Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 04.07.2002

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 04.07.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Stade S 7 U 157/00
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 6 U 39/01
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 3. Januar 2001 wird zurück-
gewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung einer Gesundheitsstörung (Lendenwirbel-säulensyndrom mit chronifiziertem
Rücken- und Beinschmerz) als Folge eines Arbeitsunfalls und dementsprechend Leistungen aus der gesetzlichen
Unfallver-sicherung.
Der 1966 geborene Kläger war im Jahr 1998 als Arbeiter im Städtischen Kran-kenhaus B. beschäftigt und in der Park-
und Gartenanlage tätig. Mit Unfallanzeige vom 7. Mai 1998 teilte das Städtische Krankenhaus mit, der Kläger habe
am 8. April 1998 um 15.30 Uhr einen Unfall erlitten und sich dabei "Hals- und Rü-ckenwirbel verdreht”. Beim
Rasenmähen sei der Aufsitzmäher in einer Senke zur Seite umgekippt. In der Unfallmeldung des Arztes für
Orthopädie Dr. C. vom 28. September 1998 - den der Kläger an diesem Tag aufgesucht hat - heißt es, der Kläger sei
am 8. April 1998 um 11.45 Uhr mit dem Aufsitzrasenmäher umge-kippt und ohnmächtig geworden; Dr. C.
diagnostizierte folgende Gesundheits-störungen: "Zustand nach Halswirbelsäulen-Schleuder-trauma, Lumbago bei
ISG-Blockierung rechts, Cervikalsyndrom bei Blockierung C1 rechts und C5 rechts, Blockierungskette rechter Arm
und rechtes Bein”. Im Unfallfragebogen vom 22. Juni 1998 gab der Kläger an, er sei mit dem Trecker seitwärts vom
Schräghang abgerutscht und habe sich überschlagen. Anschließend habe er ein Sausen und Druck sowie ein Piepen
in den Ohren und leichte Schmerzen im Hals- und Rückenbereich verspürt. Er habe seine Vorgesetzte - Frau D. - hier-
über informiert und sei mit deren Einverständnis während der Arbeitszeit zu dem HNO-Arzt Dr. E. gegangen, der ihn
zum Orthopäden geschickt habe. Zusätzlich gab der Kläger an, er habe mit seinem Kollegen F. am 9. April 1998
versucht, den aufgrund des Unfalls beschädigten Aufsitzmäher provisorisch in der Werkstatt zu reparieren.
Der Beklagte holte daraufhin Berichte des Arztes für Orthopädie Dr. G. vom 10. Juni und 30. Juni 1998, die
telefonische Auskunft dieses Arztes vom 13. Januar 1999, eine telefonische Auskunft der Praxis des Dr. E. vom 16.
Juli 1998 sowie des Dr. E. vom 13. Januar 1999 ein. Außerdem veranlasste er schrift-liche Auskünfte des
Städtischen Krankenhauses H. vom 23. Juni und 30. Juli 1998.
Mit Bescheid vom 17. Februar 1999 lehnte der Beklagte Leistungen aus der ge-setzlichen Unfallversicherung ab, weil
ein Arbeitsunfall am 8. April 1998 nicht er-wiesen sei: Der Kläger habe erst am 30. April 1998 bei Dr. G. angegeben, er
sei mit dem Aufsitzmäher während der Arbeit umgekippt. Auch habe niemand von dem angeblichen Unfall Kenntnis
genommen, und der vom Kläger benannte Mit-arbeiter habe erklärt, dass gemeinsame Reparaturarbeiten in der vom
Kläger ge-schilderten Form nicht durchgeführt worden seien. Im anschließenden Wider-spruchsverfahren holte der
Beklagte u.a. eine Auskunft des Herrn F. vom 22. März 1999 und den neurologisch-psychiatrischen Befundbericht des
Prof. Dr. I. vom 24. August 1999 ein, der eine Untersuchung vom 16. August 1999 be-trifft. Mit dem am 17. Juli 2000
abgesandten Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2000 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Der Kläger hat am 17. August 2000 beim Sozialgericht - SG - Stade Klage er-hoben. Das SG hat die Klage mit
Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2001 abge-wiesen, weil der schädigende Vorgang vom 8. April 1998 nicht
nachgewiesen sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Gerichts-bescheid Bezug
genommen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 5. Januar 2001 zugestellten Gerichtsbescheid am 1. Februar 2001 Berufung
eingelegt. Er hat im Termin zur mündlichen Ver-handlung sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Er beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 3. Januar 2001 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17.
Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2000 aufzuheben,
2. festzustellen, dass ein "Lendenwirbelsäulensyndrom mit chronifiziertem Rücken- und Beinschmerz” Folge des
Arbeitsunfalls vom 8. April 1998 ist, 3. den Beklagten zu verurteilen, ihm Leistungen aus der gesetz-lichen
Unfallversicherung - insbesondere Verletztenrente und Heil-behandlung - zu erbringen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 3. Januar 2001 zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Dem Senat haben neben den Prozessakten die Verwaltungsakten des Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand
der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren
Vorbrin-gens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG
hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung unfallbedingter Gesundheitsstörungen
(§ 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) und dementsprechend auch keinen Anspruch auf Leistungen der
gesetzlichen Unfallversicherung hat. Denn es ist nicht bewiesen, dass die vom Kläger geltend gemachte
Gesundheitsstörung - ein Lendenwirbelsäulensyndrom mit chronifiziertem Rücken- und Beinschmerz - durch den
angegebenen Unfall am 8. April 1998 verursacht worden ist.
Denn ein Unfall, d.h. ein zeitlich begrenztes von außen auf den Körper einwirken-des die Gesundheit schädigendes
Ereignis (§ 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – SGB -) ist nicht im Sinne des insoweit erforderlichen Vollbeweises
nachgewiesen. Er-forderlich ist für diese tatsächliche Anspruchsvoraussetzung eine an Gewissheit grenzende
Wahrscheinlichkeit, d.h. ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Ein
so hoher Grad der Wahrschein-lichkeit lässt sich aus den Unfallschilderungen in den Unfallanzeigen nicht ablei-ten.
Denn diese beruhen allein auf den Angaben des Klägers, die erheblichen konkreten Zweifeln ausgesetzt sind und
einen Vollbeweis ausschließen. Dies hat das SG bereits im Einzelnen zutreffend ausgeführt, so dass auf die Gründe
des Gerichtsbescheides Bezug genommen wird (§ 153 Abs. 2 SGG entsprechend). Entscheidend ist danach, dass
dem Arbeitgeber des Klägers der behauptete Un-fall nicht bekannt ist, dass der Kläger anlässlich der ärztlichen
Behandlungen durch Dr. E. und Dr. G. am 8. April 1998 den Unfall nicht mitgeteilt, sondern auf bereits vor dem Unfall
vorliegende Gesundheitsstörungen hingewiesen hat und ferner, dass die vom Kläger behauptete "Indiztatsache” der
Reparatur des unfall-beschädigten Rasenmähers von dem Arbeitskollegen J. nicht bestätigt worden ist. Die vom
Kläger in der mündlichen Verhandlung erwähnte Aufstellung über Reparaturarbeiten kann diese Zweifel nicht
beseitigen. Denn sie beweist nicht, dass die Reparatur des vom Kläger benutzten Rasenmähers aufgrund eines Ar-
beitsunfalls vom 8. April 1998 erforderlich gewesen ist. Das gleiche gilt für die schon im Schreiben seiner
Prozessbevollmächtigten vom 13. August 1998 (Ver-waltungsakten Bl. 35) genannte Kopie einer Rechnung vom 30.
Juni 1998 an die Stadt H., die sich auf Ersatzteile für die Stadtgärtnerei bezieht.
Im Übrigen würde sich auch keine für den Kläger günstigere Beurteilung ergeben, wenn man davon ausgeht, dass der
Kläger am 8. April 1998 mit dem Rasen-mäher umgekippt ist und ihn der von ihm mehrfach erwähnte
Zivildienstleistende K. wegen seiner Beschwerden zu Dr. E. begleitet hat. Denn es ist nicht wahr-scheinlich, dass das
jetzige durch Beschwerden im unteren Bereich der Wirbel-säule/Lendenwirbelsäule charakterisierte Beschwerdebild
("Lumboischialgie”) in ursächlichem Zusammenhang mit dem vom Kläger behaupteten Arbeitsunfall vom 8. April 1998
steht. Denn die damals vom Kläger angegebenen Beschwer-den (insbesondere das Sausen und Piepen in den Ohren)
betrafen eine andere Körperregion. Das ergibt sich aus dem von Dr. G. erhobenen Befund ("Funktions-störung in den
Kopfgelenken, Kopfschmerzen und schmerzhafter Funktionsein-schränkung der Halswirbelsäule”), der nachvollziehbar
lediglich zu einer Rönt-genuntersuchung der Halswirbelsäule führte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).