Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.11.2001
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 27.11.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Lüneburg S 11 V 34/96
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 9 VS 19/98
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um das Vorliegen von Wehrdienstbeschädigungen (WDB) nach dem
Soldatenversorgungsgesetz (SVG).
Der 1954 geborene Berufungskläger war von Juli 1974 bis Juni 1982 als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr. In seiner
Dienstzeit war er im wesentlichen als Panzerkommandant eingesetzt.
Seit 1982 stellte sich bei dem Berufungskläger eine zunehmende Schwerhörigkeit zunächst auf dem rechten, dann
aber auch auf dem linken Ohr ein. In zwei Operationen im Jahre 1987 in den Städtischen Kliniken H. durch den
Neurochirurgen Prof. Dr. I. wurden zwei Tumore entfernt, die auch den jeweiligen Hörnerv umschlossen. Anläßlich der
Operation am linken Ohr im Februar 1987 berichtete Prof. Dr. I., er habe bei dem Berufungskläger weder Café-au-Lait
– Flecken noch sonstige Anzeichen einer Neurofibromatose "von Recklinghausen" diagnostiziert. Im
Operationsbericht vom 14. August 1987 anläßlich der Operation des rechten Kleinhirnbrückenwinkels ging Prof. Dr. I.
von der Diagnose "Morbus Recklinghausen" aus. In der Folge ertaubte der Berufungskläger auf beiden Ohren.
In einem Arztbrief vom Mai 1988 berichtete Prof. Dr. J. anläßlich der Untersuchung, ob bei dem Berufungskläger
"Morbus Recklinghausen" vorliege, es bestünden keine Hauterscheinungen, es lägen keinerlei cutane
Manifestationsformen vor.
Im Oktober 1988 wandte der Berufungskläger sich an das Versorgungsamt (VA) Hannover und beantragte, ihm sowohl
Ausgleich als auch Versorgung nach dem SVG zu gewähren. Als WDB machte er Wirbelsäulenbeschwerden in
Gestalt von Bandscheibenvorfällen, Beschwerden an den Großzehen, eine Narbe im Halswirbelsäulenbereich sowie
eine beidseitige Taubheit durch Knoten geltend.
Das VA zog die Gesundheitsunterlagen des Berufungsklägers vom Institut für Wehrmedizinalstatistik in K. bei.
Hieraus ergab sich, daß bei dem Berufungskläger bereits bei der Musterung und später bei der Annahmeuntersuchung
zum Soldaten auf Zeit ein Rundrücken diagnostiziert worden war. Im August 1979 hatte der Chirurg Dr. L. erstmals
einen tastbaren Tumor im Nacken des Berufungsklägers diagnostiziert. Aus einem Arztbrief des
Bundeswehrkrankenhauses M. vom 6. Dezember 1979 ergibt sich, daß der Berufungskläger dort angegeben hatte,
dieser Knoten sei von ihm schon seit Jahren getastet worden. Während des Aufenthaltes des Berufungsklägers im
Bundeswehrkrankenhaus M. im November/Dezember 1979 war der Knoten entfernt worden. Das entfernte Gewebe
wurde von dem Pathologen Dr. N. sodann untersucht. Er diagnostizierte "1. ein plexiformes Neurofibrom und 2.
Lymphknoten mit geringfügigen regressiven Veränderungen" (Befund vom 6. Dezember 1979).
Im Juni 1982 war der Berufungskläger wegen eines pathologischen Audiogramms in hno-fachärztliche Behandlung
überwiesen worden. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt O. im Bundeswehrkrankenhaus P. diagnostizierte unter dem 10. Juni
1982 eine Senke bei 4000 Hz. Die Ursache sei möglicherweise in einem Knalltrauma bei der Bundeswehr oder in
einem Verkehrsunfall zu suchen. Dies sei letztlich nicht zu klären. Die Schädigung sei aber auch so gering, daß
daraus keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) resultiere. Dem Berufungskläger wurde angeraten, künftig streng
auf das Anlegen von Gehörschutz zu achten. Weiter wurde empfohlen, dies bei Entlassung erneut zu untersuchen.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 1988 lehnte es das Wehrbereichsgebührnisamt III (WBGA) ab, dem Berufungskläger
Ausgleich nach dem SVG zu gewähren, da seine Ansprüche insoweit verjährt seien.
