Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 15.10.2009
LSG Nsb: versorgung, sitzverlegung, genehmigung, beurteilungsspielraum, stadt, hauptsache, sicherstellung, niedersachsen, bevölkerung, gefahr
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 15.10.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 16 KA 293/09 ER
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 3 KA 73/09 B ER
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 28. August 2009
geändert. Der Antragsgegner wird bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, dem
Antragsteller die Verlegung seines Vertragsarztsitzes von C. nach D., E., zu genehmigen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I
Streitig ist der Anspruch des Antragstellers, eine vorläufige Genehmigung zur Verlegung seines Vertragsarztsitzes zu
erhalten.
Der 1960 geborene Antragsteller ist Facharzt für radiologische Diagnostik und seit 1996 im Planungsbereich Landkreis
F. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit Schreiben von Ende März 2009 beantragte er in dem für
Radiologen gesperrten Bereich (Versorgungsgrad 154,8 %) die Verlegung seines Vertragsarztsitzes mit Wirkung zum
1. Juli 2009 von F., G., in die DRK-Krankenanstalten, H., I. in J ...
Den Antrag lehnte der Zulassungsausschuss durch Beschluss vom 13. Mai 2009 mit der Begründung ab, dass der
beabsichtigten Sitzverlegung Gründe der vertragsärztlichen Versorgung iS von § 24 Abs 7 der Zulassungsverordnung
für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) entgegenstünden. Im Planungsbereich Landkreis F. (ca 206.000 Einwohner) entfielen
90.000 Einwohner zuzüglich Urlauber auf den Einzugsbereich F. und nur rund 41.000 Einwohner auf den
Einzugsbereich J. Die übrigen Einwohner des Planungsbereichs seien traditionell auf K. bzw auf L. und damit auf die
vertragsärztliche Versorgung in anderen Planungsbereichen ausgerichtet. Weiter sei einer wohnortbezogenen
Fallzahlstatistik für das Quartal I/2009 (3.426 Fälle) des Antragstellers und seiner damaligen
Gemeinschaftspraxispartnerin zu entnehmen, dass mit 87 % der weit überwiegende Anteil der Patienten aus der Stadt
F. oder den unmittelbar daran angrenzenden Gemeinden stamme. Insoweit beschränke sich die vom Antragsteller mit
seinem Verlegungsantrag geltend gemachte Verbesserung der Patientenversorgung im Umkreis von J. auf einen
kleinen Teil seines bisherigen Patientenstamms. Für den weitaus größeren Teil ergebe sich hingegen wegen der
schlechteren Erreichbarkeit des Antragstellers nach der beabsichtigten Verlegung seines Vertragsarztsitzes eine
Verschlechterung. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Antragsgegner zurück (Beschluss vom 24. Juni
2009).
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller Klage vor dem Sozialgericht Hannover (SG) erhoben und zusätzlich mit
Schriftsatz vom 29. Juli 2009 beantragt, ihm vorläufig die Verlegung seines Vertragsarztsitzes nach D. zu
genehmigen. Hierdurch könne die vertragsärztliche Versorgung mit radiologischen Leistungen im Planungsbereich
Landkreis F. verbessert werden. Die Mehrzahl der Einwohner im Planungsbereich wohne südlich der Stadt F., sodass
eine radiologische Praxis des Antragstellers in J. für sie schneller und bequemer zu erreichen wäre. Ein Engpass bei
der radiologischen Versorgung seiner Patienten in F. bzw der unmittelbaren Umgebung könne durch die beabsichtigte
Sitzverlegung nicht entstehen; der überwiegende Teil der Patienten werde ihm an seinen neuen Vertragsarztsitz
folgen.
Weiter könne er spätestens im Quartal III/2009 seinen vertragsärztlichen Versorgungsauftrag in F. nicht mehr erfüllen.
Die Klinik M. in N., von der er bislang seine Untersuchungsgeräte angemietet habe und für die er ua einen
Kooperationsvertrag mit dem Krankenhaus F. erfülle, habe von ihm die Übertragung seiner vertragsärztlichen
Zulassung auf ein von ihr gegründetes Medizinisches Versorgungszentrum für Radiologie verlangt. Hierzu sei er nicht
bereit und es bestehe die Gefahr, dass er demnächst nicht mehr über die notwendigen Sach- und Personalmittel
verfüge, um seine vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben.
