Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 20.02.2003

LSG Nsb: grundsatz der gleichbehandlung, niedersachsen, händler, ermessensfehlgebrauch, rehabilitation, zuschuss, behörde, minderwert, käufer, ermessensfehler

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 20.02.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hildesheim S 14 RA 207/01
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 1 RA 225/02
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten einen höheren Zuschuss für den Kauf eines Neuwagens nach der
Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) und vertritt die Auffassung, die Beklagte habe einen zu hohen Wert ihres
Altwagens zugrunde gelegt.
Die im Jahre 1964 geborene Klägerin leidet seit Mitte der 80-er Jahre an einer progredient verlaufenden Multiplen
Sklerose (MS). Nach ärztlichen Feststellungen kann die Klägerin wegen Art und Schwere einer aus der
Grunderkrankung erwachsenen Gehbehinderung keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen und ist bei der Fahrt
mit einem Kfz auf Servo-Lenkung, Automatik-Getriebe und Rollstuhl-Lifter für den von ihr mitgeführten und zum
Gehen erforderlichen Rollator angewiesen.
Die Klägerin ist erwerbstätig als Telefonistin mit Verwaltungsaufgaben auf einem behinderungsgerechten Arbeitsplatz.
Für den Weg von und zur Arbeitsstelle benötigt und verwendet sie ein Kfz mit den o.g. Zusatzausstattungen. Bis zur
vorliegend in Rede stehenden Neuwagenbeschaffung besaß sie einen gebrauchten VW Polo (im Folgenden:
Altwagen).
Mit Schreiben vom Juli 2000 in Gestalt der Ergänzung vom September 2000 beantragte die Klägerin bei der Beklagten
die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe (Kfz-Hilfe) in der Gestalt eines Zuschusses für die Anschaffung eines
Neuwagens sowie in Form der Kostentragung für die in das Neufahrzeug einzubauenden behinderungsbedingten
Zusatzausstattungen. Nach den von ihr beigefügten Kostenvoranschlägen sollten das Neufahrzeug (Skoda Fabia) ca.
27.000 DM und die Zusatzausstattungen ca. 5.000 DM kosten.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.Dezember 2000 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Kostenzusage in Höhe
von 18.000 DM als Höchst-Zuschuss gem. § 5 Abs. 1 KfzHV zum Neufahrzeug (sowie in vollständiger Höhe für die
Zusatzausstattungen), "abzüglich sonstiger Leistungen”. Zu diesen sonstigen Leistungen gab die Beklagte der
Klägerin in dem Bescheid auf, die maßgeblichen Angaben zu dem Altwagen mitzuteilen. Nachweise seien beizufügen.
Schließlich stellte die Beklagte die gesamte Kostenzusage einschließlich der Leistungshöhe unter Widerrufsvorbehalt
bis zur vollständigen Rechnungslegung und Vorlage aller Unterlagen.
Die Klägerin erwarb das beabsichtigte Neufahrzeug, ließ die Zusatzausstattungen einbauen und legte die Rechnungen
der Beklagten vor. Ergänzend gab sie an, dass sie den Altwagen für 2.300 DM an einen privaten Erwerber verkauft
habe. Den entsprechenden Verkaufsvertrag fügte sie bei.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2001 übernahm die Beklagte endgültig die Kosten für die behinderungsbedingte
Zusatzausstattung. Dieser Bescheid wurde ebenfalls bestandskräftig. Mit weiterem und hier angefochtenem Bescheid
vom 14. Mai 2001 setzte sie – neben den vollumfänglichen Kosten für eine weitere Zusatzausstattung - den Zuschuss
für den Neuwagen endgültig fest und zog dabei von dem in der Kostenzusage vorgesehenen Höchstzuschuss von
18.000 DM (§ 5 Abs. 1 KfzHV) einen Betrag für den von der Klägerin veräußerten Altwagen ab. Dabei bemaß sie den
Abzugsbetrag nicht nach dem tatsächlichen Verkaufserlös in Höhe von 2.300 DM, sondern nach der sog. Schwacke-
Liste für Gebrauchtfahrzeuge, Kategorie: Händler-Einkaufspreis, in Höhe von 6.405 DM.
