Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 25.04.2001

LSG Nsb: gartenbau, verwaltungsakt, gärtnerei, mindestrente, niedersachsen, versicherungsträger, rechtsnachfolger, klagebegehren, form, verfahrensrecht

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 25.04.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 6 LW 2/96
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 4 SF 26/00
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Kläger sind die Rechtsnachfolger der am 6. September 1913 geborenen und am 8. Juni 1997 verstorbenen D.
(Verstorbene).
Die Verstorbene lebte bis zum März 1960 in der ehemaligen DDR. Sie war von Beruf Blumenbinderin und betrieb in F.
mit ihrem Ehemann, einem Gärtner, ein Blumengeschäft und eine Gärtnerei. Die Eheleute flüchteten 1960 in den Wes-
ten. Sie bauten sich eine Gärtnerei mit Blumengeschäft auf. Nach dem Tod ih-res Ehemannes musste die
Verstorbene die gepachtete kleine Gärtnerei aufge-ben und betrieb über das übliche Rentenalter hinaus ein
Blumengeschäft in G ... Die Verstorbene bezog bis zu ihrem Tode Altersgeld von der Alterskasse für den Gartenbau.
Nach der Leistungsmitteilung der Alterskasse für den Garten-bau vom 29. Juni 1990 wurden ihr monatlich 388,78 DM
(Stand: 1. Juli 1990) ausgezahlt.
Im Dezember 1994 wandte sich die Verstorbene an das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, um auf ihre
unzureichende Alterssicherung hinzu-weisen. Sie regte diesbezüglich eine Rechtsänderung an.
Die Verstorbene hat am 2. Januar 1996 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Han-nover erhoben. Sie hat im
Wesentlichen vorgetragen, sie habe ihr Leben lang hart gearbeitet und pünktlich ihre Steuern für den Aufbau der
Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Flucht in den Westen 1960 gezahlt. Dennoch betrage ihre Rente von der
Alterskasse für den Gartenbau nach Abzug von den Beiträ-gen für die Kranken- und Pflegeversicherung nur monatlich
rund 400,- DM (1991), während die Mindestrente für die Bürger der neuen Bundesländer min-destens rund 600,- DM
monatlich betrage. Die Verstorbene legte das Schrei-ben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom
13. Dezember 1994 vor, in dem ihr die bestehende Gesetzeslage erläutert wurde.
Die von den Rechtsnachfolgern bzw Klägern erhobene Klage auf Zahlung der Differenz zwischen der Rente der
Verstorbenen aus der Alterskasse für den Gartenbau zu der Mindestrente der Bürger der neuen Bundesländer wies
das SG mit Urteil vom 16. August 2000 zurück. Zur Begründung führte das SG ua folgendes aus: Die Klage sei
unzulässig, denn die Klägerin (Verstorbene) neh-me die Beklagte auf Änderung der bestehenden Gesetzeslage in
Anspruch und meine, ihr müssten mindestens Leistungen in Höhe des Sozialzuschlages für Renten im Beitrittsgebiet
zustehen, denn die entgegenstehende Gesetzeslage sei verfassungswidrig. Eine derartige Klage auf Änderung der
bestehenden Ge-setzeslage - so das SG - sei nach allgemeiner Auffassung eindeutig unzuläs-sig. Eine eventuelle
Verfassungswidrigkeit der bestehenden Gesetzeslage sei allenfalls Vorfrage in einem möglichen Rechtsstreit
zwischen Versicherten und Versicherungsträger. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt habe, wäre der
Sozialrechtsweg für die Klägerin (Verstorbene) allenfalls eröffnet, um einen Rechtsstreit gegen den für sie zuständigen
Träger der Sozialversicherung, die Alterskasse für den Gartenbau, zu führen. In einem solchen Rechtsstreit wäre
dann auch mittelbar die Verfassungsmäßigkeit der bestehenden Rechtslage zu überprüfen.
Gegen das ihnen am 26. August 2000 zugestellte Urteil haben die Kläger am 19. September 2000 Berufung vor dem
Landessozialgericht (LSG) Niedersach-sen eingelegt. Die Kläger wiederholen ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen
Verfahren und beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. August 2000 aufzuheben
und die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger die Differenz zwischen der Rente der Blumenbinderin D. aus der
Alterskasse für den Gartenbau zu der Mindestrente der Bürger der neuen Bundesländer für die Zeit vom 3. Oktober
1990 bis zum 8. Juni 1997 zu zahlen;
hilfsweise, den Vorgang wegen der verfassungsrechtlichen Fragen dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihren Schriftsatz vom 7. Februar 1996 im erstinstanzlichen Verfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten des ersten und
zweiten Rechtszuges sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsunterlagen ergänzend Bezug genom-
men.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht ein-gelegte und gemäß §§ 143 ff SGG
statthafte Berufung ist zulässig.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die am 2. Januar 1996 von der inzwischen verstorbenen Klägerin erhobene und von ihren
Rechtsnachfolgern fortgeführte Klage zutreffend als unzulässig abgewiesen. Die Klage kann schon deshalb keinen
Erfolg haben, weil die Prozessvoraussetzungen nicht vorliegen. Das Klagebegehren ist auf eine höhere
Rentenleistung gerichtet und setzt demnach voraus, dass die in Anspruch genommene Beklagte eine Leistung durch
Verwaltungsakt abgelehnt hat. Dementsprechend sieht das Verfahrensrecht des Sozialgerichtsgesetzes vor, dass
Gegenstand der Klage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes oder seine Abänderung sein kann bzw der
Verwaltungsakt anzufechten ist (§ 54 Abs 1, Abs 4 SGG). Da die Kläger eine höhere Leistung begehren, kommt eine
andere als die in § 54 SGG aufgeführte Anfechtungs- und Verpflichtungs- bzw Leistungsklage nicht in Betracht. Da
kein Verwaltungsakt ergangen ist, mangelt es zusätzlich an der Prozessvoraussetzung des Vorverfahrens (§ 78 Abs
1 SGG). Die erhobene Klage ist somit unzulässig.
Zutreffend hat das SG erkannt, dass die Kläger die Beklagte auf Änderung der bestehenden Gesetzeslage in
Anspruch nehmen, denn nach ihrer Auffassung ist die ihrem Begehren entgegenstehende Gesetzeslage
verfassungswidrig. Die deshalb von den Klägern gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage ist insoweit
als eine unzulässige Popularklage anzusehen (vgl auch Mey-er-Ladewig, SGG, 6. Aufl § 54 Rdnr 21).
Die Kläger müssten sich mit ihrem Begehren an den Versicherungsträger, die Alterskasse für den Gartenbau, wenden
und, soweit sie die Verfassungswidrig-keit einzelner Vorschriften zur Berechnung der Rentenleistung nach dem Ge-
setz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) rügen, ihre Einwendungen in jenem Verfahren gegen die
Alterskasse für den Gartenbau vorbringen. Somit kann auch der Hilfsantrag der Kläger hier keinen Erfolg haben.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision haben nicht vorgelegen, § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.