Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.03.2006

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 23.03.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Osnabrück S 20 AS 50/05
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 8 AS 307/05
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 19. August 2005 geändert. Die
Klage wird vollständig abgewiesen. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen. Außergerichtliche
Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, in welchem Umfang die Unterkunftskosten in der Bedarfsberechnung der
Klägerin für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu
berücksichtigen sind und ob das für die volljährige Tochter der Klägerin gezahlte Kindergeld als Einkommen in die
Bedarfsberechnung einzustellen ist.
Die im August 1952 geborene Klägerin bewohnt zusammen mit ihrer am 31. Oktober 1983 geborenen Tochter I. eine
ca. 55 m² große Mietwohnung. Die Tochter studiert an der Hochschule J ... Sie erhält Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) in monatlicher Höhe von 377,00 EUR; darin ist enthalten ein Anteil von
44,00 EUR für die Unterkunft (Bescheid vom 30. September 2004). Die monatlichen Kosten für die Unterkunft setzen
sich folgendermaßen zusammen: Kaltmiete 255,52 EUR, Nebenkosten 58,35 EUR und Kosten für Beheizung
(monatliche Abschlagszahlung) 41,12 EUR. Die Klägerin erzielt aus einer Tätigkeit als Putzhilfe ein monatliches
Nettoarbeitsentgelt von 165,00 EUR; außerdem erhält sie für ihre Tochter ein monatliches Kindergeld von 154,00
EUR. Die Klägerin erhielt bis zum 25. Januar 2002 Arbeitslosengeld, danach bis zum 31. Dezember 2004
Arbeitslosenhilfe.
Die Klägerin beantragte am 19. August 2004 Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 23. November 2004
wurden der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 monatliche Leistungen in Höhe von 260,62 EUR
bewilligt. Das Erwerbseinkommen (165,00 EUR) wurde mit einem monatlichen Betrag von 101,72 EUR angerechnet,
das Kindergeld in vollem Umfang. Die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden zur Hälfte berücksichtigt; die
Kosten für die Heizung wurden vorab um den Anteil für die Warmwasserzubereitung gekürzt (Regelsatzanteile von
6,50 EUR und 5,80 EUR). Leistungen für die Tochter als Studentin wurden nicht bewilligt. Die Klägerin legte
Widerspruch mit der Begründung ein, dass ein höherer Unterkunftsbedarf anzusetzen sei, da ihre Tochter zur
Deckung des Unterkunftsbedarfs einen Betrag von lediglich 44,00 EUR nach dem BAföG erhalte. Das Kindergeld
dürfe als ihr Einkommen nicht berücksichtigt werden, da sie es an ihre Tochter weiterreiche. Mit
Widerspruchsbescheid vom 2. März 2005 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die volljährige
Tochter I. gehöre nicht zur Bedarfsgemeinschaft der Klägerin. Die Kosten für Unterkunft und Heizung beliefen sich auf
342,68 EUR. Die Tochter gehöre zur Haushaltsgemeinschaft, so dass die Kosten der Unterkunft auf zwei Personen
aufzuteilen seien.Für die Klägerin ergebe sich daher ein berücksichtigungsfähiger Betrag von 171,34 EUR. Das
Erwerbseinkommen sei um den Pauschbetrag von 30,00 EUR monatlich vermindert worden, ebenso um die
Aufwendungen für Werbungskosten, woraus sich ein bereinigtes Nettoeinkommen von 101,72 EUR errechne. Das
Kindergeld für volljährige Kinder – also die Tochter I. – sei der Klägerin als Kindergeldberechtigter zuzuordnen.
Die Klägerin hat am 18. März 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Sie hat vorgetragen, dass das
Kindergeld ihrer Tochter gezahlt werde und die Kosten der Unterkunft nicht nur zur Hälfte berücksichtigt werden
dürften. Das SG Osnabrück hat der Klage mit Urteil vom 19. August 2005 teilweise stattgegeben und die Beklagte
verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 höhere Leistungen nach dem SGB II unter
Berücksichtigung von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 298,68 EUR zu gewähren und im
Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es unbillig erscheine, die Unterkunftskosten
hälftig auf die Klägerin und die Tochter I. zu verteilen. Die Tochter habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem
SGB II, sie erhalte Leistungen nach dem BAföG. Der darin enthaltene Betrag für Unterkunft in Höhe von 44,00 EUR
reiche zur Bestreitung des auf die Tochter entfallenden hälftigen Anteils der Unterkunftskosten nicht aus; den
Differenzbetrag zwischen hälftigem Anteil und dem Betrag von 44,00 EUR müsse die Beklagte übernehmen. Im
Hinblick auf das Kindergeld sei die Klage nicht begründet, weil das Kindergeld der Klägerin zuzurechnen sei (Hinweis
auf einen Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 13. Juni 2005 – L 8 AS 118/05 ER –). Das Urteil wurde der
Beklagten – nach ihren Angaben – am 2. September 2005 zugestellt.