Hiergegen erhob der Berufungskläger Klage beim Sozialgericht (SG) Lüneburg (S 11 V 53/92). In diesem
Gerichtsverfahren kam es – nach einer längeren Aussetzung – zur Einholung des Gutachtens des Neurologen und
Psychiaters Dr. Q. vom 8. Dezember 1993, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Hierzu hat das WBGA eine
Stellungnahme des Sanitätsamts der Bundeswehr von dem Sozialmediziner Oberfeldarzt R. vom 2. Mai 1994
vorgelegt. Auch insoweit wird Bezug genommen. Das SG wies die Klage sodann mit Urteil vom 29. August 1994 ab
und führte zur Begründung im wesentlichen aus, die Ansprüche des Berufungsklägers auf Gewährung von Ausgleich
nach dem SVG seien zwischenzeitlich verjährt.
Zwischenzeitlich betrieb der Berufungskläger das Verfahren bei dem VA weiter mit dem Ziel, Versorgung zu erhalten.
Das VA holte in diesem Verfahren Auskünfte von Hauptmann S., dem nunmehrigen Batteriechef der ehemaligen
Einheit des Berufungsklägers, sowie eine Auskunft des Panzerartilleriebataillons 75 ein. Sodann beteiligte es seinen
Ärztlichen Dienst (Neurochirurg Dr. T.) am 21. Februar 1992 und lehnte mit Bescheid vom 22. September 1992 die
Gewährung von Versorgung ab. Als WDB anerkannt wurden "Veränderungen am linken Großzehennagel nach
operativem Eingriff". Diese rechtfertige indes nicht die Vergabe einer MdE, die zur Gewährung einer Versorgungsrente
führe.
Auf den Widerspruch des Berufungsklägers veranlaßte das VA weitere medizinische Sachaufklärung durch Einholung
eines Gutachtens des Neurochirurgen Prof. Dr. U ... Dieser kam im wesentlichen zu folgenden Ergebnissen: Es sei
bei dem damaligen Stand der medizinischen Erkenntnis und der medizinischen Technik zweifelhaft, ob 1979 Anlaß
bestanden habe, weitere Diagnostik einzuleiten. Das bei dem Berufungskläger 1979 diagnostizierte plexiforme
Neurofibrom werde von Teilen der medizinischen Literatur auch bei anderen Krankheiten als bei "Morbus
Recklinghausen" gesehen. Selbst wenn eine weitere Diagnostik eingeleitet worden wäre, so hätte nicht unbedingt die
Indikation für eine Operation vorgelegen, da diese bei beidseitigem Befall sehr schwierig sei. Darüber hinaus lasse
sich nicht sagen, daß die Operation – hätte man sie früher durchgeführt – ein besseres Ergebnis gehabt hätte. Es sei
auch nicht sicher, daß die Tumore, die auf beiden Seiten bei dem Berufungskläger vorgelegen hätten, über die Jahre
gewachsen seien oder ob sie nicht auch bereits Ende der siebziger Jahre annähernd das selbe Ausmaß wie zum
Zeitpunkt der Operation erreicht hatten. Selbst wenn damals operiert worden wäre, hätten allenfalls Chancen
bestanden, den Gehörsinn des Berufungsklägers zu erhalten.
Nach Auswertung dieses Gutachtens wies das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben (NLZSA)
den Widerspruch des Berufungsklägers mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1996 zurück.
