Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.02.2001

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 28.02.2001 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Braunschweig S 2 RI 203/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 10 RI 174/00
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 14. März 2000 wird
zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1944 geborene Kläger wendet sich mit seiner am 25. Mai 2000 eingelegten Berufung gegen das ihm am 4. Mai
2000 zugestellte Urteil vom 14. März 2000, mit dem das Sozialgericht (SG) Braunschweig die Rechtmäßigkeit des
Bescheides der Beklagten vom 19. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 1999
nach weiterer medizinischer Sachaufklärung (u. a.: Einholung des Untersuchungsgutachtens des Orthopäden Dr. G.
vom 14. Dezember 1999) bestätigt hat.
Mit dem angefochtenen Bescheid hatte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit (EU) bzw. Berufsunfähigkeit (BU) vom September 1998 abgelehnt, weil nach dem zuvor von ihr
beigezogenen Untersuchungsgutachten für den MDKN des Dr. H. vom 13. März 1998 und dem arbeitsamtsärztlichen
Untersuchungsgutachten der Internistin Dr. I. vom 18. Mai 1998 noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für die
Verrichtung körperlich leichter Arbeiten vorhanden war.
Der Kläger, der den Ausbildungsberuf des Ofensetzers erlernt, zuletzt aber von 1988 bis 1996 als ungelernter Arbeiter
in einem Kalksandsteinbetrieb gearbeitet hat, hält sich nach wie vor für erwerbsunfähig. Insbesondere verweist er auf
seine Knieoperationen und das für die AOK erstattete Gutachten des Dr. J. vom 23. November 1999. Dieser
Gutachter hält ihn nicht mehr für fähig, lohnbringende Arbeiten auszuführen.
Der Kläger, der den Arztbrief des Facharztes für Neurologie K. vom 22. Juni 2000 sowie den ärztlichen Bericht des Dr.
L. vom 14. Juli 2000 und die Arztbriefe des Dr. M. vom 14. September und 3. November 2000 zu den Akten reicht,
beantragt,
1. das Urteil des SG Braunschweig vom 14. März 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 1998 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 1999 aufzuheben,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU, ab Antragstellung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Der Senat hat das nach Aktenlage erstattete arbeitsamtsärztliche Gutachten der Ärztin für Innere Medizin Dr. I. vom
17. Februar 2000 beigezogen und den Befundbericht des Dr. M. vom 11. Januar 2001 eingeholt.
Die Gerichtsakten des ersten und zweiten Rechtszuges sowie die Renten- und Heilverfahrensakten der Beklagten
waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung. Auf deren Inhalt wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
Die angefochtenen Entscheidungen erweisen sich als rechtmäßig. Dem Kläger steht keine Rente wegen EU gemäß §
44 des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch – gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI), in der bis zum 31.
Dezember 2000 gültigen Fassung (vgl. Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.
Dezember 2000 in BGBl. I S. 1827 ff), dessen Wortlaut in den angefochtenen Entscheidungen wiedergegeben ist und
auf den hier verwiesen werden kann, zu. Denn er verfügt über ein vollschichtiges Leistungsvermögen. Dieses steht
der begehrten Rente entgegen (§ 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI a. F.).
Das vollschichtige Leistungsvermögen ist nachgewiesen durch das Untersuchungsgutachten des Orthopäden Dr. G.
vom 14. Dezember 1999 sowie das beigezogene MDKN Gutachten des Dr. H. vom 13. März 1998 und das
arbeitsamtsärztliche Untersuchungsgutachten der Internistin Frau Dr. I. vom 18. Mai 1998 nebst Aktengutachten vom
17. Februar 2000. Danach liegen hauptsächlich folgende Gesundheitsstörungen vor:
1. leichte Verbiegung der Wirbelsäule mit Neigung zu Muskelverspannungen bei geringer Verkürzung des linken
Beines,
2. mehrfach operiertes Kniegelenk links mit nachgewiesenen Verschleißschäden auf der Innenseite und
Kniescheibenrückfläche, Zustand nach winkelverbessernder Umstellung des Kniegelenkes links,
