte subjektive Verfügbarkeit), sofern er in absehbarer Zeit Altersruhegeld beantragen kann, vom AA zu
dieser Antragstellung aufgefordert wird und den Antrag auch stellt. Nach der Aufforderung durch das AA gem. § 105c
AFG bzw. § 428 SGB III erklärt der Versicherte im Regelfall zum einen, nicht jede zumutbare Beschäftigung
aufnehmen zu wollen, und zum anderen, rechtzeitig den Antrag auf Altersruhegeld zu stellen, etwa auf Altersrente
wegen Arbeitslosigkeit nach § 38 SGB VI. Stellt er den Antrag nicht, ruht der Anspruch auf Alg/Alhi (wegen nur
eingeschränkter subjektiver Verfügbarkeit), § 105c Abs. 2 Satz 2 AFG bzw. § 428 Abs. 2 Satz 2 SGB III. In der
vorliegend in Rede stehenden Fallkonstellation wird trotz eingeschränkter Ver-fügbarkeit (wegen §§ 105c AFG/428
SGB III) dem Arbeitslosen zunächst Alg gewährt, jedoch läuft der Alg-Anspruch noch vor Erreichen der Altersgrenze
für die beantragt Altersrente (im Regelfall das 60. Lebensjahr, vgl. nochmals § 38 SGB VI) aus und Anspruch auf Alhi
besteht für den Zwischenzeitraum bis zum Rentenbezug nicht, zumeist deshalb nicht, weil - wie auch vorliegend -
dem Versicherten anderweitige Einkünfte oder Vermögen zur Verfügung stehen.
Unter den für das Rentenversicherungsrecht zuständigen Senaten des BSG ist umstritten, ob diese Zwischenzeit
zwischen Auslaufen des Alg und Beginn der Rente bei fehlendem Leistungsbezug trotz der nur eingeschränkten
subjektiven Verfügbarkeit als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit aner-kannt werden kann oder nicht. Während
der 5. Senat des BSG, dem das SG im angefochtenen Urteil gefolgt ist, eine Anerkennung bejaht, wird sie vom 4., 8.
und 13. Senat verneint. Nach der Rechtspre-chung dieser Senate müssen nach Auslaufen des Alg für die
Anerkennung einer Anrechnungszeit wieder alle Merkmale der Arbeitslosigkeit nachgewiesen werden (vgl. die
zusammenfassende Dar-stellung von S. Knickrehm in Gemeinschaftskommentar zum Arbeitsförderungsrecht – GK-
SGB III, § 428 SGB III, Anm. 30 ff.).
Anders als das SG vermag sich der erkennende Senat in rechtlicher Hinsicht nicht dem 5. Senat des BSG
anzuschließen und folgt der Rechtsprechung namentlich des 4. Senats des BSG sowie der weit überwiegenden
Ansicht in der Literatur (wie hier: BSG, 4. Senat, Urteil vom 18.7.1996, 4 RA 69/95, SozR 3-2600 § 58 Nr. 6; BSG, 13.
Senat, Urteil vom 8.2.1996, 13 RJ 19/95, SozR 3-2600 § 58 Nr. 5; BSG 8. Senat, Urteil vom 13.8.1996, 8 RKn 30/95,
SozR 3-2600 § 58 Nr. 7; Försterling in Gemein-schaftskommentar zum Sozialgesetzbuch – Gesetzliche
Rentenversicherung, § 58 Rn. 118; Klatten-hoff in Hauck u.a., Kommentar zur Gesetzlichen Rentenversicherung, § 58
Rn. 41;Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Kom-mentar, § 58
SGB VI, Anm. 5a; Niesel u.a., Kommentar zum AFG, 1997, § 105c Rn. 5; vgl. auch Kas-seler-Kommentar-Niesel, §
58 SGB VI, Rn. 26n). Außerdem ist der erkennende Senat anders als das SG nicht davon überzeugt, dass sich der
Kläger im streitigen Zeitraum vor Rentenbeginn nochmals persönlich arbeitssuchend gemeldet hat.
