Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 10.05.2006

LSG Nsb: erwerbsfähigkeit, arbeitsmarkt, berufliche wiedereingliederung, medizinische rehabilitation, widersprüchliches verhalten, minderung, wechsel, training, versicherter, niedersachsen

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 10.05.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hildesheim S 4 R 228/05
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 2 R 534/05
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 05. Oktober 2005 wird aufgehoben. Die Klage wird
abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Leistungen zur beruflichen Rehabilitation.
Die im August 1951 geborene Klägerin hat nach einer Ausbildung zur Großhandelskauffrau im Beitrittsgebiet als
solche bis 1974 gearbeitet. Danach war sie Verkaufsstellenleiterin im Uhren- und Schmuckbereich sowie von 1976 bis
1999 mit Unterbrechungen im Gastronomiebereich tätig. Nach einem auf Kosten der Bundesagentur für Arbeit
geförderten Lehrgang zum Sicherungsposten war sie ab Januar 2000 als Streckenposten bei der Deutschen Bahn
beschäftigt. In dieser Tätigkeit besteht Arbeitsunfähigkeit seit Mai 2001; seit November 2002 bestreitet die Klägerin
ihren Lebensunterhalt mit Leistungen der Arbeitslosenverwaltung.
Ein im März 2004 gestellter Rentenantrag blieb in allen Instanzen ohne Erfolg (vgl. den Bescheid der Beklagten vom
08. Juni 2004, den Widerspruchsbescheid vom 19. August 2004, den Gerichtsbescheid des SG Hildesheim vom 17.
Oktober 2005 - S 5 RI 211/04 - und das Urteil des Senates vom 05. April 2006 - L 2 R 613/05 -).
Während des laufenden Rentenverfahrens beantragte die Klägerin am 12. November 2004 bei der Beklagten die
Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Während einer der Klägerin von der Beklagten gewährten Leistung der medizinischen Rehabilitation im Rehazentrum
Bad Eilsen vom 18. Januar bis 15. Februar 2005 nahm diese vom 24. bis 28. Januar 2005 an einer
Berufsfindungsmaßnahme in Form eines sog. "BALL-Trainings" teil. Dabei erklärte die Klägerin ausweislich des
entsprechenden Abschlussberichtes, dass sie für sich unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen
Beeinträchtigungen keine realistischen Möglichkeiten einer Arbeitsaufnahme mehr sehe, sie wolle die Beendigung des
Rentenverfahrens abwarten. Eine Motivation zur Aufnahme einer leidensgerechten Tätigkeit ließ sich trotz
eingehender Erläuterung der diesbezüglich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten nicht feststellen. Berufliche
Zielvorstellungen und Alternativen konnten nicht thematisiert werden, da das Rentenbegehren im Vordergrund stand.
Mit Bescheid vom 17. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2005 lehnte die Beklagte
die Gewährung einer berufsfördernden Maßnahme mit der Begründung ab, dass die Klägerin zumutbarerweise eine
Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben könne.
Zur Begründung der am 03. Juni 2005 erhobenen Klage hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie
gesundheitsbedingt die zuletzt wahrgenommene Tätigkeit eines Sicherungspostens nicht mehr ausüben könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 05. Oktober 2005, der Beklagten zugestellt am 10. Oktober 2005, hat das Sozialgericht
Hildesheim unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die Beklagte zur Neubescheidung "unter der Maßgabe
einer rehabilitationsrechtlichen Minderung der Erwerbsfähigkeit" verurteilt.
Mit der am 18. Oktober 2005 eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, dass die tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 10 SGB VI für die begehrte Maßnahme nicht gegeben seien, da die Erwerbsfähigkeit der
Klägerin weder gemindert noch erheblich gefährdet sei. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch
eine zumutbare Beschäftigung finden. Insoweit seien auch im Rehabilitationsrecht die rentenrechtlichen Maßstäbe
ausschlaggebend.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 05. Oktober 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ihrer Auffassung nach verkennt die Beklagte die Reichweite des gesetzlich begründeten Rehabilitationsanspruchs;
zumindest sei von der Beklagten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit zu erwarten. Ihre Haltung sei
eher von Resignation als von einem Bewusstsein fortbestehender Integrationschancen auf dem Arbeitsmarkt geprägt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichtsakte und
der das Rentenverfahren der Klägerin betreffenden Gerichtsakte L 2 R 613/05 und auf den Inhalt der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung, über die der Senat mit dem von beiden Beteiligten erklärten Einverständnis ohne mündliche
Verhandlung entscheidet (vgl. die Schriftsätze der Klägerin vom 23. Januar und 27. April 2006 und den Schriftsatz der
Beklagten vom 23. Januar 2006), ist begründet. Entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts kann die Klägerin
angesichts des Fehlens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SGB VI keine Neubescheidung ihres
Rehabilitationsbegehrens beanspruchen, so dass ihre Klage abzuweisen ist.
Nach dieser Norm haben Versicherte für Leistungen zur Teilhabe (hier in Form von Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB VI) die erforderlichen persönlichen Voraussetzungen nur dann erfüllt, wenn
(Nr. 1) ihre Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich
gefährdet oder gemindert ist und (Nr. 2) bei ihnen voraussichtlich (a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit
eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am
Arbeitsleben abgewendet werden kann, (b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur
medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wieder hergestellt oder
hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, (c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne
Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am
Arbeitsleben erhalten werden kann.
Im vorliegenden Fall ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zwar erheblich gemindert (dazu unter 1.); der Senat vermag
jedoch nicht die darüber hinaus erforderliche Voraussetzung festzustellen, dass diese geminderte Erwerbsfähigkeit
entsprechend den vorstehend dargelegten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2b SGB VI durch
die begehrte Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben voraussichtlich wesentlich gebessert oder
wieder hergestellt oder durch sie deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann (dazu unter 2.).
1. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ist erheblich gemindert. Nach den im SGB VI geregelten persönlichen
Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen ist der Rehabilitationsbedarf an der
Minderung des Leistungsvermögens im zuletzt - in nicht unerheblichem Umfang ausgeübten - Beruf gemessen
werden; ob der Versicherte in diesem Beruf Berufsschutz im rentenrechtlichen Sinne erlangt hatte, ist unter
Rehabilitationsgesichtspunkten unerheblich (vgl. BSG, U. v. 29. März 2006 - B 13 RJ 37/05 R -, zitiert nach der
Pressemitteilung des BSG (Terminbericht) Nr. 18/06).
Nach den vom Senat im Urteil vom 05. April 2006 – L 2 R 613/05 – getroffenen Feststellungen kann die Klägerin nur
noch leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel der drei Haltungsarten überwiegend im Sitzen verrichten, wobei sie
häufiges Knien und Hocken sowie Arbeiten in gebückten Positionen und häufiges Klettern und Steigen auf Leitern,
Gerüsten und Treppen zu vermeiden hat. Mit diesem Restleistungsvermögen kann sie namentlich den zuletzt - in
mehr als nur unerheblichem Umfang - ausgeübten überwiegend im Stehen und Gehen zu verrichtenden Beruf eines
Sicherungsposten nicht mehr ausüben.
2. Soweit das SG ausgehend von einer solchen Minderung der Erwerbsfähigkeit die Beklagte zur Neubescheidung
"unter der Maßgabe einer rehabilitationsrechtlichen Minderung der Erwerbsfähigkeit" verurteilt hat, hat es freilich
verkannt, dass eine solche Minderung für sich genommen noch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Maßnahme
zur Teilhabe am Arbeitsleben zu begründen vermag. Hierfür ist vielmehr als weitere tatbestandliche Voraussetzung
nach der erläuterten Regelung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI erforderlich, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit
durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben voraussichtlich wesentlich gebessert oder wieder hergestellt oder
hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann (vgl. dazu ebenfalls BSG, U. v. 29. März
2006, aaO).
Erst wenn auch diese Voraussetzung gegeben ist, eröffnen die erläuterten gesetzlichen Vorgaben der §§ 9, 10 SGB
VI dem Rentenversicherungsträger Raum für eine (pflichtgemäß zu treffende) Ermessensentscheidung über die
Gewährung einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme. Im vorliegenden Fall ist jedoch gerade nicht erkennbar, dass
durch Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben die vorstehend erläuterte Minderung der Erwerbsfähigkeit wesentlich
gebessert oder wieder hergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden konnte.