Der Berufungskläger hat am 11. November 1996 Klage erhoben. Das SG hat die Akte des Vorprozesses beigezogen
und die Klage sodann mit Urteil vom 27. April 1998 abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen darauf
hingewiesen, die Wirbelsäulenbeschwerden des Berufungsklägers und die ebenfalls vorliegenden Meniskusschäden
könnten nicht auf seine Belastung bei der Bundeswehr zurückgeführt werden. Hinsichtlich der Ertaubung des
Berufungsklägers hat sich das SG der Auffassung von Prof. Dr. U. angeschlossen und die Kausalität der
truppenärztlichen Behandlung für die später eingetretenen Folgeschäden verneint.
Der Berufungskläger hat am 29. Juni 1998 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung führt er im wesentlichen aus, als
Gutachter habe ein Neurochirurg hinzugezogen werden müssen, der auf dem Gebiet der Neurofibromatose jahrelange
Erfahrung habe. Das SG habe die zu entscheidende Frage verkannt. Es gehe darum, ob die Bundeswehrärzte im Jahr
1979 verpflichtet gewesen seien, ihn darauf hinzuweisen, er müsse sich weiter untersuchen lassen. Hinsichtlich der
bei ihm vorliegenden orthopädischen Beschwerden habe er sehr viel schlimmere Belastungen ertragen, als von der
Berufungsbeklagten zugestanden. Ergänzend teilte der Berufungskläger mit, er habe beim Institut für
Wehrmedizinalstatistik angefragt. Dieses habe ihm mitgeteilt, histologische Schnittproben würden dort 10 Jahre
aufbewahrt. Die anläßlich seiner Operation 1979 gewonnene Schnittprobe sei daher nicht mehr vorhanden. Weiter
bezieht sich der Berufungskläger zur Begründung seiner Berufung auf eine von ihm vorgelegte privatärztliche
Stellungnahme des Neurochirurgen Prof. Dr. I. vom 10. November 1998.
Der Berufungskläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichtes Lüneburg vom 27. April 1998 aufzuheben sowie den Bescheid des
Versorgungsamtes Hannover vom 22. September 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des
Niedersächsischen Landesamtes für Zentrale Soziale Aufgaben vom 24. Oktober 1996 zu ändern,
2. das beklagte Land zu verurteilen, bei ihm a) eine Wirbelsäulenerkrankung b) eine doppelseitige Ertaubung als
Wehrdienstbeschädigung festzustellen und ihm Versorgung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht es sich auf seine angefochtenen Bescheide.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der
Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Versorgungsakten des VA Hannover (2 Bde. zum Az. V.) sowie
auf die ebenfalls beigezogenen Schwerbehindertenakten des VA Hannover (ebenfalls 2 Bde zum Az. W.) Bezug
genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Das SG hat zu Recht entschieden, daß der Berufungskläger keine weiteren Ansprüche auf Anerkennung einer WDB
sowie auf Zuerkennung von Versorgungsleistungen hat. Der Bescheid des VA Hannover vom 22. September 1992 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides des NLZSA vom 24. Oktober 1996 ist rechtmäßig und verletzt den
Berufungskläger nicht in seinen Rechten.
Nach § 80 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des
Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf
Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Eine
WDB ist nach § 81 SVG eine gesundheitliche Schädigung die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während
der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse
herbeigeführt worden ist. Die beiden erstgenannten Alternativen kommen bei der Entscheidung des vorliegenden
Rechtsstreites nicht in Betracht. Der Berufungskläger macht weder geltend, durch eine Wehrdienstverrichtung noch
durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall geschädigt worden zu sein. Derartige
Ereignisse als mögliche Ursache der streitigen Gesundheitsstörungen sind auch nicht ersichtlich.
Soweit der Berufungskläger seine nach Operation eingetretene beidseitige Ertaubung als WDB geltend macht, kann er
dies nicht auf von ihm behauptete Versäumnisse des truppenärztlichen Dienstes stützen.