Die Beklagte hat am 28. September 2005 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, dass der Klägerin nicht mehr als die Hälfte
des Unterkunfts- und Heizungsbedarfs zustehe. Die andere Hälfte gehe zu Lasten der Tochter.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 19. August 2005 im Umfang der Stattgabe aufzuheben und die Klage
vollständig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und
im Wege der Anschlussberufung
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 19. August 2005 aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen worden ist
und
die Beklagte zu verurteilen, ihr – der Klägerin – für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 höhere Leistungen nach
dem SGB II ohne Anrechnung des monatlichen Kindergeldes von 154,00 EUR zu gewähren.
Sie trägt vor, dass ihre Tochter keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, sondern Anspruch auf BAföG-
Leistungen habe. Darin sei nur ein Betrag von 44,00 EUR für Unterkunft enthalten. Bei der Familienkasse J. sei ein
Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes an die Tochter gestellt worden, der abgelehnt worden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten
verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die
Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass mehr als die Hälfte ihrer Unterkunfts- und Heizkosten in die
Bedarfsberechnung nach dem SGB II eingestellt wird. Das Urteil des SG Osnabrück war daher im Umfang der
Stattgabe aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Anschlussberufung der Klägerin ist zurückzuweisen.
Das SG hat zu Recht entschieden, dass das Kindergeld für die volljährige Tochter als Einkommen der Klägerin zu
berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist als erwerbsfähige Hilfebedürftige anspruchsberechtigt für Leistungen nach dem SGB II. Nach § 19
SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Das zu berücksichtigende Einkommen und
Vermögen mindert die Geldleistungen des Leistungsträgers.
Streitig ist zunächst die Berücksichtigung der (angemessenen) Kosten für Unterkunft und Heizung. Nach § 22 Abs 1
Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht,
soweit diese angemessen sind. Die Frage der Angemessenheit an sich spielt im vorliegenden Rechtsstreit keine
Rolle, weil die Beklagte die tatsächlichen Aufwendungen der Bedarfsberechnung zugrunde gelegt hat, und zwar für
den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2005, der Gegenstand dieses Rechtsstreits ist. Denn gemäß § 41 Abs 1
Satz 3 SGB II sollen die Leistungen jeweils für 6 Monate bewilligt werden. Demgemäß erfasst der streitige und vom
Gericht zu überprüfende Zeitraum grundsätzlich diesen 6-Monats-Zeitraum. Vorliegend sind keine Besonderheiten
ersichtlich, die eine zeitlich weitergehende Prüfung des Begehrens zulassen. Bescheide für spätere Zeiträume werden
nicht von § 96 SGG erfasst, weil diese keine Regelung für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 enthalten.
Die Beklagte hat die Kosten für Unterkunft und Heizung nach den Angaben der Klägerin zutreffend ermittelt. Danach
beträgt die monatliche Miete (Kaltmiete und Nebenkosten) 313,87 EUR. Dem sind hinzuzurechnen die monatlichen
Kosten für die Heizung. Den monatlichen Abschlagsbetrag von 41,12 EUR für Heizkosten hat die Beklagte zutreffend
vermindert um die im Regelsatz enthaltenen Anteile für die Warmwasseraufbereitung. Insoweit wird verwiesen auf die
im Widerspruchsbescheid enthaltene Berechnung, §§ 153 Abs 1, 136 Abs 3 SGG. Mithin errechnet sich ein
Gesamtbedarf für Unterkunft und Heizung in monatlicher Höhe von 342,69 EUR. Dieser Bedarf ist nur zur Hälfte –
also mit einem Betrag von 171,34 EUR - in der Bedarfsberechnung für die Klägerin zu berücksichtigen, wie dies die
Beklagte getan hat.
