Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 24.05.2007

LSG Nsb: sozialhilfe, örtliche zuständigkeit, niedersachsen, vergütung, rechtskräftiges urteil, unbestimmte dauer, klinikum, leistungsvereinbarung, aufenthalt, unterbringung

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 24.05.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 51 SO 583/05
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 8 SO 156/06
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. August 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt für die Zeit ab dem 1. April 2005 höhere Leistungen der Eingliederungshilfe unter Berücksichtigung
seiner Entgeltverpflichtung aus einem mit dem Klinikum I. geschlossenen Heimvertrag.
Der 1964 geborene ledige Kläger leidet an einem organischen Psychosyndrom, Alkoholabhängigkeit und einer
Polyneuropathie. Er ist als schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 70 anerkannt mit dem
Merkzeichen "G". Er ist auf Grund seiner Suchtkrankheit auf Dauer wesentlich behindert (so ua die
fachärztliche/sozialpsychiatrische Stellungnahme der Dipl.-Psychologin J. vom 9. März 2005). Vor der Aufnahme in
eine andere stationäre Einrichtung in K. hatte der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Hannover.
Seit dem 1. Januar 2005 erhält der Kläger von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung nach § 41 ff Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII). Weitere Einkünfte hat er
nicht.
Am 1. April 2005 wurde der Kläger in den Langzeitbereich des Klinikums I. aufgenommen. Nach dem am 11. April
2005 zwischen dem Kläger und dem Klinikum I. GmbH mit Wirkung zum 1. April 2005 auf unbestimmte Dauer
geschlossenen Heimvertrag gewährt die Einrichtung als Regelleistung Unterkunft, Verpflegung, grundpflegerische
Leistungen und persönliche Hilfen, ärztliche Versorgung und Sozialberatung. Für diese Regelleistungen zahlt der
Bewohner gemäß § 7 Abs 2 des Vertrages täglich 134,86 EUR (Grundpauschale 21,47 EUR inkl. 5,10 EUR
Verpflegungsanteil, Investitionsanteil 23,00 EUR, Maßnahmenpauschale 90,39 EUR). Weiter heißt es in § 7 Abs 4:
"Zwischen der Einrichtung und dem Land Niedersachsen besteht derzeit keine Leistungsvereinbarung. Die
Entgeltverpflichtung kann sich verändern, sobald und soweit eine Leistungsvereinbarung zwischen dem Land
Niedersachsen und der Einrichtung abgeschlossen wird. Erhöhungen der Entgeltverpflichtung für die Vergangenheit
sind dabei ausgeschlossen. Abschlagszahlungen des Sozialträgers, die unterhalb des vereinbarten Heimentgelts
liegen, führen zu keiner abweichenden Entgeltvereinbarung."
Mit Bescheid vom 6. April 2005 gab die Beklagte ein Kostenanerkenntnis ab. Für den Aufenthalt im Langzeitbereich
des Klinikums I. werden demnach ab dem Aufnahmetag bis auf weiteres Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 35 Abs
1 und 2, 19 Abs 1 SGB XII sowie Eingliederungshilfe gemäß §§ 53, 54 Abs 1 Satz 1, 92 Abs 1, 19 Abs 3 SGB XII in
Verbindung mit § 55 Abs 2 Nr 6 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen
(SGB IX) gewährt. Weiter heißt es in dem an den Betreuer des Klägers gerichteten Bescheid:
"Kosten für den Aufenthalt in der Einrichtung werden nur in Höhe der vom Land Niedersachsen oder im Einvernehmen
mit dem Land Niedersachsen bzw. der örtlich und sachlich hierfür zuständigen Behörde vereinbarten oder
festgesetzten Vergütung anerkannt. Soweit nach Erteilung dieser Kostenverpflichtung durch rechtskräftiges Urteil oder
Vergleich zwischen dem Land Niedersachsen und dem Einrichtungsträger ein höherer Pflegesatz als vereinbart gilt
oder vereinbart wird, werden die höheren Kosten an den Einrichtungsträger für den diese Kostenverpflichtung
umfassenden Zeitraum nachgezahlt, wenn
• Ihr Betreuter durch entsprechende zivilrechtliche Vereinbarung verpflichtet ist, den erhöhten Pflegesatz zu zahlen, •
unverzüglich jede folgende Änderung der derzeit bestehenden Vereinbarung angezeigt hat und • Ihr Betreuter
Anspruch auf Übernahme der Pflegesätze aus Sozialhilfemitteln hat."
Tatsächlich werden seither für den Kläger Zahlungen an das Klinikum I. unter Berücksichtigung eines Tagessatzes
von 107,26 EUR erbracht, der Kläger erhält einen monatlichen Barbetrag von monatlich 89,70 EUR.
Die eingeschränkte Vergütungsübernahme der Beklagten hat ihre Ursache in einer seit 1994 andauernden
Auseinandersetzung zwischen der Klinikum I. GmbH und dem Land Niedersachsen als überörtlichem Träger der
Sozialhilfe über die Höhe der Pflegesätze. Auf Grund vorläufiger Vergütungsfestsetzungen der Schiedsstelle für das
Land Niedersachsen und vorläufiger Vergütungsvereinbarungen zwischen dem Klinikum I. GmbH und dem damals für
das Land Niedersachsen dessen Aufgaben als überörtlicher Träger der Sozialhilfe wahrnehmenden Niedersächsischen
Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben, denen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor dem
Verwaltungsgericht Hannover und dem Niedersächsischen OVG vorausgegangen waren, haben die Träger der
Sozialhilfe seit 1994 lediglich Abschläge gezahlt, ab dem 1. Januar 2003 in Höhe von täglich 107,26 EUR.
Der Kläger legte am 16. April 2005 gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. April 2005 Widerspruch ein und
begehrte die vollständige Übernahme des vertraglich geschuldeten Heimentgelts in Höhe von 134,86 EUR täglich. Er
müsse Klarheit haben, welchen Pflegesatz der Sozialhilfeträger übernehme. Nur das volle geschuldete Heimentgelt
sei die benötigte Hilfeleistung, nicht ein bloßer Kostenzuschuss.
Der Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2005 als unbegründet (so der
Tenor) bzw unzulässig (so die Begründung) zurückgewiesen. Eine rechtliche Beschwer durch den Bescheid vom 6.
April 2005 liege nicht vor. Eine höhere Entgeltforderung als zwischen Einrichtungsträger und Sozialhilfeträger
vereinbart sei im Heimvertrag nicht zulässig. Der letzte vorläufig vereinbarte Abschlagspflegesatz betrage 107,26
EUR, dieser gelte weiter. Bei der Bewilligung ab dem 1. April 2005 handele es sich lediglich um vorläufige Zahlungen,
da noch keine abschließende Entscheidung über die Höhe der zu leistenden Sozialhilfe vorliege. Es handele sich
deshalb nur um Vorschüsse, deren Höhe dem pflichtgemäßen Ermessen entspreche. Der Bescheid stelle lediglich
einen Zwischenbescheid dar. Soweit nach einer endgültigen Entscheidung die tägliche Vergütung höher sei als der
vorläufige Abschlag, werde der Differenzbetrag nachgezahlt. Mit der Abschlagszahlung sei der sozialhilferechtliche
Bedarf gedeckt.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die am 14. September 2005 erhobene Klage mit Urteil vom 28. August 2006
abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keine weiteren Ansprüche nach dem SGB XII
gegen die Beklagte wegen seiner Unterbringung und Versorgung im Langzeitbereich des Klinikums I ... Hierbei
handele es sich um eine durch einen Dritten erbrachte Sachleistung der Beklagten. Die Frage, welches Entgelt der
Einrichtungsträger vom Sozialhilfeträger für die Leistungserbringung erhalte, sei allein im Verhältnis zwischen diesen
zu klären. Unabhängig davon könne der Kläger wegen der Regelung des § 5 Abs 6 Heimgesetz (HeimG) aus dem
Heimvertrag keinen höheren Anspruch herleiten. Solange – wie hier – keine endgültigen Vergütungsvereinbarungen
existieren und lediglich Abschlagspflegesätze gewährt werden, beschränke sich der Anspruch des Heimträgers aus
dem Heimvertrag auf diese Abschlagszahlungen. Gegen das am 22. September 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger
am 10. Oktober 2006 Berufung eingelegt. Er vertritt, wie auch bereits im Widerspruchs- und Klageverfahren, unter
Hinweis ua auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg vom 12. Juli 2006 – 4 LC 309/02 die
Auffassung, dass es sich bei der Gewährung von Hilfe in Einrichtungen nicht um eine Sachleistung handele. Das
Bedarfsdeckungsprinzip gebiete eine vollständige Übernahme der vertraglich geschuldeten Vergütung. § 5 Abs 6
HeimG stehe dem Anspruch nicht entgegen, da zwischen dem Einrichtungsträger und dem Sozialhilfeträger keine
endgültigen Vergütungsvereinbarungen getroffen worden seien.