In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) ist anerkannt, daß es zu den Eigentümlichkeiten des
Wehrdienstes zählt, daß Soldaten darauf angewiesen sind, den truppenärztlichen Dienst in Anspruch zu nehmen.
Versäumnisse des truppenärztlichen Dienstes sind daher als Wehrdienstbeschädigungen infolge dienstüblicher
Umstände anzusehen.
Zu den Wehrdienstbeschädigungen iS des § 81 Abs 1 SVG aufgrund wehrdiensteigentümlicher Verhältnisse gehören
nämlich (BSG, Urteil vom 12. April 2000, AZ: B 9 VS 2/99 R; vgl auch Senatsentscheidung vom 20. Oktober 2000, L
9 VS 8/98) auch Schädigungen, die auf den besonderen Gegebenheiten des soldatischen Sozialbereichs der
Bundeswehr, der sich deutlich von dem des Zivillebens unterscheidet, beruhen. Insbesondere gilt dies für den Bereich
der truppenärztlichen Behandlung in Bundeswehrkrankenhäusern. Die Besonderheit der Behandlung von Soldaten
durch Militärärzte der Bundeswehr knüpft an die dienstliche Verpflichtung der Soldaten an, sich gesund zu erhalten,
damit die Bundeswehr ihren Verteidigungsauftrag uneingeschränkt erfüllen kann. Jeder Soldat muß sich deshalb
notwendigen Behandlungen genauso unterziehen, wie er seinen Dienst auszuüben hat, dessen schädigende Folgen
ausdrücklich durch § 81 Abs 1 SVG geschützt sind. Die danach im allgemeinen vorhandene Vorstellung der Soldaten,
daß sie sich nicht nur im eigenen Interesse behandeln lassen müssen, sondern damit auch ihrer gesetzlichen Pflicht
zur gesteigerten Gesunderhaltung nachkommen, ist deshalb ein wehrdiensteigentümlicher Umstand. Von ihm ist in
Behandlungsfällen regelmäßig auszugehen. Wehrdiensteigentümlich ist in derartigen Fällen weiter, daß der Soldat den
behandelnden Arzt grundsätzlich nicht frei wählen kann. Im Rahmen der ihm zustehenden freien Heilfürsorge besteht
vielmehr der Zwang, sich ausschließlich von Offizieren des Sanitätsdienstes behandeln zu lassen. Von den damit
verbundenen Risiken hat der Staat die Soldaten durch die Entschädigungsansprüche nach §§ 80, 85 SVG befreit (vgl
insbesondere Urteil des BSG vom 4.10.84, 9a/9 KLV 1/81 in BSGE 57, 171 ff = SozR 3200 § 81 Nr 20; BSG,
Beschluss vom 24.6.1981 in SozR 3200 § 81 Nr 15). Sind die wehrdiensteigentümlichen Besonderheiten der
truppenärztlichen Versorgung wenigstens wesentliche (Mit-)Ursache einer gesundheitlichen Schädigung eines
Soldaten, sind die Anspruchsvoraussetzungen für eine Versorgung erfüllt, es sei denn, die Schädigung wäre bei freier
Arztwahl auch in jedem anderen Krankenhaus eingetreten. Typischer Fall einer wesentlichen Schädigung ist ein
Behandlungsfehler. Ob selbst dann ein Anspruch auf Versorgung besteht, wenn die eingetretene Schädigung nicht auf
einem schuldhaften Kunstfehler, der einen zivilen Schadensersatzanspruch begründen würde, beruht, hat das BSG
bisher offengelassen (vgl BSG U.v. 4.10.84 a.a.O.).
Anhaltspunkte für einen derartigen Kunstfehler oder ein sonstiges Ursächlichwerden der truppenärztlichen Versorgung
sind im Falle des Klägers aber nicht ersichtlich.
