Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 05.09.2003

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 05.09.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hildesheim S 11 U 3/03
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 6 B 28/03 U
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 10. Juni 2003 wird
zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe – PKH – für das Verfahren vor dem Sozialgericht – SG -, in dem er die
Aufhebung zweier Beitragsbescheide (für die Jahre 1997 und 1998) sowie eines Säumniszuschlagsbescheides
erstrebt.
Der 1963 geborene Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er bezieht Arbeitslosengeld in Höhe von 186,13 EUR
wöchentlich sowie Kindergeld in Höhe von 308,- EUR monatlich. Seine Ehefrau verdient monatlich durchschnittlich
790,- EUR netto. Der Kläger bewohnt mit seiner Familie ein eigenes Haus, für dessen Finanzierung monatlich 401,95
EUR zu zahlen sind (Angaben aufgrund der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 13.
Januar 2003).
Der Kläger errichtete ab September 1997 ein Doppelhaus, das er am 16. Februar 1998 bezog. Zu diesem Zeitpunkt
waren die Bauarbeiten bis auf den Außenputz, Herrichtung der Garage, die Malerarbeiten im Kellergeschoss sowie
das Erstellen der Außenanlage abgeschlossen (Bericht des Technischen Angestellten der Beklagten C. vom 5.
Oktober 1998). Da der Kläger den ihm übermittelten Meldebogen für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten
(Eigenbaunachweis) trotz Erinnerung nicht zurückgesandt hatte, setzte die Beklagte den Beitrag für 1997 zunächst
aufgrund einer amtlichen Einschätzung gemäß § 165 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – SGB – VII auf 6.720,- DM fest. Am
3. Juni 1998 legte der Kläger den Eigenbaunachweis vom 26. Mai 1998 vor und gab an, sein Bruder D. habe drei
Stunden Betonarbeiten, sein Cousin E. habe zwei Stunden Betonbauarbeiten und sein Schwager F. drei Stunden
Dachdeckerarbeiten geleistet. Am 1. September 1998 suchte der Technische Angestellte C. den Kläger und dessen
Ehefrau auf und besichtigte die Baustelle (vgl. den vorerwähnten Bericht vom 5. Oktober 1998). Gestützt auf seine
Schätzung vom 2. September 1998 änderte die Beklagte den Beitragsbescheid für 1997 mit Bescheid vom 14. Juni
1999 ab und ermäßigte den Beitrag auf 2.308,05 DM. Mit Beitragsbescheid vom 14. Juni 1999 setzte sie den Beitrag
für 1998 in Höhe von 590,37 DM fest. Ferner erteilte sie unter dem 30. März 2000 einen Bescheid über
Säumniszuschläge.
Der Kläger widersprach den Beitragsbescheiden und machte im Wesentlichen geltend, er habe sein Haus mit seiner
Frau "fast selbst gebaut”. Helfer habe er nicht hinzugezogen. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit
Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2002 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus:
Reiche ein Unternehmer nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten den Nachweis nicht, nicht rechtzeitig, falsch oder
unvollständig ein, so könne sie eine Schätzung nach § 165 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) in
Verbindung mit § 63 Abs. 3 ihrer Satzung vornehmen. Hiervon habe sie Gebrauch gemacht. Ursprünglich sei sie
davon ausgegangen, dass die Herstellungskosten für die Baumaßnahme des Klägers 640.000,- DM betragen habe
und 7 % der Baukosten (44.800,- DM) als beitragspflichtige Arbeitsentgelte für die Eigenbauhelfer anzusetzen seien.
Dies entspreche 2.955 Helferstunden. Der vom Kläger im Widerspruchsverfahren eingereichte Eigenbaunachweis
habe 8 Helferstunden umfaßt. Daraufhin habe der zuständige technische Angestellte der Beklagten die
Baumaßnahme besichtigt und eine Schätzung mit dem Ergebnis vorgenommen, dass 1.256 Helferstunden für die
Jahre 1997 und 1998 anzusetzen seien. Dabei seien 1.015 Stunden dem Jahr 1997 und 241 Stunden dem Jahr 1998
zugeordnet worden. Aufgrund dieser Feststellungen sei der Beitragsbescheid vom 24.04.1998 für das Jahr 1997 in
Höhe von 6.720,- DM um 4.411,95 DM auf 2.308,05 DM ermäßigt und für das Jahr 1998 der Beitragsbescheid vom
14.06.1999 in Höhe von 590,37 DM erteilt worden. Für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des
Fälligkeitstages gezahlt habe, sei für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 vom 100
des rückständigen auf 100 Deutsche Mark nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen (§ 24 Abs. 1
Sozialgesetzbuch Viertes Buch – SGB IV). Hieraus ergebe sich der erhobene Säumniszuschlag.
