Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 09.11.2010

LSG Nsb: stadt, unwirksamkeit der kündigung, wohnung, arbeitsgemeinschaft, vermieter, erlass, heizung, niedersachsen, räumung, rechtshängigkeit

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 09.11.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Braunschweig S 58 AS 2656/10 ER
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 7 AS 606/10 B ER
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 17. Mai 2010 wird
zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die vorläufige Übernahme von
Mietschulden nach § 22 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Die im Jahre 19F. geborene Antragstellerin lebt mit ihren 19G. und 19H. geborenen Kindern und ihrem Lebenspartner
(geb. 19I.) in einer 83qm-Wohnung in der J. in Braunschweig. Die Antragstellerin und die weiteren Mitglieder der
Bedarfsgemeinschaft stehen im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem
SGB II. Die von ihnen geschuldeten Kosten für Unterkunft und Heizung werden von der Antragsgegnerin bei der
Berechnung der Grundsicherungsleistungen in vollem Umfang als Bedarf anerkannt. In der Vergangenheit überwies
die Antragsgegnerin einen Teil der der Antragstellerin und ihrer Bedarfsgemeinschaft zustehenden monatlichen
Grundsicherungsleistungen direkt an deren Vermieterin zur Begleichung der sich aus dem Mietvertrag ergebenden
monatlichen Forderung. Nachdem sich der monatliche Anspruch auf Grundsicherungsleistungen infolge erzielten
Einkommens der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin erheblich reduziert hatte, überwies die Antragsgegnerin nur
noch einen Teil des geschuldeten Mietzinses an die Vermieterin, bzw. stellte letztlich die Zahlung an die Vermieterin
der Antragstellerin ganz ein. Dementsprechend wies sie die Antragsgegnerin im Änderungsbescheid vom 21.10.2009
darauf hin, dass der Leistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft aufgrund der fiktiven Einkommensanrechnung nicht
mehr ausreiche, um die volle Miete an die Vermieterin überweisen zu können. Deshalb sei die volle Miete ab 11/09
von der Antragstellerin selbst direkt an deren Vermieterin zu zahlen.
Mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 beantragte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin die Übernahme
ihrer Mietschulden auf Darlehensbasis. Der Mietrückstand in Höhe von 716,64 EUR am 16. November 2009 sei
dadurch entstanden, dass die Antragsgegnerin den Mietzins vom Februar bis Juni 2009 nicht mehr in voller Höhe
überwiesen habe und seit November 2009 überhaupt nicht mehr an ihre Vermieterin überweise. Nach entsprechender
Aufforderung der Antragsgegnerin stellte die Antragstellerin am 17. Dezember 2009 einen Antrag auf Übernahme ihrer
Mietschulden gegenüber der Stadt K ... Ihrem Antrag legte sie das Schreiben ihrer Vermieterin vom 11. Dezember
2009 bei, wonach sich die Mietschulden mittlerweile auf insgesamt 1237,78 EUR beliefen und die Vermieterin der
Antragstellerin und ihrem Lebensgefährten wegen der ausstehenden Mietzahlungen fristlos gekündigt hatte. Die Stadt
K. lehnte den Antrag der Antragstellerin mit Bescheid vom 05. Mai 2010 ab. Die Übernahme der Mietschulden sei
nicht gerechtfertigt, weil die Antragstellerin und die weiteren Mitbewohner trotz vorhandenen Einkommens noch immer
keine Miete gezahlt hätten. In den Jahren 1990 und 2004 seien bereits Darlehen für die Übernahme von Mietschulden
gewährt worden, die bis zum heutigen Tage noch nicht vollständig zurückgezahlt worden seien. Die weitere
Gewährung eines Darlehens zur Übernahme von Mietschulden komme deshalb nicht in Betracht.