Leben Hilfebedürftige wie die Klägerin mit anderen Personen – der Tochter , die nicht zur Bedarfsgemeinschaft
gehören, in Haushaltsgemeinschaft, so sind die Kosten für Unterkunft und Heizung der Gemeinschaft anteilig – pro
Kopf – zu berücksichtigen. Diese Aufteilung der Kosten nach der Zahl der zur Haushaltsgemeinschaft zählenden
Personen ohne Rücksicht auf deren Alter wurde bereits unter Geltung des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden
Bundessozialhilfegesetz (BSHG) durchgeführt (vgl BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1988 – 5 C 68/85 – BVerwGE
79,17 = FEVS 37, 272; Urteil vom 22. August 1985 – 5 C 57/84 – BVerwGE 72, 88 = FEVS 35, 93; OVG Lüneburg,
Urteil vom 27. August 1987 – 4 B 192/87 – FEVS 39, Seite 19). Die Begründung dafür liegt darin, dass das Bewohnen
einer Wohnung durch eine Familie, die aus Erwachsenen, insbesondere den Eltern, und Kindern besteht, eine
typische einheitliche Lebenssituation ist, die eine an der Intensität der Nutzung der Wohnung durch die einzelnen
Familienmitglieder im Einzelfall ausgerichtete Betrachtung und in deren Gefolge eine unterschiedliche Aufteilung der
Aufwendungen für diese Wohnung nicht zulässt. Diese Ansicht wird wohl überwiegend auch unter Geltung des SGB II
vertreten (vgl SG Koblenz, Urteil vom 3. November 2005 – S 11 AS 85/05 –; anderer Ansicht SG Hamburg,
Beschluss vom 21. März 2005 – S 55 AS 124/05 ER – für eine Fallgestaltung wie die vorliegende; so wie hier Lang in
Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2005, § 22 Rdnr 38; Wieland in Estelmann, Kommentar zum SGB II,
Loseblattsammlung Stand Februar 2005, § 22 Rdnr 35; Berlit in Lehr- und Praxiskommentar zum SGB II, 2005, § 22
Rdnr 22 – Aufteilung nach "Kopfzahl"; Schmidt in Oestreicher, Kommentar zum SGB XII/SGB II, Loseblattsammlung
Stand: Dezember 2005, § 22 SGB II Rdnr 46).
Zweifel an dieser Aufteilung nach Kopfzahl werden aufgeworfen, weil der Gesetzgeber neuerdings mit § 6a Abs 4 Satz
2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) eine Regelung eingeführt hat, die festlegt, dass die Kosten für Unterkunft und
Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen sind, welches sich aus den im jeweils letzten Bericht der Bundesregierung über
die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Kosten für
Alleinstehende, Ehepaare und Kinder ergibt (vgl Wenzel in Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3.
Auflage 2005, § 29 SGB XII Rdnr 4). Die in § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG enthaltene Regelung über die Aufteilung der
Kosten für Unterkunft und Heizung kann nicht auf das Leistungsrecht nach dem SGB II übertragen werden. Denn die
fragliche Vorschrift wurde geschaffen durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (vom
24. Dezember 2003, BGBl I Seite 2954, in Kraft ab 1. Januar 2005; geändert durch das Kommunale Optionsgesetz
vom 30. Juli 2004). Die Regelung des § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG trat daher zum selben Zeitpunkt wie das SGB II in
Kraft. Wenn eine Kostenverteilung wie in § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG auch im SGB II gewünscht wäre, wäre es
naheliegend gewesen, dass der Gesetzgeber diese Regelung in das SGB II übernommen hätte. Denn ihm war die
langjährige Praxis im Bereich der Sozialhilfe bekannt, wonach die Unterkunftskosten nach Kopfzahl aufgeteilt wurden.
Die Regelung im BKGG geht offenbar zurück auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG (vom
10. November 1998 – 2 BvL 42/93 – BVerfGE 99, Seite 246), welche das steuerfrei zu belassende Existenzminimum
von Familien betraf. In dieser Entscheidung ist (aaO, Seite 262) bestimmt worden, dass der für die Ermittlung des
steuerfrei zu belassenen Existenzminimums maßgebende Wohnbedarf nicht nach der Pro-Kopf-Methode, sondern
nach dem Mehrbedarf zu ermitteln ist. Dort ist Folgendes ausgeführt:
"Diese Pro-Kopf-Methode, wie sie bei den Sozialhilfewerten zugrunde gelegt wird, geht grundsätzlich von einer
proportionalen Erweiterung des Wohnbedarfs mit jeder weiteren Person aus; für jede Person wird ein gleicher Anteil
am Gesamtwohnraum angesetzt. Demgegenüber ist aber zu berücksichtigen, dass eine zusätzliche Person in einem
bestehenden Haushalt jedenfalls keinen proportionalen Mehrbedarf an Gemeinschaftsräumen wie Küche, Bad oder
Flur verursacht. Deshalb ist die Berechnung des Wohnbedarfs nach der Technik der Mehrbedarfsrechnung zugrunde
zu legen, nach der gegenwärtig auch der Gesetzgeber den einkommensteuerrechtlichen Kinderfreibetrag bemisst ...
