Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 19.04.2013

LSG Niedersachsen: tod, geldinstitut, verfügungsberechtigung, geldleistung, inhaber, empfang, begriff, trennung, identifikationsnummer, zusatzversicherung

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Rentenversicherung Erstattung überzahlter
Geldleistung durch einen Dritten nach dem Tod des
Rentenberechtigten
Die Vollmacht über das Konto des verstorbenen Rentenbeziehers macht den
Bevollmächtigten nicht ohne Weiteres zum Verfügenden iS des § 118 Abs 4 S
1 SGB 6. Das "Zulassen" einer Verfügung setzt ein Bewusstsein über die
eigene Verfügungsberechtigung und über die Verfügungsmöglichkeit des
Dritten voraus.
(Anschluss an SG Hamburg, Urteil vom 20.06.2011, S 6 R 1063/10,
rechtskräftig.)
SG Hannover 6. Kammer, Urteil vom 19.04.2013, S 6 R 1466/11
§ 118 Abs 3 S 2 SGB 6, § 118 Abs 3 S 3 SGB 6, § 118 Abs 4 S 1 SGB 6, § 118 Abs 4
S 2 SGB 6
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 14.03.2011 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18.11.2011 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Rückerstattungsforderung der Beklagten in
Höhe von 505,57 Euro. Sie wehrt sich dabei gegen eine Inanspruchnahme
durch die Beklagte für die über den Sterbemonat an Herrn G. (im Folgenden
Versicherter) hinaus gezahlte Rente.
Die Beklagte zahlte dem am H. geborenen Versicherten eine Rente wegen
Erwerbsminderung. Nach dessen Tod im November 2009 floss die
Rentenzahlung in Höhe von 597,21 Euro für den Monat Dezember 2010 weiter
auf dessen Konto bei der J.. Der Zahlungseingang erfolgte am 30.12.2009. Am
04.01.2010 erfolgte eine Auszahlung an einem Geldautomaten mittels J. card,
die für den Versicherten ausgestellt war, unter Eingabe der persönlichen
Identifikationsnummer (PIN). Am 06.01.2010 führte die J. zu Gunsten der K. im
Hinblick auf eine bestehende Unfallversicherung des Versicherten eine
Lastschrift in Höhe von 5,78 Euro aus.
Das Rückforderungsersuchen der Beklagten ging am 19.01.2010 bei der J. ein.
Diese erstattete der Beklagten einen Betrag von 91,44 Euro. Bei Eingang der
Rentenzahlung habe das Konto ein Guthaben von 0,20 Euro aufgewiesen. Das
Konto befinde sich im Übrigen auf Grund vorangegangener Verfügungen im
Soll. Eine weitergehende Erstattung könne nicht erfolgen, so die J.. Gleichzeitig
teilte die J. der Beklagten mit, dass für die Klägerin eine
Unterschriftsberechtigung vorliege. Diese bestehe seit 1993. Weitere
Verfügungsberechtigte seien nicht bekannt. Welche Person am Geldautomaten
Geld vom Konto des Versicherten abgehoben habe, sei nicht ermittelbar.
Bereits vor dem Tod des Versicherten hatte sich ein Herr L. bei der Beklagten
mit Schreiben vom 28.08.2009 gemeldet und mitgeteilt, dass sich der
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Versicherte in einem Hospiz befinde. Nähere Ermittlungen nach dem Tod des
Versicherten ergaben, dass der Versicherte zu Gunsten von Herrn L. eine
Vorsorgevollmacht eingerichtet hatte. Herr L. gab insoweit an, dass diese jedoch
mit dem Tode des Versicherten erloschen sei. Er habe eigene Nachweise und
Unterlagen sofort nach dem Tode des Versicherten vernichtet. Weitere
Ermittlungen bezüglich des Herrn L. führte die Beklagte zunächst nicht durch.
Erben des Versicherten konnte die Beklagte nicht ermitteln.
Die Beklagte hörte daraufhin die Klägerin als Vollmachtsinhaberin über das
Konto des Versicherten zu einer beabsichtigten Rückforderung von 505,57 Euro
an. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wies die Klägerin darauf hin, dass sie
zwar im Zeitraum von 1991 bis 1995 mit dem Versicherten zusammen gelebt
habe, dieser jedoch bereits 1995 ausgezogen sei. Danach habe es keinen
Kontakt mehr zu ihm gegeben. Sie selbst sei mehrfach umgezogen. Seit 1999
lebe sie mit ihrem jetzigen Verlobten zusammen. Sie habe die 500 Euro nicht
per Geldautomat vom Konto des Versicherten abgehoben.