Das SG hat mit Beschluss vom 28. August 2009 den Antragsgegner verpflichtet, die beantragte Verlegung des
Vertragsarztsitzes zu genehmigen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Zulassungsgremien bei ihrer
Entscheidung nur die Interessen eines Teils der im Planungsbereich Landkreis F. lebenden Bewohner berücksichtigt
hätten. Zwar verschlechtere sich die radiologische Versorgung in und um die Stadt F.; dem stehe jedoch gegenüber,
dass für den übrigen Teil der Bevölkerung im Planungsbereich eine entsprechende Verbesserung erreicht werde. Vor
diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der nach Art 12 Grundgesetz (GG) gewährten Berufsausübungsfreiheit
habe der Antrag¬steller einen Anspruch auf Genehmigung der von ihm beantragten Sitzverlegung. Dem stehe auch
nicht entgegen, dass hierdurch eine Sachlage geschaffen werde, die nur unter erschwerten Bedingungen wieder
rückgängig gemacht werden könne.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde vom 3. September 2009. Er macht
im Wesentlichen geltend, bei der Genehmigung einer beantragten Verlegung des Vertragsarztsitzes komme es
entgegen der Auffassung des SG insbesondere auf die konkrete Versorgungssituation vor Ort an (lokaler
Versorgungsbedarf). Die vom Antragsteller beabsichtigte Verlegung führe nach den Ermittlungen der
Zulassungsgremien aber zu einer wesentlichen Verschlechterung der vertragsärztlichen Versorgung im nördlichen
Landkreis F ... Stelle man bei einer Sitzverlegung demgegenüber auf abstrakte Kriterien ab, führe dies zu unhaltbaren
Ergebnissen und stehe den Zielen der Bedarfsplanung entgegen. Außerdem verbiete sich eine isolierte Betrachtung
des Planungsbereiches schon wegen des Grundsatzes der freien Arztwahl.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 28. August 2009 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers auf
eine vorläufige Verlegung seines Vertragsarztsitzes abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Zu Recht habe das SG dabei auf die Versorgungssituation im
gesamten Planungsbereich abgestellt, weil ein Radiologe anders als ein Hausarzt nicht wohnortbezogen tätig sei. Im
Übrigen sei gegenwärtig der überwiegende Anteil der Einwohner im Planungsbereich Landkreis F. aufgrund der lokal
begrenzten Betrachtungsweise des Berufungsausschusses radiologisch unterversorgt.
Daneben sei zu berücksichtigen, dass für die von ihm bisher genutzten Praxisräume Mitte Oktober 2009 die
Schließung drohe. Auf dem Gelände solle ein Neubau errichtet werden, in dem dann zukünftig die Klinik M. bzw ein
von ihr noch zu gründendes Medizinisches Versorgungszentrum die ambulante radiologische Versorgung durchführe.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
II
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und zum Teil begründet.
Das SG hat dem Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer vorläufigen Genehmigung zur Verlegung seines
Vertragsarztsitzes dem Grunde nach zutreffend stattgegeben. Der zeitliche Umfang der dem Antragsgegner dabei
auferlegten Genehmigungsverpflichtung war jedoch zu korrigieren.
Nach § 86 b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen
Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierfür muss der Antragsteller nach § 86 b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs
2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft machen, dass ihm aus einem Rechtsverhältnis ein Recht gegenüber dem
Antragsgegner zusteht (Anordnungsanspruch) und eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten (Anordnungs-)Anspruch auf Erteilung einer vorläufigen Genehmigung
zur Verlegung eines Vertragsarztsitzes ist § 24 Abs 7 Ärzte-ZV (hier anzuwenden idF von Art 5 des Gesetzes zur
Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz) vom 22. Dezember 2006,
BGBl I 3439). Nach dieser Regelung haben die Zulassungsgremien den Antrag eines Vertragsarztes auf Sitzverlegung
zu genehmigen, wenn dem keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen. Damit ergibt sich bereits
aus dem Verordnungswortlaut, dass eine Verlegung von Vertragsarztsitzen nicht unbeschränkt zulässig ist. Vielmehr
muss die Sitzverlegung auch unter Berücksichtigung der konkreten Versorgungslage in dem betreffenden
Versorgungsbereich ("Gründe der vertragsärztlichen Versorgung") zulässig sein.