Der Begriff der Arbeitssuche im Sinne von § 58 SGB VI ist unter rentenversicherungsrechtlichen und nicht unter
arbeitsförderungsrechtlichen Anforderungen auszulegen. Denn er entscheidet nicht über die Gewährung
arbeitsförderungsrechtlicher Leistungen, sondern über das Vorliegen einer rentenver-sicherungsrechtlichen Zeit und
beeinflusst zudem die Rentenhöhe. Eine Einstrahlungswirkung des AFG/SGB III in das Rentenrecht ist auch durch
keine rentenrechtliche Norm zugelassen oder vorge-sehen und wäre daneben auch gesetzessystematisch bedenklich,
da das Arbeitsförderungsrecht nicht Bestandteil des Sozialversicherungsrechts ist, dem das Rentenrecht zugehört.
Sofern daher das Ar-beitsförderungsrecht etwa eine Leistungsbewilligung unter erleichterten Voraussetzungen
einräumt, muss diese Erleichterung folglich nicht zwangsläufig im Rentenversicherungsrecht übernommen wer-den. In
der in Rede stehenden Fallkonstellation der Arbeitslosigkeit bei nur eingeschränkter subjekti-ver Verfügbarkeit dürfte
die Übernahme dieser Erleichterung sogar im Widerspruch zur rentenrechtli-chen Systematik stehen: Denn
Grundtatbestand der rentenversicherungsrechtlichen Zeiten ist die Pflichtbeitragszeit. Eine Anrechnungszeit wegen
Arbeitslosigkeit ist nur als Ausnahmefall und nur dann anzuerkennen, wenn der Versicherte gegen seinen Willen (und
damit auch gegen seine Bereit-schaft) und allein wegen eines fehlenden Arbeitsplatzes daran gehindert ist,
Pflichtbeiträge zu ent-richten. Dies ist bei nur eingeschränkter subjektiver Verfügbarkeit aber gerade nicht der Fall.
Hier ist der Versicherte gerade nicht aus rein fremdbestimmten Gründen (fehlender Arbeitsplatz), sondern auch aus
eigenen Motiven (fehlende Bereitschaft zur Aufnahme jeder zumutbaren Arbeit) ohne Ar-beitsplatz und damit ohne
Pflichtbeitragsentrichtung. Im Übrigen würden bei einer Übernahme der erleichterten Voraussetzungen der §§ 105c
AFG/428 SGB III in das Rentenrecht auch spezifisch ren-tenrechtliche Normen unverständlich bzw. würde ihr
Regelungsgehalt unterlaufen (vgl. die Darstellun-gen zu den Regelungen der §§ 252, 237 SGB VI u.a. bei: BSG, 4.
Senat, Urteil vom 18.7.1996, 4 RA 69/95, SozR 3-2600 § 58 Nr. 6). Daher ist an der Trennung zwischen den jeweils
spezifischen Vor-aussetzungen des Arbeitsförderungsrechts einerseits und denen des Rentenversicherungsrechts an-
dererseits festzuhalten, wie sie etwa auch in der unterschiedlichen Zuordnung der Risiken der Ar-beitslosigkeit
einerseits und der verminderten Erwerbsfähigkeit andererseits zum Ausdruck kommt (zum Ganzen ebenso: BSG, 4.
Senat, Urteil vom 18.7.1996, 4 RA 69/95, SozR 3-2600 § 58 Nr. 6).
Somit gelten in rechtlicher Hinsicht die erleichterten Voraussetzungen einer nur eingeschränkten sub-jektiven
Verfügbarkeit, wie sie in §§ 105c AFG bzw. 428 SGB III zugunsten der Antragsteller nach dem Arbeitsförderungsrecht
eingeräumt sind, beim Begriff der Arbeitssuche im Sinne der rentenrecht-lichen Vorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr.