Mit Bescheid vom 14.03.2011 verlangte die Beklagte 505,57 Euro von der
Klägerin erstattet. Sie habe über das Konto des Verstorbenen verfügt. Den
dagegen am 12.04.2011 erhobenen Widerspruch, in dem die Klägerin ihre
Angaben aus dem Anhörungsverfahren vertiefte, nahm die Beklagte zum
Anlass, sich bezüglich einer Rückzahlung erneut an Herrn M. zu wenden. Dieser
teilte mit Schreiben vom 10.05.2011 mit, dass er für den Verstorbenen kein Geld
abgehoben habe. Seine Vollmacht sei auf die Krankenversicherung, das
Sozialamt, das Arbeitsamt und die Wohnungsgenossenschaft begrenzt
gewesen. Er habe weder über die J. card des Versicherten verfügt, noch über
dessen PIN. Die Beklagte setzte die diesbezüglichen Ermittlungen nicht fort.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2011 wies die Beklagte den Widerspruch
der Klägerin zurück. Die Klägerin sei kontoverfügungsberechtigte Person über
das Konto des Versicherten gewesen. Es liege eine Unterschriftsberechtigung
vor. Daher seien die Kontobewegungen der Klägerin als
kontoverfügungsberechtigte Person zuzuordnen. Auf eine tatsächliche
Verfügung oder die Kenntnis der Unterschriftsberechtigung komme es nicht an.
Entscheidend sei, dass die Klägerin eine Unterschriftsberechtigung inne gehabt
habe und die Verfügungen zugelassen habe. Auf den Grund der
Kontobewegungen nach dem Tod des Versicherten komme es ebenfalls nicht
an.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 21.12.2011 vor dem
Sozialgericht Hannover erhobenen Klage. Um eine Verfügung zuzulassen
müsse zumindest ein rechtsgeschäftliches Bewusstsein dafür da sein, dass
man Kontovollmacht habe und eine Verfügung von einem Konto verhindern
könne. Beides sei bei der Klägerin auf Grund der langjährigen Trennung von
dem Versicherten nicht der Fall. Das Zulassen einer Verfügung setze bereits
vom Wortsinn mehr voraus, „als das Dinge geschehen, von denen man keine
Ahnung hat“. Mit ihrer Auslegung überschreite die Beklagte die Grenzen des
Wortlautes der Norm.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14.03.2011 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18.11.2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Begriff des „Verfügenden“ sei mit der Neufassung des § 118 Abs. 4 SGB VI
ab dem 29.06.2002 konkretisiert worden. Gerade Inhaber einer Kontovollmacht
habe der Gesetzgeber mit dem Tatbestand „zugelassen haben“ erfassen
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wollen. Dem Rentenversicherungsträger könne nicht die Prüfung aufgegeben
werden, inwieweit der Kontobevollmächtigte eines verstorbenen
rentenberechtigten Kontoinhabers Überweisungen getätigt habe oder zum
Beispiel die Ausführung eines Dauerauftrages zugelassen habe. Vielmehr solle
die Vorschrift gewährleisten, dass die Rentenversicherungsträger schnell und
unbürokratisch Beträge, die wegen Todes überzahlt seien, für die
Versichertengemeinschaft zurückerlangten. Zudem habe die Klägerin auch die
Möglichkeit gehabt, ihre Vollmacht zu löschen. Diese Möglichkeit habe sie nicht
genutzt. Die Rente sei unter dem gesetzlichen Vorbehalt geleistet worden, dass
dem Versicherten diese auch zustehe. Dieser Rücküberweisungsvorbehalt
bewirke, dass das Recht auf ein „Behalten dürfen“ von Geldleistungen oder ein
folgenloses „Zulassen“ von Überweisungen auf Grund von Unkenntnis oder
Vertrauen gar nicht erst entstehen könne. Zur Begründung verweist die Beklagte
zudem auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 14.02.2008 (L
17 RA 8/04).
Zum weiteren Sachverhalt und zum Vortrag der Beteiligten verweist die Kammer
auf die sozialgerichtliche Akte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die zur
Beratung und Entscheidungsfindung vorlagen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 14.03.2011 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18.11.2011 ist rechtswidrig und verletzt die
Klägerin in ihren Rechten.
Die Beklagte hat keinen Anspruch gegen die Klägerin auf eine Rückerstattung
der Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Versicherten, die zu Unrecht
erbracht worden sind.
