Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 05.11.2002

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschluss vom 05.11.2002 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hildesheim S 11 U 119/01
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 3/9 U 442/01
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der 1927 geborene Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung eines Unfallereignisses vom 16. Mai 1997.
Der Kläger wollte im Garten seines Wohnhauses einen Freisitz errichten. Für dessen Konstruktion benötigte er den
maßgenauen Zuschnitt von in seinem Eigentum stehenden Kanthölzern. Zu diesem Zweck begaben er und sein Sohn
sich mit den Hölzern auf das Betriebsgelände des Sägewerkes C. in D ... Dieses Unternehmen ist Mitglied der
Beklagten. Ein Mitarbeiter des Unternehmens übernahm den Zuschnitt der Kanthölzer und bat dabei den Kläger und
seinen Sohn, ihm durch Festhalten der Kanthölzer zu helfen. Bei Ausführung dieser Hilfstätigkeit geriet der Kläger mit
der rechten Hand in die Maschine und erlitt eine Amputationsverletzung im Bereich des Mittelfingers.
Den Antrag des Klägers auf Entschädigung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall lehnte die Beklagte mit Bescheid
vom 15. Mai 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2001 mit der Begründung ab, dass die
Handlungstendenz des Klägers nicht fremdwirtschaftlich auf die Belange der Fa. E. gerichtet gewesen sei. Vielmehr
habe für den Kläger im Vordergrund gestanden, dass die Fa. E. aus Gefälligkeit bereit gewesen sei, die ihm
gehörenden Kanthölzer zu schneiden, damit er im Garten seines Wohnhauses den Freisitz errichten konnte. Der
Kläger habe bei der unfallbringenden Tätigkeit eigene wirtschaftliche Zwecke verfolgt und keine der Fa. E. dienende
Tätigkeit verrichtet.
Zur Begründung der am 13. Juli 2001 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass er mit der Fa. E. einen
entgeltlichen Werkvertrag abgeschlossen habe. Das Unternehmen habe lediglich nach dem Unfall von einer
Geltendmachung der Werklohnforderung abgesehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei er daher zum
Unfallzeitpunkt nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Buch VII Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII)
versichert gewesen. Die Hilfstätigkeit habe er nicht aus Eigeninitiative erbracht. Vielmehr habe ihn der Mitarbeiter der
Fa. E. ausdrücklich angewiesen, weil die Arbeit nicht durch ihn allein durchgeführt werden konnte und ein weiterer
Mitarbeiter der Fa. E. seinerzeit nicht zur Verfügung gestanden habe. Damit sei er in den Arbeitsprozess der Fa. E.
eingegliedert und für diese wie ein Beschäftigter tätig geworden.
Mit Urteil vom 29. Oktober 2001, dem Kläger zugestellt am 07. November 2001, hat das Sozialgericht die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Der Kläger habe den Unfallbetrieb ausschließlich mit
der Zielrichtung aufgesucht, die von ihm mitgebrachten Hölzer für die Errichtung eines privaten Freisitzes in seinem
eigenen Garten nach Maß schneiden zu lassen. Damit liege keine uneigennützige Eingliederung in den Betrieb des
Sägewerkes vor, sondern ein vorwiegend im eigenen Interesse begründetes Handeln. Ein Versicherungsschutz nach §
2 Abs. 2 SBG VII "wie” ein Beschäftigter komme bei dieser Sachlage nicht in Betracht.
Zur Begründung seiner am 03. Dezember 2001 eingelegten Berufung hebt der Kläger erneut hervor, dass er mit der
Fa. E. einen entgeltlichen Werkvertrag abgeschlossen habe. Die Unfallgefahr sei für ihn als Laien auch nicht
erkennbar gewesen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei seine zum Unfall führende
Mithilfe auch dahingehend zu werten, dass er wie ein Arbeitnehmer für die Fa. E. tätig geworden sei. Er habe nur auf
ausdrückliche Anordnung des Mitarbeiters F. des Sägewerkes mitgeholfen. Die Fa. E., die den Werkauftrag nach
Arbeitslohn habe abrechnen sollen, habe den Einsatz eines zweiten Mitarbeiters dadurch erspart, dass er und sein
Sohn mitgeholfen hätten.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. Oktober 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2001
in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2001 aufzuheben; 2. festzustellen, dass es sich bei dem
Ereignis vom 16. Mai 1997 um einen Arbeitsunfall in der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt hat, 3. die
Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, das Unfallereignis vom 16. Mai 1997 als Arbeitsunfall zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und legt im Einzelnen dar, dass nach der Rechtsprechung des BSG die Mithilfe
des Klägers nicht als die eines im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII wie ein Versicherter Tätigwerdenden gewertet
werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
II.
