Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.06.2003

LSG Nsb: berufungskläger, bedingter vorsatz, angriff, wohnung, polizei, niedersachsen, anhörung, absicht, rechtswidrigkeit, minderung

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 23.06.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 18 VG 40/95
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 9 VG 6/98
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die Gewährung von Beschädigten-rente nach dem
Opferentschädigungsgesetz (OEG). Dem liegt ein Vorfall am 20. April 1991 zugrunde, über dessen Hergang im
Einzelnen divergierende Schil-derungen des Berufungsklägers sowie der im zugehörigen Strafverfahren und einem
vom Berufungskläger angestrengten zivilrechtlichen Schadensersatzpro-zess gehörten Zeugen vorliegen.
Soweit hiernach feststellbar, hielt sich der Berufungskläger am Tag des Vorfalls gegen 1.50 Uhr im Schlafzimmer der
Wohnung der Frau D., einer Bekannten, auf, als deren damaliger Ehemann, E. einen mehrere Kilogramm schweren
Pflasterstein durch das Fenster warf und kurze Zeit später selbst durch die ent-standene Öffnung in das
Schlafzimmer stieg. Dort stieß er Drohungen gegen D. aus, die daraufhin den Raum verließ. Der Berufungskläger hielt
E. fest und for-derte D. auf, Licht zu machen bzw. die Polizei zu rufen. Daraufhin entwich E. durch das zerstörte
Fenster. Der Berufungskläger setzte ihm vergeblich nach. Ausweislich der Eintragung in das Tätigkeitsbuch T F. der
örtlichen Polizeistation vom 20. April 1991 befand sich der Berufungskläger bei Eintreffen der Polizei mit stark
blutenden Schnittwunden an den Füßen und einer Platzwunde am Kopf in der Wohnung der D ... Die Polizeibeamten
brachten ihn in das Krankenhaus G., wo er wegen einer Schädelprellung mit ca. 6 cm langer Kopfplatzwunde rechts
parietal, multiplen Schnittwunden am Kopf, rechten Ober-arm, beiden Unterarmen und dem rechten Unterschenkel
sowie einer Fraktur des Os metatarsale V rechts bis zum 26. April 1991 stationär behandelt und dann be-schwerdefrei
in die hausärztliche Weiterversorgung entlassen wurde (Arztbericht des Kreiskrankenhauses G., Chefarzt Dr. H. vom
10. Juni 1991, Bl. 131 GA).
Am 2. August 1991 stellte der Berufungskläger Antrag auf Gewährung von Be-schädigtenversorgung nach dem OEG
und machte geltend, wegen der bei dem Vorfall davongetragenen Verletzungen bestehe noch immer ärztlicher
Behand-lungsbedarf. Das Versorgungsamt (VA) Hannover stellte umfangreiche Ermittlun-gen zum Tathergang an und
lehnte die Gewährung von Beschädigtenversorgung mit Bescheid vom 13. Dezember 1993 unter Hinweis darauf ab,
dass im Verlauf des Strafverfahrens gegen E. eine Vorsatztat nicht festgestellt worden sei. Dem-gegenüber setze die
Gewährung von Versorgung nach § 1 Abs. 1 OEG einen vorsätzlichen Angriff voraus. Hiergegen machte der
Berufungskläger mit seinem am 22. Dezember 1993 erhobenen Widerspruch geltend, es möge zutreffen, dass der
Steinwurf des E., der ihn am Kopf getroffen habe, ohne Verletzungsab-sicht in das unbeleuchtete Zimmer hinein
erfolgt sei. Dessen ungeachtet sei aber jedenfalls E. anschließend in das Zimmer eingedrungen und habe den
Berufungskläger auf das mit Glassplittern übersäte Bett gestoßen, wodurch die erheblichen Schnittverletzungen
entstanden seien. Von einem bloß fahrlässigen Verhalten könne insoweit keine Rede sein. Im weiteren Verlauf dieser
Auseinandersetzung habe sich der Berufungskläger dann auch den Fuß gebrochen.
Nach weiteren Ermittlungen wies das Landesversorgungsamt den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.