Dabei geht - wie schon das SG - auch der erkennende Senat davon aus, dass bei der Klärung, ob einer Sitzverlegung
entgegenstehende Gründe der vertragsärztlichen Versorgung vorliegen, den Zulassungsgremien ein gerichtlich nur
eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zusteht. Die ortsnahen und fachkundigen Zulassungsinstanzen
können nämlich nur ungefähr entscheiden, ob und inwieweit durch die Verteilung der bereits niedergelassenen
Vertragsärzte in einem Planungsbereich eine ausreichende medizinische Versorgung der Versicherten unter
Berücksichtigung der Bevölkerungs- und Morbiditätsstruktur und der Verkehrsverbindungen gewährleistet ist. Dies
rechtfertigt es, den Zulassungsgremien einen Beurteilungsspielraum zuzugestehen und deren Entscheidung
hinzunehmen, solange sie sich im Rahmen der Beurteilungsermächtigung hält. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt
sich daher - wie in den vergleichbaren Fällen der Bedarfsfeststellung - darauf, ob der Verwaltungsentscheidung ein
richtig und vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde liegt, ob die durch Auslegung des Be-griffs "Gründe der
vertragsärztlichen Versorgung" zu ermittelnden Grenzen einge¬halten und ob die Subsumtionserwägungen so
hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zutreffende
Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (stRspr zum Beurteilungsspielraum der
Zulassungsgremien, vgl hierzu BSG SozR 3-2500 § 101 Nr 1 Seite 4 ff (für Sonderbedarfszulassungen); BSG SozR 3-
2500 § 116 Nr 1; SozR 3-2500 § 116 Nr 2; SozR 3-2500 § 116 Nr 4 und BSG SozR 3-2500 § 97 Nr 2 (für die
Ermächtigung von Krankenhausärzten); SozR 3-2500 § 75 Nr 7 (für Zweigpraxen)).
Vorliegend steht auch unter Beachtung der nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit die versagende
Entscheidung des Berufungsausschusses der vom Antragsteller beantragten vorläufigen Sitzverlegung nach J. nicht
entgegen. Die Ermittlungen der Zulassungsgremien tragen nämlich voraussichtlich nicht deren Schlussfolgerung, dass
hier "Gründe der vertragsärztlichen Versorgung" eine solche Verlegung nicht zulassen (dazu a. und b). Unter
Berücksichtigung der Normstruktur von § 24 Abs 7 Ärzte-ZV steht dem Antragsteller daher zumindest ein Anspruch
auf vorläufige Sitzverlegung zu (dazu c.).
a.) Der Argumentation des Berufungsausschusses, allein "die konkrete Versorgungssituation vor Ort" (lokaler
Versorgungsbedarf) entscheide über die Berechtigung zur Verlegung eines Vertragsarztsitzes, vermag sich der Senat
nicht anzuschließen (grundsätzlich ablehnend auch: Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte,
Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 7. Aufl, § 24 RdNr 55 f). So folgt schon
aus Wortlaut und Systematik der Ärzte-ZV, dass es bei der Beantwortung der Frage, ob Gründe der vertragsärztlichen
Versorgung der Verlegung eines Vertragsarztsitzes entgegenstehen, in erster Linie auf die tatsächliche
Versorgungssituation in dem betreffenden Planungsbereich ankommt (vgl für Ermächtigungen BSG SozR 3-2500 § 97
Nr 2 Seite 7 f; BSG SozR 4-2500 § 116 Nr 3 RdNr 17 und 18). Dies schließt zwar nicht aus, dass die
Zulassungsgremien in ihre Überlegungen uU ein besonderes lokales Versorgungsbedürfnis oder die an den
untersuchten Planungsbereich angrenzenden Gebiete mit einbeziehen (vgl zu Letzterem BSG SozR 3-2500 § 101 Nr
1). Zunächst müssen sich die Zulassungsinstanzen bei ihrer Entscheidung aber ein möglichst genaues Bild der
Versorgungslage und der Versorgungsstrukturen im gesamten betroffenen Planungsbereich machen. In einem zweiten
Schritt sind dann planerische, die Sicherstellung der Patientenversorgung betreffende Umstände (vgl hierzu BSG
SozR 3-5520 § 24 Nr 4) unter Beachtung der beabsichtigen Sitzverlegung zu berücksichtigen.