Über die vorliegende Berufung entscheidet der Senat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne
mündliche Verhandlung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da er die Berufung einstimmig für
unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Der Kläger stand bei der zum Unfall führenden Mithilfe beim Sägen der ihm
gehörenden Kanthölzer nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Kläger hatte mit dem
Mitgliedsunternehmen der Beklagten, der Fa. C., keinen Arbeitsvertrag abgeschlossen, er war bei diesem
Unternehmen auch sonst nicht im Sinne des § 2 Abs. 1 Ziff. 1 SGB VII beschäftigt. Ebenso wenig vermag der Senat
festzustellen, dass er im Unfallzeitpunkt wie ein nach § 2 Abs. 1 Ziff. 1 SGB VII Versicherter tätig geworden ist und
damit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII versichert war. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Satz 1
SGB VII, der mit Wirkung vom 01. Januar 1997 an an die Stelle der Vorgängervorschrift des § 539 Abs. 2
Reichsversicherungsordnung (RVO) getreten ist, liegen im vorliegenden Fall nicht vor.
Eine Person wird wie ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII Versicherter tätig, wenn sie – auch nur vorübergehend – eine
ernstliche, dem Mitgliedsunternehmen dienende, dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers
entsprechende wirtschaftlich als Arbeit zu wertende Tätigkeit verrichtet, die – ungeachtet des Beweggrundes des
Tätigwerdens – ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, die in einem dem Erwerbsleben
zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis steht, so dass durch sie ein innerer Zusammenhang mit dem unterstützten
Unternehmen hergestellt wird. Ein persönliches oder wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis des Tätigwerdenden
zum Unternehmer braucht nicht vorzuliegen. Vorausgesetzt wird eine Arbeit, die ihrer Art nach sonst von Personen
verrichtet werden könnte, die zu dem Unternehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit stehen, und
erfordert Umstände, die die Arbeit derjenigen auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich erscheinen lassen
(vgl. BSG, Urteil vom 24. März 1998 – B 2 U 21/97 R – m.w.N.).
Bei der Mithilfe des Klägers beim Zusägen der Kanthölzer handelte es sich zwar um eine ernstliche, wirtschaftlich als
Arbeit zu wertende Tätigkeit, die auch ihrer Art nach sonst im Rahmen eines dem allgemeinen Arbeitsmarkt
zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnisses verrichtet werden könnte. Es lässt sich aber bereits nicht feststellen,
dass sie auch dem Sägewerksunternehmen diente. Der Kläger trägt selbst vor, dass die Arbeiten nach Stundenlohn
abgerechnet werden sollten. Hätten der Kläger und sein Sohn nicht mitgeholfen, dann hätte an ihrer Stelle ein weiterer
Mitarbeiter der Fa. E. tätig werden müssen. Dessen Einsatz hätte aber unter Zugrundelegung des Vortrages des
Klägers den Werklohnanspruch der Fa. E. und damit deren Verdienst erhöht. Jedenfalls scheitert aber der
Versicherungsschutz daran, dass der Kläger durch seine Mitarbeit beim Zusägen der Kanthölzer ein Geschäft besorgt
hat, das in seinen Bereich gehörte und seinem Unternehmen der Errichtung des privat benötigten Freisitzes diente.
Der Kläger war damit als Unternehmer tätig. Zwar kann auch ein Unternehmer nach der Rechtsprechung des BSG wie
ein Arbeitnehmer tätig werden. Dies ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Unternehmer im Rahmen seines eigenen
Unternehmens handelt, d. h. für sein eigenes Unternehmen Tätigkeiten verrichtet, die zum Aufgabenkreis seines
Unternehmens gehören. Verrichtet ein Unternehmer für sein eigenes Unternehmen Tätigkeiten, die zum Aufgabenkreis
seines Unternehmens gehören, so wird er auch dann ausschließlich als Unternehmer seines eigenen Unternehmens
tätig, wenn seine Tätigkeit zugleich den Zwecken eines anderen Unternehmens dient (ständige Rechtsprechung, vgl.
BSG, Urteil vom 28. Juni 1984 – 2 RU 63/83 – E 57, 91; Urteil vom 10. März 1994 - 2 RU 20/93 – SozR 3-2200 § 539
RVO Nr. 28 und das bereits zitierte Urteil vom 24. März 1998). Dabei ist der Begriff des Unternehmers in diesem
Zusammenhang nicht im betriebswirtschaftlichen Sinn zu verstehen. Auch die Verfolgung privater Interessen, wie
etwa die Führung eines privaten Haushaltes (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1984, a.a.O.) ist als Unternehmen in
diesem Sinn zu werten.
Da der Kläger bei der zum Unfall führenden Mithilfe im Rahmen seines eigenen auf die Errichtung des privat
erwünschten Freisitzes gerichteten Unternehmens handelte, ist von vornherein für die Annahme eines
Versicherungsschutzes nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII kein Raum. Dementsprechend vermag der Kläger auch nicht
mit seiner - ohnehin nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iS des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG gerichteten -
Feststellungsbegehrens nicht durchzudringen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht
gegeben.