Der Senat konnte sich nämlich - ebenso wie das SG - nicht die Überzeugung bilden, daß Versäumnisse des
truppenärztlichen Dienstes zu einem Schaden bei dem Berufungskläger geführt haben. Insoweit ist zunächst darauf
hinzuweisen, daß hier die wehrdiensteigentümlichen Umstände sowie der daraus folgende Schaden bewiesen werden
müssen. Allein für die Kausalität der Umstände zu dem Schaden ist nach § 81 Abs. 6 Satz 1 SVG der
Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit ausreichend.
Der Senat kann sich zunächst nicht die Überzeugung bilden, daß die den Berufungskläger 1979 behandelnden Ärzte
einen Fehler begangen haben, als sie nach Kenntnisnahme von dem histologischen Befund von Oberfeldarzt Dr. N.
keine weitere Fachdiagnostik einleiteten. Insoweit folgt der Senat dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten von
Prof. Dr. U ... Dieser hat im wesentlichen darauf hingewiesen, daß die damals vorliegenden Umstände bei damaligem
Kenntnisstand nicht zwingend dazu führen mußten, weitere Diagnostik einzuleiten. In diesem Zusammenhang war für
den Senat insbesondere maßgeblich, daß Prof. Dr. U. ins Einzelne gehend dargetan hat, daß in der medizinischen
Wissenschaft und Literatur das Vorliegen eines plexiformen Neurofibroms keineswegs ein zwingendes Zeichen für das
Vorliegen einer Neurofibromatose (Morbus Recklinghausen) ist. Andere Anhaltspunkte als diese Diagnose
"plexiformes Neurofibrom" lagen für die damals behandelnden Ärzte nicht vor. Selbst wenn dem Berufungskläger darin
gefolgt würde, daß bei ihm schon seit der Jugendzeit zwei sogenannte Café-au-lait - Flecke vorgelegen haben, so
könnte dies nach den Ausführungen von Prof. Dr. U. nichts daran ändern, daß die Kriterien nicht vorlagen, die zu einer
weiteren Fachdiagnostik hätten führen müssen. Denn auch nach heutigem Kenntnisstand wäre erst bei Vorliegen von
mindestens sechs Café-au-lait – Flecken – neben einem weiteren Anhaltspunkt – an eine Neurofibromatose Typ 1 zu
denken, die bei dem Berufungskläger aber gar nicht vorliegt. Für die bei dem Kläger vorliegende Neurofibromatose
Typ 2 sind Café-au-lait – Flecke ohne diagnostische Bedeutung.
Der Senat vermag sich indes auch nicht die Überzeugung zu bilden, daß sich bei dem Berufungskläger bereits 1979
Café-au-lait - Flecken gebildet hatten, die auf das Vorliegen einer Neurofibromatose hätten hindeuten können. Insoweit
ergibt sich aus dem Operationsbericht von Prof. Dr. I. vom 13. Februar 1987 (Bl 37 in Bd I der Schwerbehindertenakte
des VA Hannover) und dem Bericht von Prof. Dr. J. vom 3. Mai 1988 (Bl 49 aaO), daß diese bei einer Untersuchung
des Berufungsklägers in den Jahren 1987 und 1988 keine derartigen Hautveränderungen feststellen konnten. Diese
ausdrücklichen Negativbefunde erfahrener Ärzte, die den Berufungskläger auf entsprechende Erscheinungen
untersucht haben, sprechen dagegen, daß zum Zeitpunkt der Untersuchungen Café-au-lait - Flecken vorgelegen
haben. Die ausdrückliche Erwähnung dieses Befundes spricht für den Senat auch dagegen, daß die entsprechenden
Erscheinungen von den untersuchenden Medizinern nur übersehen wurden. Haben aber 1987 noch keine Café-au-lait –
Flecken vorgelegen, so haben sie 1979 erst recht noch nicht vorgelegen.