Als alleinige Anspruchsgrundlage kommt insoweit § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI
i.V.m. S. 2 und Abs. 3, 6. Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in Betracht. Dessen
Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
Gemäß § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI (in der Fassung vom 19.12.2007) gelten
Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto
bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als unter Vorbehalt
erbracht. Das Geldinstitut hat sie der überweisenden Stelle oder dem Träger der
Rentenversicherung zurück zu überweisen, wenn diese sie als zu Unrecht
erbracht zurückfordern. Eine Verpflichtung zur Rücküberweisung besteht nicht,
soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits
anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem
Guthaben erfolgen kann (§ 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI). Das Geldinstitut darf den
überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden (§
118 Abs. 3 S. 4 SGB VI).
Soweit Geldleistungen für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht
erbracht worden sind, sind sowohl die Personen, die die Geldleistungen
unmittelbar in Empfang genommen haben oder an die der entsprechende
Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder sonstiges bankübliches
Zahlungsgeschäft auf ein Konto weitergeleitet wurde (Empfänger), als auch die
Personen, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden Betrag ein
bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen oder
zugelassen haben (Verfügende), dem Träger der Rentenversicherung zur
Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet (§ 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI).
Das Rückforderungsersuchen gegen die Klägerin ist nicht gerechtfertigt.
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I.
Die Rentenleistung an den Versicherten nach dessen Tod ist zu Unrecht erfolgt.
Gem. § 118 Abs. 1 S. 1 SGB VI werden laufende Geldleistungen am Ende des
Monats fällig, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. §
102 Abs. 5 SGB VI bestimmt, dass Renten bis zum Ende des Kalendermonats
geleistet werden, in dem die Berechtigten gestorben sind. Der Versicherte
verstarb im November 2009. Damit endete der Rentenanspruch zum
30.11.2009. Tatsächlich zahlte die Beklagte jedoch noch für den Monat
Dezember die Rente auf das bekannte Konto des Versicherten aus. Der
Zahlungseingang in Höhe von 597,21 Euro erfolgte am 30.12.2012.
II.
Ein vorrangiger Anspruch der Beklagten gegen die J. gem. § 118 Abs. 3 SGB VI
über die bereits von dort erstatteten 91,44 Euro hinaus besteht nicht. Die J. kann
sich wirksam auf den Entreicherungseinwand des § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI
berufen. Bei Eingang des Rückforderungsersuchens am 19.01.2010 war über
den entsprechenden Betrag schon anderweitig verfügt worden. Zwar erfolgte die
Abhebung der 500 Euro am 04.01.2013 mittels J. karte und persönlicher
Identifikationsnummer (PIN) des bereits verstorbenen Versicherten unter
Verstoß gegen die allgemeinen Geschäftsbedingungen der J.. Der den
Rücküberweisungsanspruch des Rentenversicherungsträgers mindernde
Einwand des § 118 Abs. 3 S. 3 Halbs. 1 SGB VI setzt jedoch nicht voraus, dass
die anderweitige Verfügung materiell rechtmäßig ist. Es reicht aus, dass sie
gegenüber dem Kontoinhaber bzw. dessen Erben wirksam ist (SG Leipzig, Urteil
vom 09.05.2006, S 3 R 1231/05, recherchiert in beck-online). Daran bestehen
vorliegend keine Zweifel.
III.
Die Klägerin ist weder Empfängerin noch Verfügende über die Geldleistung
i.S.d. § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI.
1.) Die Klägerin hat die Geldleistung weder unmittelbar in Empfang genommen,
noch ist der entsprechende Betrag durch Dauerauftrag, Lastschrifteinzug oder
sonstiges bankübliches Zahlungsgeschäft auf ihr Konto weitergeleitet worden
(Empfängerin). Insbesondere bestehen nach Auffassung der Kammer keinerlei
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin am 04.01.2010 mittels J. card und PIN
500 Euro am Geldautomaten von dem Konto des Versicherten abgehoben
haben könnte. Dies behauptet auch die Beklagte nicht. Die Kammer hat keinen
Zweifel daran, dass die Klägerin keinerlei Zugangsmöglichkeit zur Geldkarte des
Versicherten besaß. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin
glaubhaft dargestellt, dass sie bereits 1995 die Beziehung zu dem Versicherten,
den sie als Köchin in einer Gaststätte als regelmäßigen Kneipengänger erlebt
und kennengelernt hatte, beendet hatte, nachdem dieser erneut übermäßig
Alkohol konsumiert hatte. Seit 1999 lebt die Klägerin mit ihrem neuen
Lebensgefährten und Verlobten zusammen. Der Versicherte zog mehrfach um
und war zwischenzeitlich auch wohnungslos. Schriftverkehr adressierte die
Beklagte bis April 2005 an die Einrichtung „N.“, die Wohnungslose betreute.
