Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 29.01.2007
LSG Nsb: aufschiebende wirkung, verpflegung, überwiegendes öffentliches interesse, anteil, klinik, vollziehung, ernährung, gemeinde, auflage, nahrung
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 29.01.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 46 AS 1333/06 ER
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 13 AS 14/06 ER
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Oldenburg vom 2. November 2006
abgeändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 5. Oktober 2006 gegen den
Bescheid des Antragsgegners vom 25. September 2006 wird insoweit angeordnet, als der Antragsgegner Sachbezüge
in Höhe von mehr als 151,43 EUR monatlich während des stationären Aufenthalts des Antragstellers anrechnet. Im
Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller 2/3 seiner außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu
erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Anrechnung von Sachbezügen in Form von kostenloser Verpflegung während
einer stationären Unterbringung des Antragstellers.
Der 1956 geborene Antragsteller bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende
nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der im Auftrag des Antragsgegners handelnden Gemeinde F
...
Auf seinen Fortzahlungsantrag vom Mai 2006 wurden dem Antragsteller mit Bewilligungsbescheid vom 4. Mai 2006
monatliche laufende Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 1. Mai 2006 bis 30. November 2006 in Höhe von
708,00 EUR gewährt. Nachdem der Antragsteller unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung einen Mehrbedarf
wegen kostenaufwendiger Ernährung aufgrund einer Leberinsuffizienz geltend gemacht hatte, bewilligte die im Auftrag
des Antragsgegners handelnde Gemeinde mit Änderungsbescheid vom 17. Mai 2006 einen zusätzlichen
ernährungsbedingten Mehrbedarf in Höhe von monatlich 30,68 EUR für die Dauer des Bewilligungszeitraums.
Am 7. September 2006 wurde der Antragsgegner von einer stationären Unterbringung des Antragstellers in Kenntnis
gesetzt. Das Therapiezentrum G. teilte mit, der Antragsteller sei am 6. September 2006 in das Niedersächsische
Landeskrankenhaus (LKH) H. in F. verlegt wurden. Weitere Ermittlungen ergaben, dass der Antragsteller vom 4. bis
24. Juli 2006 in Haft gewesen war, vom 25. Juli bis 10. August 2006 im LKH untergebracht war und sich seit dem 10.
August 2006 im Therapiezentrum wegen einer Drogenabhängigkeit aufgehalten hatte. Die LVA Oldenburg-Bremen
hatte bereits mit Bescheid vom 20. Juni 2006 eine viermonatige Leistung zur medizinischen Rehabilitation bewilligt;
ein Anspruch auf Übergangsgeld bestand nicht. Wegen eines schweren Rückfalles des Antragstellers wurde die
Therapie im Therapiezentrum G. am 6. oder 10. September 2006 unterbrochen; zu den genauen Daten finden sich
unterschiedliche Angaben. Spätestens ab dem 18. September 2006 und bis zum 5. Oktober 2006 wurde der
Antragsteller erneut im LKH stationär behandelt; seitdem befindet sich der Antragsteller wieder zur stationären
medizinischen Rehabilitation im Therapiezentrum G ...
Die Gemeinde F. berechnete daraufhin die dem Antragsteller für den Bewilligungszeitraum zu gewährenden
Leistungen mit Bescheid vom 25. September 2006 neu unter Anrechnung von Sachbezügen in Höhe von monatlich
202,70 EUR ab dem 8. Tag (11. Juli 2006) aufgrund der Unterbringung in verschiedenen stationären Einrichtungen
(Juli 2006: 596,79 EUR; August bis November 2006: 535,98 EUR). Für die Monate Juli bis September ergebe sich
damit eine Überzahlung in Höhe von 547,92 EUR, die gemäß § 50 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu
erstatten seien. Auf die Erstattung werde aber in diesem Falle verzichtet.
Am 4. Oktober 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Oldenburg die Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes beantragt. Er hat hierzu insbesondere vorgetragen, er fühle sich ungleich behandelt, da andere
Leistungsträger (z. B. alle Arbeitsgemeinschaften) Sachbezüge in Höhe von (nur) 120,75 EUR anrechneten statt
202,70 EUR. Er benötige die begehrten Leistungen dringend für seinen Lebensunterhalt, da er für seine Mietwohnung
noch Rückstände und laufende Nebenkosten zu begleichen habe. Er sei auch wegen seiner Leberinsuffizienz auf eine
spezielle Diäternährung angewiesen und müsse sich daher auch im Therapiezentrum teilweise selbst versorgen bzw.
die fehlenden Nahrungsmittel selbst ergänzen. Außerdem entstünden ihm weiterhin Ausgaben für Toilettenartikel,
Kleidungskosten und auch die Fahrtkosten zum Therapiezentrum.