Gegen den Bescheid vom 14. Mai 2001 erhob die Klägerin hinsichtlich des Abzugsbetrages für den Altwagen
Widerspruch und machte zur Begründung geltend, dass als Verkaufserlös für den Altwagen nicht ein fiktiver Preis
nach der Schwacke-Liste, sondern allein der tatsächlich erzielte Preis habe zugrunde gelegt werden dürfen. Dies gelte
umso mehr deshalb, als der Händler-Einkaufspreis des Altwagens vorliegend nach den Aussagen eines Autohändlers
tatsächlich nur bei ca. 1.000 DM gelegen habe. Denn der Altwagen habe eine Reihe von wertmindernden Schäden
aufgewiesen (Heck verbeult und verzogen, Fahrertür schließt nicht richtig, Beule im Dach, rechter Kotflügel und
Motorhaube verzogen, diverse Schrammen und Lackschäden, Heckklappe verbeult, Radkästen hinten verzogen,
Kupplung defekt). Zur Glaubhaftmachung legte sie eine Bewertungserklärung einer Autoteile-Firma vor.
Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 28. August 2001 hat die Klägerin Klage vor dem
Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und zur Begründung die Auffassung vertreten, das Vorgehen der Beklagten sei
formell und materiell rechtswidrig. In formeller Hinsicht habe die Beklagte ihre Amtsaufklärungspflicht verletzt, weil sie
die Ermittlungen zum Altwagen-Wert erst nach Erlass der Kostenzusage angestellt habe, obgleich sie dies bereits
vorher hätte tun können und müssen. Bei rechtzeitiger Ermittlung wäre es von vornherein nicht zu der Differenz
zwischen Kostenzusage und Endabrechnung gekommen. In materieller Hinsicht hat die Klägerin die Auffassung
vertreten, dass zur Berechnung eines Altwagen-Wertes zwar grundsätzlich die Schwacke-Liste heranzuziehen sei. Im
Fall von Vorschäden oder bei einem merkantilen Minderwert habe die Behörde jedoch im Rahmen des von ihr
auszuübenden Ermessens von der Liste abzuweichen. Dies entspreche der Rechtsprechung mehrerer
Landessozialgerichte. So habe das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entschieden, dass von der
Schwacke-Liste dann abzuweichen sei, wenn an dem Altwagen behinderungsbedingte und nicht behinderungsbedingte
Schäden bestünden. Dieses Gericht habe in dem von ihm entschiedenen Fall den tatsächlich erzielten Verkaufserlös
zugrunde gelegt und nicht den im dortigen Fall von einem Kfz-Sachverständigen ermittelten (niedrigeren) Verkaufswert
berücksichtigt. Vorliegend müsse daher auch das angerufene SG entsprechend dieser Entscheidung urteilen und den
tatsächlich erzielten Verkaufserlös zugrunde legen. Daneben habe auch das LSG Nordrhein-Westfalen in einem dort
entschiedenen Fall nicht die Schwacke-Liste zugrunde gelegt, sondern den von einem Kfz-Sachverständigen
ermittelten Wert. Im Übrigen wichen diese beiden Entscheidungen nicht von dem vom SG in einem rechtlichen
Hinweis zitierten Urteil des LSG Niedersachsen ab. Denn Gegenstand dieser Entscheidung sei ein Fahrzeug ohne
besondere Schäden und mit durchschnittlichem Erhaltungszustand gewesen, so dass ein Abweichen von der
Schwacke-Liste dort auch nicht geboten gewesen sei (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 1998, L 10 RA
1132/96; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. September 1998, L 4 RA 68/97; LSG Niedersachsen, Urteil vom