In diesem Zusammenhang ist die Sachlage bei Erlass der Widerspruchsentscheidung als dem maßgeblichen
Prüfungszeitpunkt heranzuziehen. Leistungen zur Rehabilitation sollen einen aktuellen, auf die Ziele des § 9 Abs. 1
SGB VI ausgerichteten Behandlungsbedarf befriedigen. Ihre Notwendigkeit sowie Art und Umfang der Maßnahmen
richten sich nach den gesundheitlichen und beruflichen Verhältnissen, die den Leistungsantrag ausgelöst haben und
von dem Rentenversicherungsträger seiner Entscheidung zu Grunde gelegt wurden. Nur der sich daraus ergebende
Leistungsanspruch, nicht ein abstrakter, vom Ausgangssachverhalt losgelöster Anspruch auf Rehabilitation ist
Gegenstand des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens. Stützen die diesbezüglichen Feststellungen den Anspruch
nicht, ist in dem anhängigen Prozess grundsätzlich nicht darüber zu befinden, ob möglicherweise andere, nachträglich
aufgetretene Gründe einen Rehabilitationsbedarf begründen. Da dann nicht mehr um die ursprüngliche, sondern um
eine andere Leistung gestritten wird, vermögen auch Gründe der Prozessökonomie die Einbeziehung in das laufende
Verfahren nicht zu rechtfertigen (vgl. BSG, Urteil vom 25. 3. 2003 - B 1 KR 33/01 R – NZS 2004, 167 zur
medizinischen Rehabilitation; vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 54 Rn. 34a zu der
diesbezüglich gebotenen Gleichstellung von Streitigkeiten über berufliche Rehabilitationsansprüche).
Bezogen auf diesen Zeitpunkt ist im vorliegenden Fall folgendes festzuhalten: Zum einen standen der Klägerin auch
unabhängig von den streitigen Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt vom Grundsatz her offen. Jedenfalls soweit auf dem Arbeitsmarkt
Beschäftigungsmöglichkeiten für leichte ungelernte Tätigkeiten angeboten werden, die im Wechsel der drei
Haltungsarten überwiegend im Sitzen zu verrichten sind und die nicht mit häufigem Knien und Hocken sowie Arbeiten
in gebückten Positionen und häufigem Klettern und Steigen auf Leitern, Gerüsten und Treppen verbunden sind, kann
die Klägerin solche – auch vollschichtig – ausüben. Dementsprechend hat der Senat ausgehend von gesetzlichen
Vorgaben das Rentenbegehren der Klägerin abgewiesen.
Dabei verkennt der Senat natürlich nicht, dass Arbeitsplätze der vorstehend beschriebenen Art auf dem Arbeitsmarkt
nur in relativ geringem Umfang angeboten werden. Zudem bewerben sich um entsprechende Stellen auch jüngere
(insbesondere ungelernte) Arbeitslose, so dass die realen Chancen eines älteren in seinem gesundheitlichen
Leistungsvermögen eingeschränkten Arbeitslosen zur Erlangung eines solchen leidensgerechten Arbeitsplatzes in der
Praxis vielfach als sehr gering zu beurteilen sind. Nach den gesetzlichen Vorgaben ist ein in diesem Sinne für viele
Betroffene faktisch in recht weitgehendem Ausmaß verschlossener Arbeitsmarkt allerdings nicht geeignet, einen
Rentenanspruch zu begründen.
Ebenso wenig vermögen derartige Zugangsschwierigkeiten als solche einen Anspruch auf die Gewährung von
Leistungen zur beruflichen Rehabilitation zu begründen. Der Arbeitsmarkt wird in diesem Zusammenhang gegenwärtig
schwerpunktmäßig durch strukturelle Probleme geprägt, die als solche auch nicht durch verstärkte Bemühungen der
Träger der beruflichen Rehabilitation beseitigt werden können. Auch bei einem optimierten Rehabilitationsangebot wird
es bei lebensnaher Betrachtung für einen erheblichen Teil der betroffenen älteren Arbeitslosen mit eingeschränkter
gesundheitlicher Leistungsfähigkeit keine reale Chance zu Erlangung einer Anstellung auf dem sog. ersten
Arbeitsmarkt geben, solange keine grundlegende allgemeine Besserung auf diesem Arbeitsmarkt zu verzeichnen ist.
Hiervon ausgehend kann die gesetzlich geforderte Feststellung, wonach die geminderte Erwerbsfähigkeit
voraussichtlich durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wieder hergestellt oder
hierdurch ihre wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann, nicht bereits daraus abgeleitet werden, dass
der Versicherte seinen zuletzt ausgeübten Beruf nicht mehr wahrnehmen kann. Erforderlich ist vielmehr die durch
konkrete Umstände im Einzelfall zu belegende ernsthaft in Betracht zu ziehende Erwartung, dass die
Vermittlungsfähigkeit des individuellen Versicherten durch eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ungeachtet der
vorstehend angesprochenen allgemeinen Schwierigkeiten spürbar gebessert wird.