Das SG Oldenburg hat hierzu mit dem Therapiezentrum G. fernmündlich Rücksprache gehalten. Der dortige
Bezugstherapeut des Antragstellers hat mitgeteilt, der Antragsteller habe bislang noch keine Ernährungsprobleme an
ihn herangetragen. Grundsätzlich werde in der Einrichtung die von den jeweiligen Patienten benötigte Ernährung
bereitgestellt. Toilettenartikel wie Duschgel etc. müssten von den Patienten selbst bezahlt werden; Heimfahrten
(zweimal im Monat) würden vom Maßnahmeträger finanziert.
Am 5. Oktober 2006 hat der Antragsteller gegen den Bescheid vom 25. September 2006 Widerspruch erhoben, über
den – soweit ersichtlich – bisher nicht entschieden worden ist.
Das SG Oldenburg hat mit Beschluss vom 2. November 2006 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 5.
Oktober 2006 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. September 2006 insoweit angeordnet, als der
Antragsgegner Sachbezüge in Höhe von mehr als 120,75 EUR monatlich anrechnet. Zur Begründung hat es
ausgeführt, die aufschiebende Wirkung sei gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzuordnen, denn
es sei sehr wahrscheinlich, dass der Antragsteller in der Hauptsache obsiegen werde. So könne sich der
Antragsgegner voraussichtlich nicht mit Erfolg auf § 2 Abs. 4 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V)
berufen, wonach Sachleistungen nach der Sachbezugsverordnung (SachBezV) in der jeweils geltenden Fassung zu
bewerten sind. Denn müsste dieser Vorschrift das Gebot entnommen werden, für den jeweiligen Sachbezug
uneingeschränkt den sich aus der SachBezV ergebenden Wert zugrunde zu legen, auch wenn dieser Wert den
diesbezüglichen Anteil im Regelsatz übersteige, müsste sie als nicht ermächtigungskonform und damit als
rechtswidrig angesehen werden. Nach den Durchführungshinweisen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zum SGB II sei
bereitgestellte Verpflegung mit einem Wert von 35 v. H. der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II zu
berücksichtigen (9.14 zu § 9). Dieser Ansatz dürfte – so das SG – mit der Regelsatzverordnung übereinstimmen. Nur
in Höhe von 35 v. H. des Regelsatzes (= 120,75 EUR) könne daher eine Anrechnung erfolgen. Denn offenkundig seien
die Werte nach der SachBezV nicht identisch mit denen, die bei der Bestimmung der Regelsätze zugrunde gelegt
worden seien. Es sei sachwidrig, wenn für einen Sachbezug höhere Werte angerechnet würden, als ohne Sachbezug
überhaupt an (anteiliger) Leistung erbracht werde, denn der Sachbezug decke nur den jeweiligen Bedarf (hier
Nahrung); er verschaffe darüber hinaus keine bereiten Mittel, mit denen weitere Bedarfe wie Kleidung, Schuhe usw.
gedeckt werden könnten. Werde der Regelsatz dennoch entsprechend der SachBezV gekürzt, würden dem
Leistungsempfänger in dem Umfang, den der Wert der SachBezV den diesbezüglichen Ansatz im Regelsatz
übersteige, Bedarfsanteile entzogen. Hierfür sei eine Rechtfertigung nicht ersichtlich.
Gegen den ihm am 6. November 2006 per Telefax übermittelten Beschluss hat der Antragsgegner am 16. November
2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Der Antragsgegner weist darauf hin, dass es sich bei
der Regelung des § 11 Abs. 1 SGB II, wonach alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen seien,
nicht um eine Ermessensnorm handele. Die vom Antragsteller in Form der Vollverpflegung erhaltenen Einnahmen in
Geldeswert seien nach der SachBezV zu bewerten. Die Durchführungshinweise der BA zum SGB II seien interne
Verwaltungsvorschriften, die weder eine Rechtsgrundlage darstellten noch für den Antragsgegner als
Optionskommune bindend seien. Anzuwenden sei die gesetzliche Regelung der Alg II-V. Verfassungsrechtliche
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung seien nicht Gegenstand eines einstweiligen
Rechtsschutzverfahrens.