24. Februar 2000, L 1 RA 51/99).
Die Beklagte hat erwidert, dass im Rahmen des von ihr auszuübenden Ermessens grundsätzlich von der Schwacke-
Liste auszugehen sei, um die Gleichbehandlung aller Versicherten zu gewährleisten. Von der Schwacke-Liste könne
nur dann abgewichen und die Wertermittlung durch Einholung eines Kfz-Sachverständigen-Gutachtens vorgenommen
werden, wenn unfallbedingte Schäden an dem Kfz vorlägen. Solche unfallbedingten Schäden seien aber vorliegend
weder ersichtlich noch vorgetragen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Oktober 2002 abgewiesen, sich im Wesentlichen der
Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen und zur Begründung ergänzend ausgeführt: Die grundsätzliche
Zugrundelegung der Schwacke-Liste gewährleiste die Gleichbehandlung aller Versicherten. Demgegenüber würden
durch die von der Klägerin begehrte Zugrundelegung des tatsächlichen Verkaufserlöses zahlreiche
Manipulationsmöglichkeiten zwischen Käufer und Verkäufer hinsichtlich des Verkaufspreises des Altwagens eröffnet,
die nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehen dürften. Ebenso wenig habe die Versichertengemeinschaft
für einen etwaigen Reparaturstau am Altwagen einzutreten, den der Eigentümer bzw. Halter etwa in der Erwartung in
Kauf nehme, dass der dadurch verursachte Minderwert durch eine entsprechend höhere Bezuschussung nach der
KfzHV ausgeglichen werde. Und schließlich stehe es im Widerspruch zu den Grundsätzen der
Verwaltungsvereinfachung und Kostenersparnis, wenn für die Altwagenbewertung im Regelfall die Einholung eines
zeitverzögernden und kostenaufwendigen Kfz-Sachverständigen-Gutachtens notwendig werde. Besonderheiten, die
zur Abweichung von der grundsätzlichen Anwendung der Schwacke-Liste führen könnten, seien im vorliegenden Fall
nicht gegeben, insbesondere seien die Schäden am Altwagen der Klägerin nicht behinderungsbedingt wie im Urteil des
LSG Baden-Württemberg.
Gegen den am 21. Oktober 2002 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 24. Oktober 2002 eingelegte
Berufung, mit der die Klägerin ergänzend geltend macht, dass der vom SG befürchteten Manipulationsgefahr dadurch
begegnet werden könne, dass jeweils ein Kfz-Sachverständigengutachten eingeholt werde. Diese Verfahrensweise sei
entgegen der Annahme des SG auch nicht zeit- und kostenaufwendig, da die Gutachten in wenigen Tagen und zu
relativ geringen Kosten erstellt würden. Daneben habe das SG die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg
unzutreffend wiedergegeben. Dort sei die Abweichung von der Schwacke-Liste nicht nur für behinderungsbedingte,
sondern auch für nicht-behinderungsbedingte Schäden befürwortet worden. Die dortige Entscheidung sei deshalb auf
den vorliegenden Fall zu übertragen. Denn auch vorliegend hätten nicht-behinderungsbedingte Schäden am Altwagen
bestanden. Dabei habe es sich nicht um Folgen mangelnder Pflege, sondern vor allem um unfallbedingte Schäden
gehandelt. Diese Schäden habe die Klägerin nur insoweit durch Reparatur beseitigen lassen, als dies zur
Wiederherstellung der Verkehrssicherheit erforderlich gewesen sei. Eine weitergehende Schadensbeseitigung sei ihr
aufgrund ihres geringen Einkommens nicht möglich gewesen. Dies dürfe der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen.
Die Klägerin beantragt,
1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 10. Oktober 2002 aufzuheben und den Bescheid der
Beklagten vom 14. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2001 abzuändern,
2. die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
hilfsweise,
3. die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide als zutreffend und bezieht sich zur Begründung ergänzend auf den
Gerichtsbescheid des SG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand von mündlicher
Verhandlung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet.
Weder der Gerichtsbescheid des SG noch die Bescheide der Beklagten sind zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf Zahlung eines höheren Zuschusses als den ihr von der Beklagten bereits bewilligten Betrag.