Mai 1995 zurück. Zur Begründung führte es aus, im Hinblick auf die widersprüchlichen und wechselnden
Sachverhaltsanga-ben aller Beteiligten habe sich nicht klären lassen, ob die erlittenen Verletzungen des
Berufungsklägers auf einem vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff des E. beruhten. Zwar sei der Sachverhalt
hinsichtlich des Steinwurfs im Wesent-lichen unstreitig; danach sei aber gerade von einem vorsätzlichen Angriff des
Herrn E. nicht auszugehen. Hinsichtlich der weiteren Verletzungen stelle sich ins-besondere auch nach dem eigenen
Vorbringen des Berufungsklägers in dem ge-gen Herrn E. geführten Zivilrechtsstreit als möglich dar, dass diese erst
bei des-sen Verfolgung entstanden seien. Jedenfalls unter solchen Umständen sei aber auch insoweit von einem
vorsätzlichen Angriff nicht auszugehen.
Die hiergegen am 26. Mai 1995 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Han-nover nach persönlicher Anhörung des
Berufungsklägers im Termin am 10. März 1998 mit Urteil vom gleichen Tage abgewiesen. Zur Begründung hat es im
We-sentlichen darauf hingewiesen, dass insbesondere die Fußverletzung des Beru-fungsklägers nicht lediglich auf
gezieltem Handeln des Schädigers, sondern e-benso gut auf einem Unglücksfall aus Anlass von dessen Verfolgung
beruhen könne. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Beschädigtenversorgung seien insoweit nicht
feststellbar.
Mit seiner am 7. Mai 1998 eingelegten Berufung verfolgt der Berufungskläger sein Begehren weiter. Er ist der
Auffassung, dass etwaige Widersprüchlichkeiten in seinem Vorbringen durch das Ergebnis seiner Anhörung vor dem
SG ausgeräumt worden seien. Hiernach sei unmissverständlich klargestellt, dass sich der Kno-chenbruch im Bereich
des Fußes aufgrund des tätlichen vorsätzlichen rechtswid-rigen Angriffs durch E. ereignet habe. Die fortbestehenden
Folgen des Bruches bedingten im Übrigen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um wenigstens 25 v.H ...
Der Berufungskläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinnge-mäß, 1. das Urteil des
Sozialgerichtes Hannover vom 10. März 1998 so-wie den Bescheid des Versorgungsamtes Hannover vom 13.
Dezember 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversor-gungsamtes Niedersachsen vom 11.
Mai 1995 aufzuheben,
2. den Berufungsbeklagten zu verurteilen, dem Berufungskläger aus Anlass des Vorfalles am 20. April 1991
Beschädigtenversorgung, insbesondere Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfä-higkeit um
wenigstens 25 v.H. zu gewähren.
Der Berufungsbeklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung das im schwerbehindertenrechtlichen Verfahren durch den Orthopäden Dr.
I. erstattete Gutachten vom 5. Juni 1998 ausgewertet, das Urteil des Oberlandesgerichts Celle zum Az. 9 U 181/93
vom 17. November 1994 beigezogen, die Abschrift der Tätigkeitsbucheintragung T F. des Polizeireviers J. vom 7.
September 1998 sowie den Arztbericht des Kreis-krankenhauses G. vom 10. Juni 1991 angefordert und auf Antrag
des Berufungs-klägers gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das fachorthopädische Gutach-ten des Dr. K. vom 3.
März 2003 erstatten lassen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Betei-ligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten, der Beschädigtenakten des Beru-fungsbeklagten sowie der Strafermittlungsakten der
Staatsanwaltschaft J. Bezug genommen, die beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe:
Mit Einverständnis der Beteiligten hat der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialge-richtsgesetz (SGG) ohne mündliche
Verhandlung entschieden.