Schon deshalb hält der Senat auch die Ausführungen von Dr. Q. in seinem Gutachten vom 8. Dezember 1993 letztlich
nicht für überzeugend. Dieser stützt sein Ergebnis nämlich zunächst auf die Behauptung, man habe den
Berufungskläger im Jahre 1979 lediglich körperlich in Augenschein nehmen müssen, um die Café-au–lait - Flecken zur
Kenntnis zu nehmen, was wiederum zur Diagnose der Neurofibromatose geführt hätte. Darüber hinaus kommt er bei
der Auswertung der aus der Vergangenheit vorliegenden Akten lediglich deswegen zu dem Ergebnis, weitere
Diagnostik sei geboten gewesen, weil er die Erkenntnisse aus den Jahren 1979 und 1982 vermischt. Im Jahre 1979
waren indes keinerlei Hörschädigungen des Berufungsklägers bekannt geworden. Hinsichtlich der Hörschädigungen
weist aber auch Dr. Q. darauf hin, diese seien ob ihrer konkreten Gestalt (typische Hörsenke bei 4000 Hz) zunächst
zu Recht auf mögliche Lärmschädigungen zurückgeführt worden. Dies lag auch bei einem in der Artillerie tätigen
Soldaten auf Zeit durchaus nicht fern. Angesichts dessen war im Jahr 1982 auch kein Fehlverhalten im oben näher
gekennzeichneten Sinne der Truppenärzte zu verzeichnen, als diese nicht aus dem nunmehr vorliegenden
ohrenärztlichen Befund und dem aus der Vergangenheit stammenden pathologischen Befund den Verdacht auf das
Vorliegen einer Neurofibromatose schlußfolgerten.
Selbst wenn aber zugunsten des Berufungsklägers unterstellt würde, die ihn 1979 behandelnden Ärzte hätten
fehlerhaft gehandelt, weil sie ihn nicht einer weiteren Diagnostik zugeführt hätten, so ergäbe sich hieraus nicht, daß
dem Berufungskläger ein Anspruch zustünde. Auch insoweit folgt der Senat dem Gutachten von Prof. Dr. U., der ins
Einzelne gehend dargetan hat, warum eine frühere Diagnose der beim Berufungskläger vorliegenden Erkrankung
lediglich Chancen eröffnet hätte, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen bzw. das Gehör des Berufungsklägers zu
erhalten.
Prof. Dr. U. macht insoweit zunächst darauf aufmerksam, daß das Wachstum plexiformer Neurofibrome nicht
kontinuierlich ist. Allein aus dem Zeitablauf kann also nicht geschlossen werden, daß die Tumore im Jahre 1979 noch
soviel kleiner waren, daß ihre operative Entfernung sehr viel leichter und erfolgversprechender gewesen wäre. Insoweit
weist Prof. Dr. U. ergänzend auch darauf hin, ob der speziellen Struktur dieser Art von Tumor sei deren Entfernung
auf jeden Fall sehr schwierig und führe, selbst wenn die Hörnerven nicht verletzt würden, in vielen Fällen zum Verlust
des Hörsinns. Dies bedeutet, ein – hier unterstelltes - Fehlverhalten der Truppenärzte im Jahre 1979 hat letztlich nicht
mit Wahrscheinlichkeit zu einem schnelleren Verlauf der Erkrankung oder zur Ertaubung des Berufungsklägers
geführt.
Prof. Dr. U. hat diese seine Annahmen ausführlich unter Heranziehung der wissenschaftlichen Literatur aus neuerer
und älterer Zeit begründet. Er hat insbesondere auch für den Senat überzeugend dargetan, warum das Gutachten von
Dr. Q., der zu einem anderen Ergebnis gelangt, in sich widersprüchlich ist. Auch für den Senat sind die von Dr. Q.
gezogenen Schlüsse nicht nachvollziehbar. Wenn er einerseits ausführt, es ließen sich im Nachhinein keine
statistischen Daten über einen möglichen Verlauf angeben, andererseits aber als sicher davon ausgeht, eine frühere
Operation hätte zu einer Erhaltung des Gehörsinns beigetragen, so ist darin ein unauflösbarer Widerspruch zu sehen.