Der im Berufungsverfahren gestellte Klageantrag auf Aufhebung und Neubescheidung ist statthaft. Denn die
Leistungen zur beruflichen oder medizinischen Rehabilitation bzw. Teilhabe am Arbeitsleben sind grundsätzlich
Ermessensleistungen, so dass hierauf gerichtete Klagen im Regelfall als kombinierte Anfechtungs- und
Verpflichtungsbescheidungsklagen zu erheben sind, insbesondere auch bei Anträgen nach der KfzHV (BSG, Urteil
vom 14.12.1994, 4 RA 24/94, SozR 3-1200 § 39 SGB I, Nr. 1, S. 2, 3; weitere Nachweise bei: Kasseler-Kommentar-
Niesel, § 13 SGB VI Rn. 14). Die von der Klägerin in Abweichung zu ihrem erstinstanzlichen Klageantrag (kombinierte
Anfechtungs- und Verpflichtungsklage) im Berufungsverfahren vorgenommene Antragsänderung in die nunmehr
statthaft erhobene Klageart ist daher sachdienlich gemäß § 99 Abs. 1 SGG. Die Anfechtungs- und
Verpflichtungsbescheidungsklage ist auch im Übrigen zulässig.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die Beklagte hat in ihren angefochtenen Entscheidungen weder formell noch
materiell rechtsfehlerhaft entschieden.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist der angefochtene Bescheid nicht formell rechtsfehlerhaft,
insbesondere auch nicht wegen Verletzung der der Beklagten obliegenden Amtsermittlungspflicht, § 20 Zehntes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB X). Zwar hat die Beklagte in dem Bescheid zur Kostenzusage vom 14. Dezember 2000 den
von ihr festzustellenden Verkehrswert des Altwagens noch nicht in Abzug gebracht und deshalb der Klägerin eine
höhere Kostenzusage erteilt als sie später in dem angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 2001 konkretisiert wurde.
Auch hatte die Klägerin der Beklagten bereits vor der Kostenzusage mitgeteilt, dass sie einen Altwagen besitze, um
welches Modell es sich dabei handele und welche technischen Daten maßgeblich seien (Erstzulassung, km-Stand).
Gleichwohl musste und durfte die Beklagte diese Angaben (noch) nicht einer verbindlichen Bescheiderteilung
zugrunde legen. Denn die Klägerin hatte ihren Angaben jeweils nicht die entsprechenden Unterlagen zum Nachweis
beigefügt, insbesondere auch nicht den Kfz-Schein des Altwagens, obwohl sie in den ihr übersandten Vordrucken
hierauf jeweils hingewiesen worden war (Vordruck 8.4201.1, von der Klägerin unterschrieben am 7. Juli 2000, Vordruck
BA I - Reha 102 - , von der Klägerin unterschrieben am 9. Januar 1999). Auch Erinnerungen der Beklagten an die
Vorlage von Nachweisen waren zunächst erfolglos geblieben. Die Beklagte musste und durfte deshalb den Bescheid
über die Kostenzusage vom 14. Dezember 2000 nicht bereits mit dem Altwagen-Abzug versehen. Dass die Beklagte
gleichwohl über die Kostenzusage im Übrigen entschied und sich nicht auf eine mangelnde Mitwirkung der Klägerin
gem. §§ 60ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) berief, erfolgte allein zugunsten der Klägerin. - War die formelle
Vorgehensweise der Beklagten daher rechtsgemäß, so ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Klägerin den
Bescheid über die Kostenzusage bestandskräftig werden ließ; da der Bescheid aber mit einem umfassenden
Widerrufsvorbehalt versehen war, durfte die Beklagte auch aufgrund dieses Widerrufsvorbehalts im endgültigen und
hier angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 2001 die in der Kostenzusage verlautbarte Leistungshöhe aufgrund der
nunmehr berücksichtigten Absetzung des Altwagen-Wertes neu berechnen und vermindern.
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtsfehlerfrei.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin sind §§ 9ff. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)
in Verbindung mit dem Rehabilitationsangleichungsgesetz (RehaAnglG) in Verbindung mit der KfzHV, da der Anspruch
vor dem 1. Juli 2001 geltend gemacht wurde und - wäre er gegeben – auch vor diesem Zeitpunkt entstanden wäre.