Der Antragsteller hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Mit Bescheid vom 15. November 2006 hat der Antragsgegner für den folgenden Bewilligungszeitraum vom 1.
Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 monatliche Leistungen in Höhe von 620,43 EUR bewilligt: Hierbei wurde
entsprechend dem angegriffenen Beschluss des SG Oldenburg ein Einkommen in Höhe von 120,75 EUR für den
gesamten Bewilligungszeitraum angesetzt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des
vorliegenden Verfahrens sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug
genommen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
Einstweiliger Rechtsschutz ist im vorliegenden Falle, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, gemäß § 86b Abs. 1
SGG zu gewähren. Denn mit dem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 4. Mai 2006 in der Gestalt des
Änderungsbescheides vom 17. Mai 2006 wurde ein Rechtsgrund geschaffen, aus dem der Antragsteller für die
einzelnen Monate des Bewilligungszeitraumes die Auszahlung der ihm zugesprochenen Leistungen verlangen konnte.
Der Rücknahmebescheid vom 25. September 2006, mit dem diese Leistungen aufgrund der Anrechnung von
Sachbezügen gekürzt wurden, stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, so dass sich der einstweilige
Rechtsschutz nach § 86b Abs. 1 SGG beurteilt.
Gemäß § 86b Abs. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder
teilweise anordnen bzw. die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage
wiederherstellen. Dabei ist vom Gericht eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem Interesse des Antragstellers,
einstweilen von der belastenden Wirkung des streitigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, und dem besonderen
Interesse der die Verfügung erlassenden Verwaltung, das zur Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2
Nr. 5 SGG geführt hat bzw. dem im Gesetz zum Ausdruck gekommenen besonderen allgemeinen Vollzugsinteresse,
wie es in § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m.§ 39 SGB II geregelt ist. Denn mit der zuletzt genannten Vorschrift wird die
grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers deutlich, bei der Herabsetzung oder dem Entzug von laufenden Leistungen
durch die Leistungsträger des SGB II solle regelmäßig mit sofortiger Wirkung eine Zahlung nicht mehr vorgenommen
werden. Dahinter steht die Befürchtung, dass später eine Realisierung von eingetretenen Überzahlungen wegen des
häufig eingetretenen Verbrauchs der Leistungen nur schwerlich möglich ist. Daher sind im Rahmen der
vorzunehmenden Interessenabwägung wesentlich die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens mit zu
berücksichtigen (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rn. 12 ff. m.w.N.; Binder
in: Hk-SGG, 2. Auflage 2006, § 86b Rn. 13 f.). Denn an der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte
kann kein – auch gesetzlich angeordnetes – öffentliches Interesse bestehen; umgekehrt besteht ein überwiegendes
öffentliches Interesse an der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes. Sind die
Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, so hat eine allgemeine Interessenabwägung hinsichtlich der
Folgen für die jeweiligen Beteiligten bei der Aufrechterhaltung der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehung zu
erfolgen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen begegnet die teilweise Rücknahme der Leistungsgewährung durch den Bescheid
vom 25. September 2006 auch nach Auffassung des Senates erheblichen rechtlichen Bedenken, jedoch nicht in dem
vom SG angenommenen Umfang, so dass die Beschwerde des Antragsgegners teilweise Erfolg hat.
Zwar ist die Behandlung der im psychiatrischen Landeskrankenhaus bzw. in der stationären Reha-Klinik erbrachten
Verpflegungsleistungen als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II im Grundsatz nicht zu beanstanden. Jedoch hat
der Antragsgegner die Einkommenshöhe fehlerhaft bestimmt, da ein uneingeschränkter Rückgriff auf die Werte der
SachBezV für den Erhalt kostenloser Verpflegung nicht zulässig ist. Das anzurechnende Einkommen beträgt im
vorliegenden Falle allerdings nicht – wie im angegriffenen Beschluss angenommen – lediglich 120,75 EUR, sondern
151,43 EUR monatlich, so dass sich der angegriffene Bescheid voraussichtlich in diesem Umfang als rechtmäßig
erweisen wird. Im Übrigen hat die Beschwerde des Antragsgegners keinen Erfolg.
Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nr. 3 SGB X für die hier streitige teilweise Aufhebung der
Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Zukunft (bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes) sind erfüllt. Bei der
kostenlosen Verpflegung, die der Antragsteller im LKH bzw. ab dem 8. Oktober 2006 im Therapiezentrum erhalten hat
/ erhält, handelt es sich zur Überzeugung des Gerichts um Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 1 Nr. 3 SGB X und
des § 11 SGB II. Als Einkommen sind gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu
berücksichtigen. Die in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II genannten Ausnahmen, bei denen Einnahmen nicht zu
berücksichtigen sind, liegen nicht vor. Bei der kostenlosen Verpflegung des Antragstellers während seiner stationären
Aufenthalte handelt es sich um eine Einnahme in Geldeswert im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Unter diese
Regelung fallen auch Naturalleistungen wie die freie Verpflegung während eines stationären Aufenthaltes (str.; wie
hier: SG Koblenz, Urteil vom 20.04.2006 – Az. S 13 AS 229/05, zitiert nach Juris; SG Osnabrück, Urteil vom
29.08.2006 – Az. S 16 AS 522/05; SG Lüneburg, Beschluss vom 05.09.2006 – Az. S 24 AS 932/06 ER -. Fahlbusch
in: BeckOK, Stand: 01.12.2006, § 11 SGB II Rn. 7; a.A. SG Gotha, Urteil vom 10.11.2006 – Az. S 26 AS 748/06; SG
Freiburg, Urteil vom 24.10.2006 – Az. S 9 AS 1557/06, V.n.b.). Unter Einnahmen in Geldeswert sind grundsätzlich
solche Einnahmen zu verstehen, die einen bestimmten, in Geld ausdrückbaren Wert besitzen (vgl. z.B. Mecke in:
Eicher/Spellbrink, Komm. zum SGB II, § 11 Rn. 10). Bei diesem Geldwert muss es sich um einen Marktwert handeln,
denn nur Leistungen mit einem Marktwert sind geeignet, die aktuelle Hilfebedürftigkeit zu beseitigen (Söhngen in:
jurisPK-SGB II, Stand: 24.01.2007, § 11 Rn. 27 unter Hinweis auf Brühl in: LPK-BSHG, § 76 Rn. 34; Oestreicher,
Komm. zum SGB XII/SGB II, Stand: September 2006, § 11 SGB II Rn. 37). Die Verpflegung im Krankenhaus bzw. in
der Reha-Klinik hat einen Marktwert. Dies ist schon daraus ersichtlich, dass für diese Leistung zwar nicht der
Antragsteller, aber die zuständige Krankenkasse bzw. der Rentenversicherungsträger aufkommt und die Verpflegung
vom Kostenträger mitbezahlt werden muss. Der Verpflegung des Antragstellers in der jeweiligen stationären
Einrichtung steht demnach ein entsprechendes Entgelt an den Einrichtungsträger gegenüber. Es besteht auch eine
bedarfsbezogene Verwendbarkeit der Lebensmittel, denn die an den Antragsteller erbrachten Verpflegungsmittel
decken seinen Verpflegungsbedarf und können zu diesem Zweck eingesetzt werden. Dem steht eine Kostenersparnis
des Antragstellers gegenüber, der seine Verpflegung während des stationären Aufenthaltes nicht selbst aus der
Regelleistung bestreiten muss. Seine Hilfebedürftigkeit (§ 9 Abs. 1 SGB II) wird hierdurch verringert. Dies wäre nicht
möglich, wenn die Verpflegungsleistung keinen Geldwert hätte.