Diese Methode erfasst in typisierter Form den tatsächlichen zusätzlichen Aufwand für den Wohnbedarf."
Diese Überlegungen zur Ermittlung des steuerfrei zu belassenen Existenzminimums sämtlicher Familienmitglieder
lassen sich auf die Bedarfsberechnung nach dem SGB II (hier bei der Ermittlung der anteilig anfallenden
Unterkunftskosten) nicht übertragen. Denn in diesem Zusammenhang ist nicht nach dem Wohnraum-Mehrbedarf zu
fragen, sondern danach wie tatsächlich bestehende Unterkunfts- und Heizkosten auf die Mitglieder der Bedarfs- bzw
Haushaltsgemeinschaft aufzuteilen sind. Die Mehrbedarfs-Methode vermittelt insoweit keine zutreffende
Berechnungsgrundlage, weil die Unterkunft von den Familienmitgliedern im Regelfall gleichmäßig genutzt wird, so
dass sich eine unterschiedliche Kostenverteilung zuverlässig nicht bestimmen lässt.
Für die vorliegende Fallgestaltung kommt hinzu, dass der aktuelle "Bericht über die Höhe des Existenzminimums von
Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2005 (Fünfter Existenzminimumbericht)" (BT-Drucksache 15/2462)
Berechnungswerte für eine Familie mit zwei (minderjährigen) Kindern enthält. Danach entfiele auf ein (minderjähriges)
Kind ein Anteil von 14,5 % auf die Unterkunft- und Heizungskosten (vgl Wenzel, aaO). Diese Betrachtung
verdeutlicht, dass eine derartige Kostenverteilung nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden kann,
weil hier zwei volljährige Personen – die Klägerin und ihre Tochter – in einem Haushalt zusammen wohnen.
Schließlich ist zu bedenken, dass § 7 Abs 3 Wohngeldgesetz (WoGG) weiterhin eine Kopfteilregelung enthält. Nach
dieser Vorschrift bleibt bei der Gewährung von Wohngeld die Miete insoweit außer Betracht, als sie auf Personen
entfällt, die den Wohnraum des Antragsberechtigten mit bewohnen, jedoch nicht zu seinen Familienangehörigen iS
des § 4 WoGG zählen und nicht selbst nach § 3 Abs 1 WoGG für einen Mietzuschuss antragsberechtigt sind; zu
berücksichtigen ist in derartigen Fällen nur der Anteil der Miete oder Belastung, der dem Anteil der Familienmitglieder
an der Gesamtzahl der Bewohner entspricht. Die Miete wird demgemäß nach Köpfen aufgeteilt und nach diesem
Verhältnis verringert (vgl dazu BVerwG, Urteil vom 4. November 1994 – 8 C 28/93 – NJW 1995, Seite 1569; OVG
Hamburg, Urteil vom 9. Januar 1998 – Bf I 22/96 – BVBl 1998, Seite 1142).
Dies verdeutlich, dass der Gesetzgeber lediglich in § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG ausdrücklich eine bestimmte Verteilung
der Kosten für Unterkunft und Heizung geregelt hat, die sich daher nicht auf andere Regelungsbereiche übertragen
lässt, die nicht von der Vorschrift des BKGG erfasst werden.
Zwar wird die Ansicht vertreten, dass die vorgenannten Grundsätze im Hinblick auf die Aufteilung nach Kopfzahl keine
Anwendung finden sollen, sofern Besonderheiten wie etwa Behinderung oder Pflegebedürftigkeit vorliegen, in deren
Folge betroffene Personen ein über das normale Maß hinausgehenden Bedarf an Unterkunft haben (vgl die
vorgenannten Zitate). Eine derartige Besonderheit liegt nicht darin, dass die Tochter der Klägerin eine Hochschule
besucht, Leistungen der Ausbildungsförderung bezieht und daher gemäß § 7 Abs 5 SGB II keinen Anspruch auf
Leistungen nach dem SGB II hat. Nach dieser Vorschrift scheidet ein Leistungsanspruch aus, wenn der
Hilfebedürftige eine Ausbildung absolviert, die dem Grunde nach im Rahmen des BAföG förderungsfähig ist. Diese
Regelung konkretisiert den Nachrang der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber vorgelagerten
Sozialleistungssystemen zur Sicherung des Lebensunterhalts - § 3 Abs 3 SGB II – und geht von der Annahme aus,
dass BAföG-Leistungen den entsprechenden Bedarf abdecken, so dass grundsätzlich keine Aufstockung dieser
Leistungen in Betracht kommt (vgl Senatsbeschlüsse vom 14. April 2005 – L 8 AS 36/05 ER – FEVS 56, Seite 511
und 11. Januar 2006 – L 8 AS 241/05 ER –). Die Tochter der Klägerin erhält den Höchstsatz für ihre
Hochschulausbildung gemäß § 13 BAföG, und zwar einen monatlichen Betrag von 377,00 EUR, in dem gemäß § 13
Abs 2 Nr 1 BAföG ein Betrag von 44,00 EUR für die Unterkunft enthalten ist. Dieser Betrag wird gezahlt, wenn der
Auszubildende bei seinen Eltern wohnt, wie die Klägerin.