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Berufung ist nicht begründet. Der Berufungskläger hat gegen den
Berufungsbeklagten keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung, insbesondere Beschädigtenrente nach Maßgabe
der §§ 1 Abs. 1 OEG i.V.m. 29 ff Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Entschädigung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG erhält gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG, wer im
Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffs gegen seine oder eine
an-dere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schä-digung erlitten hat. Diese
Voraussetzungen sind im Falle des Berufungsklägers nicht feststellbar. Bei ihm liegen keine gesundheitlichen
Schädigungen vor, die auf einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriff zurückgeführt werden können. Dabei
kann dahinstehen, ob der Berufungskläger bei dem streitbefange-nen Vorfall am 20. April 1991 Gesundheitsstörungen
davongetragen hat, die zu einer nicht nur vorübergehenden MdE um wenigstens 25 v.H. geführt haben (§ 1 Abs. 1
Satz 1 OEG i.V.m. § 30 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 BVG i.V.m. § 2 Abs. 5 der Verordnung zur
Durchführung des § 31 Abs. 5 des BVG). Darauf, ob bei dem Berufungskläger in diesem Sinne als Folge des
schädigenden Ereignisses eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß verblieben ist, kommt es nicht an, weil sich
der Senat bereits nicht mit dem erforderlichen Grad an Beweis-kraft davon zu überzeugen vermag, dass der
Berufungskläger am 20. April 1991 Opfer eines in seinem Hergang hinreichend bestimmten vorsätzlichen, rechtswid-
rigen, körperlichen Angriffs geworden ist.
Grundsätzlich hängt die Anspruchsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in-soweit vom vollen Nachweis des
Angriffs sowie seiner Vorsätzlichkeit und Rechtswidrigkeit ab (BSG, Urt. v. 6. September 1989 – Az. 9 RKg 4/88 -,
VaKM 11/89; Urt. v. 31.5.1989 – Az. 9 RVg 3/89, Breithaupt 1990, 157 = BSGE 65, 124). Allerdings werden die
materiellen Beweislastanforderungen an das Opfer der Gewalttat zunächst dadurch relativiert, dass auf die
Vorsätzlichkeit und Rechtswidrigkeit des Angriffs aus den Tatumständen geschlossen werden kann und dem
Gewaltopfer in dieser Hinsicht die Regeln des Anscheinsbeweises zu-gute kommen (BSG, Urt. v. 24.4.1991 – Az.
9a/9 RVg 1/89 – Breithaupt 92, 56; Beschluss vom 4.2.1998 – Az. B 9 Vg 5/96 R, Breithaupt 99, 357). Zudem gilt
auch im Anwendungsbereich des OEG die mit § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Bezug genommene Beweiserleichterung des
§ 15 Satz 1 KOVVfG, mit der der Beweis-not des Gewaltopfers bei fehlenden Tatzeugen Rechnung getragen wird. Im
Ver-waltungsverfahren wie im Prozess ist hiernach von den Angaben des An-spruchstellers über den schädigenden
Vorgang auszugehen, wenn und soweit diese nach den Umständen glaubhaft sind (vgl. BSG, Urt. v. 31.5.1989 – Az.
9 RVg 3/89 -, Breithaupt 90, 157 = BSGE 65, 124).
Den Angaben des Berufungsklägers fehlt es indessen an einer solchen Überzeu-gungskraft. Zwar ist davon
auszugehen, dass die Verletzungen, mit denen sich der Berufungskläger am 20. April 1991 im Kreiskrankenhaus G.
vorgestellt hat, irgendwann im Verlauf der Auseinandersetzung des Berufungsklägers mit Herrn E. und dessen
anschließender Verfolgung eingetreten sind; die weitergehende Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Entstehung
dieser Verletzungen ein vor-sätzlicher, rechtswidriger, tätlicher Angriff auf den Berufungskläger oder auf Frau D.
gegenwärtig war, vermag der Senat indessen nicht zu treffen. Dies schließt auch die weitergehende Annahme aus,
dass die im Kreiskrankenhaus G. festge-stellten Verletzungen mit Wahrscheinlichkeit Folge eines solchen Angriffs
sind.