Demhingegen wäre für Ansprüche ab dem 1. Juli 2001 das neue Recht des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB
IX) heranzuziehen gewesen (BSG, Urteil vom 14. März 2002, B 13 RJ 17/01 R, S. 6; Kasseler-Kommentar-Niesel, vor
§ 9 SGB VI, Rn. 2), das allerdings unverändert auf die KfzHV Bezug nimmt.
Nach §§ 9ff. SGB VI i.V.m. der KfzHV ist die von der Beklagten auf Antrag der Versicherten zu treffende
Entscheidung der Bewilligung einer Leistung nach der KfzHV eine gebundene Entscheidung, soweit das "ob” der
Leistung in Rede steht (Entscheidung dem Grunde nach). Dem hingegen ist die Bewilligung eine
Ermessensentscheidung, soweit sie Art und den Umfang der Leistung regelt ("wie” der Leistung). Die KfzHV hat dabei
die Funktion einer Ermessensrichtlinie und begrenzt das Auswahlermessen der Behörde (allg. Ansicht. Vgl. nur: BSG,
Urteil vom 21. März 2001, B 5 RJ 8/00 R, S. 3, 7; BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994, 4 RA 42/94, SozR 3-1200 §
39 SGB I, Nr. 1; Kasseler-Kommentar-Niesel, § 9, Rn. 9 SGB VI, § 13 SGB VI, Rn. 4ff. m.z.w.N.). Der
Prüfungsumfang der Gerichte betreffend der Entscheidung zum Auswahlermessen ist begrenzt, zu prüfen ist allein, ob
die Behörde ermessensfehlerfrei oder ermessensfehlerhaft gehandelt hat (Niesel, a.a.O., Rn. 10, 12
m.z.w.N.z.Rspg.d. BSG).
Im Fall der Klägerin hat die Beklagte die gebundene Entscheidung der Bewilligung von Leistungen nach der KfzHV als
solcher zu Recht getroffen, da insbesondere die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§
10, 11 SGB VI vorliegen, was unter den Beteiligten auch unstreitig ist.
Doch hat die Beklagte auch die Ermessensentscheidung über Art und Umfang der Leistung zutreffend getroffen,
insbesondere sind keine Ermessensfehler erkennbar (Ermessensunterschreitung, Ermessensüberschreitung,
Ermessensfehlgebrauch).
Eine Ermessensunterschreitung liegt nicht vor, weil die Beklagte ihr Ermessen tatsächlich ausgeübt hat, und zwar
durch Anwendung der Ermessensrichtlinie der KfzHV. Auch eine Ermessensüberschreitung ist nicht gegeben, da die
Beklagte nicht mehr als die in der Richtlinie vorgesehenen Leistungen bewilligt und erbracht hat. Dies wird von der
Klägerin zu Recht auch nicht in Abrede genommen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin leidet die Entscheidung der Beklagten auch nicht an einem
Ermessensfehlgebrauch. Ein solcher wäre gegeben, wenn die Beklagte die Ermessensrichtlinie fehlerhaft angewendet
hätte, wenn sie ohne rechtlichen Grund von der Richtlinie abgewichen wäre oder wenn sie von der Ermessensrichtlinie
hätte abweichen müssen, um die Zielsetzung des höherrangigen formellen Gesetzes zu erfüllen, eine Abweichung
aber unterlassen hätte.
Die Beklagte hat die Ermessensrichtlinie der KfzHV nicht fehlerhaft angewendet. Sie hat bei der Anwendung der
Schwacke-Liste zur Bestimmung des anzurechnenden Wertes des Altwagens zutreffend den Händler-Einkaufspreis
und nicht den (für die Klägerin ungünstigeren) Händler-Verkaufspreis zugrunde gelegt (vgl. nur: LSG Niedersachsen,
Urteil vom 23. Januar 2003, L 1 RA 146/01). Auch hat die Beklagte bei der Bewilligung des Zuschusses für den
Neuwagen den grundsätzlichen Höchstbetrag des § 5 Abs. 1 KfzHV i.H.v. 18.000 DM angewendet. Die
Voraussetzungen für einen abweichend höheren Betrag nach § 5 Abs. 2 KfzHV sind nicht gegeben und von der
Klägerin auch zu Recht nicht eingefordert worden (vgl. hierzu beispielhaft: LSG Niedersachsen, Urteil vom 18. Juli
1996, L 1 An 172/95). Daneben ist die Beklagte auch nicht ohne rechtlichen Grund von der Richtlinie abgewichen,
sondern hat die Richtlinie vielmehr uneingeschränkt angewendet.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hätte die Beklagte im vorliegenden Fall auch nicht (ausnahmsweise) von
der Richtlinie abweichen müssen oder auch nur dürfen, um den Zweck des höherrangigen Gesetzes der §§ 9ff. SGB
VI zu erreichen.