3. Nervenlähmung im Unterschenkel und im Fuß links mit Spitzfuß links, mit Apparat versorgt,
4. Verdacht auf Gicht.
Am linken Kniegelenk sind mehrfach Operationen in den Jahren 1989 bis 1999 durchgeführt worden. Wenn dadurch
auch nicht die erhoffte Beschwerdefreiheit eingetreten ist, so weist das linke Kniegelenk doch "keine
Kapselschwellung oder Ergussbildung mehr auf, die Beweglichkeit ist bis auf 5 °bei der Beugung genau so gut wie die
der Gegenseite, eine stärkere Bandlockerung der linken Seite liegt nicht vor, ein Druckschmerz am Gelenkspalt als
Hinweis auf bestehende Meniskusschädigung kann nicht mehr ausgelöst werden" (Untersuchungsgutachten des
Sachverständigen Dr. G. S. 18, 19). Seit der Umstellungsosteotomie im Januar 1999 ist eine Lähmung des
Unterschenkels und Fußes aufgetreten, die das Tragen einer Peronäusschiene erforderlich macht. Das Gangbild ist
zwar behindert, jedoch relativ zügig und zeigt auch ohne Benützung einer Krücke ausreichende Stabilität. Der Kläger
kann damit nach Ansicht aller angehörten Gutachter nicht nur vollschichtig weiterhin arbeiten, sondern auch noch
längere Fußstrecken als 600 m am Stück zurücklegen. Bei den auszuführenden Arbeiten ist lediglich darauf zu
achten, dass diese körperlich leichte Anforderungen stellen und vorwiegend im Sitzen stattfinden.
Das vorbeschriebene Leistungsvermögen wird durch die übrigen Gesundheitsstörungen nicht weiter beeinträchtigt. Der
Schaden an der Wirbelsäule ist degenerativer Art, der Lasègue ist beiderseits negativ und der Fingerspitzen-
Fußboden-Abstand (FBA) beträgt nach N. ca. 20 cm. Anlass zu anderer Beurteilung des Leistungsvermögens bieten
auch nicht die vom Kläger eingereichten ärztlichen Unterlagen. Das sozialmedizinische Untersuchungsgutachten des
Dr. J. vom 23. November 1999 war schon bei Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen Dr. G. am 14.
Dezember 1999 bekannt und enthält deshalb kein neues Krankheitsbild. Die abweichende Leistungsbeurteilung des
Dr. J. bleibt damit ohne neue Befunde und damit beweislos. Dasselbe gilt für den ärztlichen Befundbericht des Dr. L.
vom 14. Juli 2000. Wenn die darin geäußerte Auffassung von der mangelnden Vermittelbarkeit des Klägers begründet
wird mit "der ständigen Schmerzsituation", so muss dem entgegengehalten werden, dass Schmerzempfindungen
allein keinen Rentenanspruch begründen können. Die gleiche Feststellung trifft auch auf die Bescheinigungen des Dr.
M. vom 14. September 2000 und 3. November 2000 zu. Im Übrigen hat dieser Arzt in seinem vom Senat
angeforderten Befundbericht vom 11. Januar 2001 ausgeführt, dass außer den geklagten Beschwerden "ansonsten
keine Änderung" eingetreten sei. Bei dieser medizinischen Sachlage muss von der Feststellung eines vollschichtigen
Leistungsvermögens für die Verrichtung körperlich leichter Arbeiten vorwiegend im Sitzen ausgegangen werden, ohne
dass es weiterer medizinischer Sachaufklärung bedarf. Damit entfällt eine Rente wegen EU.
Dem Kläger steht auch keine Rente wegen BU gemäß § 43 SGB VI a. F. zu. Denn hierfür fehlt es am Berufsschutz
eines Facharbeiters. Der Kläger hat zwar ursprünglich den Facharbeiterberuf des Ofensetzers erlernt. Er ist aber vor
Stellung seines Rentenantrages über Jahre hinweg als Kalksandsteinarbeiter tätig gewesen. Es handelt sich hierbei
um die Arbeit eines ungelernten Arbeiters. Das haben die mehrfach eingeholten Auskünfte seines letzten Arbeitgebers
ergeben. Darüber hinaus ist die Bezahlung nach der niedrigsten Lohngruppe 3 des insgesamt nur drei Lohngruppen
umfassenden einschlägigen Tarifvertrages erfolgt. Der Kläger muss sich deshalb sozial zumutbar auf den allgemeinen
Arbeitsmarkt verweisen lassen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 193 und 160 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).