Bei einer derartigen Fallgestaltung liegt für die Tochter – die Auszubildende – kein Härtefall iS des § 7 Abs 5 Satz 2
SGB II vor. Danach können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen
geleistet werden. Ein Härtefall kann bei einer atypischen Lebenssituation angenommen werden, wie sie vorliegt bei
Kranken, behinderten Menschen, Schwangeren und Alleinerziehenden (vgl Grube in Grube/Wahrendorf, Kommentar
zum SGB XII, 2005, § 22 Rdnr 39 mit weiteren Nachweisen; Brühl in Lehr- und Praxiskommentar – SGB II, 2005, § 7
Rdnr 74). Sofern ein Auszubildender den vollen Bedarfssatz für den Besuch einer Hochschule nach dem BAföG
erhält, kann unter keinen Umständen ein Härtefall iS des § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II angenommen werden. Denn der
Auszubildende erhält komplett die Leistungen, die ihm zur Deckung seines Lebensunterhalts nach dem BAföG
zustehen. Eine Aufstockung durch Leistungen nach dem SGB II kommt daher nicht in Betracht.
Allerdings ergibt sich hierdurch die Problemlage, dass der Differenzbetrag zwischen Unterkunftsanteil im BAföG-
Bedarfssatz (44,00 EUR) und den hälftigen Unterkunftskosten bei Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl
ungedeckt bleibt. Dieses Problem wird hier deutlich, da die Klägerin selbst Leistungen nach dem SGB II erhält und
daher nicht in der Lage ist, die Differenz aus dem bewilligten Betrag für Unterkunftskosten zu tragen.
Der für diese Problemlagen in Betracht kommende Lösungsweg, von dem Grundsatz der Aufteilung der Kosten einer
gemeinsam genutzten Unterkunft nach Kopfzahl abzuweichen und von den Gesamtkosten für den BAföG-berechtigten
Haushaltsangehörigen lediglich den Unterkunftskostenanteil abzusetzen, der im BAföG-Bedarfssatz enthalten ist,
muss als systematisch verfehlt abgelehnt werden (vgl dazu Berlit, Wohnung und Hartz IV, Ausgewählte Probleme der
Kosten der Unterkunft nach dem SGB II, NDV 2006, Seite 5, 27f). Denn bei dieser Lösung würde der Leistungsträger
nach dem SGB II mittelbar Kosten für den Lebensunterhalt einer nach dem BAföG förderungsfähigen Person
übernehmen. Damit würde von dem Grundsatz abgewichen, dass die zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts
bestimmten existenzsichernden Leistungen der Grundsicherung grundsätzlich nicht dazu bestimmt sind, den
Empfänger – die Klägerin – in die Lage zu versetzen, Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber Dritten – der
Tochter – nachzukommen. Letztlich würde über diesen "Umweg" doch ein Härtefall gemäß § 7 Abs 5 Satz 5 SGB II
bejaht, der – wie oben dargelegt – tatsächlich nicht vorliegt.
Vielmehr kann erwartet werden, dass der nach dem BAföG geförderte Auszubildende den auf ihn entfallenden Anteil
für Unterkunft und Heizung auch dadurch aufbringt, dass er durch Aufnahme einer Nebentätigkeit – speziell in der
vorlesungsfreien Zeit – zusätzliches Einkommen erzielt, wie dies viele Studenten tun.
Womöglich steht der Tochter für den auf sie entfallenden Anteil an Unterkunfts- und Heizungskosten auch Wohngeld
zu, §§ 1 Abs 2 Nr 1, 7 Abs 4, 41 Abs 3 Satz 3 Wohngeldgesetz (vgl dazu Berlit, aaO, Seite 28).