Der Kläger beantragt
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. August 2006 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 6.
April 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2005 zu ändern,
2. die Beklagte zu verurteilen, ihm dem Kläger – Sozialhilfe durch Übernahme des mit dem Einrichtungsträger
vereinbarten Heimentgelts in Höhe von täglich 134,86 EUR ab dem 1. April 2005 abzüglich geleisteter Abschläge zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen und das Urteil des SG für zutreffend. Ihres Erachtens bestehe die in der
mündlichen Verhandlung vor dem BVerwG zustande gekommene Leistungsvereinbarung weiter.
Außer den Gerichtsakten lag Band II der den Leistungsfall des Klägers betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten
vor. Er war Gegenstand des Verfahrens. Wegen des weiteren Vorbringens des Beteiligten und der Einzelheiten des
Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Beiakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151
Sozialgerichtsgesetz – SGG ), sie ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte vollständige
Übernahme des heimvertraglich vereinbarten Entgelts aus Mitteln der Sozialhilfe. Der streitige Bescheid ist im
Ergebnis nicht zu beanstanden, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ist erfolglos.
1. Der Senat entscheidet über die vom Kläger begehrte (Teil-) Anfechtung des Bescheides der Beklagten vom 6. April
2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2005 sowie deren Verurteilung zu einer höheren
Leistung gemäß §§ 54 Abs 4, 130 Abs 1 SGG. Diese unechte Leistungsklage (kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage) ist hier die richtige Klageart, weil auf die streitige Leistung nach § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII bei
Erfüllen sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht.
Der Zeitraum, über den der Senat zu entscheiden hat, wird durch den Regelungsinhalt des angefochtenen Bescheides
und die vom Kläger erhobenen Ansprüche bestimmt. Hier hat die Beklagte ua die Übernahme der Kosten für den
Aufenthalt in der Einrichtung als Eingliederungshilfeleistungen nur in Höhe der vom Land Niedersachsen oder im
Einvernehmen mit dem Land Niedersachsen bzw. der örtlich und sachlich hierfür zuständigen Behörde vereinbarten
oder festgesetzten Vergütung anerkannt und mit 107,26 EUR statt vom Kläger nach seiner Ansicht vertraglich
geschuldeter 134,86 EUR eine um 27,60 EUR täglich niedrige Leistung erbracht, und zwar "ab dem Aufnahmetag bis
auf weiteres". Die höheren Leistungen begehrt der Kläger für die gesamte Zeit seines Aufenthaltes im Klinikum L. ab
dem 1. April 2005. Demzufolge ist der vom Senat für sachdienlich gehaltene Antrag nicht auf die Zeit bis zum Erlass
des Widerspruchsbescheides beschränkt, sondern ohne zeitliche Begrenzung gestellt worden.
Die Auffassung der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit und ihnen folgend das SG, die den vom Gericht zu
entscheidenden Zeitraum auf die Zeit bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides begrenzen, wird vom Senat nicht
geteilt. Diese zeitliche Beschränkung beruht auf der Annahme, dass Sozialhilfeleistungen keine rentengleichen
Dauerleistungen seien und regelmäßig nicht für einen längeren Zeitraum, sondern gleichsam täglich neu geregelt
werden müssten. Damit läge für die Zeit nach Erlass des Widerspruchsbescheides keine überprüfbare
Verwaltungsentscheidung mehr vor, eine Verpflichtungs- oder Leistungsklage wäre unzulässig. Im hier zu
entscheidenden Fall hat die Beklagte jedoch einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erlassen, deren Wirkung sich
eben nicht auf den folgenden Zahlungsabschnitt beschränkt, sondern bis auf weiteres gilt.
Der Senat hat in einem vergleichbaren Fall mit Beschluss vom 24. Januar 2006 L 8 SO 83/05 ER , FEVS 2007, 28
folgendes ausgeführt:
"Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn sein Regelungsinhalt vom Zeitpunkt des Erlasses des
Verwaltungsaktes her – nach seinen rechtlichen Wirkungen in die Zukunft fortwirken soll, sich also über eine
einmalige Gestaltung der Rechtslage hinaus auf eine gewisse – bestimmte oder unbestimmte – zeitliche Dauer in der
Zukunft erstreckt (BSGE 56, 165; 58, 27; 61, 286; 78, 109). Für die Feststellung, ob es sich um einen Verwaltungsakt
mit Dauerwirkung handelt, ist maßgeblich, wie ihn ein Leistungsberechtigter bei objektiver Würdigung verstehen kann
(vgl dazu Rothkegel / Grieger in: Sozialhilferecht, 1. Aufl 2005, Teil IV Kapitel 6 S. 686f, Rdnr 52ff). Die im Bescheid
vom 19. April 1999 verwendete einschränkungslose Formulierung "ab 01.01.99" ist ausgehend vom objektivierten
Empfängerhorizont des Leistungsberechtigten dahin auszulegen, dass ein Pflegegeld in benannter Höhe für einen
unbestimmten Zeitraum nach Erlass des Bescheides bewilligt wurde und nicht nur für einen oder mehrere bestimmte
(welche?) Monate. Die Formulierung "ab" stellt aus der Sicht des Empfängers die Leistung für die Folgemonate nicht
lediglich in Aussicht, sondern lässt deren weitere Zahlung ohne erneute Prüfung und Bewilligung erwarten.
Anhaltspunkte dafür, dass die Bewilligung des Pflegegeldes nur für den nächstliegenden Zeitraum gelten solle, sind
weder dem Verfügungssatz noch der Begründung des Bescheides vom 19. April 1999 zu entnehmen.