Das Recht der Rehabilitation gem. §§ 9ff. SGB VI, insbesondere das Recht der berufsfördernden Rehabilitation nach
§§ 16ff. SGB VI, verfolgt u.a. folgende Zielsetzungen:
- den durch eine Behinderung in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigten oder gefährdeten Versicherten durch die
Reha-Leistungen möglichst auf Dauer in Arbeit und Beruf einzugliedern (final ausgerichtete Leistung)(Niesel, a.a.O., §
9 Rn. 3, 4 m.w.N.) - die Gewährung der für den Versicherten günstigsten Leistung, um das finale Ziel der
Wiedereingliederung bestmöglich zu erreichen. Dabei sollen die Wünsche des Versicherten berücksichtigt werden
(Niesel, a.a.O., § 13, Rn. 8 m.w.N.) - den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen (Niesel, a.a.O., § 13
Rn. 10 m.w.N.)
Würde man ausschließlich diese Zwecksetzungen des Rehabilitationsrechts des SGB VI und diese auch
uneingeschränkt zugrunde legen, käme im vorliegenden Fall ein Ermessensfehlgebrauch in Betracht. Denn durch die
Anrechnung des höheren Wertes des Altwagens nach der Schwacke-Liste statt des niedrigeren tatsächlichen
Verkaufserlöses könnten der Klägerin nicht die für sie günstigsten Leistungen gewährt worden sein, weil die
Anrechnung des höheren Betrages zu einer geringeren Zuschussleistung geführt hat. Auch könnte die Beklagte
besondere Umstände des Einzelfalles unberücksichtigt gelassen haben, die darin zu erblicken sein könnten, dass der
Altwagen mit einer Reihe von Schäden behaftet war, die seinen Wiederverkaufswert erheblich gemindert haben
dürften.
Allerdings würde die alleinige Zugrundelegung der soeben genannten Zwecksetzungen weitere Zwecksetzungen
Allerdings würde die alleinige Zugrundelegung der soeben genannten Zwecksetzungen weitere Zwecksetzungen
vernachlässigen, die ebenfalls vom Rehabilitationsrecht verfolgt werden. Außerdem würde die uneingeschränkte
Zugrundelegung dieser Zwecksetzungen Grenzziehungen missachten, die vom Gesetzgeber in den §§ 9ff. SGB VI
vorgenommen worden sind.
Zu diesen weiteren Zielsetzungen und zu den Begrenzungen der bereits genannten Zielsetzungen gehören:
- Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gem. § 13 Abs. 1 SGB VI - Verlangen einer zumutbaren
Eigenbeteiligung und Selbsthilfe des Versicherten (Nachweise bei Niesel, a.a.0., § 13 SGB VI, Rn. 15) - Grundsatz
der Gleichbehandlung aller Versicherten (Nachweise bei: Niesel, a.a.O., § 13 SGB VI, Rn. 8) - Berücksichtigung von
Wünschen des Versicherten und besonderer Umstände des Einzelfalles im Rahmen der angemessenen Möglichkeiten
(Rechtsprechungsnachweise bei: Niesel, a.a.O., § 13, Rn. 9)
Aufgrund dieser weiteren Zwecksetzungen und Einschränkungen ist ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten aber
nicht feststellbar.
Dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Versicherten trägt die Entscheidung der Beklagten Rechnung, indem sie
bei der Bestimmung des Wertes des Altwagens nicht den tatsächlichen Verkaufserlös, sondern die Schwacke-Liste
anwendet. Die Schwacke-Liste ist nicht nur im Rehabilitationsrecht, sondern auch etwa im zivilrechtlichen
Schadensersatzrecht als Maßstab im Sinne der Gleichbehandlung anerkannt, da mit ihrer Hilfe durch
Berücksichtigung einer Vielzahl von einschlägigen relevanten Daten eines Kfz dessen Marktwert sachdienlich
bestimmt werden kann. Dieser Gleichbehandlungsgedanke wird auch in den von der Klägerin zitierten Urteilen
mehrerer Landessozialgerichte nicht in Abrede genommen. Vielmehr wird auch dort die grundsätzliche Anwendbarkeit
der Schwacke-Liste vorausgesetzt.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin kann aus denselben Gründen der Gleichbehandlung aber nicht auf den
tatsächlich erzielten Verkauferlös eines Fahrzeuges abgestellt werden (so aber: LSG Baden-Württemberg, a.a.O.).
Denn hierdurch würden Manipulationsmöglichkeiten beim Abschluss der Kaufverträge zwischen Käufer und Verkäufer
geschaffen (mit ähnlicher Begründung: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. September 1998, L 4 RA 68/97,
Breithaupt 1999, S. 532, 536). Der Senat schließt sich insoweit den zutreffenden und plastisch dargestellten
Erwägungen des SG im angefochtenen Urteil ausdrücklich an. Nur ergänzend ist insoweit zu erwähnen, dass bei
Maßgeblichkeit des tatsächlichen Erlöses - als weiterer, willkürlicher Faktor - u.a. auch das Verhandlungsgeschick
oder -ungeschick des Verkäufers über die Höhe des von dem Reha-Träger zu leistenden Zuschusses mitentscheiden
würde, was angesichts der damit verbundenen Rechtsunsicherheit der Versichertengemeinschaft nicht zugemutet
werden kann. Zutreffend hat die Klägerin deshalb im Berufungsverfahren auch ihr ursprüngliches Begehren auf
Zugrundelegung des tatsächlichen Verkaufserlöses nicht mehr weiter verfolgt, sondern verlangt nunmehr die
Einholung eines Kfz-Sachverständigengutachtens.
Doch auch eine regelhafte Einholung von jeweiligen Kfz-Sachverständigen-gutachten wäre mit der Zwecksetzung des
Reha-Rechts nicht vereinbar. Zwar würden hierdurch Rechtssicherheit und Gleichbehandlung beachtet werden. Jedoch
würde durch die mit jeder Gutachten-Einholung verbundenen zeitlichen Verzögerungen und finanziellen
Zusatzbelastungen nicht mit dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit in Einklang zu bringen sein.
Dieser Grundsatz steht dem Prinzip der finalen Leistungsgewährung gleichberechtigt gegenüber und ist im Gesetz in §
13 Abs. 1 SGB VI ausdrücklich festgeschrieben. Diesem Grundsatz ist auch in der KfzHV entsprochen, da nach § 5
Abs. 3 KfzHV bei der Bemessung des Verkehrswertes des Altwagens nach allgemeiner Ansicht nicht von der
regelhaften Einholung von Sachverständigengutachten, sondern von der Anwendung von Listen (Schwacke-Liste)
ausgegangen wird (ebenso unter Hinweis auf die Materialien des Verordnungsgebers: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 28. September 1998, a.a.O., S. 536; weitere Nachweise bei: Kasseler-Kommentar-Niesel, Anhang 1 § 16 SGB
VI, Rn. 19).
Schließlich vermag sich der Senat auch der von der Klägerin zuletzt noch geforderten Einholung von Kfz-
Sachverständigengutachten jedenfalls in den Fällen, in denen eine besondere Wertminderung des Altwagens in Rede
steht, insbesondere durch unfallbedingte Schäden oder Reparaturrückstände, nicht anzuschließen.
