Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 11.02.2013

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SG Lüneburg 45. Kammer, Beschluss vom 11.02.2013, S 45 AS 50/13 ER
Tenor
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,
vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen der
Antragstellerin in der Hauptsache, die Übernahme der Kosten für den Umzug
von der Wohnung D. zur Wohnung E. zuzusichern und i. H. v. 2.589,44 € zu
übernehmen.
2. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen
Kosten zu erstatten.
Gründe
I.)
Die Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner die Übernahme von Kosten für
ein Umzugsunternehmen im Wege der einstweiligen Anordnung.
Die Antragstellerin steht im ständigen Leistungsbezug beim Antragsgegner und
wohnt bislang in einer Wohnung im Anwesen F. zur Miete. Dieses Mietverhältnis
ist inzwischen gekündigt, eine Räumungsklage der Vermieterin erhoben.
Inzwischen hat die Antragstellerin für eine Wohnung in der E. einen neuen
Mietvertrag abgeschlossen. Das Mietverhältnis begann zum 01.02.2013. Mit
Schreiben vom 15.01.2013 beantragte die Antragstellerin u. a. die Übernahme
von Umzugskosten für den Wohnungswechsel. Beigefügt waren Angebote von
3 verschiedenen Umzugsfirmen, wobei das billigste Angebot einen
Gesamtbetrag von 2.589,44 € auswies. Mit dem Schreiben vom 16.01.2013
teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass die Kosten für die neue
Wohnung grundsätzlich übernommen werden. Mit dem Bescheid vom
25.01.2013 lehnte der Antragsgegner allerdings den Antrag auf Übernahme der
Kosten für ein Umzugsunternehmen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt,
dass nur die Kosten für einen Mietwagen übernommen werden könnten. Im
Rahmen der Selbsthilfe sei es der Antragstellerin unter Mitwirkung von Freunden
und Bekannten zumutbar, den Umzug eigenständig durchzuführen. Über den
hiergegen erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Am 30.01.2013 hat die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten
beim Sozialgericht (= SG) Lüneburg beantragt, den Antragsgegner im Wege der
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für ein
Umzugsunternehmen zu übernehmen. Zur Begründung wurde ausgeführt und
eidesstattlich versichert, dass sie den Umzug nicht selbst durchführen könne.
Ihre meisten Bekanntenkreis würden in Hamburg wohnen und seien nicht in der
Lage, bei einem Umzug von G. nach H. zu helfen. Auch die Bekannten und
Freunde, die sie in ihrem örtlichen Umkreis habe, hätten ihr mitgeteilt, dass sie
bei dem Umzug nicht helfen könnten. Dies wurde durch die Erklärungen von
Frau I. und von Frau J. bestätigt. Außerdem würde sie an mehreren
gesundheitlichen Einschränkungen, wie einem beidseitigem Tennisarm, einer
Zuckererkrankung, einer chronischen Sehnenscheidenentzündung, einer
Einschränkung der Schulterbeweglichkeit und einem Zustand nach mehreren
Operationen leiden, die Durchführung des Umzugs ohne Hilfe unmöglich
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machen würden.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
die Kosten für ein Umzugsunternehmen zu übernehmen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Entscheidung wurden die Gerichtsakten zugrunde gelegt. Auf ihren Inhalt
wird Bezug genommen.
II.)
Der zulässige Antrag ist begründet.
Gem. § 86 b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (= SGG) kann das Gericht der
Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den
Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine
Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des
Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Außerdem
kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines
vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§
86 b Abs. 2 S. 2 SGG). Voraussetzung hierfür ist, dass ein Anordnungsanspruch
und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind (§ 86 Abs. 2 S. 4 SGG, § 920
Abs. 3 Zivilprozessordnung <= ZPO>). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen
erfolgt i. d. R. durch eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage sowie
der wesentlichen Interessen.
Im vorliegenden Fall sind beide Voraussetzungen erfüllt. Ein
Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 6 SGB II. Danach können
Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich
zuständigen kommunalen Träger anerkannt werden. Im vorliegenden Fall ist zu
beachten, dass sich der Antragsgegner im Bescheid vom 25.01.2013
grundsätzlich bereit erklärt hat, Umzugskosten zu übernehmen. Streitig ist
lediglich deren Höhe. Umfasst werden durch die Vorschrift grundsätzlich alle im
Zusammenhang mit und wegen des Umzugs anfallenden Kosten (Berlit in LPK-
SGB II, § 22 Rz. 164). Zwar ist der Leistungsberechtigte im Rahmen seiner
Obliegenheit, die Hilfebedürftigkeit zu verringern, regelmäßig gehalten, einen
Umzug selbst zu organisieren und durchzuführen (Berlit, a. a. O.; BSG, Urt. v.
06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R, Rz. 19). Kann der Leistungsberechtigte den
Umzug jedoch nicht selbst vornehmen, etwa wegen Alters, Behinderung,
körperlicher Konstitution oder aus sonstigen in seiner Person liegenden
Gründen, kommt auch die Übernahme der Aufwendungen für einen gewerblich
organisierten Umzug in Betracht (Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rz. 165). So liegt es
hier. Die Antragstellerin hat im Wege der eiderstattlichen Versicherung glaubhaft
gemacht, dass sie nicht zur alleinigen Durchführung des Umzugs in der Lage ist
und Freunde und Bekannte auf entsprechende Anfragen sich nicht
bereitgefunden haben, bei einem Umzug zu helfen. Dies ergibt sich
insbesondere aus den Erklärungen von Frau I. und Frau K.. Nach Auffassung
der Kammer ist es auch nicht zulässig, die Antragstellerin abstrakt auf die Hilfe
von Freunden und Bekannten zu verweisen, da aufgrund der nicht
unerheblichen körperlichen und zeitlichen Anstrengungen, die bei
Umzugsarbeiten zwangsläufig anfallen, derartige Hilfeleistungen keinesfalls ein
Selbstverständnis darstellen. Darüber hinaus leidet die Antragstellerin an
mehreren gesundheitlichen Einschränkungen, wie einem beidseitigem
Tennisarm, einer Zuckererkrankung, einer chronischen
Sehnenscheidenentzündung, einer Einschränkung der Schulterbeweglichkeit
und einem Zustand nach mehreren Operationen leiden, die Durchführung des
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Umzugs ohne Hilfe unmöglich machen.
Da der Antragsgegner der Antragstellerin nicht angeboten hat, den Umzug
selbst zu organisieren bzw. keine kostengünstigeren und adäquaten
Hilfsangebote aufgezeigt hat, sind im vorliegenden Fall die Kosten für einen
gewerblichen Umzug vom Antragsgegner zu übernehmen. Infolge der
Verpflichtung, alle Möglichkeiten zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit
auszuschöpfen (§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB II), ist die Antragstellerin jedoch auf das
kostengünstigste Angebot zu verweisen. Insoweit ist das Ermessen der
Antragsgegnerin auf null reduziert.
Auch ein Anordnungsgrund ist im vorliegenden Fall glaubhaft gemacht, da
bezüglich der alten Wohnung bereits eine Räumungsklage läuft und das neue
Mietverhältnis bereits am 01.02.2013 begonnen hat. Ein weiteres Zuwarten ist
der Antragstellerin daher nicht zuzumuten, zumal ein Umzugsunternehmen i. d.
R. mehrere Tage Vorlauf benötigt, um den Umzug zu organisieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.