Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.04.2012

LSG Niedersachsen: witwenrente, abfindung, hinterbliebenenrente, arbeitsentgelt, aufhebungsvertrag, erwerbseinkommen, auflösung, auflage, niedersachsen, vervielfältigung

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Anrechnung von vergleichbarem Einkommen beim
Bezug einer Hinterbliebenenrente - festgesetzter
Ruhenszeitraum durch die Bundesgentur für Arbeit -
Aufhebungsvertrag
Für die Dauer eines Ruhenszeitraumes nach § 143a SGB III ist auf die
gewährte Hinterbliebenenrente das bisher berücksichtigte Arbeitsentgelt
anzurechnen.
SG Hannover 12. Kammer, Urteil vom 23.04.2012, S 12 KN 14/08
§ 143a SGB 3, § 18a SGB 4, § 48 Abs 1 S 1 SGB 5, § 97 SGB 6
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Zahlung der ihr gewährten Witwenrente ohne die
Anrechnung von vergleichbarem Einkommen.
Die am H. 1958 geborene Klägerin ist die Witwe des am I. 1961 geborenen und
am J. 2005 verstorbenen K.. Der Verstorbene war bei der Beklagten gesetzlich
rentenversichert.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2005 gewährte die Beklagte der Klägerin auf
ihren Antrag hin eine Witwenrente. Auf die Witwenrente wurde das von der
Klägerin bei der L. erzielte Einkommen angerechnet.
Am 29. Dezember 2006 schlossen die Klägerin und die L. aus
betriebsbedingten Gründen einen Aufhebungsvertrag. Danach wurde das
Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2007 beendet.
Die Klägerin stellte mit Schreiben vom 17. August 2007, welches am 21. August
2007 bei der Beklagten einging, einen Antrag auf „Überprüfung“ der ihr
gewährten Witwenrente. Sie sei seit dem 1. Juli 2007 arbeitslos. Dem Schreiben
waren der Aufhebungsvertrag sowie der Bescheid der N. M. vom 24. Juli 2007
beigefügt. Die Agentur für Arbeit M. hatte in dem Bescheid einen
Ruhenszeitraum nach § 143a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für die
Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 19. Juni 2008 festgesetzt.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. August 2007 ab. Bis
zum Ablauf des von der N. M. ermittelten Ruhenszeitraumes würde weiterhin
das bisherige Einkommen angerechnet. Den hiergegen erhobenen Widerspruch
wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2007 zurück.
Am 16. Januar 2008 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Hannover Klage
erhoben.
Sie meint, dass die ihr gewährte Witwenrente in dem Ruhenszeitraum nach §
143a SGB III ohne Anrechnung von Einkommen zu zahlen sei.
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Die Klägerin beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 27. August 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2007 aufzuheben und
2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für den von der O.
festgesetzten Ruhenszeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 19. Juni 2008
die ihr gewährte Witwenrente ohne Anrechnung von Einkommen (aus
der Abfindung bezüglich des zum 30. Juni 2008 aufgelösten
Arbeitsverhältnisses) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung für richtig.
Der Kammer hat neben der Prozessakte auch die Verwaltungsakte der
Beklagten vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung
und Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des
Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den
Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27.
August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2007
ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin
hat keinen Anspruch auf Zahlung der ihr gewährten Witwenrente ohne
Anrechnung von (vergleichbarem) Einkommen für den Ruhenszeitraum nach §
143a SGB III gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft
aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei
seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.
Eine nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X erforderliche wesentliche Änderung
gegenüber den Verhältnissen, die zu einer Anrechnung von Einkommen auf die
Witwenrente geführt haben, ist für die Zeit des Ruhenszeitraumes nach § 143a
SGB III vom 1. Juli 2007 bis zum 19. Juni 2008 nicht eingetreten. Denn die vom
Arbeitgeber der Klägerin gezahlte Abfindung ist für die Zeit des
Ruhenszeitraumes als vergleichbares Einkommen zu berücksichtigen.
Nach § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI wird Einkommen von Berechtigten, das mit
einer Witwenrente zusammentrifft, hierauf angerechnet. Gemäß § 18a Abs. 1 S.
1 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sind bei Renten wegen Todes
Erwerbseinkommen als Einkommen zu berücksichtigen. Erwerbseinkommen in
diesem Sinne sind Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbares
Einkommen (§ 18a Abs. 2 S. 1 SGB IV).
Eine Abfindung, die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt
wird, setzt sich zum Einen aus einer Abgeltung für den vorzeitig - vor dem Ablauf
der ordentlichen Kündigungsfrist - eingetretenen Wegfall des Arbeitsentgeltes
(sogenannter Arbeitsentgeltanteil) und zum Anderen aus einer Entschädigung
für den Verlust sozialer Besitzstände, insbesondere des Arbeitsplatzes
(sogenannter sozialer Anteil) zusammen (Bundessozialgericht, Urteil vom 28.
April 1987 - 12 RK 50/85, Rn. 14 nach juris). Aus dem Arbeitsentgeltanteil wird
nach § 143a SGB III ein sogenannter Ruhenszeitraum errechnet. Für diesen
Ruhenszeitraum wird das bisher berücksichtigte Einkommen (Arbeitsentgelt)
weiterhin als Einkommen zu Grunde gelegt. (Paulus in: juris PK-SGB IV, 2.
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Auflage 2010, § 18a SGB IV, Rn. 50).
Soweit die Klägerin behauptet, das Arbeitsverhältnis sei aus gesundheitlichen
Gründen aufgelöst worden, ist dies nicht nachvollziehbar. Im Auflösungsvertrag
vom 29. Dezember 2006 werden als Grund der Auflösung des
Arbeitsverhältnisses eindeutig betriebsbedingte Gründe genannt. Im Übrigen
wäre es auch unbillig, wenn einerseits auf Grund der erhaltenen Abfindung
Arbeitslosengeld I nicht gezahlt wird, dann jedoch die Hinterbliebenenrente
ungekürzt gezahlt werden müsste. Auch bei der Zahlung der Witwenrente muss
die Abfindung als vergleichbares Einkommen berücksichtigt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.