Der Antragsgegner hat den Wert dieser Verpflegung jedoch in rechtswidriger Weise durch die uneingeschränkte
Anwendung der SachBezV ermittelt. Er stützt sich hierzu auf § 2 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V, wonach Sachleistungen nach
der Sachbezugsverordnung in der jeweils geltenden Fassung zu bewerten sind. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 SachBezV
wird der Wert einer als Sachbezug zur Verfügung gestellten Verpflegung auf monatlich 202,70 EUR festgesetzt. Die
Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V ist auf den vorliegenden Fall nicht direkt anwendbar, denn sie bestimmt nur
die Berechnung des Einkommens aus nichtselbstständiger Arbeit. Der Antragsteller ist aber nicht erwerbstätig; er
bezieht ausschließlich Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Jedoch sieht § 2 b Alg II-V für die Berechnung
des Einkommens aus Einnahmen, die nicht unter die §§ 2 und 2 a Alg II-V fallen, eine entsprechende Anwendung des
§ 2 Alg II-V vor. Der nach dem Wortlaut der genannten Regelungen der Alg II-V mögliche uneingeschränkte Rückgriff
auf die SachBezV zur Bewertung von Sachleistungen würde sich nach der Überzeugung des Senates jedenfalls für
Fälle der kostenlosen Verpflegung von Grundsicherungsempfängern während stationärer Aufenthalte aber nicht im
Rahmen der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Alg II-V. Der Verweis von § 2 b Alg II-V über § 2 Abs. 4 Alg II-V
auf die SachBezV ist insoweit nicht ermächtigungskonform, als die Anrechnung von Sachbezügen damit über den
Betrag hinaus geht, der in der gewährten Regelleistung für Verpflegung angesetzt ist und bedarf daher der
eingeschränkenden Auslegung. Die Alg II-V ist aufgrund der Ermächtigungsgrundlage des § 13 SGB II erlassen
worden. Hiermit ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt worden, im Einvernehmen mit dem
Bundesministerium der Finanzen ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche
weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu
berechnen ist (Nr. 1 der Vorschrift). § 2 b Alg II V, der – wie oben dargestellt – auch für einen nicht erwerbstätigen
Leistungsempfänger nach dem SGB II bei Erhalt von kostenloser Verpflegung die entsprechende Anwendung von § 2
Abs. 4 Alg II-V anordnet und damit die SachBezV zur Anwendung bringen soll, entspricht dieser gesetzlichen
Ermächtigung nicht. Denn die Ermächtigungsnorm des § 13 Nr. 1 SGB II berechtigt den Verordnungsgeber nur zur
Festlegung von Maßstäben zur Einkommensberechnung, jedoch nicht zu Vorgaben für die Anrechnung eines fiktiven
Einkommens, das die Regelleistung über den Anteil hinaus reduziert, der darin für Verpflegung enthalten ist. Auch
wenn dem Verordnungsgeber ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum zuzubilligen ist, in dessen Grenzen er eine
an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientierte Entscheidung treffen kann, darf er nicht über den von der
Ermächtigung gesteckten Rahmen hinausgehen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 09.12.2004 – Az. B 7 AL 24/04 R, SozR 4-
4220 § 3 Nr. 1; BSGE 91, 94 Rn. 31 = SozR 4 4220 § 6 Nr. 1, jeweils zitiert nach Juris). Dies ist jedoch mit § 2 b Alg
II-V geschehen. Der uneingeschränkte Verweis auf die Sachbezugsverordnung bei Einnahmen jeglicher Art ist nicht
geeignet, den Wert der kostenlosen Verpflegung eines Empfängers von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II
realitätsgerecht zu pauschalieren, denn er berücksichtigt in keiner Weise den in der Regelleistung für Verpflegung
enthaltenen Anteil. Zwar werden naturgemäß durch eine Pauschale nicht in jedem Fall alle tatsächlichen
Aufwendungen erfasst; jedoch muss sich die Höhe der Pauschale am Gesetzeszweck orientieren und sachgerecht
sein. Mit der Festsetzung von Pauschbeträgen sollen regelmäßig zeitraubende Ermittlungen im Rahmen der
Massenverwaltung vermieden werden, nicht jedoch Einsparungen (in größerem Umfang) erzielt werden (vgl. BSG,
Urteil vom 09.12.2004, a. a. O.). Die Sachgerechtigkeit der vorliegenden Regelung ist aber schon deshalb zu
verneinen, weil die Anwendung der vollen Beträge der Sachbezugsverordnung im vorliegenden Falle dazu führt, dass
knapp 60 % der Regelleistung entfallen. Es blieben dann lediglich die restlichen 40 % zur Befriedigung der übrigen in