Während des Aufenthaltes des Versicherten im Hospiz 2009 wandte sich Herr L.
an die Beklagte, um die neue Adresse des Versicherten bekannt zu geben. Die
Klägerin erschien bis zum Rückforderungsersuchen durch die Beklagte nicht in
den Verwaltungsakten des Versicherten.
2.) Die Klägerin ist zudem nicht als Verfügende erstattungspflichtig. Dabei ist
bereits fraglich, inwieweit die Klägerin über das Konto des Versicherten
verfügungsberechtigt war. Nähere Ermittlungen der Beklagten dazu erfolgten
nicht. Die J. teilte lediglich eine „Unterschriftenberechtigung“ mit, die seit 1993
bestehe. Unklarheiten über den Umfang der Vollmacht gehen insoweit zu
Lasten der Beklagten.
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Selbst wenn die Kammer eine Verfügungsberechtigung i.S.e. Kontovollmacht
der Klägerin unterstellt, so hat diese weder ein bankübliches Zahlungsgeschäft
vorgenommen noch ein solches zugelassen. Für eine aktive Vornahme eines
Bankgeschäftes bestehen keinerlei Anhaltspunkte.
Sie hat daneben aber auch nicht die Verfügung eines Dritten „zugelassen“.
Verfügender nach der gesetzlichen Definition des § 118 Abs. 4 S. 1 2. Halbsatz
SGB VI ist die Person, die als Verfügungsberechtigte über den entsprechenden
Betrag ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vorgenommen
oder zugelassen hat. Bereits die Bezugnahme auf das über den
entsprechenden Betrag vorgenommene bankübliche Zahlungsgeschäft zeigt,
dass das Bestehen einer Verfügungsberechtigung als solcher ihren Inhaber
noch nicht zum Verfügenden macht. Mit anderen Worten: Eine Erstattungspflicht
allein kraft Verfügungsberechtigung lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen (SG
Hamburg, Urteil vom 20.06.2011, S 6 R 1063/10, rechtskräftig, recherchiert in
juris, Rn. 29; BSG, Urteil vom 10.07.2012, B 13 R 105/11 R, recherchiert in juris,
Rn. 29). § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI verknüpft die Erstattungspflicht von
Empfängern (und Verfügenden) nämlich mit der die Rücküberweisungspflicht
des Geldinstituts einschränkenden anderweitigen Verfügung i.S. des § 118 Abs.
3 SGB VI (BSG, a.a.O., Rn. 28 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 20.12.2001, B
4 RA 53/01 R, SozR 3-2600 § 118 Nr. 9, S. 63 zu § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI a.F.;
bestätigt durch BSG SozR 3-2600 § 118 Nr. 11 für die ab 29.6.2002 hier
relevante Neuregelung von § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI i.d.F. des HZvNG). Es
geht hierbei nämlich spiegelbildlich um das (mittelbare) Ergebnis gerade
desjenigen Vorgangs, auf den sich der Entreicherungseinwand des Geldinstituts
nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI stützt und den damit ursprünglich nachrangigen
Erstattungsanspruch gegen den Verfügenden aus § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI
eröffnet (BSG, Urteil vom 20.12.2001, B 4 RA 53/01 R, SozR 3-2600 § 118 Nr. 9,
S. 56 zu § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI a.F.).
Ob ein bankübliches Zahlungsgeschäft „zugelassen“ wurde, ist demnach
anhand des konkreten Zahlungsgeschäftes zu beurteilen, dass seinerseits zur
Entreicherung des Geldinstituts führte. Dies ist vorliegend insbesondere die
Abhebung von 500 Euro mittels Geldautomaten.
Zwar macht auch das Zulassen der Verfügung eines Dritten den
Kontobevollmächtigten zum Verfügenden. Diesem Zulassen muss nach
Auffassung der Kammer jedoch die Qualität eines Duldens oder Unterlassens im
Rechtssinne zukommen (insoweit SG Hamburg folgend, a.a.O., Rn. 32). Ein
Dulden oder Unterlassen im Rechtssinne wiederum setzt zumindest ein
Bewusstsein über die eigene Verfügungsberechtigung und über die
Verfügungsmöglichkeit des Dritten voraus. Das durch den Dritten
vorgenommene Zahlungsgeschäft muss letztlich dem Verantwortungsbereich
des Kontobevollmächtigten zuzurechnen sein. Diese begrenzende Definition
des Zulassens eines Zahlungsgeschäftes rechtfertigt sich daraus, dass auch
nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für Geldleistungsempfänger nach
§ 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI nur dann die "verschärfte bereicherungsrechtliche
Haftung" gelten soll, wenn sie an den Vermögensverschiebungen auf dem
Konto des Versicherten zumindest mittelbar beteiligt gewesen sind (BSG a.a.O.,
S. 57 und 65). Eine ererbte Kontoinhaberschaft allein reicht hierfür bspw. nicht
aus (BSG, Urteil vom 10.07.2012, B 13 R 105/11 R, recherchiert in juris, Rn. 28).