Zwar stellte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) Sozialhilfe– Hilfe zum
Lebensunterhalt keine rentengleiche Dauerleistung dar, sondern wurde nur zeitabschnittsweise (in der Regel
monatsweise) gewährt (BVerwGE 25, 307, 308f; 89, 81, 85). Allerdings berücksichtigt auch die neuere
Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte das Institut des Dauerverwaltungsaktes im Sozialhilferecht (vgl
Rothkegel/Grieger aaO Kapitel 6 S. 684f, Rdnr 45 mwN). Dies beispielsweise, wenn die Behörde den Hilfefall statt für
den dem Bescheid nächstliegenden Zeitraum für einen längeren Zeitraum geregelt hat (BVerwGE 99, 149). So liegt
hier der Fall, wie sich aus der Formulierung "ab" 1.1.99 ergibt. Daneben ist von der ständigen Rechtsprechung des
BVerwG (E 99, 149; E 108, 296; FEVS 52, 439) anerkannt, dass der Sozialhilfeträger befugt ist, Entscheidungen über
Hilfeleistungen für einen längeren, auch in die Zukunft weisenden Zeitraum zu treffen (vgl Grube in Grube/Wahrendorf,
SGB XII, Sozialhilfekommentar 2005, Einleitung Rdnr 135). Einen solchen Bescheid mit Dauercharakter stellt der
genannte Bescheid der Antragsgegnerin dar." Diese Ausführungen zu einem Fall nach dem 7. Kapitel des SGB XII
(Hilfe zur Pflege) gelten auch für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem 6. Kapitel. Für
die Qualifizierung des hier streitigen Bescheides vom 6. April 2005 als Dauerverwaltungsakt spricht weiter, neben der
Formulierung "bis auf weiteres" dass es sich um einen Eingliederungsfall handelt, bei welchem nach den im Gerichts-
und Verwaltungsverfahren vorliegenden ärztlichen Erkenntnissen eine Besserung des Zustands kurzfristig nicht zu
erwarten ist.
Eine Beschränkung des streitigen Zeitraumes würde sich nur dann ergeben, wenn der angefochtene Bescheid
ausdrücklich ein Ende des Bewilligungszeitraumes enthalten würde. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der zu
entscheidende Zeitraum umfasst deshalb den gesamten vom angefochtenen Bescheid geregelten Zeitraum ohne
Beschränkung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides.
2. Die so verstandene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) ist unbegründet. Der Kläger
hat derzeit keinen Anspruch auf die geltend gemachten höheren Sozialhilfeleistungen, also auf Übernahme des im
Heimvertrag vereinbarten Entgeltes von täglich 134,86 EUR. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nur ein Anspruch von
täglich 107,26 EUR durchsetzbar. Diesen täglichen Pflegesatz zahlt die Beklagte. Die Berufung ist daher
unbegründet.
Maßgebende Anspruchsgrundlage ist hier § 53 Abs 1 SGB XII. Eingliederungshilfe für behinderte Menschen erhalten
nach dieser Vorschrift Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs 1 Satz 1 des Neunten Buches
Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der
Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, wenn und
solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht
besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Der Kläger ist auf Grund seiner Suchtkrankheit
auf Dauer wesentlich behindert und hat wegen seiner geistig-seelischen Erkrankung dem Grunde nach einen Anspruch
auf Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53ff SGB XII in einer stationären Einrichtung des § 75
Abs 1 Satz 1 SGB XII. Darüber besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten, die Beklagte hat demzufolge auch
Leistungen bewilligt.
Der streitige höhere Anspruch scheitert weder an der Passivlegitimation der Beklagten (2.1.) noch an
verwaltungsverfahrensrechtlichen Besonderheiten im angefochtenen Bescheid (2.2.), er ist auch nicht durch
Sachleistungen der Beklagten erfüllt (2.3.). Dem geltend gemachten Anspruch auf höhere Sozialhilfeleistungen stehen
jedoch die Regelungen der §§ 75 Abse 3 und 4, 77 Abs 2 Satz 4 SGB XII entgegen (2.4.). Die Beklagte ist deshalb –
derzeit – nicht verpflichtet, für den Kläger höhere Leistungen zu erbringen.
2.1. Der Beklagte ist hinsichtlich der hier streitigen stationär erbrachten Eingliederungshilfe passiv legitimiert.
Bereits bis zum 31. Dezember 2004 war für Leistungen dieser Art grundsätzlich der überörtliche Träger des Sozialhilfe
– also das Land – sachlich zuständig (§ 100 Abs 1 Nr 1 BSHG, § 2 Nds Gesetz zur Ausführung des BSHG (Nds AG
BSHG), in der Fassung vom 20. März 1997, GVBl 86, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 2000, GVBl
294). Durch § 1 Heranziehungsverordnung-Sozialhilfe (vom 25. August 2001, Nds GVBl 599, zuletzt geändert durch
Art 1 des Gesetzes vom 21. November 2000, Nds GVBl 294) wurden die örtlichen Träger der Sozialhilfe zur
eigenständigen Wahrnehmung dieser Aufgaben herangezogen (Delegation). Demnach werden die herangezogenen
örtlichen Sozialhilfeträger im eigenen Namen tätig und entscheiden auch über Prozesshandlungen. Die örtliche
Zuständigkeit richtete sich nach § 97 Abs 2 Sätze 1, 2 BSHG. Danach war für die stationäre Leistung der Träger der
Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich die Leistungsberechtigten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt
der Aufnahme in der Einrichtung hatten oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hatten. Waren bei
Einsetzen der Sozialhilfe die Leistungsberechtigten aus einer Einrichtung iS des Satzes 1 in eine andere Einrichtung
oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder trat nach dem Einsetzen der Leistung ein solcher Fall ein,
war der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend.
Unter Geltung des nunmehr einschlägigen SGB XII für die Zeit ab dem 1. Januar 2005 hat sich an der örtlichen und
sachlichen Zuständigkeit der Sozialhilfeträger Entscheidendes nichts geändert. Nunmehr bestimmt § 97 Abs 2 SGB
XII iVm § 2 Nds Gesetz zur Ausführung des SGB XII (Nds AG SGB XII) vom 16. Dezember 2004 (Nds GVBl 644) die
überörtlichen Träger der Sozialhilfe. Überörtlicher Träger der Sozialhilfe bleibt das Land. Dieser bleibt weiterhin
zuständig für die hier fraglichen stationären Leistungen der Eingliederungshilfe, § 6 Abs 2 Nr 1a Nds AG SGB XII. Zur
Durchführung der Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe werden die örtlichen Träger der Sozialhilfe sowie
speziell die Landeshauptstadt Hannover herangezogen (§ 2 Abs 1 Nrn 1 und 2 Verordnung zur Durchführung des Nds
Gesetz zur Ausführung des SGB XII DVO Nds AG SGB XII vom 13. Juni 2006, Nds GVBl 229; diese Verordnung trat
gemäß seines § 19 mit Wirkung vom 1. Januar 2005 in Kraft). § 9 Abs 5 Nds AG SGB XII bestimmt, dass die
herangezogenen kommunalen Körperschaften im eigenen Namen entscheiden. Sonach liegt auch für die Zeit ab dem
1. Januar 2005 eine Delegation vor, so dass die örtlichen Träger die richtigen Beklagten sind.
Für die örtliche Zuständigkeit ist einschlägig nunmehr für den Bereich der hier fraglichen Unterbringung in einer
Einrichtung der mit § 97 Abs 2 BSHG im wesentlichen inhaltsgleiche § 98 Abs 2 SGB XII. Daraus folgt hier, dass für
die Leistungen an den Kläger, der direkt vor seiner Aufnahme in eine stationäre Einrichtung seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in der Landeshauptstadt Hannover hatte, diese für die streitigen Leistungen zuständig ist. Ihre
Zuständigkeit wird von der Beklagten, die Leistungen an den Kläger erbringt, auch nicht in Frage gestellt. 2.2. Der
streitige weitergehende Anspruch scheitert nicht daran, dass die Beklagte die von ihr bewilligte Leistung im
Widerspruchsbescheid als "vorläufige Leistung" (2.2.1.) oder "Vorschuss" (2.2.2.) bezeichnet oder ihren Bescheid als
"Zwischenbescheid" (2.2.3.).