Soweit Herr E. zu Beginn der Geschehnisse zunächst einen mehrere Kilogramm schweren Stein durch das
Schlafzimmerfenster der Frau D. geworfen hat und dabei dem Berufungskläger die später festgestellten Platzwunden
am Kopf bei-gebracht haben mag, fehlt es am Nachweis eines den Anforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG
genügenden Angriffs. In seiner für den Berufungskläger ab-gegebenen Sachverhaltsschilderung vom 24. April 1991
hat der seinerzeitige Be-vollmächtigte des Berufungsklägers ausdrücklich mitgeteilt, dass zum Zeitpunkt des
Steinwurfs im Schlafzimmer der D. kein Licht mehr gewesen und das Rollo herunter gelassen gewesen sei, so dass
E. an sich nicht mehr habe sehen kön-nen, ob und wer sich im Schlafzimmer aufhalte. Zwar hat D. anlässlich ihrer
Zeu-genvernehmung bei der Polizeistation L. am 21. Juni 1991 hiervon abweichende Angaben gemacht, indem sie
angegeben hat, im Schlafzimmer sei es zum Zeit-punkt des Steinwurfs nicht dunkel gewesen. Anlässlich einer
weiteren Zeugen-vernehmung hat indessen D. eine auch insoweit erneut abweichende Sachdar-stellung gegeben, als
sie am 22. April 1991 ausgeführt hat, E. sei mit einem Stein in der Hand durch das Schlafzimmerfenster gesprungen,
habe also den Stein überhaupt nicht geworfen. E. selbst, der insoweit mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22.
August 1991 eingeräumt hat, einen Stein in das Schlafzim-merfenster geworfen zu haben, hat angegeben, er sei
dadurch aufgestachelt worden, dass er seine Frau mit einem Nachthemd bekleidet aus dem Schlafzim-mer in das
beleuchtete und für ihn einsehbare Wohnzimmer habe treten sehen. Abgesehen davon, dass E. des weiteren
ausdrücklich bestritten hat, dass er je-manden habe verletzen wollen, ist hiernach bereits nicht erwiesen oder
glaubhaft gemacht, dass zum Zeitpunkt des Steinwurfs das Schlafzimmer der D. einsichtig war und sich E. daher
auch nur die Gelegenheit bot, mit dem Stein gezielt nach dem Berufungskläger zu werfen. Auch der Berufungskläger
hat in diesem Zu-sammenhang zuletzt selbst angegeben, dass das Schlafzimmer der Frau D. zwar beleuchtet, jedoch
wegen des heruntergelassenen Rollos nicht bzw. nur einge-schränkt einsehbar gewesen sei. Zwar reicht für einen
Anspruch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG bedingter Vorsatz des Täters hinsichtlich des Verletzungserfolges aus;
indessen setzt bereits der Begriff des tätlichen Angriffs eine Einwirkung vor-aus, die in feindseliger Absicht
unmittelbar auf den Körper eines Menschen zielt (Wilke u.a., Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl. 1992, § 1 OEG
Rdnr. 6; BSG, Urt. v. 23. Oktober 1985 – Az. 9a RVg 5/84, BSGE 59, 46). Von einer solchen feindseligen
Angriffsrichtung des Steinwurfs kann im Übrigen vorliegend auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil E. nach
dem insoweit überzeugenden Vortrag des Berufungsklägers nach dem Steinwurf selbst in das Schlafzimmer der D.
eingedrungen ist, so dass der vorangegangene Steinwurf ein hinreichendes und plausibles Motiv auch bereits in dem
Wunsch des E. gefunden haben kann, sich einen Weg in das Schlafzimmer zu bahnen. Der Rückschluss auf eine die
Anforderungen des § 1 OEG erfüllende feindselige innere Haltung des E. kann danach unter Berücksichtigung der
äußeren Gesamtumstände des Steinwurfes auch unter Berücksichtigung der Regeln des Anscheinsbeweises nicht
geführt werden.
Hinsichtlich des weiteren Verlaufs des Vorfalls während der Zeit, in der sich E. in der Wohnung seiner damaligen
Ehefrau aufhielt und in der er anschließend die Flucht ergriff, ist der Senat allein auf die Angaben des
Berufungsklägers ange-wiesen. Denn während E., unterstützt durch den Zeugen M., behauptet hat, über-haupt nicht in
die Wohnung der D. eingedrungen zu sein, hat diese im Verlauf des gegen ihren früheren Ehemann geführten
Ermittlungs- und Strafverfahrens wiederholt angegeben, unmittelbar nach dem Eindringen ihres damaligen Ehe-
mannes aus dem Schlafzimmer gelaufen zu sein und über die Art der Auseinan-dersetzung zwischen dem
Berufungskläger und E. keine näheren Angaben ma-chen zu können (Anwaltsschreiben v. 24. April 1991 an das
Polizeirevier L., Zeu-genvernehmung auf der Polizeistation L. am 22. April 1991 und diesbezügliche Bestätigung bei
der Zeugenvernehmung vor dem Amtsgericht J. am 22. Januar 1992). Auch wenn dem Berufungskläger hiernach die
eingangs erwähnte Be-weiserleichterung zugute kommen mag, sieht sich der Senat gleichwohl nicht in der Lage,
insoweit hinreichende Tatsachenfeststellungen für die Gewährung von Beschädigtenversorgung zu treffen; denn die
eigenen Angaben des Berufungs-klägers sind insoweit teilweise unschlüssig und im Übrigen wegen grundlegender
Ungereimtheiten nicht überzeugend.