3 SGB VI nicht.
Damit war der Kläger im vorliegend streitigen Zeitraum (28. September bis 31. Dezember 1997) aber nicht
"arbeitssuchend" im Sinne von § 58 VI. Insoweit beurteilt der erkennende Senat den vorliegen-den Fall auch in
tatsächlicher Hinsicht anders als das SG:
Im streitigen Zeitraum bestand keine uneingeschränkte subjektive Verfügbarkeit des Klägers. Dies ergibt sich zum
einen daraus, dass er mit seiner Erklärung vom 2. Januar 1996 zum Ausdruck ge-bracht hatte, der Arbeitsvermittlung
(bis zum Rentenbeginn) nicht (mehr) uneingeschränkt zur Verfü-gung stehen zu wollen, und er diese Erklärung bis
zum Rentenbeginn auch nicht widerrufen oder zu-rückgenommen hat (zur Reichweite und Rücknahmemöglichkeit der
Erklärung: BSG, 13. Senat, Urteil vom 8.2.1996, 13 RJ 19/95, SozR 3-2600 § 58 Nr. 5). Und zum zweiten hat er auch
nicht durch eine etwaige persönliche Vorsprache beim AA einen gegenteiligen Willen bekundet, wie es nach verbrei-
teter Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, notwendig gewesen wäre (zur Notwendigkeit der persönlichen
Vorsprache innerhalb eines Vierteljahres nach Auslaufen des Alg zur Aufrechterhaltung der Arbeitslosigkeit nach § 58
SGB VI ebenso: BSG, 4. Senat, Urteil vom 18.7.1996, 4 RA 69/95, SozR 3-2600 § 58 Nr. 6; Försterling in
Gemeinschaftskommentar zum Sozialgesetzbuch – Gesetzli-che Rentenversicherung, § 58 Rn. 118; Niesel u.a.,
Kommentar zum AFG, 1997, § 105c Rn. 5; im Ergebnis ebenso: BSG, 13. Senat, Urteil vom 8.2.1996, 13 RJ 19/95,
SozR 3-2600 § 58 Nr. 5; Klat-tenhoff in Hauck u.a., Kommentar zur Gesetzlichen Rentenversicherung, § 58 Rn.
41;Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Kommentar, § 58 SGB
VI, Anm. 5a). Denn es ist nicht nachweisbar, dass sich der Kläger zwischen dem Auslaufen des Alg-Bezuges am 27.
September 1997 und dem Rentenbeginn am 1. Januar 1998 nochmals beim AA persönlich gemeldet hätte.
Insbesondere ist der vom Kläger behauptete Ge-sprächstermin am 1. Oktober 1997 weder nachgewiesen noch
ergeben sich Anhaltspunkte für einen solchen Termin aus der dem Senat vorliegenden Verwaltungsakte des AA. Nach
dieser Akte hat der Kläger vor dem Rentenbeginn letztmals am 15. August 1997 beim AA vorgesprochen und auf den
Bezug von Alhi verzichtet. Ein weiteres persönliches Vorsprechen ist danach nicht mehr ersichtlich. Stattdessen
begann am 1. Januar 1998 die Rentenzahlung. Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis ist auch nicht aus der vom
Kläger in den Vordergrund gerückten Bescheinigung des AA vom 16. Januar 1998 herzuleiten. Zwar hat darin das AA
bestätigt, dass der Kläger im Zeitraum vom 1. Februar 1995 bis zum 31. Dezember 1997 durchgängig arbeitslos
gemeldet gewesen sei und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Zum einen besagt jedoch die
Arbeitslosmeldung nichts über die (uneingeschränkte subjektive) Verfügbarkeit, sondern stellt ein neben dieser
stehen-des, selbständiges Erfordernis dar, das auch in einem eigenen gesetzlichen Tatbestand geregelt ist (AFG:
Verfügbarkeit in § 103, Arbeitslosmeldung in § 105; SGB III: Verfügbarkeit in § 119, Arbeitslos-meldung in § 122). Und
zum zweiten konnte und durfte das AA bei der Bestätigung der Verfügbarkeit allein die eingeschränkte subjektive
Verfügbarkeit bescheinigen, da es selbst ausschließlich von der eingeschränkten subjektiven Verfügbarkeit ausging.