Den daraufhin am 06. Mai 2010 vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig gestellten und gegen die Stadt K.
gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (Az.: S 46 SO 93/10 ER) nahm die Antragstellerin zurück,
nachdem der zuständige Kammervorsitzende sie darauf hingewiesen hatte, dass für die Prüfung von Ansprüchen
nach § 22 Abs. 5 SGB II nicht die Stadt K., sondern die Antragsgegnerin zuständig sei.
Zeitgleich stellte die Antragstellerin am 11. Mai 2010 einen neuen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes,
nunmehr gegen die Antragsgegnerin gerichtet, wobei Mietschulden in Höhe von mittlerweile 3.908,76 EUR geltend
gemacht wurden. Sie führt aus, zunächst nicht realisiert zu haben, dass seitens der Antragsgegnerin keine, bzw.
einige Zeit geringere Überweisungen an die Vermieterin erfolgt seien. In den darauffolgenden Monaten habe die Miete
dann auch nicht gezahlt werden können, weil ihr Lebensgefährte erkrankt sei und von seiner Erwerbsminderungsrente
ca. 200,- EUR für Medikamente habe aufwenden müssen. Mittlerweile übernehme die Krankenkasse einen Teil dieser
Kosten. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin in der Vergangenheit für die L. einen Teil der
Grundsicherungsleistungen einbehalten habe. Die künftige Mietzahlung sei gesichert, da ausreichend Einkommen zur
Zahlung des Mietzinses vorhanden sei und die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nunmehr auch bereit seien, zur
Miete beizutragen. Die Bedarfsgemeinschaft verfüge insgesamt über ein ausreichendes Einkommen
(Erwerbsminderungsrente des Lebensgefährten der Antragstellerin in Höhe von 688,- EUR + Nettoeinkommen der
Antragstellerin in Höhe von 295,- EUR + 206,- EUR Einkommen des Sohnes der Antragstellerin + 305,- EUR
Einkommen der Tochter der Antragstellerin + 368,- EUR Kindergeld + Alg II 98,71 EUR). Eilbedürftigkeit sei gegeben,
weil die Vermieterin bereits Räumungsklage erhoben habe - die Räumungsklage sei am 26. März 2010 zugestellt
worden. Die Anmietung einer neuen Wohnung sei problematisch, da sie - die Antragstellerin - und ihr Lebensgefährte
die eidesstattliche Versicherung abgegeben hätten und in der Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine
Kreditsicherung) mit Verbindlichkeiten eingetragen seien.
Das SG Braunschweig hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 17. Mai 2010
abgelehnt, weil die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht
habe. Die Antragsgegnerin sei nämlich für die Entscheidung über die darlehensweise Übernahme von Mietschulden
nicht zuständig. Träger der Leistungen nach § 22 SGB II (Unterkunftskosten) seien nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB
II die kreisfreien Städte und die Kreise, hier mithin die Stadt K ... Diese habe die Antragsgegnerin mit der
Entscheidung über Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II jedoch nicht beauftragt. Zwar sollten die kommunalen
Träger nach § 44 b Abs. 3 Satz 2 SGB II der Arbeitsgemeinschaft die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem
Buch übertragen. Die Aufgaben der kommunalen Träger würden von den Arbeitsgemeinschaften jedoch nur dann
wahrgenommen, wenn, soweit und solange sie durch besonderen Akt übertragen worden seien. An einer
entsprechenden Übertragung mangele es.
Gegen den am 20. Mai 2010 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 21. Mai 2010 Beschwerde eingelegt.