2.2.1. Vorläufige Leistungen kommen nur in Betracht, wenn die Zuständigkeit des Leistungsträgers unklar ist (vgl §§
98 Abs 2 Satz 3 SGB XII, § 43 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I). Unabhängig
davon, dass ein derartiger Fall hier nicht vorliegt, würde dies einen höheren Anspruch als "vorläufig" bewilligt nicht
ausschließen.
2.2.2. Vorschüsse können (bzw sind auf Antrag des Berechtigten) gemäß § 42 Abs 1 SGB I zu zahlen, wenn ein
Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit
erforderlich ist. Um eine solche vorläufige Regelung dürfte es sich hier handeln, weil aus Sicht der Beklagten wegen
fehlender – endgültiger – Vergütungs¬ver¬ein¬barung die Höhe der zu leistenden Eingliederungshilfe noch nicht
feststeht. Eine Vorschusszahlung schließt jedoch nicht aus, dass die vollständige begehrte Leistung zu zahlen ist,
wenn deren materielle Voraussetzungen gegeben waren oder die Voraussetzungen für die Vorschusszahlung nicht
vorlagen (vgl hierzu BSG vom 15.08.2002 B 7 AL 24/01 R SozR 3-4100 § 147 Nr 1).
Letztlich kann offen bleiben, ob es sich bei dem angefochtenen Bescheid um eine Vorschusszahlung handelt oder
nicht, weil kein Anspruch auf eine höhere Leistung besteht (siehe 3.) und deshalb auch eine höhere Vorschusszahlung
nicht in Betracht kommt (siehe 4.).
2.2.3. Die Bezeichnung des streitigen Bescheides im Widerspruchsbescheid als "Zwischenbescheid" ist für dieses
Verfahren unbeachtlich. Weder im SGB I noch im SGB XII oder anderen möglicherweise einschlägigen Gesetzen ist
eine derartige Regelung vorgesehen. Allerdings wird die Beklagte sich später nicht auf eine mögliche Verjährung
berufen können, falls der Kläger unabhängig von diesem Verfahren nach Abschluss einer Vergütungsvereinbarung
zwischen der Klinikum I. GmbH und dem Land Niedersachsen eine endgültige Regelung seines Leistungsanspruchs
begehrt.
2.3. Ein dem Grunde nach bestehender Anspruch des Klägers (auf Eingliederungshilfe) ist nicht bereits durch
Sachleistungen der Beklagten erfüllt, so dass bei fortbestehendem Rechtsschutzbedürfnis die Zulässigkeit der Klage
nicht in Abrede gestellt werden kann.
Die Beklagte gewährt die dem Kläger zustehende Eingliederungshilfe dadurch, dass sie die Kosten übernimmt, die
durch die Unterbringung des Klägers in der von der Klinikum I. GmbH betriebenen Einrichtung entstehen. Bedient sich
der Träger der Sozialhilfe - wie hier - zur Erfüllung seiner Hilfeverpflichtung einer stationären Einrichtung (§ 13 Abs. 1
SGB XII), umfasst der Hilfeanspruch im Rahmen des so genannten "sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses"
auch die Übernahme des Entgelts, das dem Hilfebedürftigen durch die Inanspruchnahme der Dienste der Einrichtung
in Rechnung gestellt wird (vgl. hierzu zuletzt BVerwG, Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 5 B 50/04 - (JURIS); ferner
Münder in LPK-SGB XII, 7. Auflage, § 75 Rdnr. 31; Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII K § 75 Rdnr. 32; Mergler/Zink,
BSHG § 93 Rdnr. 30c). Dieser jetzt in § 75 Abs. 3 Satz 1 SGB XII geregelte Sozialhilfeanspruch auf Übernahme der
Kosten (vgl. BVerwGE 97, 53, 56) ist als Geldleistungsanspruch zu qualifizieren und nicht als Sachleistungsanspruch
(so ausdrücklich LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 9.12.2005, L 7 SO 4890/05). Der Senat schließt sich
insoweit der Auffassung des Niedersächsischen OVG an, das hierzu ua in seinem Urteil vom 12. Juli 2006 (4 LC
309/02) ausgeführt hat:
"Anders als im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen die Sozialhilfeträger keine Sachleistungen,
sondern übernehmen die Aufwendungen, die dem Hilfeempfänger durch die Unterbringung und Betreuung entstehen,
also die ihm von der Einrichtung in Rechnung gestellten Kosten (Bay VGH, Urteil vom 23.3.2005 - 12 B 01.1916-,
Beschluss des erkennenden Senats vom 30.1.2006 - 4 LA 286/03 -; Mergler/Zink, BSHG, Kommentar, Stand: August
2004, § 93 Rdnr. 30 c). Für die gegenteilige Auffassung, dass der Sozialhilfeträger die Leistungen als Sachleistungen
schon nach der ab dem 1. Juli 1994 geltenden Fassung der §§ 93 ff. BSHG (BGBl. I 1993, S. 2374; im folgenden als
Fassung 1994 bezeichnet) erbringt (so VG Hannover, Urteil vom 12.6.2006 - 7 A 5927/03 -) oder der Sozialhilfeträger
jedenfalls nach der ab dem 1. Januar 1999 geltenden Fassung der §§ 93 bis 93 d BSHG (BGBl. I 1996, S. 1088; im
folgenden als Fassung 1999 bezeichnet) dem Hilfeempfänger die Leistungen in dieser Form zur Verfügung stellt (so
ohne nähere Begründung und ohne die sich hieraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen zu ziehen Schellhorn,
BSHG, Kommentar, 16. Aufl. 2002, § 93 Rdnrn. 10 und 35 bis 38, und Roscher in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, § 8 Rdnr.
20), finden sich im Gesetz keine (hinreichenden) Anhaltspunkte. Nach § 93 Abs. 2 BSHG Fassung 1994 bzw. nach §
93 Abs. 2 Satz 1 BSHG Fassung 1999 ist der Sozialhilfeträger nur zur Übernahme der Vergütung für die Leistung und
dies auch nur unter den dort weiter bezeichneten Voraussetzungen verpflichtet. Anders als das SGB V, das dem
Sachleistungsprinzip folgt, ist die Sozialhilfe durch das Geldleistungsprinzip geprägt. So stellen die Krankenkassen
den Versicherten gemäß § 2 SGB V die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen zur Verfügung, wobei sie sich
besonderer Leistungserbringer bedienen. Dadurch, dass der Versicherte die Sachleistungen in Anspruch nimmt,
entsteht eine unmittelbare Zahlungsverpflichtung seiner Krankenkasse gegenüber dem leistungserbringenden
Krankenhaus. Aus diesem Grund bedarf es auch keiner Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse. Dagegen hat
der Sozialhilfeempfänger gegenüber dem Träger der Sozialhilfe keinen Anspruch auf Sachleistungen sondern einen
Anspruch auf Übernahme des Entgelts, das ihm vom Leistungserbringer in Rechnung gestellt wird. Der
Leistungserbringer hat daher, sofern nicht eine konkrete oder allgemeine Kostenübernahmeerklärung des
Sozialhilfeträgers vorliegt, gegenüber diesem keinen eigenen Zahlungsanspruch (Beschluss des erkennenden Senats
vom 30.1.2006 - 4 LA 286/03 -). Allein aus der Formulierung in § 93 Abs. 3 Satz 1 BSHG Fassung 1999, wonach der
Sozialhilfeträger in den Fällen, in denen Vereinbarungen nach Absatz 2 dieser Vorschrift nicht abgeschlossen worden
sind, Hilfe durch diese Einrichtungen unter den in dieser Vorschrift weiter genannten Voraussetzungen gewähren
kann, kann daher nicht geschlussfolgert werden, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesfassung 1999 das
Leistungssystem vollständig hat umstellen wollen. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, so wäre vielmehr zu erwarten
gewesen, dass er eine § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V, wonach die Versicherten "die Leistungen als Sach- und
Dienstleistungen" erhalten, entsprechende ausdrückliche Regelung in das BSHG eingefügt hätte. Auch die übrigen
Regelungen in den §§ 93 bis 93 d BSHG Fassung 1999 hätte er in einem solchen Fall den sich aus einer Umstellung
auf Sachleistungen ergebenden Konsequenzen entsprechend den Regelungen im SGB V angepasst."