Weiter weist auch Dr. Q. – wie auch Prof. Dr. U. – darauf hin, auch heute noch seien Ertaubungen häufige Folge
derartiger operativer Interventionen.
Auch die Wirbelsäulenerkrankung des Berufungsklägers läßt sich nicht auf eine Schädigung durch
wehrdiensteigentümliche Umstände zurückführen.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß bei Erkrankungen, die auf die "beruflichen" Belastungen des Wehrdienstes
zurückzuführen sind, nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der auch der erkennende Senat in ständiger
Rechtsprechung folgt, nur dann eine Anerkennung erfolgen kann, wenn eine derartige Erkrankung als Berufskrankheit
in der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) anerkannt werden kann.
Der versorgungsrechtlich geschützte Bereich nach dem SVG bei unfallunabhängigen Krankheiten wird nach dem
Vorbild des Berufskrankheitenrechts bestimmt (vgl BSG vom 11. Oktober 1994, 9 BV 55/94; vom 5.5.1993 - 9/9a RV
25/92 = SozR 3-3200 § 81 Nr 8), es sei denn, es handele sich um besondere außerordentliche Belastungen, die
typischerweise nur unter den Bedingungen des Krieges auftreten (vgl BSG vom 10.11.1993 - 9/9a RV 41/92 = BSGE
73, 190 = SozR 3-3200 § 81 Nr 9). Ob eine Krankheit auf bestimmte Einwirkungen zurückzuführen ist, denen der
Soldat im Dienst ausgesetzt war, ist daher in der Regel nicht mit Hilfe medizinischer Sachverständigengutachten im
Einzelfall festzustellen. Diese Frage läßt sich wegen der Vielfalt möglicher Ursachen und der begrenzten
Leistungsfähigkeit auch der medizinischen Wissenschaft nur allgemein entscheiden. Eine solche allgemeine Antwort
hat der Gesetzgeber für das Gebiet der Berufskrankheiten mit der BKVO gegeben. Das Berufskrankheitenrecht ist
Modell für die Abgrenzung des versorgungsrechtlich geschützten Bereichs auch im Recht der Soldatenversorgung.
Hinsichtlich des Berufungsklägers ist nicht erkennbar, daß er einen der Tatbestände der in der BKVO anerkannten
Berufskrankheiten erfüllt. Insbesondere die Voraussetzungen der BK gemäß Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKVO sind
hier schon nach dem Vortrag des Berufungsklägers nicht erfüllt. Anerkennungsfähig sind danach
bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule nach langjähriger, vorwiegend vertikaler Einwirkung von
Ganzkörperschwingungen im Sitzen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung,
die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Schon nach dem
Vortrag des Berufungsklägers hat dieser während seiner Einsätze als Panzerkommandant im wesentlichen gestanden
– also keine Schwingungen im Sitzen erlitten. Die Schwingungsbelastung der Lendenwirbelsäule ist auch nicht etwa
derjenigen eines Sitzenden gleich oder sogar höher zu bewerten. Denn die von dem Panzerfahrzeug ausgehenden
Schwingungen werden bei stehenden Besatzungsmitgliedern vor dem Erreichen der Lendenwirbelsäule durch die
diversen Gelenke zwischen Fußsohle und Wirbelsäule eher gedämpft. Darüber hinaus sind die Anforderungen der BK
gemäß Nr. 2110 der Anlage 1 zur BKVO schon deswegen nicht erfüllt, weil weder das Vorliegen der "Langjährigkeit"
im Sinne der zitierten Voraussetzungen noch das Maß der täglichen Beanspruchung erfüllt ist. Insoweit nimmt der
Senat Bezug auf alle im bisherigen Verfahren zu dieser Frage gegebenen medizinischen Einschätzungen und sieht
von deren erneuter Wiederholung ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG.
Anlaß für die Zulassung der Revision hatnicht bestanden, § 160 SGG.