Sie weist darauf hin, dass sie bereits einstweiligen Rechtsschutz gegenüber der Stadt K. geltend gemacht habe, in
dem Verfahren jedoch vom Sozialgericht Braunschweig darauf hingewiesen worden sei, dass die Antragsgegnerin in
Verfahren nach § 22 Abs. 5 SGB II zuständig sei.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 17. Mai 2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege
einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre Mietschulden vorläufig auf Darlehensbasis zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Braunschweig vom 17. Mai 2010
zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss des SG Braunschweig weiterhin für zutreffend. Die Durchführung des § 22
Abs. 5 SGB II gehöre nicht zu den nach § 6 SGB II i. V. m. § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II an sie übertragenen
Aufgaben. Vielmehr werde diese Aufgabe eigenständig durch die Stadt K. als zuständigem Träger ausgeführt. Nach §
3 Abs. 3 der Vereinbarung über die Errichtung und Ausgestaltung einer Arbeitsgemeinschaft gemäß § 44b des SGB II
zwischen der Agentur für Arbeit K. und der Stadt K. habe die Stadt K. der ARGE die Wahrnehmung aller kommunalen
Aufgaben nach dem SGB II übertragen, soweit keine andere Regelung getroffen worden sei. § 10 dieses Vertrages
regele die Reichweite der Zusammenarbeit in der ARGE und die Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit. Dort sei
unter Buchst. j geregelt, dass die Stadt K. ab dem 01.04.2006 die Aufgabe des § 22 Abs. 5 SGB II für die ARGE
durchführe. Hierfür würden der Stadt K. die erforderlichen Personal- und Sachkosten durch die ARGE erstattet. In der
Sache werde eine Übernahme der Mietschulden auf Darlehensbasis auch nicht für sinnvoll gehalten, weil künftige
Mietzahlungen aufgrund der geringen Höhe des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nicht direkt sichergestellt
werden könnten. Zudem sei die Antragstellerin in der Lage, mit ihrem Vermieter hinsichtlich der Mietschulden eine
Ratenzahlungsvereinbarung zu treffen. So seien z. B. im Juni von dem Einkommen der Bedarfsgemeinschaft
Freibeträge in Höhe von insgesamt 235,61 EUR abgesetzt worden, welche zur Schuldenrückführung eingesetzt
werden könnten. Im Übrigen regt die Antragsgegnerin die Beiladung der Stadt K. zu diesem Verfahren an.
Mit Anerkenntnisurteil vom 18. August 2010 hat das Amtsgericht K. die Antragstellerin auf die Räumungsklage ihrer
Vermieterin zur Zahlung von 2.280,06 EUR sowie zur Räumung ihrer Wohnung bis zum 31. Oktober 2010 verurteilt
(Az.: M.). Die Frist zur Räumung der Wohnung ist mittlerweile durch Beschluss auf den 31. Dezember 2010 verlängert
worden. Die Antragstellerin zahlt gegenwärtig die Miete sowie zusätzlich 50,- EUR pro Monat auf ihre bestehenden
Mietschulden. Der Vermieter ist dennoch mit einer Fortführung des Mietverhältnisses nicht einverstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte, die Prozessakte zum
Verfahren S 46 SO 93/10 ER sowie auf die von der Antragsgegnerin (1 Band, BG-Nr. N.) und der Stadt K. vorgelegten
Verwaltungsakten (2 Bände) Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die
Antragstellerin kann die vorläufige darlehensweise Übernahme ihrer Mietschulden nicht erfolgreich geltend machen.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in
Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn dies zur Abwehr wesentlicher Nachteile nötig
erscheint. Dies setzt voraus, dass das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die
besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 920
Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Steht dem Antragsteller ein von ihm geltend gemachter Anspruch
voraussichtlich zu und ist ihm nicht zuzumuten, den Ausgang des Verfahrens abzuwarten, hat er Anspruch auf die
beantragte Leistung im Wege vorläufigen Rechtsschutzes. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und
Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die
grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen (Bundesverfassungsgericht, 1.
Senat, 3. Kammer, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.).