Dabei lässt der Senat die Frage dahinstehen, warum die Klägerin eine Unfallverursachung der geltend gemachten
Schäden ihres Altwagens erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen und bis dahin allein einen Reparaturstau als
Ursache geltend gemacht hat. Dies könnte ein Hinweis auf die Schwierigkeit der Feststellung von
Unfallverursachungen sein, wie sie im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht bereits bekannt sind. Jedenfalls vermag
sich der Senat weder der Auffassung des LSG Baden-Württemberg (a.a.O.) noch derjenigen der Beklagten aus ihrem
erstinstanzlichen Schriftsatz vom 7. Dezember 2001 anzuschließen, wonach unfallbedingte Schäden am Altwagen
berücksichtigungsfähig sein sollen. Denn nach Überzeugung des Senats sind weder unfallbedingte noch
reparaturstaubedingte noch sonstige nicht behinderungsbedingte Gründe bei der Bemessung des Zuschusses nach
der KfzHV in Rechnung zu stellen, weil dies mit dem höherrangigen Gesetzesrecht der Rehabilitation nicht vereinbar
wäre:
Grundlegende Zielsetzung des gesamten Rehabilitationsrechts ist die Wiedereingliederung in das Arbeits- und
Berufsleben von Versicherten, die infolge einer dauerhaften Erkrankung oder Behinderung in ihrer Erwerbsfähigkeit
beeinträchtigt oder gefährdet sind. Diese Beschränkung der Reha-Leistungen auf erkrankungs- bzw.
behinderungsbedingte Nachteilsausgleiche findet sich gerade auch in der formellen gesetzlichen Grundnorm für das
rentenrechtliche Reha-Recht des § 9 SGB VI sowie in den normierten persönlichen Voraussetzungen von Reha-
Leistungen der Rentenversicherungsträger in § 10 SGB VI. Würden bei der Bemessung von Leistungen der KfzHV -
entsprechend dem Begehren der Klägerin - (allgemeine) unfallbedingte Faktoren oder Reparaturrückstände
berücksichtigt werden, die nicht behinderungsbedingt sind, wäre diese Zielsetzung der finalen Leistungsgewährung
zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile überschritten. Die Geltendmachung rein privater, nicht
behinderungsbedingter Faktoren ist deshalb im Recht der KfzHV bei der Bemessung des Zuschusses auch bereits
ausdrücklich abgelehnt worden (BSG, Urteil vom 26. August 1992, 9b RAr 1/92, SozR 3-5765 § 4 KfzHV Nr. 1 =
SozR3-4100, § 56 AFG, Nr. 8, S. 27; Kasseler-Kommentar-Niesel, Anh. § 16 SGB VI, Rn. 3). Dem schließt sich der
Senat nach eigener Überzeugung an.
Die sich weiter ergebende Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von behinderungsbedingten Schäden am Altwagen,
also etwa in Fällen der Beschädigung der Innenausstattung eines Kfz durch das wiederholte Ein- und Ausladen eines
Rollstuhls (LSG Baden-Württemberg, a.a.O), musste im vorliegenden Fall nicht entschieden werden, weil die Schäden
am Altwagen der Klägerin nach deren Vortrag nicht behinderungsbedingt entstanden sind.
Hat die Beklagte im vorliegenden Fall daher das ihr obliegende Ermessen fehlerfrei ausgeübt und bleibt deshalb die
kombinierte Anfechtungs- und Bescheidungsklage der Klägerin ohne Erfolg, so ist nur ergänzend darauf hinzuweisen,
dass damit gleichzeitig auch eine unter Berufung auf eine Ermessensreduzierung auf Null erhobene Leistungsklage,
wie sie in erster Instanz noch anhängig gemacht worden war, ohne Erfolg geblieben wäre, weil sich mangels
Ermessensfehler der Beklagten erst recht eine Ermessensreduzierung auf Null im Sinne der Klägerin nicht hätte
feststellen lassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache in
vielen gleichgelagerten Rechtsstreiten. Hinzu kommt, dass die vorliegend aufgetretenen Rechtsfragen bereits von
mehreren Landessozialgerichten zum Teil unterschiedlich beurteilt wurden (siehe die obenstehenden Zitate).