Dagegen hat der Kläger am 7. Januar 2003 beim SG Hildesheim Klage erhoben und PKH beantragt. Das SG hat den
Antrag auf PKH mit Beschluss vom 10. Juni 2003 abgelehnt und sich zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid
bezogen. Nach Auffassung des SG hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid ausführlich und zutreffend dargelegt,
worauf sich die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge gründet. Während des Klageverfahrens seien nach
summarischer Prüfung keine objektivierbaren Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden, dass die
Berechnungsgrundlage und die Berechnungsform unrichtig sein können. Insbesondere sei nicht glaubhaft, dass der
Kläger bei der Errichtung einer Doppelhaushälfte lediglich 8 Helferstunden in Anspruch genommen habe.
Gegen diesen ihm am 12. Juni 2003 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 2. Juli 2003 Beschwerde eingelegt. Zur
Begründung macht er geltend, er erkläre nochmals, dass er das Haus ohne fremde Hilfe erstellt habe. Die Beklagte
hätte seine Baustelle seinerzeit nicht kontrolliert. Hätte sie dies getan, hätte man feststellen können, dass der Kläger
dort nur alleine gearbeitet hatte. Notfalls könnten dafür, das er das Hausgrundstück in Eigenleistung erstellt habe,
auch Zeugen benannt werden.
Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§ 73 a Sozialgerichtsgesetz – SGG – i.V.m. § 127 Abs. 2
Zivilprozessordnung – ZPO -). Sie ist jedoch nicht begründet. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen der PKH sind, wie
sich aus der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers ergibt, zwar erfüllt. Die
Rechtsverfolgung bietet aber keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73 a SGG i.V.m. § 114 ZPO). Eine
hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn ein Erfolg oder Teilerfolg als durchaus möglich erscheint. Diese
Voraussetzung ist nach der gebotenen summarischen Prüfung im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Denn nach § 165 Abs. 3 SGB VII war die Beklagte berechtigt, den Arbeitsaufwand der Eigenbauarbeiten aufgrund der
Ermittlungen ihres Technischen Angestellten C. für die Jahre 1997 und 1998 zu schätzen. Nach dieser Vorschrift
kann sie den Arbeitsumfang schätzen, wenn der Unternehmer die erforderlichen Nachweise – hier: die von
arbeitnehmerähnlichen Helfern geleisteten Arbeitsstunden – nicht, nicht rechtzeitig, falsch oder unvollständig macht.
Bei lebensnaher Betrachtung hat der Kläger über nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten unvollständige und falsche
Angaben gemacht. Berücksichtigt man den erheblichen Umfang des Bauvorhabens, so drängt sich nämlich die
Annahme auf, dass die Angabe von nur acht Helferstunden für die angeblich von drei Helfern ausgeführten Beton- und
Dachdeckerarbeiten nicht richtig sein können. Auch der weitere Vortrag des Klägers deutet darauf hin, dass er bei
dem Bau seines Zweifamilienhauses in erheblichem Umfang auf fremde Hilfe angewiesen war. Denn aus seinem
Schreiben vom 18. Oktober 1999 (Verwaltungsakten der Beklagten Bl. 65) geht hervor, dass er das Bauvorhaben zu
einem Zeitpunkt geplant und finanziert hat, zu dem er noch als Kraftfahrer arbeitete. Berücksichtigt man, dass er
aufgrund seiner Berufstätigkeit einerseits zeitlich stark gebunden war und andererseits, dass er sich nach seinen
Angaben keine Baufirma leisten konnte, so wird deutlich, dass das Bauvorhaben von vornherein nur mit Hilfe Dritter
bewältigt werden sollte und konnte.
Auch die Höhe der von der Beklagten festgesetzten Beiträge ist nicht zu beanstanden. Denn die Beklagte hat sich
dabei auf allgemeine Erfahrungswerte gestützt (vgl. den Vermerk des Technischen Angestellten C. vom 2. September
1998, Verwaltungsakten Bl. 14 sowie die Begründung des Widerspruchsbescheides), und es ist – entsprechend dem
Wesen der Schätzung – hinzunehmen, dass diese von den tatsächlichen Verhältnissen abweicht (BSG, Urteil vom
18. April 2000 – B 2 U 2/99 R -). Die Annahme, dass die Beklagte die Zahl der Helferstunden zu hoch veranschlagt
hat, liegt im Übrigen deshalb fern, weil sie zu Gunsten des Klägers vergleichsweise die Arbeitsleistung von
professionellen Bauhandwerkern zu Grunde gelegt hat (vgl. den Schriftsatz der Beklagten vom 5. Juni 2003).
Allerdings ist der von der Beklagten geschätzte Lohnnachweis kein Grund, berechtigte Einwendungen des
Unternehmers zu unterbinden (BSGE 63, 214, 218). Solche Einwendungen müssen aber plausibel sein, um ggf.
Ermittlungen von Amts wegen einzuleiten. Sie sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).