Entgegen der Auffassungen der Antragsgegnerin und des SG Braunschweig ist die Antragsgegnerin in diesem
Rechtsstreit passiv legitimiert. Nach § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II sollen die kommunalen Träger der
Arbeitsgemeinschaft die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch übertragen; § 94 Abs. 4 in Verbindung mit §
88 Abs. 2 Satz 2 des Zehnten Buches gilt nicht. Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob die lediglich teilweise
Übertragung von Aufgaben an die ARGE durch die Kommune mit § 44 b Abs. 3 Satz 2 SGB II vereinbar ist
(verneinend Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, 2. Aufl., § 44b, Rz. 17). Gegen eine Teilübertragung
könnte der Gesetzeswortlaut sprechen, der die kommunalen Träger zur Übertragung "ihrer" Aufgaben an eine
Arbeitsgemeinschaft berechtigt, sowie das vordergründige Ziel des Grundsicherungsrechts, Leistungen "aus einer
Hand" zu gewähren. Entscheiden ist hier, dass gar keine Teilübertragung von Aufgaben auf die Antragsgegnerin
stattgefunden hat; vielmehr ist vorliegend eine Inanspruchnahme der Stadt K. als Dritten bei der Erledigung der
Angelegenheiten nach § 22 Abs. 5 SGB II durch die Antragsgegnerin als neuen Leistungsträger vereinbart worden.
Eine Rückübertragung von hoheitlichen Aufgaben ist gesetzlich jedoch nicht vorgesehen (Luthe in Hauck/Noftz, SGB
II-Kommentar § 6 RdNr. 11; Peters in Estelmann, SGB II-Kommentar § 6 RdNr. 15). Hat der kommunale Träger
gemäß § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II seine Aufgaben aus § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II an eine Arbeitsgemeinschaft
übertragen, kann er über diese Leistungen keine Verwaltungsakte im eigenen Namen erlassen.
Ausschlaggebend ist allein, dass die Stadt K. die ihr nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II zugewiesenen Aufgaben
wirksam auf die Antragsgegnerin übertragen hat. So ist in § 3 (Aufgaben der ARGE) der Vereinbarung über die
Errichtung und Ausgestaltung einer Arbeitsgemeinschaft gemäß § 44b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB
II) zwischen der Agentur für Arbeit K. und der Stadt K. geregelt:
"Die ARGE nimmt gemeinsam alle Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Agentur für Arbeit K. und
für die Stadt K. nach dem SGB II wahr."
Soweit die Antragsgegnerin meint, ihre fehlende Zuständigkeit ergebe sich aus § 3 Abs. 3 in Verbindung mit § 10
Buchst. j) der Vereinbarung, vermag sich der Senat dieser Rechtsauffassung nicht anzuschließen. In § 3 Abs. 3 der
Vereinbarung ist geregelt:
"Die Stadt K. überträgt der ARGE die Wahrnehmung aller kommunaler Aufgaben nach dem SGB II, soweit keine
andere Regelung getroffen wird." Allein aus dieser Regelung ergibt sich nicht, dass die Stadt K. ihre Zuständigkeit für
§ 22 Abs. 5 SGB II nicht auf die Antragsgegnerin übertragen hat.
Auch in Verbindung mit § 10 Buchst. j) ergibt sich keine andere Beurteilung. Dort heißt es:
"Die Stadt K. führt ab dem 01. April 2006 die Aufgabe des § 22 Abs. 5 SGB II für die ARGE durch. Hierfür werden der
Stadt K. die erforderlichen Personal- und Sachkosten durch die ARGE erstattet. Der Umfang der erforderlichen
Personal- und Sachaufwendungen wird durch die Vertragspartner im Rahmen des Verwaltungskostenbudgets
gesondert festgesetzt."