Zutreffend weist das OVG auf einen grundlegenden Unterschied zwischen den Ansprüchen nach dem
Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) und dem Anspruch auf Leistungen der
Eingliederungshilfe in stationären Einrichtungen hin. Anders als im Leistungsrecht des SGB V schließt der
Leistungsempfänger regelmäßig einen privatrechtlichen Vertrag mit der Einrichtung und wird dieser dadurch gegenüber
zur Zahlung verpflichtet. Von dieser aus dem Vertrag resultierenden Zahlungsverpflichtung stellt der Sozialhilfeträger
den Hilfeempfänger durch seine Kostenübernahmeerklärung frei, wobei der Umfang der Kostenübernahme von den
vertraglichen Vereinbarungen des Sozialhilfeträgers mit der Einrichtung abhängig ist bzw durch § 75 Abs. 4 SGB XII
bei vertragsungebundenen Einrichtungen begrenzt wird. In dieser Freistellung von der Zahlungsverpflichtung und nicht
in der stationären Unterbringung an sich liegt die Leistung des Sozialhilfeträgers. Der Erbringer von Sachleistungen
nach dem SGB V hat demgegenüber grundsätzlich keinerlei Ansprüche gegenüber dem Leistungsempfänger, sondern
nur gegenüber den Krankenkassen (§ 2 Abs 2 Satz 3 SGB V iVm §§ 69 ff SGB V).
Die vom SG und VG Hannover (Urteil vom 12.6.2006, 7A 5927/03) vertretene gegenteilige Auffassung vermag auch
im Hinblick auf die ergangenen Bescheide über die Gewährung der Eingliederungshilfe nicht zu überzeugen. Die
Bescheide der Beklagten sprechen eindeutig die Verpflichtung aus, die durch den Heimaufenthalt entstehenden
Kosten zu übernehmen und gewähren nicht Eingliederungshilfe in Form eines stationären Aufenthalts. Insofern
qualifiziert sich die Leistung auch aus Sicht des Bescheid- und Leistungsempfängers eindeutig als Kostenübernahme
und damit als Geldleistung, die zur Vereinfachung nicht an den Leistungsberechtigten, sondern direkt an den
Heimbetreiber gezahlt wird (Streichsbier in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 1. Aufl., § 10 Rn 5).
2.4. Sofern die nötigen Hilfeleistungen – wie hier – durch stationäre Einrichtungen iS der §§ 75 Abs 1 Satz 1, 13 Abs 1
Satz 1 SGB XII erbracht werden, besteht für den Leistungsträger nach dem SGB XII eine Vergütungspflicht
grundsätzlich nur, wenn die Einrichtung eine Vereinbarung über die Leistungserbringung gemäß §§ 75, 76 SGB XII
(vorher: §§ 93ff Bundessozialhilfegesetz – BSHG ) abgeschlossen hat (Leistungsvereinbarung,
Vergütungsvereinbarung, Prüfungsvereinbarung). Dadurch ist beabsichtigt, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit,
Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit bei der Vergütungsübernahme zur Geltung zu bringen. Derartige endgültige
Vereinbarungen liegen für die hier streitige Zeit nicht vor.
Fehlt es auch nur an einer der drei nach § 75 Abs 3 SGB XII erforderlichen Vereinbarungen, kommt grundsätzlich § 75
Abs 4 SGB XII zur Anwendung. Danach darf der Träger der Sozialhilfe Leistungen durch diese Einrichtung nur
erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalls geboten ist. Weiterhin verlangt die Vorschrift, dass hierzu
der Träger der Einrichtung ein Leistungsangebot vorzulegen hat, welches die Voraussetzungen des § 76 SGB XII
erfüllt, und sich schriftlich verpflichtet, Leistungen entsprechend diesem Angebot zu erbringen. Vergütungen dürfen
nur bis zu der Höhe übernommen werden, wie sie der Träger der Sozialhilfe am Ort der Unterbringung oder in seiner
nächsten Umgebung für vergleichbare Leistungen nach den nach Abs 3 abgeschlossenen Vereinbarungen mit anderen
Einrichtungen trägt.
Nach dem klägerischen Vorbringen scheint kein Leistungsangebot iS des § 75 Abs 4 SGB XII vorzuliegen. Dem
Träger der Sozialhilfe wäre damit die nötige Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung, wie sie von § 75 Abs 4 Satz 4
SGB XII gefordert wird, nicht möglich. Unter diesen Umständen wäre das Wunsch- und Wahlrecht des
Leistungsberechtigten gemäß § 9 Abs 2 Satz 2 SGB XII eingeschränkt auf die Inanspruchnahme einer
vereinbarungsgebundenen Einrichtung; wenn eine derartige Einrichtung nicht vorhanden ist, kann der Antragsteller
sein Wunschrecht überhaupt nicht ausüben. Vielmehr müsste er darauf drängen, dass der Einrichtungsträger entweder
eine Vereinbarung iS des § 75 Abs 3 SGB XII mit dem Sozialhilfeträger abschließt oder zumindest ein
Leistungsangebot iS des § 75 Abs 4 SGB XII vorlegt (vgl Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2005 – L 8 SO 60/05 ER
).
Besonderheiten könnten sich aus dem Umstand ergeben, dass der Leistungsberechtigte bereits in der Einrichtung
untergebracht ist. Hierfür lässt womöglich das sozialhilferechtliche Bedarfsdeckungsprinzip eine
Vergütungsübernahme auch gegenüber einer vereinbarungsungebundenen Einrichtung zu, selbst wenn ein
Leistungsangebot iS des § 75 Abs 4 Satz 2 SGB XII nicht vorliegt.
So hat das Bundesverwaltungsgericht – BVerwG – (Urteil vom 20. Oktober 1994 – 5 C 28.91 – BVerwGE 97, 53)
entschieden, dass der Sozialhilfeträger, unter Heranziehung des sozialhilferechtlichen Bedarfsdeckungsgrundsatzes,
Unterbringungskosten unabhängig davon übernehmen muss, ob den Grundsätzen des § 93 Abs 2 Satz 2 BSHG (jetzt
§ 75 Abs 3 SGB XII) Rechnung getragen ist. Was der Hilfesuchende aus sozialhilferechtlicher Sicht benötige, sei im
zu gewähren; muss zur Behebung der Notlage die Hilfe eines bestimmten Dritten in Anspruch genommen werden,
seien die dadurch entstehenden Kosten im Rahmen der Sozialhilfe zu übernehmen, wobei die tatsächlich
entstehenden notwendigen Kosten maßgeblich seien.