Grundlegende Voraussetzung für eine positive Prognose in diesem Sinne ist zunächst, dass der jeweilige
Rehabilitationsbewerber ernsthaft und nachhaltig eine berufliche Wiedereingliederung anstrebt und sich nach besten
Kräften für dieses Ziel einsetzen will. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben können und sollen einen solchen
Wiedereingliederungswillen unterstützen, sie können ihn aber nicht ersetzen.
Allen in Betracht zu ziehenden Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation ist eigen, dass sie, wenn überhaupt, nur
dann ernsthafte Erfolgsaussichten versprechen können, wenn sie auf Seiten des Versicherten von solchen
nachhaltigen Wiedereingliederungswillen getragen werden. Sowohl Hilfen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes als auch
möglicherweise in Betracht zu ziehende Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen können zumal angesichts der
gegenwärtigen generellen strukturellen Probleme des Arbeitsmarktes eine Wiedereingliederungschance nur dann
spürbar bessern, wenn sie auf Seiten des Versicherten von zielstrebigen Wiedereingliederungsbemühungen getragen
und unterstützt werden. Der wechselseitige Bezug zwischen dem individuellen Wiedereingliederungswillen und der
Rehabilitationsförderung durch den Sozialleistungsträger findet in der Rechtsprechung auch seinen Niederschlag in
dem Ansatz, dass regelmäßig ein "dialogisches Verwaltungsverfahren" zur Sicherstellung einer effektiven, aber auch
sparsamen Rehabilitation geboten ist (BSG, SozR 3-5765 § 10 KfzHV Nr 3 S. 19).
Im vorliegenden Fall lässt sich ein nachhaltiger Wiedereingliederungswille der Klägerin im vorstehend erläuterten
Sinne bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung gerade nicht feststellen. Bei dem nur
wenige Monate zuvor auf Kosten der Beklagten durchgeführten sog. "BALL-Training" ließen sich berufliche
Zielvorstellungen und Alternativen nicht einmal thematisieren, da das Rentenbegehren im Vordergrund stand. Insoweit
sind auch keine Anhaltspunkte für eine Änderung der Einstellung der Klägerin im Widerspruchsverfahren ersichtlich.
Die im Tatbestand im Einzelnen wiedergegebenen Ausführungen aus dem Maßnahmenbericht zur damaligen
Einstellung der Klägerin werden letztlich auch von ihrer Seite nicht in Abrede gestellt, ihr Hinweis auf eine von
"Resignation" geprägte Motivationslage weist im Ergebnis in dieselbe Richtung.
In diesem Zusammenhang kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass es der Beklagten oblegen hätte, sie
mittels der Durchführung einer Berufsfindungsmaßnahme zu motivieren. Abgesehen davon, dass bereits das von der
Beklagten durchgeführte BALL-Training dem Ziel einer Berufsfindung diente und letztlich auch die von der Beklagten
bewilligte medizinische Rehabilitation eine motivationsfördernde Wirkung aufgewiesen haben müsste, kann ein
Versicherter in diesem Zusammenhang nicht aus der Eigenverantwortlichkeit entlassen werden. Es ist letztlich bei
objektiver Betrachtung ein in sich widersprüchliches Verhalten, wenn ein Versicherter gegenüber dem
Sozialleistungsträger ein (jedenfalls vorerst bestehendes) Desinteresse an Rehabilitationsmaßnahmen zum Ausdruck
bringt, gleichwohl aber den Rechtsweg beschreitet, um den Sozialleistungsträger zur Erbringung gerade solcher
Maßnahmen verurteilen zu lassen.
Sofern sich bei der Klägerin zwischenzeitlich (nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens) – etwa angesichts der
Zurückweisung ihrer das Rentenbegehren betreffenden Berufung mit Urteil des Senates vom 05. April 2006 (L 2 R
613/05) – eine ernsthafte Rehabilitationsbereitschaft im vorstehend erläuterten Sinne entwickelt haben sollte, ist dies
unter Berücksichtigung der bereits erläuterten höchstrichterlichen Festlegung des Streitgegenstandes im vorliegenden
Verfahren nicht mehr zu berücksichtigen. In einem solchen Fall kann die Klägerin aber jederzeit (zweckmäßigerweise
unter Hinweis auf ihre gewandelte Mitwirkungsbereitschaft) erneut einen Rehabilitationsantrag bei der Beklagten
stellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht
gegeben.