Über die Geschehnisse während der Anwesenheit von Herrn E. im Schlafzimmer der Wohnung seiner damaligen
Ehefrau hat der Berufungskläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 24. April 1991 an die Polizei L. lediglich
angegeben, er habe E. nach seinem Eindringen festgehalten, um D. zu schützen. Geschlagen habe ihn E. nicht. Zwar
hat der Berufungskläger sodann mit weiterem Anwalts-schreiben vom 24. April 1991 an das Polizeirevier L. ergänzend
behauptet, E. habe ihn, als er sich ihm in den Weg gestellt habe, mit voller Wucht auf das von Glasscherben übersäte
Bett geworfen, wobei er sich die zahlreichen Schnittwun-den zugezogen habe. Indessen hat der Berufungskläger
diese Angaben später bei seiner Aussage in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht J. am 22. Januar 1992
wieder dahingehend relativiert, dass er gemeinsam mit E. auf das Bett gefallen sei, während er versucht habe, diesen
festzuhalten. Hinreichen-de Anhaltspunkte für einen in feindseliger Absicht auf den Körper des Berufungs-klägers
gezielten Angriff durch E. enthält diese wechselnde Sachdarstellung ins-gesamt nicht. Soweit der Berufungskläger im
vorliegenden Gerichtsverfahren – ohne Schilderung näherer Einzelheiten – immer wieder angegeben hat, es sei zu
einem "Angriff” durch E. bzw. zu einem "Gerangel” mit diesem gekommen, und hiermit die Behauptung von E.
verübter Tätlichkeiten liegen mag, sind entspre-chende Angaben nicht glaubhaft, weil der Berufungskläger solche
Tätlichkeiten bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht J. als Ne-benkläger ausdrücklich
nicht behauptet hat.
Ob sich der Berufungskläger schließlich den als wesentliche Schädigungsfolge geltend gemachten Bruch des Os
metatarsale V rechts bei dem Versuch zugezo-gen hat, E. während dessen Anwesenheit im Schlafzimmer der D.
festzuhalten oder ob es zu dieser Verletzung erst gekommen ist, als der Berufungskläger an-schließend den
Fliehenden verfolgt hat, ist vor diesem Hintergrund im Ergebnis ohne Belang. Indessen ist hervorzuheben, dass der
Berufungskläger auch inso-weit im Verlauf des vorliegenden Verfahrens, des Ermittlungs- und Strafverfah-rens sowie
des gegen E. geführten zivilrechtlichen Rechtsstreits gänzlich unter-schiedliche Angaben gemacht hat. Während er
etwa in dem Anwaltsschreiben vom 24. April 1991 an die Polizei L. sowie bei seiner Vernehmung in der Haupt-
verhandlung vor dem Amtsgericht J. am 22. Januar 1992 angegeben hat, sich die Verletzung beim Festhalten des E.
zugezogen zu haben, hat er im Anwalts-schreiben vom 24. April 1991 an die Polizei J. sowie mit Schriftsatz vom 7.