Das der Klägerin zufließende Kindergeld ist gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II als ihr Einkommen bedarfsmindernd zu
berücksichtigen. Dies hat der Senat für eine vergleichbare Fallgestaltung in dem bereits genannten Senatsbeschluss
vom 13. Juni 2005 – L 8 AS 118/05 ER – dargelegt. Dort ist Folgendes ausgeführt:
"Bei der Leistungsgewährung nach dem SGB II ist gemäß § 11 Abs 1 SGB II Einkommen zu berücksichtigen. Das
der Antragstellerin zu 1. ausgezahlte Kindergeld für ihre volljährige Tochter ist Einkommen in diesem Sinne und daher
bei der Bedarfsberechnung einkommensmindernd zu berücksichtigen. In § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II ist geregelt, dass
das Kindergeld für minderjährige Kinder als Einkommen diesen Kindern zuzurechnen ist, soweit es bei dem jeweiligen
Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass das für volljährige
Kinder gezahlte Kindergeld dem Kindergeldberechtigten zuzurechnen ist, hier also der Antragstellerin zu 1 ...
Zu den Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) bestand im Wesentlichen Einigkeit darüber, dass das
Kindergeld beim jeweils Kindergeldberechtigten anzusetzen war (vgl zum seinerzeitigen Sach- und Streitstand: Brühl
in Lehr- und Praxiskommentar – BSHG , 6. Auflage 2003, § 77 Rdnr 48f; siehe jetzt auch Wahrendorf in
Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 82 Rdnr 17ff). Eine Ausnahme von dem Grundsatz, das Kindergeld
bei dem jeweils Berechtigten als Einkommen zu berücksichtigen, wurde unter Geltung des BSHG zum Teil
angenommen, wenn ein Elternteil das an ihn ausgezahlte Kindergeld seinem einkommens- und vermögenslosen Kind
gezielt zuwendete (vgl Brühl, aaO, Rdnr 49 mwN). Auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vertrat diese
Ansicht (vgl Urteil vom 7. Februar 1980 – 5 C 73/79 – BVerwGE 60, 6 – auch zu der Frage, unter welchen Umständen
eine Weiterreichung des Kindergeldes an das Kind angenommen werden kann ). Wird das Kindergeld etwa in der
Weise verwandt, dass es in den "großen Topf" fließt, aus dem der gesamte Lebensunterhalt der Familie unter
Einschluss der volljährigen Tochter bestritten wird, hätte auch nach der Rechtsprechung des BVerfG eine
Weiterreichung des Kindergeldes an das Kind nicht vorgelegen.
Einer weiteren Vertiefung bedarf diese Frage nicht, weil das BVerwG diese Rechtsprechung aufgegeben hat, und zwar
mit Urteil vom 17. Dezember 2003 ( 5 C 25/05 – NJW 2004, 2541). Nach dieser Entscheidung ist Kindergeld
sozialhilferechtlich Einkommen dessen, an den es ausgezahlt wird. Das BVerwG hat dazu ausgeführt, dass es an
seiner früheren Rechtsprechung, die nach der Rechtslage vor der Neureglung des Kindergeldrechts durch das
Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I Seite 1250) und vor der Einfügung der jetzt geltenden Sätze
2 und 3 in § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) durch Gesetze vom 20. Juli 1988 (BGBl I Seite
1046) und vom 30. Juni 1989 (BGBl I Seite 1294) eine familieninterne Einkommenszuordnung des Kindergeldes als
zulässig erachtete, für das jetzt geltende Kindergeldrecht nicht mehr festhalte. Das BVerwG hat weiter dazu
ausgeführt:
"Steuerrechtlich steht nach § 62 EStG der Anspruch auf Kindergeld "für Kinder im Sinne des § 63" anders als nach §
1 Abs. 2 BKGG für den dort bezeichneten Sonderfall nicht dem Kind für sich selbst zu, sondern einem mit dem Kind,
für das Kindergeld gewährt wird, nicht identischen Anspruchsberechtigten. Da Kindergeld für jedes Kind nur einem
Berechtigten gezahlt wird (§ 64 Abs. 1 EStG), beurteilt sich bei mehreren Berechtigten nach § 64 Abs. 2 EStG, wem
von ihnen das Kindergeld gezahlt wird. In Sonderfällen sieht § 74 EStG (vergleichbar §§ 48 f. SGB I) vor, dass das
Kindergeld an Dritte ausgezahlt werden kann beziehungsweise auszuzahlen ist. An Kinder des Kindergeldberechtigten
kann es nach § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG in angemessener Höhe ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte
ihnen gegenüber seinen gesetzlichen Unterhaltspflichten nicht nachkommt. Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 EStG kann
Kindergeld zudem an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt werden, bis zur Höhe des
Betrages, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 EStG ergibt, ausgezahlt werden. Dies gilt auch, wenn der
Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines
Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Schließlich
ist auf Antrag das Kindergeld an ein unterhaltsberechtigtes Kind auszuzahlen, wenn der gesetzlich unterhaltspflichtige
Kindergeldberechtigte auf Grund richterlicher Anordnung länger als einen Monat in einer Anstalt oder Einrichtung
untergebracht ist (§ 74 Abs. 2 EStG).