Der Sozialhilfeträger kann sich daher einer Kostenübernahme bei Anwendung dieser Grundsätze nur dann entziehen,
wenn dem Hilfesuchenden eine konkrete, zur Behebung seiner Notlage ebenfalls geeignete anderweitige
Hilfemöglichkeit nachgewiesen wird und wenn dem Hilfesuchenden die Wahrnehmung dieser Möglichkeit auch
zuzumuten ist. Mit anderen Worten: Will der Sozialhilfeträger eine aus seiner Sicht nicht den Grundsätzen der
Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechende Vergütung nicht übernehmen, muss er bei einer
derartigen Fallgestaltung dem Leistungsberechtigten eine konkrete andere und zumutbare Unterbringungsmöglichkeit
nachweisen (vgl zum Vorstehenden: Neumann in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, Loseblattsammlung Stand:
Dezember 2005, § 75 Rdnrn 40ff; Münder in Rothkegel, Handbuch des Sozialhilferechts, 2005, Seite 612f Rdnr 52f;
W. Schellhorn in Schellhorn/ Schellhorn/ Hohm, Kommentar zum SGB XII, 17. Auflage 2006 § 75 Rdnr 36; Adolph in
Linhart/Adolph, Kommentar zum SGB XII, Loseblattsammlung Stand: August 2005, Rdnrn 67ff). Ein derartiges
konkretes Angebot mit Bereitstellung einer anderweitigen Hilfemöglichkeit ist offenbar nicht unterbreitet worden.
Selbst wenn in den Angeboten, die Gegenstand der vor den Verwaltungsgerichten rechtshängigen Streitigkeiten über
den Abschluss von Vereinbarungen sind, ein Leistungsangebot des Einrichtungsträgers enthalten sein sollte, würde
insoweit nichts anderes gelten. Insbesondere führte dies nicht zur Übernahme der im Heimvertrag vereinbarten Kosten
aus Mitteln der Sozialhilfe. Denn die Öffnungsklausel des § 75 Abs 4 Satz 1 SGB XII (entsprechend § 93 Abs 3 Satz
1 BSHG) findet keine Anwendung, solange die Einrichtung mit dem Träger der Sozialhilfe über den Abschluss einer
Vergütungsvereinbarung verhandelt. Solange die Verhandlungen nicht abgeschlossen oder für gescheitert erklärt
worden sind, kann es weder in der Hand des Leistungsberechtigten noch der Einrichtung liegen, an diesen
Verhandlungen gleichsam vorbei Einzelfallregelungen zu erzwingen, die letztlich die Vertragsverhandlungen
beeinflussen (vgl Neumann, Rechtsfolgen der Kündigung einer Leistungsvereinbarung im Sozialhilferecht; Beträge
zum Recht der sozialen Dienste und Einrichtungen (RsDE) 2006 – Heft 63 – Seite 32, 38). Eine derartige
Fallgestaltung liegt hier vor.
Diesen Rechtsstreit prägen weiterhin Besonderheiten. Wie gerichtsbekannt streitet die Einrichtung mit dem
Sozialhilfeträger seit Jahrzehnten um die "richtige" Höhe der täglichen Pflegesätze. Hierzu sind zahlreiche
Rechtsstreitigkeiten rechtshängig. Einrichtungsträger und Sozialhilfeträger sind daher bemüht, den gesetzlichen
Vorgaben Rechnung zu tragen, um die nötigen Vereinbarungen abzuschließen. Das hat auch die mündliche
Verhandlung ergeben. Danach wird von beiden Seiten weiterhin der Abschluss einer Vereinbarung gewünscht; die
Einrichtung hat zudem wegen der Erhöhung der für das Jahr 2003 im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes
vereinbarten Vergütung ein Erhöhungsverfahren im vorläufigen Rechtsschutz beim SG Hannover eingeleitet.
Aus der Rechtshistorie wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine Kostenübernahme für Hilfesuchende in
Einrichtungen an den Abschluss entsprechender Vereinbarungen binden wollte (vgl hierzu die Neufassung des § 93
Abs 2 BSHG durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983, BGBl I Seite 1532). Danach wurde die
Vorschrift über den Abschluss einer Vereinbarung fortlaufend verfeinert, auch um eine Kostendämpfung für die
stationären Einrichtungen zu erreichen (vgl Neumann, aaO, S. 33 f).
Dieser vom Gesetzgeber gewollte und durch die gesetzlichen Regelungen festgeschriebene Vorrang der
Sozialhilfegewährung auf der Grundlage von Vereinbarungen findet seinen Ausdruck darin, dass in so genannten
"anderen Fällen" (§ 93 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 BSGH Fassung 1994), also wenn Vereinbarungen nicht
abgeschlossen sind, der Sozialhilfeträger Aufwendungen für die Hilfe in einer solchen Einrichtung übernehmen soll,
wenn dies nach den Besonderheiten des Einzelfalles geboten ist (siehe oben). Das Bundesverwaltungsgericht –
BVerwG – (Urteil vom 4. August 20066 – 5 C 13/05 BVerwGE 126, 295 = FEVS 58, 197) hat aus diesem
Regelungszusammenhang nicht nur geschlossen, dass das Gesetz den Fall der Sozialhilfegewährung in einer
Einrichtung, mit der keine Vereinbarung abgeschlossen ist, als Ausnahme versteht, sondern auch dass ein so
genannter anderer Fall vorbehaltlich der Folgen einer Vereinbarungskündung nur gegeben sind, wenn in Bezug auf
eine Einrichtung entweder der Abschluss einer Vereinbarung von vorne herein gar nicht angestrebt war oder eine
Vereinbarung – sei es in direkten Verhandlungen, sei es mit Hilfe einer Schiedsstellenentscheidung – endgültig nicht
mehr zustande kommen kann.
"Der Vorrang der Sozialhilfegewährung auf der Grundlage von Vereinbarungen kommt nur dann effektiv zur Geltung,
wenn er für die gesamte Zeit gilt, in der eine angestrebte Vereinbarung, ggf in der Modifikation durch eine
Schiedsstellenfestsetzung, wirksam werden kann. Damit tritt bereits vor dem Abschluss einer Vereinbarung mit dem
Antrag auf Abschluss einer Vereinbarung eine Sperrwirkung für eine Sozialhilfegewährung ohne Bezug zu einer
Vereinbarung ( ) ein; die Sperrwirkung dauert an, solange der angestrebte Abschluss einer Vereinbarung bzw eine
vereinbarungsgestaltende der Schiedsstellenentscheidung rechtlich und tatsächlich möglich ist."
Diese wörtlich wiedergegebene Ansicht des BVerwG hält der Senat auch für die Vorschriften des SGB XII (§§ 75ff
SGB XII) für zutreffend, weil inhaltliche Änderungen gegenüber dem BSHG insoweit nicht vorgenommen worden sind.
Der letzte vorläufige Pflegesatz wurde für das Jahr 2003 vereinbart. Diese hat in Ansehung der oben dargestellten
Grundsätze Bindungswirkung nach § 77 Abs 2 Satz 5 SGB XII in analoger Anwendung. Nach dieser Vorschrift gelten
die vereinbarten oder festgesetzten Vergütungen bis zum Inkrafttreten neuer Vergütungen weiter. Zwar gibt es die von
diesen Vorschriften verlangten vereinbarten oder festgesetzten (endgültigen) Vergütungen derzeit nicht. Doch muss
auch eine vorläufige Vereinbarung wie die aus dem Jahr 2003 entsprechende Wirkung äußern, da ansonsten das
gesetzgeberische Ziel der vereinbarungsgebundenen Leistungserbringung scheitern würde. Damit kann der Kläger eine
Vergütung, wie sie im Heimvertrag vereinbart worden ist, nach derzeitigem Stand nicht erhalten.
Eine endgültige (Leistungs- und Prüfung-) Vereinbarung für die zurückliegende Zeit ist tatsächlich und rechtlich noch
möglich.
Der Einwand dagegen bezieht sich im Wesentlichen darauf, dass eine nachträgliche Vereinbarung – also nach
unterstelltem positivem Ausgang des Hauptsacheverfahrens – rechtlich nicht möglich sei. Dieser Einwand greift nicht
durch.