Der Verfügende muss dem Geldinstitut gegenüber wirksam zu Lasten des
Kontos verfügt, also Rechtsgeschäfte vorgenommen haben, die unmittelbar
darauf gerichtet waren, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu
verändern, zu übertragen oder aufzuheben (BSG, a.a.O., Rn. 29).
Die Gesetzeshistorie stützt die weiterführende Definition des Begriffs des
„Zulassens“ einer Verfügung im Sinne der bloßen Inhaberschaft einer
Kontovollmacht, wie sie die Beklagte vornehmen will, nicht. In den
Gesetzesberatungen zum „Gesetz zur Einführung einer kapitalgedeckten
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Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer
Gesetze vom 21.06.2002 – HZvNG“ stand die Einführung der
Zusatzversicherung im Vordergrund. Konkrete Anmerkungen bzgl. der
Änderungen zu § 118 SGB VI finden sich nicht (vgl. Dokumente zum
Gesetzesvorgang zu recherchieren unter http://pdok.bundestag.de/ ). Mit dem
HZvNG definierte der Gesetzgeber im neuen Satz 1 des § 118 SGB VI
ausdrücklich, dass auch derjenige Verfügender ist, der ein bankübliches
Zahlungsgeschäft zulässt. Wie der Begriff des „Zulassens“ wiederum zu
definieren sei, bestimmte der Gesetzgeber dabei nicht. Nach der amtlichen
Gesetzesbegründung trägt die Änderung in Satz 1 einer Anregung der
Rentenversicherungsträger nach einer Konkretisierung von Personen
Rechnung, die die Geldleistungen zu Unrecht erhalten haben, so dass der
überzahlte Betrag nicht vom Geldinstitut zurücküberwiesen wird.
Verfügungsberechtigte Person i.S.d. Vorschrift sei u.a. der Kontoinhaber und für
Fälle, in denen das Kreditinstitut nach dem Ableben des Berechtigten eine von
diesem noch zu Lebzeiten zur Einziehung erteilte Lastschrift abbucht oder einen
erteilten Dauerauftrag ausführt, seine gesetzlichen Vertreter sowie seine Erben
(Bundestagsdrucksache 14/9007, S. 36). Zu einem bloßen Inhaber einer
Kontovollmacht äußert sich der Gesetzgeber in seiner Begründung nicht.
Die Klägerin hat die Abhebung von 500 Euro vom Konto des Versicherten an
einem Geldautomaten mittels J. karte und PIN nicht in diesem Sinne
zugelassen. Ihr war nicht bewusst, dass sie über eine Vollmacht bzgl. des
Kontos des Versicherten verfügte. Die eingeräumte Kontovollmacht hat die
Klägerin nie genutzt. Sie hat glaubhaft dargestellt, seit 1999 keinerlei Kontakt
mehr mit dem Versicherten gehabt zu haben. Die von der Klägerin geschilderten
Begleitumstände der Trennung stützen ihre Angaben. Ihre Erinnerungen bzgl.
der möglichen Einrichtung der Kontovollmacht im Hinblick auf einen allergischen
Schock des Versicherten sind glaubhaft. Nachvollziehbar ist auch, dass sie mit
dem Abbruch jeglicher Beziehungen zu dem Versicherten und dem Löschen
seiner Person als Begünstigtem in abgeschlossenen
Lebensversicherungsverträgen davon ausging, dass der Versicherte seinerseits
die Klägerin aus etwaigen Begünstigungen, Vollmachten und ähnlichem
gestrichen hätte. Der Klägerin ist zudem nicht vorzuwerfen, dass ein Dritter die
Geldabhebung vom Konto des Versicherten nach dessen Tod vorgenommen
hat. Der Beweis des ersten Anscheins spricht für einen grob fahrlässigen
Umgang des Versicherten mit der Bankkarte, der letztlich den Missbrauch
ermöglichte. Eine Einstandspflicht der Klägerin für die missbräuchliche
Verwendung der J. karte würde den Anwendungsbereich des § 118 Abs. 4 SGB
VI überdehnen.
Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.