Aus dem Zweck des Kindergeldes folgt keine von der Auszahlung unabhängige Zuordnung als Einkommen des
Kindes. Nach der steuerrechtlichen Regelung des Kindergeldes in §§ 31, 62 ff. EStG fällt wegen eines Kindes in Höhe
des Kindergeldes weniger Steuer an oder ist das Kindergeld eine Leistung zur Förderung der Familie und fließt in
dieser Höhe Einkommen zu (BVerwGE 114, 339 (340)). Daraus kann aber entgegen der Auffassung des
Verwaltungsgerichts nicht geschlossen werden, die Zweckbindung des Kindergeldes bestehe nach § 31 EStG darin,
das Existenzminimum des Kindes abzudecken. Vielmehr ist ein Zweck des Kindergeldes, die steuerliche Freistellung
eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes zu bewirken (§ 31 EStG). Mit diesem
Zweck wird Kindergeld nicht dem Kind selbst (vertreten durch die Eltern) als Einkommen zur Sicherung seines
Existenzminimums gewährt, sondern es bleibt der Teil des elterlichen Einkommens steuerfrei, den diese zur
Existenzsicherung ihres Kindes benötigen. Eine Steuerfreistellung kann zu einem höheren Nettoeinkommen des
Anspruchsberechtigten, nicht dagegen zu Einkommen des Kindes selbst führen, für das Kindergeld gewährt wird. Zum
anderen dient das Kindergeld, soweit es für den Zweck der steuerlichen Freistellung nicht erforderlich ist, "der
Förderung der Familie" und nicht etwa allein oder vorrangig der Förderung des Kindes, für das Kindergeld gewährt
wird. Auch das Zivilrecht ordnet Kindergeld nicht abweichend vom Steuerrecht dem Kind als Einkommen zu. § 1612b
BGB regelt allein die Anrechnung von Kindergeld in Bezug auf den Unterhalt für das Kind (vgl. dazu BGH, Urteil vom
29. Januar 2003 - XII ZR 289/01 - FamRZ 2003, 445 = MDR 2003, 749 = NJW 2003, 1177; BVerfG, Beschluss vom 9.
April 2003 - 1 BvL 1/01 und 1 BvR 1749/01 - FamRZ 2003, 1370 = NJW 2003, 2733). Im Kinder- und Jugendhilferecht
erklärt § 39 Abs. 6 SGB VIII für den Fall, dass das Kind oder der Jugendliche im Rahmen des
Familienleistungsausgleichs nach § 31 EStG bei der Pflegeperson berücksichtigt wird, nicht Teilbeträge des
Kindergeldes als Einkommen des Kindes oder Jugendlichen, sondern bestimmt eigenständig eine gewisse
Anrechnung solcher Beträge auf die laufenden Leistungen zum Unterhalt."
Diese dargestellte Rechtslage ist auch für die Anrechnung des Kindergeldes nach dem SGB II durch § 11 Abs 1 SGB
II maßgebend. Durch die Regelung in § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass
Kindergeld als Einkommen iS des § 11 Abs 1 grundsätzlich zu berücksichtigen ist und nur durch den genannten Satz
3 eine Bestimmung dahin getroffen hat, dass das Einkommen nicht dem Kindergeldberechtigten, sondern dem
minderjährigen Kind zuzurechnen ist. Nach Erreichen der Volljährigkeit ist daher das dem Kindergeldberechtigten
ausgezahlte Kindergeld als sein Einkommen in die Bedarfsberechnung einzustellen.
Kindergeldberechtigt ist im vorliegenden Fall die Mutter des volljährigen Kindes G., die Antragstellerin zu 1 ... Sie ist
nach § 62 Abs 1 Einkommenssteuergesetz (EStG) anspruchsberechtigt für das Kindergeld für die volljährige Tochter,
an sie wird es ausgezahlt.
Die Weitergabe dieses Kindergeldes an das volljährige Kind, mit der Folge der dann fehlenden
Anrechnungsmöglichkeit als Einkommen bei der Antragstellerin zu 1., scheidet aus den oben dargestellten Gründen
aus. Soweit in der Kommentarliteratur eine andere Ansicht vertreten wird (so ohne Begründung Brühl in Lehr- und
Praxiskommentar – SGB II , 2005, § 11 Rdnr 20), ist dies angesichts der oben dargestellten Rechtslage nicht mehr
zutreffend, so dass ihr nicht gefolgt werden kann.