Maßgeblich könnte insoweit § 93b Abs 1 BSHG (jetzt § 77 Abs 1 Satz 1 SGB XII) sein. Danach sind die
Vereinbarungen nach § 93 Abs 2 BSHG bzw § 75 Abs 3 SGB XII vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für
einen zukünftigen Zeitraum (Vereinbarungszeitraum) abzuschließen; nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig.
Insbesondere aus dem letzten Halbsatz wird der Einwand hergeleitet. Damit wird diese Regelung falsch verstanden.
Die fragliche Regelung wurde durch das Zweite Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und
Wachstumsprogramms ( 2. SKWPG vom 21. Dezember 1993, BGBl I S 2374) als dritter Absatz des § 93 in das
BSHG eingefügt und trat gemäß Artikel 12 Abs 2 Satz 1 2. SKWPG am 1. Juli 1994 in Kraft. Durch diese
Bestimmung wurde § 93 BSHG wesentlich geändert; das bis dahin praktizierte – allerdings nicht gesetzlich
vorgeschriebene – Selbstkostendeckungsprinzip wurde durch im Voraus (prospektiv) abgeschlossene Vereinbarungen
ersetzt (vgl Münder in Lehr- und Praxiskommentar, BSHG, 5. Auflage 1998, § 93 Rdnr 2; Schellhorn/Jirasek/Seipp,
Kommentar zum BSHG, 15. Aufl 1997, § 93 Rdnr 6, 46). Mit Wirkung ab 1. Januar 1999 ersetzte § 93b BSHG die alte
Fassung des § 93 Abs 3, 4 und 5 (Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996, BGBl I S 1088).
Prospektiver Pflegesatz bedeutet, dass die hier fraglichen Vereinbarungen für eine zukünftige Wirtschaftsperiode
abzuschließen sind. Das bis zum 30. Juni 1994 übliche Selbstkostendeckungsprinzip mit einem nachträglichen
Ausgleich von Überschüssen und Fehlbeträgen ist mit der Prospektivität der Vereinbarungen ausgeschlossen. Dies
hat zur Folge, dass nunmehr der Einrichtungsträger das wirtschaftliche Risiko der getroffenen Vereinbarung trägt;
Überschüsse verbleiben ihm zwar, Verluste sind aber ebenfalls von ihm zu tragen. Ausdrückliche Regelungen dieses
Grundprinzips des prospektiven Pflegesatzes finden sich in § 84 Abs 2 Satz 5 Sozialgesetzbuch Elftes Buch –
Soziale Pflegeversicherung – (SGB XI) (vgl Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Aufl 2002, § 93 Rdnr 46; § 93b
Rdnr 2; Münder in Lehr- und Praxiskommentar BSHG, 6. Aufl, 2003, § 93b Rdnr 3f).
Hieraus folgt, dass § 93b Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz BSHG bzw § 77 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB XII
("nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig") einer nachträglichen (Gerichts-)Entscheidung, mit welcher eine
Vereinbarung bestimmten Umfangs festgelegt wird, nicht entgegen steht. Denn durch eine entsprechende
Entscheidung würde – wenn auch nachträglich – festgelegt, welcher prospektive Pflegesatz zu Beginn der jeweiligen
Wirtschaftsperiode zu Grunde zu legen ist. Ein "nachträglicher Ausgleich" findet daher gerade nicht statt. Die
Neufassung bedeutete keine Rückkehr zum früher üblichen Selbstkostendeckungsprinzip, da ein nachträglicher
Ausgleich von Überschüssen und Fehlbeträgen auch bei einer späteren (Gerichts-)Entscheidung nicht stattfindet
(siehe dazu Senatsbeschluss vom 3. Januar 2006 – L 8 SO 106/05 ER ).
Unter Geltung des SGB XII gilt nichts anderes. Der vorgenannte Grundsatz der Prospektivität ist nunmehr enthalten in
§ 77 Abs 1 Satz 1 SGB XII, dessen Wortlaut identisch ist mit dem ehemaligen § 93b BSHG (vgl hierzu Münder in
Lehr- und Praxiskommentar-SGB XII, 7. Auflage 2005, § 77 Rdnr 1; W. Schellhorn, aaO, § 77 Rdnr 3, § 75 Rdnrn
48ff).
Nach § 77 Abs 1 Satz 1 SGB XII sind die Vereinbarungen nach § 75 Abs 3 SGB XII vor Beginn der jeweiligen
Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum (Vereinbarungszeitraum) abzuschließen. Aufgrund dieser
Bezugnahme auf § 75 Abs 3 SGB XII müsste der Grundsatz der Prospektivität für alle Vereinbarungen gelten, also
auch für die Leistungs- und Prüfungsvereinbarung. Praktisch dürfte sich dies nur für die Vergütungsvereinbarung
auswirken, da nur hier die in § 77 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB XII genannten nachträglichen Ausgleiche, die nicht
zulässig sind, eine Rolle spielen (vgl Neumann in Hauck/Noftz, aaO, § 77 Rdnr 3; Münder, aaO, Rdnr 3).
Letztlich ist diese Unterscheidung nicht entscheidungserheblich, weil der Grundsatz der Prospektivität von dem in §
77 Abs 2 SGB XII geregelten Inkrafttreten der Vereinbarungen zu unterscheiden ist. Die nur in § 77 Abs 1 SGB XII
angesprochene Prospektivität meint die grundsätzliche Zukunftsorientierung der Regelungsinhalte der Vereinbarungen.
Das Inkrafttreten betrifft nur den Zeitpunkt des Wirksamwerdens von Vereinbarungen gleich welchen Inhalts. Wenn
Prospektivität und Inkrafttreten identisch wären, hätte der Gesetzgeber in § 77 Abs 2 überflüssige Regelungen
getroffen. Lediglich aus § 77 Abs 2 Satz 3 SGB XII ergibt sich, dass eine Vergütungsvereinbarung, die gemäß § 77
Abs 1 Satz 1 SGB XII prospektiv auf einem künftigen Zeitraum ausgerichtet sein muss, nicht zu einem Zeitpunkt vor
dem Tag ihres Abschlusses in Kraft treten darf (vgl hierzu Neumann, Rechtsfolgen der Kündigung einer
Leistungsvereinbarung im Sozialhilferecht, aaO, Seite 38f; derselbe in Hauck/Noftz, aaO, § 77 Rdnr 42; a.A. OVG
Lüneburg, Urteil vom 26. April 2006 – 4 LC 238/04 – S 24 f. des Urteilsabdrucks).
Die Differenzierung zwischen dem Grundsatz der Prospektivität und dem Inkrafttreten der Vereinbarungen ist auch
deshalb geboten, weil die Verhandlungen – wie die vorliegende Fallgestaltung exemplarisch aufzeigt – sich enorm in
die Länge ziehen können mit der Folge des Entstehens vertragsfreier Zeiträume. Daher ist die Zurückdatierung von
Vereinbarungen im Einrichtungsbereich der Sozialhilfe gängige Praxis, die vom Gesetz zugelassen wird. Lediglich das
Vereinbaren von Vergütungen für einen Zeitraum vor dem Inkrafttreten der Vereinbarungen wird gemäß § 77 Abs 2
Satz 3 SGB XII ausgeschlossen. Im Übrigen folgt aus § 77 Abs 2 Satz 1 SGB XII, dass Vereinbarungen und
Schiedsstellenentscheidungen zu dem darin bestimmten Zeitpunkt in Kraft treten. Mithin entscheiden die Parteien
über das Inkrafttreten der Vereinbarung. Das kann ein Zeitpunkt nach Abschluss oder auch ein Zeitpunkt vor dem
Abschluss sein. Das Argument dafür folgt aus § 75 Abs 2 Satz 3 SGB XII, der ein Zurückwirken des Vereinbarens
von Vergütungen untersagt. Dieses Rückwirkungsverbot wäre überflüssig, wenn die Unzulässigkeit von rückwirkenden
Vereinbarungen sich bereits aus der Grundregel von § 77 Abs 2 Satz 1 SGB XII ergeben würde. Die Vertragspartner
sind mithin berechtigt, für das Inkrafttreten der Vereinbarungen einen Zeitpunkt zu bestimmten, der vor dem Zeitpunkt
des Abschlusses der Vereinbarungen liegt (Neumann, Rechtsfolgen der Kündigung einer Leistungsvereinbarung im
Sozialhilferecht, aaO, Seite 41).