der Regelleistung enthaltenen Bedarfe, also zur Befriedigung des Bedarfs hinsichtlich Kleidung, Schuhen,
Körperpflege, Hausrat, Verkehr, Telefon und Fax, Freizeit, Kultur, Beherbergungs- und Gaststättenleistungen,
Wohnung (ohne Mietkosten) usw. Diese entfallen aber während eines stationären Aufenthaltes nicht gänzlich, sondern
fallen in unterschiedlichem Maße auch während dieser Zeit an. Hinzu kommt, dass nach der gesetzgeberischen
Vorstellung aus der Regelleistung auch noch ein Teil angespart werden soll, mit dem bei einem entstehenden Bedarf
auch größere Anschaffungen getätigt werden können (so BR-Drucks. 559/03, S. 189 f. für die Parallelregelung in § 29
SGB XII). In diese Regelleistungsanteile würde aber mit der uneingeschränkten Anwendung der SachBezV im hier
streitigen Maße unmittelbar eingegriffen. Gerade bei mehrmonatigen stationären Aufenthalten würde dies zu einer
gravierenden Unterdeckung hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhaltes führen. Sachgerecht erscheint es
dagegen, den Wert der unentgeltlichen Verpflegung eines Grundsicherungsleistungsempfängers nach dem SGB II
nach dem Wert zu bemessen, den dieser für ihn hat, nämlich in Höhe des Bedarfes, der in der Regelleistung für
Getränke und Nahrung enthalten ist und der durch die Gewährung kostenloser Verpflegung gedeckt wird. Der Anteil
der Ernährung an der Regelleistung wird im Einzelnen unterschiedlich bestimmt (vgl. die Übersicht von Lang in:
Eicher/Spellbrink, § 20 SGB II Rn. 32); nach diesen Angaben liegt er bei einem Anteil zwischen 45 % und 50 % der
Regelleistung. Die Bundesagentur für Arbeit hat die Bedarfe in ihren zu § 20 erlassenen Durchführungsbestimmungen
höhenmäßig dahingehend bestimmt, dass für Nahrung, Getränke und Tabakwaren insgesamt ca. 38 % der
Regelleistung vorgesehen sind. Mangels anderweitiger Erkenntnismöglichkeiten im vorliegenden Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes geht der Senat zugunsten des Antragstellers von diesem niedrigeren Wert in Höhe von
35 % der Regelleistung für Verpflegung (ohne Tabakwaren) aus, den auch die BA in ihren
Durchführungsbestimmungen (Nr. 9.14) für bereitgestellte Verpflegung ansetzt.
Im Falle des Antragstellers ist jedoch zusätzlich zu berücksichtigen, dass die kostenlose Verpflegung für ihn einen
höheren Wert darstellt, da er aufgrund seiner Lebererkrankung einer kostenaufwendigen Ernährung bedarf und deshalb
auch ein Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 5 SGB II in Höhe von 30,68 EUR monatlich anerkannt worden ist. Der
Antragsteller hat nicht substantiiert dargelegt, dass die Verpflegung im Krankenhaus bzw. in der Reha-Klinik nicht
individuell auf seine Erkrankung ausgerichtet ist und er daher auch bei Vollverpflegung während seines stationären
Aufenthaltes gleichwohl einen Mehraufwand für Verpflegung hat. Vielmehr ist davon auszugehen, dass für den
Antragsteller sowohl im Krankenhaus als auch in der Reha-Klinik eine entsprechende Krankenkost bereitgehalten (und
abgerechnet) wird, die gegenüber der Normalverpflegung auch mit einem höheren Wert zu veranschlagen ist. Dieser
erhöhte Wert kann mit dem Mehrbedarfszuschlag in Höhe von 30,68 EUR angesetzt werden, der entsprechend den
Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (Kleinere Schriften des Deutschen
Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Nr. 48, 2. Auflage 1997) für den Antragsteller anerkannt worden ist. Damit
ergibt sich der im Tenor genannte Betrag in Höhe von 151,43 EUR.
Nicht berücksichtigt wurde im vorliegenden Falle, dass der Antragsteller inzwischen – allerdings mit Unterbrechungen
und in verschiedenen Einrichtungen – bereits seit mehr als sechs Monaten stationär untergebracht ist. Zum einen
geht der Antragsgegner bisher im Rahmen der gemäß § 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II zu treffenden Prognoseentscheidung
selbst davon aus, dass der Antragsteller voraussichtlich für weniger als sechs Monate stationär untergebracht ist.
Zum anderen hat auch der Rentenversicherungsträger lediglich eine stationäre Reha-Maßnahme für vier Monate
bewilligt, die nur wegen eines Rückfalls und einer daraufhin erneut notwendig gewordenen Krankenhausbehandlung
unterbrochen worden ist. In ununterbrochener stationärer Behandlung ist der Antragsteller jetzt offenbar erst seit dem
18. September 2006.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).