Aus der v. g. Regelung ergibt sich, dass die Antragsgegnerin die ihr gemäß § 44b SGB II zugewiesene kommunale
Aufgabe der Prüfung von Verfahren nach § 22 Abs. 5 SGB II nunmehr durch die Stadt K. im Sinne einer
Verwaltungshilfe durchführen lässt. Für eine hoheitliche Aufgabenerfüllung der Kommune im Auftrag der ARGE
existiert dagegen keine Rechtsgrundlage. Weder die Arbeitsgemeinschaft noch die Kommune sind "Dritte" im Sinne
des § 6 Abs. 1 Satz 2 SGB II, deren Hilfe sich der jeweilige Grundsicherungsträger bedienen könnte. § 10 Buchst. j)
der Errichtungsvereinbarung kann nach außen keine Wirkung entfalten. Ob letztere Vorschrift rechtmäßig so
verstanden werden kann, dass die Stadt K. die Entscheidung über die Übernahme von Mietschulden vorbereitet, die
nach außen gerichtete Regelung hierüber jedoch von der Antragsgegnerin getroffen wird, kann dahingestellt bleiben,
weil die Stadt K. im vorliegenden Verfahren nicht in dieser Form gehandelt hat. Mithin muss es bei der vollständigen
Übertragung der kommunalen Aufgaben nach § 44b Abs. 3 Satz 2 SGB II auf die Antragsgegnerin nach § 3 Abs. 3 der
Vereinbarung verbleiben. Dies hat zur Folge, dass die Antragsgegnerin im vorliegenden Rechtsstreit die allein
zuständige Behörde für die Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin nach § 22 Abs. 5 SGB II ist.
Die Voraussetzungen für eine Regelungsanordnung liegen nicht vor, weil die Antragstellerin keinen
Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat. Nach § 22 Abs. 5 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und
Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur
Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und
notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Der Senat kann hier offen lassen, ob die
Antragsgegnerin auf den Antrag vom 10. Dezember 2009 eine Ermessensentscheidung im Sinne von § 22 Abs. 5
Satz 1 SGB II oder eine Entscheidung nach § 22 Abs. 5 Satz 2 SGB II mit einem sog. gebundenen Ermessen zu
treffen hat. Denn eine solche Prüfung hätte nur zu erfolgen, wenn die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen der
Vorschrift vorlägen (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.09.2010 - L 5 AS 288/10 B ER, veröffentlicht
unter sozialgerichtsbarkeit.de). Hier ist die begehrte Übernahme der Schulden schon nicht gerechtfertigt im Sinne von
§ 22 Abs. 5 Satz 1 und 2 SGB II. Es handelt sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen
gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Dabei ist zunächst maßgeblich, ob die begehrte Schuldenübernahme zur
Sicherung der bisherigen Unterkunft überhaupt geeignet ist. Die Übernahme der Mietschulden hat den Zweck, die
bisherige Wohnung zu erhalten. Dieser Zweck kann nicht erreicht werden, wenn trotz Schuldenübernahme langfristig
der Erhalt der Wohnung nicht gesichert werden kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine wirksame
Vermieterkündigung ausgesprochen worden ist und ein Räumungstitel vorliegt. Die darlehensweise Bewilligung
staatlicher Transferleistungen (mit ungewisser Rückzahlung durch den Darlehensnehmer) hat weiterhin den
Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit zu genügen. Keinesfalls darf die Transferleistung dazu dienen, den
Leistungsempfänger lediglich von zivilrechtlichen Erstattungsansprüchen eines Vermieters freizustellen (so auch LSG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.08.2010 - L 19 AS 1106/10 B ER m. w. N., veröffentlicht in Juris).
Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass durch die begehrte Bewilligung eines Darlehens in Höhe der
eingeklagten Mietschulden die derzeit bewohnte Unterkunft mit der erforderlichen Sicherheit langfristig gesichert
werden kann. Eine Begleichung der Mietschulden kann nämlich nicht mehr zur Unwirksamkeit der fristlosen
Kündigung mit Schreiben vom 11. Dezember 2009 führen. Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
wird eine außerordentliche Kündigung nur dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei
Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird
oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Eine solche Befriedigung mit dem Ergebnis der
Unwirksamkeit der Kündigung hätte also längstens zwei Monate nach Rechtshängigkeit der Zahlungs- und
Räumungsklage vom 26. März 2010 erfolgen müssen. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Durch das Urteil des
Amtsgerichts K. vom 18. August 2010 ist das Mietverhältnis beendet worden.