Juli 1992 im Zivilrechtsstreit angegeben, sich die Fußverletzungen bei der Verfolgung des E. durch einen Sprung aus
dem Fenster in den Garten zugezogen zu haben. Zur Begründung der vorliegenden Klage hat schließlich der
Berufungskläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 11. August 1995 angegeben, sich die Verletzung des
Mittelfußknochens noch innerhalb des Schlafzimmers beim Sprung auf die Fensterbank zugezogen zu haben und
dann wegen der sofortigen Schmerzbeschwerden in das Schlafzimmer zurückgefallen zu sein. Die Anhörung des
Berufungsklägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 10. März 1998 hat eine hinreichende
Aufklärung insoweit nicht erbracht. Denn soweit der Berufungskläger dort erneut die Sachdarstellung verteidigt hat, er
habe sich auch die Fußverletzung im "Gerangel” mit E. zugezogen, ist eine plausible Erklärung für die insgesamt
divergierenden Behauptungen nicht zutage getreten. Insbesondere können sie nicht damit erklärt werden, dass der
Berufungskläger der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei. Denn zu unterschiedlichen Sachdarstellungen
ist es insoweit auch unter jeweiliger Einschaltung von Dolmet-schern gekommen. Der Senat vermag mithin, wie
bereits das SG, auch nicht auszuschließen, dass der Berufungskläger sich die Fußverletzung erst bei der Verfolgung
des fliehenden E. außerhalb der Wohnung der Ehefrau beim Sprung aus dem Fenster in den Garten zugezogen hat.
Als Folge des zu diesem Zeit-punkt jedenfalls beendeten, tätlichen Angriffs des E. könnte sie in diesem Fall
allerdings umso weniger verstanden werden.
Soweit der Berufungskläger im Übrigen mit seiner Klage im Wesentlichen einen Anspruch auf Gewährung von
Beschädigtenrente nach einer MdE um wenigstens 25 v.H. verfolgt, fehlt es hierzu im Übrigen am Beweis
hinreichender Schädi-gungsfolgen. Die Kopfverletzung und die Schnittwunden des Berufungsklägers sind folgenlos
ausgeheilt und die verbliebenen Folgen des Fußbruchs können entsprechend dem beigezogenen fachorthopädischen
Gutachten des Dr. I. vom 5. Juni 1998, nach dem beim Berufungskläger noch Funktionseinschränkungen des rechten
Fußes und der Sprunggelenke nach pseudo-arthrotisch verheilter metatarsale V-Fraktur rechts bestehen, mit einer
MdE von allenfalls 20 v.H. be-wertet werden. Die im Bereich des Sprunggelenkes vorliegende Bewegungsein-
schränkung rechtfertigt mit einem gemessenen Bewegungsumfang von (nach der Neutral-0-Methode) von 10/0/40 °
nicht einmal die Bewertung mit einer Teil-MdE um 10 v.H., die nach Nr. 26.18 der Anhaltspunkte für die ärztliche
Gutachtertätig-keit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz von 1996 (AHP 96) eine
Beschränkung der Bewegungsmaße auf 0-0-30 voraus-setzt. Die danach allein wesentliche Fehlstellung des Fußes
kann nach Nr. 26.18 AHP 96 auch bei stärker behindernden Funktionseinschränkungen lediglich 20 betragen.
Auch aus dem auf Antrag des Berufungsklägers gem. § 109 SGG eingeholten fachorthopädischen Gutachten des Dr.
K. vom 3. März 2003 ergeben sich inso-fern keine abweichenden Erkenntnisse. Dieser hat nämlich die nach Ablauf
eines halben Jahres vorliegenden Dauerfolgen des Fußbruchs ebenfalls mit einer MdE um zunächst 20 v.H. bewertet
und ergänzt, dass diese nach Ablauf weiterer 3 Monate ab Januar 1992 lediglich noch 10 v.H. betrage. Soweit der
Berufungsklä-ger dem entgegen getreten ist und geltend gemacht hat, als mittelbare Folge der Fußfehlstellung hätten
sich bei ihm Beschwerden im Bereich der rechten Hüfte sowie der Lendenwirbelsäule entwickelt, ist diese Auffassung
ohne weiteres zu verwerfen. Dr. K. hat in seinem Gutachten die angegebenen Beschwerden im Bereich der
Lendenwirbelsäule und der Hüftgelenke nur teilweise objektivieren können, diese aber auch insoweit nicht ursächlich
auf die Fußverletzung zurück-geführt. Diese Auffassung begegnet keinen Bedenken, zumal Dr. K. ausdrücklich darauf
hingewiesen hat, dass die Fußfehlstellung durch Schuhzurichtung bzw. Einlagen gut kompensierbar sei. Es ist nicht
ersichtlich, wie es unter diesen Um-ständen zu einer Fehlbelastung oder Fehlstellung von Hüfte und Lendenwirbel-
säule gekommen sein soll.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Ein Grund, gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, besteht nicht.