Falls die volljährige Tochter das Kindergeld zur Bestreitung ihrer Ausbildung benötigt – wie der
Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin vorträgt – ,besteht für sie die Möglichkeit nach § 74 EStG vorzugehen.
Darauf hat auch das BVerwG in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2003 (aaO) hingewiesen. Danach kann das
für ein Kind nach § 66 Abs 1 EStG festgesetzte Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der
Kindergeldberechtigte (die Antragstellerin zu 1.) ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht
nachkommt. Weiter ist dort geregelt, dass Kindergeld an Kinder, die bei der Festsetzung des Kindergeldes
berücksichtigt werden, bis zur Höhe des Betrages, der sich bei entsprechender Anwendung des § 76 EStG (Pfändung)
ergibt, ausgezahlt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht
unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die
Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Mithin besteht für die volljährige Tochter die Möglichkeit, die
Auszahlung des Kindergeldes direkt an sich zu erreichen, was dazu führen würde, dass dieses Kindergeld in der
Bedarfsberechnung nicht mehr berücksichtigt werden könnte. Der Einwand des Prozessbevollmächtigten der
Antragsteller, die Mutter – die Antragstellerin zu 1. – erfülle ihre Unterhaltspflicht durch Aufnahme des Kindes in ihren
Haushalt und durch ihre Betreuung, greift nicht durch. Denn § 1606 Abs 3 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
bestimmt, dass der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, seiner Verpflichtung, zum Unterhalt
des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes erfüllt. Da die Tochter G. nicht
mehr minderjährig, sondern volljährig ist, greift dieser Privilegierungstatbestand des § 1606 Abs 3 Satz 2 BGB hier
nicht mehr ein. Die Mutter ist daher ihrem volljährigen Kind gegenüber barunterhaltspflichtig, soweit sie leistungsfähig
ist (vgl zum Vorstehenden: Holzhauer in Erman, Kommentar zum BGB, 10. Auflage 2000, § 1606 Rdnr 10). Da Eltern
ihren Kindern auch die Kosten einer angemessenen Ausbildung schulden, ist die Antragstellerin zu 1. grundsätzlich
ihrer volljährigen Tochter gegenüber unterhaltsverpflichtet. Da die Antragstellerin zu 1. mangels ausreichender
Leistungsfähigkeit nicht zahlungspflichtig sein dürfte, dürften die Voraussetzungen des § 74 Abs 1 Satz 3 EStG
vorliegen (vgl zur Anwendung des § 74 EStG BFH, Urteil vom 16. April 2002 – VIII R 50/01 – BFHE 199, 105; Urteil
vom 27. Oktober 2004 – VIII R 65/04 –)."
Daran hält der Senat fest. In dieser Ansicht sieht der Senat sich bestärkt durch die Änderung der Arbeitslosengeld II/
Sozialgeldverordnung (durch die Verordnung vom 22. August 2005, BGBl I Seite 2499 ab 1. Oktober 2005). Dadurch
wurde in § 1 Abs 1 Arbeitslosengeld II/ Sozialgeldverordnung unter anderem die Nr 8 angefügt, wonach nicht als
Einkommen zu berücksichtigen ist "Kindergeld für volljährige Kinder des Hilfebedürftigen, soweit es nachweislich an
das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende volljährige Kind weitergeleitet wird". Danach ist eine
einkommensmindernde Weiterleitung des Kindergeldes nur an außerhalb des Haushalts lebende Kinder möglich.
Diese Voraussetzung liegt hier gerade nicht vor, weil die Tochter im Haushalt der Klägerin gelebt hat. Die
Nichtberücksichtigung des Kindergeldes wäre erst dann möglich, wenn die Tochter ausziehen und nicht mehr im
Haushalt der Klägerin leben würde.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Beklagte von den Kosten der Unterkunft und Heizung zu Recht
nur die Hälfte in die Bedarfsberechnung eingestellt und das der Klägerin gezahlte Kindergeld zu Recht als ihr
Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klägerin unterliegt, trägt sie ihre außergerichtlichen Kosten
dieses gerichtskostenfreien Rechtsstreites selbst.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Dem Rechtsstreit ist grundsätzliche Bedeutung wegen beider Rechtsfragen zuzumessen, also sowohl wegen der bloß
anteiligen Berücksichtigung der Unterkunfts- und Heizungskosten und der Berücksichtigung des Einkommens für die
volljährige Tochter als Einkommen der Klägerin.-