Darüber hinaus hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die Vermieterin bei einer Begleichung der
Mietschulden weiterhin bereit wäre, die Räumungsklage zurückzunehmen und das Mietvertragsverhältnis
fortzusetzen. Die begehrte darlehensweise Übernahme der Mietschulden kann daher nicht mehr zur Unwirksamkeit
der Räumungsklage führen.
Die Übernahme der Mietschulden ist auch deshalb zur Erhaltung der Wohnung nicht geeignet und damit nicht
gerechtfertigt, weil die Antragstellerin und ihr Lebensgefährte in der Vergangenheit nur sehr unregelmäßig den Mietzins
an ihre jeweiligen Vermieter gezahlt haben. So ist es in der Vergangenheit bereits viermal zum Auflaufen von
Mietschulden gekommen (1990: Mietschulden des Lebensgefährten der Antragstellerin in Höhe von 1.020,- DM in der
Wohnung O., 1998: 1.830,22 DM Mietschulden der Antragstellerin und ihres Lebensgefährten in der Wohnung P.,
2003/2004: 4.899,59 EUR Mietschulden der Antragstellerin und ihres Lebensgefährten in der Wohnung P., 2006:
1.591,81 EUR Mietschulden der Antragstellerin und ihres Lebensgefährten in der Wohnung P.), die insgesamt zweimal
vom damals zuständigen Sozialhilfeträger darlehensweise übernommen worden sind (1990, 2004). Die
entsprechenden Darlehen sind bis heute nicht vollständig zurückgezahlt worden. Hinsichtlich der
streitgegenständlichen Mietschulden stand der Bedarfsgemeinschaft mit insgesamt 1960,71 EUR ausreichend
Nettoeinkommen zur Begleichung der Mietzinsforderung zur Verfügung. Nicht nachvollziehbar ist, dass die
Antragstellerin, die zumindest seit Mitte November 2009 von ihrem Zahlungsrückstand bei der Vermieterin wusste,
erst Mitte 2010 mit der Zahlung der laufenden Miete und der ratenweisen Rückführung der Mietschulden begonnen
hat. Dies zeigt deutlich, dass die Antragstellerin mit ihrer Bedarfsgemeinschaft nur unter massivem Druck - aktuell in
Form der Räumungsklage - gewillt ist, ihren Verpflichtungen aus dem abgeschlossenen Mietvertrag nachzukommen.
Soweit die Antragstellerin behauptet, die Zahlungen hätten zunächst wegen der Erkrankung ihres Lebensgefährten und
der damit verbundenen Kosten in Höhe von "ca. 200,- EUR" pro Monat nicht aufgenommen werden können, ist diese
Behauptung zu unsubstantiiert. Im Übrigen erklärt sie nicht, aus welchen Gründen wegen eines behaupteten
Mehrbedarfs von 200,- EUR die komplette Mietzinszahlung nicht erfolgen konnte. Bei einer derartigen Sachlage kann
zukünftig nicht darauf vertraut werden, dass die Antragstellerin mit ihrer Bedarfsgemeinschaft ihren
Zahlungsverpflichtungen zeitnah nachkommen wird. Da die Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin nur geringe
Grundsicherungsleistungen erhält, ist es der Antragsgegnerin auch nicht möglich, durch direkte Zahlung der
Leistungen der Unterkunft und Heizung an die Vermieterin gemäß § 22 Abs. 4 SGB II erneuten Zahlungsrückständen
vorzubeugen.
Liegt demnach kein Anordnungsanspruch für den beantragten Erlass einer einstweiligen Anordnung vor, kann die
Frage eines etwaigen Anordnungsgrundes dahinstehen.
Der Senat hat davon abgesehen, dem Antrag der Antragsgegnerin auf Beiladung der Stadt K. zu entsprechen. Denn
diese könnte aus den genannten Gründen nicht zur vorläufigen Bewilligung eines Darlehens zur Begleichung der
Mietschulden verpflichtet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).