Dabei ist es für die Ermittlung der Versorgungslage in einem Planungsbereich regelmäßig geboten, den von den
Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen anzufertigenden
Bedarfsplan heranzuziehen. Dieser Plan hat nach § 12 Abs 3 Ärzte-ZV Feststellungen zu enthalten, die die
• ärztliche Versorgung auch unter Berücksichtigung der Arztgruppen, • die Bevölkerungsdichte und -struktur, • den
Umfang und die Art der Nachfrage nach vertragsärztlichen Leistungen, ihre Deckung sowie ihre räumliche Zuordnung
im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung und • die für die vertragsärztliche Versorgung bedeutsamen
Verkehrsverbindungen
betreffen. Die dadurch gewonnenen Informationen müssen weiter - insbesondere hinsichtlich ihrer Aktualität -
sorgfältig ausgewertet, durch zusätzliche Ermittlungen ergänzt und so objektiviert werden. Hierfür ist es unter
Umständen erforderlich, die bereits im Planungsbereich niedergelassenen Vertragsärzte nach ihrem konkreten
Einzugsgebiet sowie der Aufnahmekapazität ihrer Praxen zu befragen. In eine solche Befragung sind ggf auch
Vertragsärzte aus angrenzenden Planungsbereichen mit einzubeziehen.
b.) Diesen (Ermittlungs-)Vorgaben ist der Antragsgegner nicht in vollem Umfang nachgekommen. Seiner
Entscheidung liegt voraussichtlich kein vollständig ermittelter Sachverhalt zugrunde.
Ausweislich der Verwaltungsunterlagen hat der Berufungsausschuss zwar die Patientenwohnorte der im Quartal
I/2009 im Planungsbereich Landkreis F. noch in Gemeinschaftspraxis tätigen Radiologen ermittelt; eine Würdigung
und Auswertung der - allenfalls als Momentaufnahme verwertbaren - Ergebnisse anhand der Bedarfsplanung oder der
patientenbezogenen Wohnortverteilung angrenzender radiologischer Praxen ist aber unterblieben. Eine
Gesamtbetrachtung - ggf sogar über den Planungsbereich hinaus - vermag vorliegend über die Patientenströme und
einen sich daraus uU ergebenden lokalen Versorgungsbedarf aber aussagekräftigere Ergebnisse zu liefern als die
bloße Betrachtung eines Abrechnungsquartals der damals einzigen radiologischen Praxis im Planungsbereich. Die
insoweit unvollständigen Sachverhaltsermittlungen des Antragsgegners können auch nicht durch die eher
substanzlose Angabe ersetzt werden, dass die Bewohner des Planungsbereichs teilweise traditionell auf außerhalb
liegende Städte und Gemeinden ausgerichtet seien. Auch ist im Rahmen einer planerischen Entscheidung noch
ungeklärt, ob - wie vom Antragsteller mehrfach vorgetragen - die bisher an ihn überweisenden Ärzte tatsächlich bereit
sind, ihre Patienten zur radiologischen Versorgung ebenfalls nach J. zu schicken und so einem möglichen lokalen
Sonderbedarf in C. entgegenzuwirken. Dabei wird vor allem in Rechnung zu stellen sein, dass mit der Autobahn O.
eine direkte Schnellstraßenverbindung zwischen P. und D. besteht.
Vor diesem Hintergrund lässt sich aufgrund der bisherigen Ermittlungen der Zulassungsgremien nicht einschätzen, ob
in dem Planungsbereich Landkreis F. tatsächlich (lokale) Gründe der vertragsärztlichen Versorgung einer Verlegung
des Vertragsarztsitzes durch den Antragsteller entgegenstehen. Vielmehr läuft die ausschließlich auf lokale
Versorgungsbedürfnisse abstellende Betrachtungsweise der Zulassungsinstanzen in dem mit zwei Radiologen bereits
ausreichend versorgten Planungsbereich Landkreis F. darauf hinaus, die bestehenden (Versorgungs-)Strukturen
unabhängig von der konkreten Versorgungslage im übrigen Planungsbereich zu festigen. Damit wird der
Antragsgegner dem in § 24 Abs 7 Ärzte-ZV für die Vertragsärzte normierten Anspruch auf Erteilung einer
Genehmigung für eine Verlegung ihrer jeweiligen Vertragsarztsitze nicht ausreichend gerecht.
c.) Diese Anspruchsgrundlage ist nämlich als Erlaubnisnorm mit Verbotsvorbehalt strukturiert. Hieraus folgt, dass die
Verlegung eines Vertragsarztsitzes grundsätzlich zulässig ist, soweit nicht ausnahmsweise Gründe der
vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen. Sinn und Zweck der Regelung ist nicht die Erhaltung bestehender
Versorgungsstrukturen, sondern die Gewährung der Niederlassungsfreiheit für Vertragsärzte unter Berücksichtigung
der Bedürfnisse der Bedarfsplanung und der Sicherstellung der medizinischen Versorgung. Insoweit hat der Senat bei
seiner Entscheidung daran angeknüpft, dass vorläufig keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung ersichtlich
sind, die einer Verlegung des Vertragsarztsitzes durch den Antragsteller im Planungsbereich Landkreis F.
entgegenstehen könnten. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sich durch die beabsichtigte Sitzverlegung
allem Anschein nach für einen Großteil der im Planungsbereich Landkreis F. lebenden Bevölkerung die Erreichbarkeit
für eine radiologische Versorgung verbessert.
Dem Antragsteller steht nach alledem gegenüber dem Antragsgegner ein (Anordnungs-)Anspruch auf Erteilung einer
vorläufigen Genehmigung für eine Sitzverlegung zu.
Allerdings war auf die Beschwerde des Antragsgegners der Beschluss des SG hinsichtlich seines zeitlichen Umfangs
zu ändern. Die Ermittlung des Sachverhalts und dessen Bewertung im Rahmen der Verlegung von Vertragsarztsitzen
bleibt den Zulassungsgremien vorbehalten, denen wegen ihrer besonderen Fachkunde und Ortsnähe ein
umfangreicher Beurteilungsspielraum zukommt. Es obliegt damit den Zulassungsinstanzen (und nicht den
Sozialgerichten), ggf fehlende Sachverhaltsermittlungen im Hauptsacheverfahren nachzuholen und diese bei der
neuerlichen Beurteilung, ob hier Gründe der vertragsärztlichen Versorgung der beantragten Sitzverlegung
entgegenstehen, zu berücksichtigen. Der Anordnungsanspruch des Antragstellers umfasst in zeitlicher Hinsicht daher
nur die Verpflichtung zur vorläufigen Genehmigung einer Sitzverlegung, bis der Antragsgegner in der Hauptsache
bestandskräftig oder bestätigt durch eine rechtskräftige Entscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren den
streitbefangenen Verlegungsantrag beschieden hat.
2. Der Erlass einer Regelungsanordnung ist schließlich auch zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
(Anordnungsgrund).
So kann eine ohne Genehmigung erfolgte tatsächliche Aufgabe des Vertragsarztsitzes mit gleichzeitiger
Niederlassung an einem Ort als Wegzug aus dem "Bezirk seines Kassenarztsitzes" iS von § 95 Abs 7 Satz 1
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) angesehen werden (Schallen, aaO, RdNr 52, mwN). Da der Antragsteller
mittlerweile ohne eine sachliche oder personelle Praxisausstattung ist, benötigt er dringend Klarheit darüber, an
welchem Ort er bis zu einer abschließenden Entscheidung in der Hauptsache seiner vertragsärztlichen Tätigkeit
nachkommen kann, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, seine Zulassung aufgrund der angesprochenen gesetzlichen
Bestimmung zu verlieren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 154 Abs 1, 155 Abs 1 und §§ 162 Abs 3, 154
Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Dabei sieht der Senat gemäß § 155 Abs 1 Satz 3 VwGO davon ab, dem
Antragsteller anteilige Kosten aufzuerlegen.
Die Streitwertbemessung folgt aus § 197 a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1, 53 Abs 3 Nr 4 und § 52 Abs 2
Gerichtskostengesetz. Da die hier begehrte vorläufige Verlegung eines Vertragsarztsitzes keine Anhaltspunkte für
eine Bewertung der sich hieraus ergebenden wirtschaftlichen Vorteile bietet, ist der Regelstreitwert von 5.000,00 Euro
festzusetzen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).