Mithin können nachträglich für die hier noch vertragslosen Zeiten – eben nach den Grundsätzen der Prospektivität –
Vereinbarungen noch abgeschlossen werden.
Bestätigend kann das Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 19/00 R – (BSGE
87, 199) herangezogen werden. Dieses hat für eine vergleichbare Fallgestaltung im Rahmen der Pflegeversicherung
ausgesprochen, dass das gesetzliche Verbot rückwirkender Vergütungsvereinbarungen die Schiedsstelle nicht
hindert, im Schiedsspruch als Zeitpunkt seines Wirksamwerdens den Antragseingang bei der Schiedsstelle
festzusetzen. Zur Begründung hat das BSG hierzu Folgendes ausgeführt:
"Aus dem Verbot einer rückwirkenden Vereinbarung der Pflegesätze durch die Parteien folgt nicht zwingend, dass
dies auch für den Schiedsspruch gilt. Allerdings erklärt § 85 Abs 6 Satz 2 SGB XI ein rückwirkendes Inkrafttreten von
Pflegesätzen ohne Einschränkung für unzulässig, kann nach dem Wortlaut also auch auf
Schiedsstellenentscheidungen bezogen werden, die in den voranstehenden Satz 1 gleichrangig neben den
Pflegesatzvereinbarungen aufgeführt werden. Das Rückwirkungsverbot will aber nur verhindern, dass wie nach dem
früheren Recht die Pflegesätze nach den entstandenen Kosten errechnet werden; stattdessen sollen die Pflegesätze
prospektiv ermittelt werden. Daraus folgt nicht, dass im Streitfall die Schiedsstelle gehindert wäre, als Zeitpunkt des
Wirksamwerdens des Schiedsspruchs den Antragseingang festzusetzen. Nur wenn diese Möglichkeit besteht, kann
auch hinreichender Rechtsschutz für den Fall gewährt werden, dass eine Partei den Erlass eines Schiedsspruchs
hinauszögert, um die Fortgeltung der laufenden Verträge bis dahin auszunutzen."
Diese Ausführungen bestätigen die Ansicht des Senats, dass für die Vereinbarungen nach § 75 Abs 3 SGB XII unter
dem Gesichtspunkt der in Artikel 19 Abs 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) verankerten Rechtschutzgarantie ein
nachträglicher Abschluss bzw Festsetzung der Vereinbarungen möglich sein muss (vgl Huber in v. Mangoldt / Klein /
Starck, Kommentar zum GG, 5. Auflage 2005, Art 19 Rdnr 336). Denn Rechte sind erst dann effektiv, wenn sie im
Konfliktfall durchgesetzt werden können. Die Rechtsschutzgarantie ist deshalb maßgebliches Instrument, um dem
Bürger im Verhältnis zur öffentlichen Gewalt einen substantiellen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche
Kontrolle zu vermitteln. Ohne wirksame gerichtliche Kontrolle entstünde ein Rechtsschutzdefizit, welches mit der
Rechtsschutzgarantie des Art 19 Abs 4 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren wäre. Daher muss auch unter Geltung des
Grundsatzes der Prospektivität der nachträgliche Abschluss von Vereinbarungen möglich sein. Ohne diese
Möglichkeit bestünde die Gefahr, dass für lange Zeiten vereinbarungsungebundene Einrichtungen entstehen. Das gilt
sowohl für die Vergütungsvereinbarungen als auch für die Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen.
2.5. Schließlich kann der geltend gemachte höhere Anspruch auf Sozialhilfe zum gegenwärtigen Stand nicht auf die
Vereinbarung des – höheren – Entgelts im Heimvertrag gestützt werden. Nach § 5 Abs 6 Heimgesetz müssen die
jeweiligen Entgelte den aufgrund SGB XII getroffenen Vereinbarungen entsprechen. Zwar existieren derzeit keine
"endgültigen" Vereinbarungen nach dem SGB XII. Doch führt dies nicht zu einer Sozialhilfegewährung im Umfang des
im Heimvertrag vereinbarten Entgeltes. Wäre dies der Fall, würden die gesetzgeberischen Zielvorstellungen über die
Verknüpfung des Heimentgelts mit den Vereinbarungen des § 75 SGB XII unterlaufen. Solange keine endgültigen
Vereinbarungen bestehen, richtet sich das Heimentgelt entsprechend den obigen Ausführungen nach der "vorläufigen"
Vereinbarung oder Festsetzung, so wie es hier geschieht.
Erst wenn ein Abschluss von Vereinbarungen endgültig ausscheiden sollte, müsste geprüft werden, ob das
vereinbarte Heimentgelt aus Mitteln der Sozialhilfe zu übernehmen ist. Allerdings müssten hierbei die Grundsätze der
Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden, wie sie auch Grundlage der nach § 75
SGB XII abzuschließenden Vereinbarungen sein sollen. Andernfalls hätte es der Heimträger in der Hand,
unwirtschaftliche Preise zu Lasten der Sozialhilfe durchzusetzen.
Mit anderen Worten: Erst wenn ein Vereinbarungsabschluss tatsächlich und rechtlich ausscheidet, müsste in den
Verfahren der Heimbewohner geprüft werden, welches die den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und
Leistungsfähigkeit entsprechende tägliche Vergütung ist. Da diese Fallgestaltung hier – wie oben dargelegt – nicht
vorliegt, ergibt sich aus dem Heimvertrag für den Kläger keine günstigere Annahme. Daraus folgt, dass eine
Vergütung in endgültiger Höhe vom Kläger derzeit mit Erfolg nicht verlangt werden kann. Solange für die fragliche Zeit
Vereinbarungen noch möglich sind, steht die Vergütung in endgültiger Höhe erst fest, wenn die Vereinbarungen
bindend geworden sind. Im Übrigen hat die Beklagte erklärt, dass die endgültig festgesetzten Entgelte bzw
Vergütungen übernommen werden, soweit sie oberhalb der bislang geleisteten Zahlungen liegen. 3. Aus den
dargelegten Gründen hat der Kläger auch keinen Anspruch auf eine höhere Vorschusszahlung als von der Beklagten
erbracht. Diese hat die zuletzt für das Jahr 2003 vom OVG Lüneburg festgesetzte Abschlagszahlung in Höhe von
107,26 EUR täglich auch für die Folgejahre übernommen. Mangels andere Anhaltspunkte ist diese
Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden, zumal in den Folgejahren seitens des Klinikums I. keine Versuche
mehr unternommen worden sind, eine Erhöhung der Vergütung zu erreichen. Erst für 2007 ist ein entsprechender
Antrag auf Zahlung eines erhöhten vorläufigen Abschlags von täglich 109,45 EUR gestellt worden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
5. Gerichtskosten werden in Sozialhilfeverfahren dieser Art nicht erhoben.
6. Der Senat hat die Revision gemäß § 160 SGG zugelassen, weil er der Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst,
ob ein rückwirkender Abschluss von Vereinbarungen im Sinne von § 75 Abs 3 SGB XII möglich ist.