Denn das AA hatte den Kläger zum Verfahren nach § 105c AFG aufgefordert und dieser hatte in Entsprechung dieser
Regelung den Antrag auf Al-tersrente wegen Arbeitslosigkeit ab Vollendung des 60. Lebensjahres gestellt und – wie
vom AA ge-plant – ab 1. Januar 1998 Rente in Anspruch genommen.
Schließlich kann der Kläger ein für ihn günstigeres Ergebnis auch nicht auf den sozialrechtlichen Her-
stellungsanspruch stützen, wie er es in erster Instanz unter umfassendem Vortrag vertreten hat. Es ist nicht nur
zweifelhaft, ob überhaupt ein objektiv fehlerhaftes Verhalten der Beklagten oder des AA vor-liegt, das der Beklagten
zugerechnet werden könnte. Denn das AA hatte in dem dem Kläger überge-benen und von ihm am 2. Janaur 1996
unterschriebenen Vordruck auf etwaige Auswirkungen eines Alg/Alhi-Bezuges gem. § 105c AFG auf rentenrechtliche
Sachverhalte sowie auf die Möglichkeit einer diesbezüglichen Beratung durch den Rentenversicherungsträger
ausdrücklich hingewiesen, vgl. die Ziffern c), d) und f) des Formblatts. Auch kann dahinstehen, ob die darin gewählten
Formulierungen zu unbestimmt oder überraschend gewesen seien, wie der Kläger in erster Instanz meinte. Denn
jeden-falls würde ein Herstellungsanspruch, sollten seine Voraussetzungen vorliegen, daran scheitern, dass mit den
Rechtsfolgen dieses Anspruchs zwar rechtliche (zulässige) Folgen fingiert werden können, nicht jedoch tatsächliche
Lebenssachverhalte. Dies gilt insbesondere für die Bereitschaft eines Ar-beitslosen zur uneingeschränkten
subjektiven Verfügbarkeit und ist bereits Gegenstand höchstrichter-licher Entscheidungen gewesen (ständige
Rechtsprechung, vgl. nur: BSG, Urteil vom 15.5.1995, 7 Rar 103/83, BSGE 58, 104, 106 zur Verfügbarkeit i.S.d.
Arbeitsförderungsrechts; LSG Bremen, Urteil vom 4.2.1998, L 5 Ar 14/97 zur subjektiven Verfügbarkeit nach § 105c
AFG, jeweils m.w.N.). Auf die vom Kläger in erster Instanz beantragte Zeugenvernehmung kam es daher auch in
zweiter Instanz nicht an.
Nach allem hat der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung der streitigen Zeit als Anrechnungszeit wegen
Arbeitslosigkeit. Dieses Ergebnis erweist sich auch bei einer systemübergreifenden Betrach-tung zwischen
Arbeitsförderungsrecht einerseits und Rentenversicherungsrecht andererseits als folge-richtig und benachteiligt den
Kläger nicht unangemessen. Denn dem rentenrechtlichen Nachteil der fehlenden Anrechnungszeit steht der
arbeitsförderungsrechtliche Vorteil gegenüber, während des Alg-Bezuges nicht mit einer Vermittlung durch das
Arbeitsamt rechnen zu müssen, die Geldleistungen also in jedem Fall in Anspruch nehmen und bis zum Auslaufen
des Alg vollständig ausschöpfen zu können. Dass die dabei in Rede stehende und nicht als Versicherungstatbestand
anerkannte Zwi-schenzeit im Regelfall nur kurz ist (vorliegend: 3 Monate und 3 Tage) und keine wesentliche Minde-
rung des Rentenzahlbetrags erwarten lässt, lässt den Nachteil darüber hinaus auch bei isolierter Be-trachtung als
nicht unangemessen erscheinen.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben, die Berufung war erfolgreich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, da der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG).