Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 30.04.2002
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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 30.04.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 4 U 314/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 6 U 98/01
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 6. Februar 2001 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Streitig ist Verletztenrente.
Der 1953 geborene Kläger suchte am 13. Dezember 1996 den Durchgangsarzt auf und berichtete, am 2. Dezember
1996 auf dem Heimweg von der Arbeit ein Reh angefahren zu haben. Er sei mit dem Kopf an das Armaturenbrett und
an die Nackenstütze gestoßen. Der Kläger gab Schmerzen im Bereich des Hinterkopfes und der oberen
Halswirbelsäule (HWS) sowie ein Schwindelgefühl an. Es bestanden weder äußere Verletzungszeichen noch
neurologische Auffälligkeiten. Eine knöcherne Verletzung wurde röntgenologisch ausgeschlossen. Dr. C.
diagnostizierte eine vegetative Symptomatik nach Gehirnerschütterung und Schleudertrauma der HWS. Er verordnete
eine Schanz’sche Krawatte und veranlasste eine neurologische Untersuchung und attestierte Arbeitsunfähigkeit
(Durchgangsarztbericht vom 13. Dezember 1996). Der Kläger leidet unter Schmerzen der HWS bereits seit dem Jahr
1990 (Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. D. vom 31. Januar 2000). Nach einem Verkehrsunfall im Jahr
1994, bei dem er einen Schädelbasisbruch erlitt und der Fahrer eines entgegenkommenden PKW getötet wurde,
befand sich der Kläger mehrere Monate in stationärer psychiatrischer Behandlung (Krankenbericht der Klinik Dr. E.
vom 18. Juli 1996). Dieser Unfall stand nach Einschätzung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. im
Vordergrund, als er den Kläger auf Veranlassung des Dr. C. untersuchte. Der Unfall vom 2. Dezember 1996 habe
keine Folgen hinterlassen (Arztbrief vom 20. Dezember 1996). Dr. C. beendete die Behandlung zu Lasten der
Beklagten im Januar 1995, nachdem eine Kernspintomographie lediglich eine Bandscheibenvorwölbung ohne
Operationsbedürftigkeit ergeben hatte (Nachschaubericht vom 15. Januar 1997).
Zur Klärung von Unfallfolgen veranlasste die Beklagte das nervenärztliche Gutachten des Dr. F. vom 23. März 1999
und das chirurgische Gutachten des Dr. G. vom 7. April 1999. Dr. F. hielt an seiner Auffassung fest, dass es sich bei
dem Unfall vom 2. Dezember 1996 um einen Bagatellunfall gehandelt habe. Äußere Verletzungen hätten nie
vorgelegen. Allenfalls habe der Kläger eine Distorsion der HWS und ein reversibles Schädelhirntrauma
(Gehirnerschütterung) erlitten. Unfallunabhängig bestehe ein schweres depressives Syndrom nach dem Verkehrsunfall
im Jahr 1994. Dr. G. gelangte unter Auswertung insbesondere des Ergebnisses der Kernspintomographie im Januar
1997 und gefertigter Röntgenaufnahmen der HWS zu dem Ergebnis, dass die angegebenen Wirbelsäulenbeschwerden
dem Unfall vom 2. Dezember 1996 nicht zuzuordnen seien. Denn es liege kein Hinweis auf eine Instabilität einzelner
Etagen der HWS, auf posttraumatische Verkalkungen im vorderen oder hinteren Längsband vor und alle Wirbel
stünden in regelrechter Stellung zueinander. Daraufhin lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab (Bescheid
vom 6. Mai 1999). Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. August 1999).
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die am 27. September 1999 erhobene Klage nach Beiziehung medizinischer
Unterlagen durch Urteil vom 6. Februar 2001 abgewiesen.
Gegen das ihm am 6. März 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. März 2001 Berufung eingelegt. Er hält an
seiner Auffassung fest, Ursache für die Aufhebung seiner Erwerbsfähigkeit sei der Arbeitsunfall vom 2. Dezember
1996. Denn seitdem sei er nicht mehr beschwerdefrei, und es sei eine Bandscheibenvorwölbung im Bereich der HWS
attestiert worden. Zwar habe er bereits im Jahr 1990 Beschwerden im Bereich der HWS angegeben; er habe aber vor
dem Unfall im Jahr 1996 wieder gearbeitet und könne erst seitdem nicht mehr ohne Beschwerden leben.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des SG Hannover vom 6. Februar 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1999 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 26. August 1999 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 vom Hundert der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Hannover vom 6. Februar 2001 zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten durch Verfügung des Berichterstatters vom 28. März 2002 darauf hingewiesen, dass der
Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beendet werden solle. Ihnen ist Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben worden.
Dem Senat haben neben den Prozessakten die Unfallakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der
Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der
Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen
Erfolg. Der Senat hält das Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für
erforderlich. Die Entscheidung konnte deshalb durch Beschluss ergehen (§ 153 Abs. 4 SGG).
Das SG hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat
keinen Anspruch auf die Zahlung von Verletztenrente (§ 56 Sozialgesetzbuch VII). Denn es kann nicht mit der im
Recht der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die
Beschwerden, unter denen der Kläger leidet, durch den vom Kläger angegebenen Arbeitsunfall vom 2. Dezember 1996
wesentlich (mit)verursacht worden ist oder dass dieser Unfall den Gesundheitszustand des Klägers richtunggebend
verschlimmert hat. Der Senat folgt den zutreffenden Entscheidungsgründen im angefochtenen Urteil und nimmt zur
Vermeidung von Wiederholungen darauf Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Entgegen der Auffassung der Berufung genügt es zur Begründung eines wahrscheinlichen Zusammenhangs zwischen
einer Gesundheitsstörung und einem Arbeitsunfall im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich nicht,
dass sich Beschwerden in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Versicherungsfall entwickelt haben. Hinzu
kommt hier, dass der Kläger unter Schmerzen der HWS seit dem Jahr 1990 leidet (Befundbericht des Dr. D. vom 31.
Januar 2000) und dass unabhängig von dem vom Kläger angegebenen Arbeitsunfall seit dem Verkehrsunfall im Jahr
1994 eine depressive Erkrankung besteht (Krankenbericht vom 18. Juli 1996, nervenärztliches Gutachten des Dr. F.
vom 23. März 1999). Entscheidend ist indessen, dass der vom Kläger angegebene Unfall am 2. Dezember 1996 zu
keiner Verletzung geführt hat, die die Beschwerden des Klägers erklären könnte. Eine Gehirnerschütterung heilt
erfahrungsgemäß innerhalb weniger Tage folgenlos aus, und die Bandscheibenvorwölbung ist gering ohne weitere
Störungen (S. 17 des chirurgischen Gutachtens vom 7. April 1999, vgl. auch den Durchgangsarztbericht des Dr. H.
vom 31. Mai 2000: "Insgesamt keine außergewöhnlichen Befunde, die das altersentsprechende Maß überschreiten.”).
Darüber hinaus ist eine bei dem Arbeitsunfall erlittene Gehirnerschütterung nicht bewiesen (vgl. die von Dr. G. im
chirurgischen Gutachten vom 7. April 1999 - S. 16 - aufgeführten erheblichen Zweifel) und ein Zusammenhang der
Bandscheibenvorwölbung mit dem Arbeitsunfall nicht wahrscheinlich (a.a.O., S. 17).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor.