Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 23.10.2012

LSG Niedersachsen: aufenthalt, säugling, stadt, gemeinsame elterliche sorge, geburt, duldung, verzinsung, sozialhilfe, niedersachsen, asylbewerber

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Zum Kostenerstattungsanspruch eines Krankenhauses
gegen den Träger von Leistungen nach dem AsylbLG
Ein Krankenhaus kann als Nothelfer gegen den Leistungsträger nach dem
AsylbLG wegen für einen Säugling erbrachter Geburtshilfeleistungen einen
Leistungsanspruch analog § 25 SGB XII haben.
SG Hildesheim 42. Kammer, Urteil vom 23.10.2012, S 42 AY 127/08
§ 1 Abs 1 Nr 6 AsylbLG, § 25 SGB 12
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides der Stadt H. vom 17. März
2008 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2008
verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 832,61 € zur Erstattung der Kosten
der am 5. Januar 2008 von ihr geleisteten Geburtshilfe für den Säugling I. zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu
erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung zwischen den Beteiligten nicht
statt.
Tatbestand
Die Klägerin, u.a. Trägerin eines im Landkreis des Beklagten gelegenen
Krankenhauses mit Geburtshilfeabteilung, begehrt als Nothelferin von dem
Beklagten, hilfsweise dem Beigeladenen als zuständigem Träger nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) die Übernahme der Kosten für
Geburtshilfeleistungen anlässlich der Entbindung eines
Asylbewerberleistungsberechtigten.
Am Samstag, dem 5. Januar 2008, um 20:20 Uhr ließ die Klägerin in ihr
Krankenhaus in H. die aus dem Kosovo stammende serbisch-montenegrinische
Staatsangehörige J. wegen deren unmittelbar bevorstehender Entbindung
aufnehmen. Etwa 1 ½ Stunden nach der Aufnahme gebar Frau K. den Säugling
I., ebenfalls serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger. Die Entlassung von
Frau K. und ihrem Säugling erfolgte am darauffolgenden Montag, dem 7. Januar
2008 um 11:48 Uhr. Für die erbrachten Geburtshilfeleistungen berechnete die
Klägerin nach den für gesetzlich Krankenversicherte geltenden Sätzen 832,61
€. Wegen der Einzelheiten der berechneten Pauschalen wird auf die
Schlussrechnung vom 7./18. Januar 2008 (vgl. Bl.5 f. der Gerichtsakte, GA)
verwiesen.
Die Übernahme dieser Kosten beantragte die Klägerin unter dem 7. Januar
2008 zunächst bei dem für den Beklagten handelnden Sozialamt der Stadt H.
(Eingang am 7. Januar 2008, vgl. Bl. II 33 der Leistungsakten des Beklagten,
LA), wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Beklagten und dem
Beigeladenen betreffend ihre Zuständigkeit darüber hinaus unter dem 7. Januar
2008 bei Letztgenanntem (Eingang am 17. Januar 2008, vgl. Bl. 82 f. LA des
Beigeladenen).
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Dem Streit zwischen dem Beklagten und dem Beigeladenen um die örtliche
Zuständigkeit für die Erbringung von Leistungen nach dem AsylbLG für den
Säugling I. liegt folgende ausländer- und leistungsrechtliche Historie zugrunde:
Der Vater des Säuglings, Herr L., ist serbisch-montenegrinischer
Staatsangehöriger. Nach der Geburt erkannte er die Vaterschaft für den
Säugling an; ihm wurde die gemeinsame elterliche Sorge zuerkannt. Als
rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber wurde er zum Zeitpunkt der Geburt von
dem Beklagten mit einer die Stadt H. betreffenden Wohnsitzauflage geduldet.
Bei ihm lebten zu diesem Zeitpunkt zwei Geschwister des Säuglings; er bezog
für sich und diese beiden Kinder vom Beklagten sog. Analog-Leistungen gem. §
2 Abs. 1 AsylbLG (vgl. Bescheid vom 19. November 2007, Bl. II 19 ff. LA).
Die Mutter des Säuglings, Frau J., war zum Zeitpunkt der Geburt als rechtskräftig
abgelehnte Asylbewerberin in den Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen –
Landkreis M. – verteilt und wurde von diesem seit dem 18. Juni 2003 mit
zeitlichen Unterbrechungen geduldet; die Duldungen enthielten jeweils eine den
Ort N. betreffende Wohnsitzauflage. Die Mutter und ein weiteres
Geschwisterkind des Säuglings lebten zeitweise in O. in einer
Gemeinschaftsunterkunft. Sie bezogen dort vom Beigeladenen Grundleistungen
gem. § 3 AsylbLG. Seit August 2003 hielten sich beide aufgrund von
unregelmäßig erteilten Besuchserlaubnissen jedoch – zuletzt überwiegend – in
H. bei dem Vater des Säuglings auf. Für den Zeitraum der Entbindung war der
Mutter unter dem 2. Januar 2008 vom Beigeladenen eine bis zum 13. Januar
2008 gültige Besuchserlaubnis erteilt worden. Allerdings hatte es die Mutter
versäumt, für diesen Zeitraum ihre zuvor am 30. September 2007 abgelaufene
Duldung vom Beigeladenen verlängern zu lassen. Erst ab dem 11. Januar 2008
war sie im Besitz einer vom Beigeladenen bis zum 31. März 2008 ausgestellten
Duldung. Ab dem 22. September 2008 wurde sie aufgrund eines vor dem
Verwaltungsgericht Göttingen erfolgreichen Umverteilungsantrages vom
Beklagten in dessen Zuständigkeitsbereich geduldet.
Der Säugling I. wurde nach seiner Geburt vom Beigeladenen zunächst
landesintern der Gemeinschaftsunterkunft in P. zugewiesen (vgl. Bescheid des
Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 26. Februar 2008). Diese Entscheidung
wurde kurz darauf revidiert (Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom
29. April 2008). Erst nach Umverteilung seiner Mutter leitete der Beklagte für ihn
am 25. September 2008 ein Asylverfahren gem. § 14a AsylVfG ein, in dessen
Folge dem Säugling eine Aufenthaltsgestattung mit räumlicher Beschränkung
auf das Gebiet des Beklagten und Wohnsitzauflage für die Stadt H. erteilt wurde.
Nach negativem Abschluss des Asylverfahrens wurde der Säugling seit dem 7.
April 2009 vom beklagten geduldet. Die Duldung wurde mit einer die Stadt H.
betreffenden Wohnsitzauflage versehen.
Den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme vom 7. Januar 2008 lehnte die
Namens und im Auftrag des Beklagten handelnde Stadt H. mit Telefax vom 9.
Januar 2008 mit der Begründung ab, sie sei für Krankenhilfeleistungen in Bezug
auf den Säugling I. nicht zuständig (Bl. II 34 LA).
Nachdem der Beigeladene die auf die Mutter entfallenden Kosten der
Geburtshilfeleistungen der Klägerin i.H.v. 1.655,20 € im Wege der Krankenhilfe
gem. § 4 AsylbLG übernommen hatte (vgl. Bl. 77 f., 81 LA Beigel.), lehnte er den
Antrag der Klägerin vom 7. Januar 2008 auf Kostenübernahme bezüglich des
Säuglings mit Schreiben vom 28. Januar 2008 (Bl. 82 LA Beigel.) ab. Die
Klägerin solle sich diesbezüglich an den Beklagten wenden, da dieser bereits
dem Vater und 2 Geschwisterkindern Sozialleistungen gewähre.
Dem folgend wandte sich die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 12.
Februar 2008 (Bl. II 76 LA) erneut an die Stadt H. und begründete ihr
Kostenübernahmebegehren mit der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten für
Asylbewerberleistungen zugunsten des Säuglings. Dessen Mutter habe ihren
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gewöhnlichen Aufenthalt in H., weil der Vater und die beiden Geschwister des
Säuglings dort lebten und sie sich deshalb dort überwiegend aufhalte. Sie habe
in dem Krankenhaus der Klägerin in H. auch ihre anderen 3 Kinder entbunden.
Mit weiterem anwaltlichen Schreiben vom 13. Februar 2008 (Bl. 85 LA Beigel.)
trat die Klägerin erneut an den Beigeladenen heran und verwies auf dessen
örtliche Zuständigkeit für Asylbewerberleistungen zugunsten des Säuglings mit
der Begründung, dessen Mutter sei ihm ausländerrechtlich zugewiesen. Diese
habe deshalb im Landkreis M. ihren gewöhnlichen Aufenthalt.
Dementsprechend habe der Beigeladene auch die auf die Mutter entfallenden
Kosten der Geburtshilfeleistungen übernommen.
Mit Bescheid vom 17. März 2008 (Bl. II 108 ff. LA) lehnte die Stadt H. den Antrag
der Klägerin auf Kostenübernahme ab. Zur Begründung verwies sie auf die
fehlende örtliche Zuständigkeit des Beklagten für Asylbewerberleistungen
zugunsten des Säuglings. Diese knüpfe an den gewöhnlichen Aufenthalt des
Säuglings an, für den wiederum der gewöhnliche Aufenthalt seiner Mutter
maßgeblich sei. Dessen Mutter habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Bereich
der Beigeladenen. Sie werde vom Beigeladenen geduldet. Wegen der weiteren
Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid verwiesen.
Hiergegen legte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 28. März 2008 (Bl.
II 110 LA) Widerspruch ein, den sie unter dem 2. April 2008 dahingehend
begründete, die Mutter des Säuglings habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt in H.,
da diese sich seit Jahren dort aufhalte. Die Mutter habe dort bereits mehrfach
entbunden.
Mit Schreiben vom 10. April 2008 (Bl. 88 LA Beigel.) erklärte der Beigeladene
gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die geltend gemachten
Kosten könnten aufgrund der zwischenzeitlich durch das RP Karlsruhe am 26.
Februar 2008 verfügten landesinternen Erstverteilung des Säuglings gem. §§ 3
f. FlüAG BW nunmehr übernommen werden. Die betreffende Schlussrechnung
solle hierfür erneut eingereicht werden. Dem kamen die
Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 14. April 2008 (Bl. 89 LA Beigel.)
nach.
Mit weiterem Schreiben vom 23. April 2008 (Bl. 91 LA Beigel.) teilte der
Beigeladene der Klägerin mit, er habe durch die zuständige Ausländerbehörde
zwischenzeitlich neue Erkenntnisse gewonnen. Der Säugling habe sich bis dato
zu keinem Zeitpunkt in seinem Zuständigkeitsbereich aufgehalten; er sei
vielmehr in H. angemeldet worden. Die Klägerin habe sich dementsprechend an
den örtlich zuständigen Beklagten hinsichtlich der Kostenübernahme zu
wenden. Das Schreiben schließt mit folgender Formulierung: „Unser Schreiben
vom 10.04.2008, in dem die Kostenübernahme zugesichert wird, ist somit
gegenstandslos."
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2008 (Bl. II 157 ff. und Bl. III 70 ff. LA)
wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 28. März 2008 als
unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte und vertiefte der Beklagte die
bereits von der Stadt H. vorgebrachten Argumente zur Zuständigkeit des
Beigeladenen und hob hierbei noch hervor, dass für die Mutter des Säuglings
eine den Landkreis M. betreffende Zuweisungsentscheidung nach wie vor
bestehe, aus der gem. § 10a Abs. 1 Satz 1 AsylbLG die örtliche Zuständigkeit
des Beigeladenen folge.
Hiergegen hat die Klägerin am 30. Juni 2008 Klage mit der Begründung
erhoben, die Mutter des Säuglings habe seit Jahren ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in H.. Der Beklagte sei deshalb für die begehrte Kostenerstattung
örtlich zuständig. Der Anspruch auf Kostenerstattung folge aus einer
entsprechenden Anwendung des § 25 SGB XII. Der Beklagte habe insoweit in
der Vergangenheit die von ihr als Nothelferin gegenüber
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Asylbewerberleistungsberechtigten erbrachten Krankenhilfeleistungen stets
vergütet und damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der einer
vertraglichen Beziehung gleichkomme. Ihr sei es nicht zumutbar, insbesondere
in akuten Notfällen vor Aufnahme der ärztlichen Behandlung zunächst die
Zuständigkeit des betreffenden Leistungsträgers nach dem AsylbLG zu ermitteln
und dabei eine asylverfahrens- oder ausländerrechtliche Zuweisungslage zu
prüfen. Dessen ungeachtet war der Säugling am Tage seiner Geburt und damit
zum Zeitpunkt der Erbringung der abgerechneten Geburtshilfeleistungen weder
beim Beklagten noch beim Beigeladenen ausländer- und leistungsbehördlich
erfasst. Ihrer Pflicht zur unverzüglichen Information des zuständigen
Leistungsträgers sei sie am ersten Werktag nach der Geburt, am Montag, dem
7. Januar 2008, durch Übermittelung des Kostenübernahmeantrags
nachgekommen. Dass es sich bei den erbrachten Geburtshilfeleistungen um
unaufschiebbare ärztliche Maßnahmen handelte, ergebe sich aus dem Ablauf
des Geburtsgeschehens. Die Mutter sei am Samstag, dem 5. Januar 2008, um
19:07 Uhr im Krankenhaus aufgenommen worden. Nur 73 Minuten später (20:20
Uhr) sei der Säugling geboren worden. Dementsprechend bestand faktisch
keine Möglichkeit, sich vor Aufnahme der Mutter vom Beklagten oder
Beigeladenen eine Kostenübernahme zusichern zu lassen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Stadt H. vom 17. März 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 23. Juni 2008
aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie 832,61 Euro nebst
5 Prozentpunkten Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
hilfsweise,
den Beigeladenen zu verurteilen, an sie 832,61 Euro nebst 5
Prozentpunkten Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und ergänzt, die
Mutter des Säuglings habe sich zum Zeitpunkt der Geburt widerrechtlich in H.
aufgehalten. Sie habe deshalb zu diesem Zeitpunkt allenfalls Anspruch auf
Leistungen gem. § 11 Abs. 2 AsylbLG gehabt. Dieser umfasse keine
Krankenhauskosten. Daneben gibt er zu bedenken, es fehle an der
Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens. Auch sei ein vorheriger Antrag
der Klägerin nicht ersichtlich. Zwar werde der Klägerin angesichts der von ihr
geschilderten Umstände der Entbindung das Vorliegen eines medizinischen
Notfalles zugestanden. Gleichwohl sei die von ihr bemühte Anspruchsgrundlage
des § 25 SGB XII im Asylbewerberleistungsrecht nicht analog anwendbar.
Der mit Beschluss der Kammer vom 3. Mai 2011 Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, die örtliche Zuständigkeit des Beklagten für die
Übernahme der von der Klägerin geltend gemachten Kosten ergebe sich aus §
10a Abs. 2 AsylbLG. Die Mutter des Säuglings habe sich seit Jahren in H. bei
dem Vater und den beiden anderen Geschwistern aufgehalten und deshalb dort
ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Für diese Aufenthalte habe die
Ausländerbehörde des Landratsamtes M. auf entsprechenden Antrag der Mutter
Besuchserlaubnisse ausgestellt. Der Aufenthalt in H. sei deshalb - jedenfalls
zum Zeitpunkt der Entbindung - nicht rechtswidrig gewesen. Dagegen habe sich
der Säugling bis heute nicht in Baden-Württemberg aufgehalten. Gemäß § 10a
Abs. 3 Satz 5 AsylbLG knüpfe sein gewöhnlicher Aufenthalt an den seiner
Mutter an. Die vom Beklagten bemühte asylverfahrensrechtliche
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Zuweisungsentscheidung betreffend die Mutter habe sich nach rechtskräftigem
Abschluss deren Asylverfahrens erledigt.
Auch der Beigeladene gesteht der Klägerin einen medizinischen Notfall zu, der
die vorherige Einholung einer Zusicherung zur Kostenübernahme unmöglich
gemacht habe. Allerdings habe die Klägerin mit ihrem erst am 17. Januar 2008
eingegangenem Antrag auf Kostenübernahme ihrer Verpflichtung als Nothelferin
zur unverzüglichen Unterrichtung nicht genügt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakte und die beigezogene Gerichtsakte des erledigten Verfahrens S 42
AY 77/06 (dortiger Streitgegenstand: Kostenübernahmebegehren der Klägerin
hinsichtlich der Geburtshilfeleistungen für eine Schwester der Mutter, Frau Q.,
und deren Säugling) sowie die im vorliegenden Verfahren beigezogenen
Verwaltungsakten des Beklagten (3 Bände Leistungsakten sowie 5 Heftungen
Ausländerakten des Vaters, der Mutter und des Säuglings) und des
Beigeladenen (3 Heftungen Leistungsakten) Bezug genommen, die vorgelegen
haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die gegen den Beklagten gerichtete Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage zulässig. Der die Zulässigkeit der Klage betreffende Einwand
des Beklagten, es fehle an einer vorherigen Antragstellung und an der
Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens geht fehl. Die Klägerin hat am 7.
Januar 2008 bei der Stadt H. einen Antrag auf Kostenübernahme gestellt. Das
erforderliche Vorverfahren ist durchgeführt und mit Widerspruchsbescheid des
Beklagten vom 23. Juni 2008 abgeschlossen worden.
I. Die gegen den Beklagten gerichtete Klage (Hauptantrag) ist mit Ausnahme
des klägerischen Begehrens auf Verzinsung auch begründet, denn die Klägerin
hat als Nothelferin in entsprechender Anwendung des § 25 SGB XII einen
Anspruch auf Kostenerstattung bezüglich der von ihr zugunsten des Säuglings I.
erbrachten Geburtshilfeleistungen. Der angefochtene Ablehnungsbescheid der
Stadt H. vom 17. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des
Beklagten vom 23. Juni 2008 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in
ihren Rechten. Er unterliegt deshalb der Aufhebung durch die Kammer, § 54
Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 SGG. Da die Klägerin mit ihrem Hauptantrag -
abgesehen von der Nebenforderung - Erfolg hat, brauchte die Kammer über das
hilfsweise zur gerichtlichen Prüfung gestellte, gegen den Beigeladenen
gerichtete Klagebegehren nicht zu entscheiden.
Gemäß § 25 SGB XII sind jemandem, der in einem Eilfall einem anderen
Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu
erbringen gewesen wären, die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu
erstatten, wenn er sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu
tragen hat. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur, wenn die Erstattung innerhalb
angemessener Frist beim zuständigen Träger der Sozialhilfe beantragt wird.
(1) Die Klägerin hat vorliegend zugunsten des Säuglings I.
Geburtshilfeleistungen erbracht. Der Säugling war zum Zeitpunkt seiner Geburt
als Familienangehöriger gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 AsylbLG leistungsberechtigt,
denn seine Mutter unterstand trotz vorher abgelaufener Duldung gemäß § 1
Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG und sein Vater gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG dem
Leistungsregime des AsylbLG (zur Leistungsberechtigung eines Neugeborenen
gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 bis zur Ablehnung seines Asylantrages nach § 14a
AsylVfG bzw. bis zur Duldung durch die ABH vgl. Frerichs in: juris-
Praxiskommentar zum SGB XII, § 1 AsylbLG Rn. 121 f.; zur örtlichen
Zuständigkeit der ABH des tatsächlichen Aufenthaltsortes des Neugeborenen
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gem. § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG vgl. Beschluss der Kammer vom 3.
September 2012 - S 42 AY 13/09 -, zit. nach juris LS 1 und Rn. 5 f.). Eine direkte
Anwendung des § 25 SGB XII scheidet damit aus.
(2) Die von der Klägerin herangezogene Anspruchsgrundlage des § 25 SGB XII
findet im Asylbewerberleistungsrecht analoge Anwendung. Die erkennende
Kammer schließt sich insoweit der jüngeren Rechtsprechung der
Landessozialgerichte Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 12. Dezember 2011 - L
20 AY 4/11 -, zit. nach juris Rn. 53 m.w.N.; die Revision hierzu ist beim BSG - B 7
AY 2/12 R - anhängig) und Hamburg (Urteil vom 21. Juni 2012 - L 4 AY 4/11 -,
zit. nach juris Rn. 23 m.w.N.) an und verweist hierauf. Das LSG Hamburg hat
dort zusammenfassend ausgeführt:
„Da das AsylbLG jedoch keine dem § 25 SGB XII vergleichbare Regelung kennt,
findet in diesen Fällen eine analoge Anwendung des § 25 SGB XII statt. Auch
wenn die Vorschrift ausdrücklich auf Sozialhilfe beschränkt ist, die für
Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG gemäß § 23 Abs. 2 SGB XII
ausgeschlossen ist, so dürfen Tatbestand und Rechtsfolgen auf das Sachgebiet
des AsylbLG ausgedehnt werden, weil der Normzweck einer auch für das
AsylbLG festzustellenden gleichartigen Interessenlage entspricht. Es erscheint
eine analoge Anwendung des § 25 SGB XII im Asylbewerberleistungsrecht
geboten, damit dem Nothelfer auch in diesem Leistungsbereich ein öffentlich-
rechtlicher Aufwendungserstattungsanspruch gegen den für den Hilfefall
zuständigen öffentlichen Leistungsträger eingeräumt wird. Für die Annahme,
dass im Asylbewerberleistungsgesetz Ansprüche des Nothelfers
ausgeschlossen sein sollten, finden sich im Gesetz keine Anhaltspunkte. Das
Asylbewerberleistungsgesetz verfolgt allein den Zweck, durch
Leistungseinschränkungen gegenüber dem Sozialhilferecht den Anreiz für
Ausländer zu verringern, aus wirtschaftlichen Gründen als Asylbewerber nach
Deutschland zu kommen. Daher liegt eine offene, dem Plan des Gesetzes
widersprechende Regelungslücke vor, die durch eine analoge Anwendung des
§ 25 SGB XII zu schließen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom
12.12.2011 - L 20 AY 4/11; SG Gelsenkirchen, Urt. v. 29.5.2006 - S 2 AY 20/05;
und zur Vorgängervorschrift des § 121 Bundesozialhilfegesetz (BSHG)
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 27.4.2006 - 12 BV 04. 3020; OVG
Lüneburg, Urteil vom 11.6.2003 - 4 LB 583/02 - NDV-RD 2004, 15-16; OVG
Münster, Urteil vom 5.12.2000 - 22 A 3164/99 - FEVS 53, 353-360; Wahrendorf,
in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 3. Aufl., 2010, § 4 AsylbLG Rn.
8; Schoch, in LPK SGB XII, 8. Aufl., 2008, § 25 Rn. 4).“
(3) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 SGB XII liegen hier vor.
Deren schrittweise Prüfung bedarf es im vorliegenden Fall, denn die zum
Sozialhilferecht entwickelten Grundsätze für die Entstehung eines
Nothelfererstattungsanspruchs gelten auch bei der analogen Anwendung im
Asylbewerberleistungsrecht, da sich die Rechtsmaterien insoweit nicht derart
unterscheiden, dass hier für die Annahme eines Notfalls eine andere Sichtweise
angezeigt erscheint (LSG Hamburg, a.a.O., Rn. 29).
(4) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig - der Beklagte und der Beigeladene
haben insoweit der Klägerin ausdrücklich zugestanden, sodass die Kammer
nicht weiter ermitteln brauchte -, dass die Entbindung des Säuglings I. ein Eilfall
i.S.d. § 25 Satz 1 SGB XII darstellt. Es handelte sich dabei zum einen um eine
Notfallsituation im medizinischen Sinne, denn bei Aufnahme der Mutter am
Samstag, dem 5. Januar 2008, um 19:07 Uhr stand die Entbindung, die nur 73
Minuten später (20:20 Uhr) schon vollzogen war, unmittelbar bevor. Ein
sofortiges Handeln des medizinischen Personals der Klägerin war somit
geboten. Zum anderen erfüllt der vorliegende Geschehensablauf auch die
Anforderungen an einen sozialhilferechtlichen Eilfall (vgl. dazu LSG Hamburg,
a.a.O., Rn. 26; LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 56 ff.), denn eine
rechtzeitige Hilfe des zuständigen Trägers nach dem AsylbLG war unstreitig an
jenem Samstagabend nicht zu erlangen, weil das Ereignis außerhalb der
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Dienstzeiten des Sozialamtes des Beklagten und des Beigeladenen stattfand.
Mit der Übermittelung des das Geburtsgeschehen ausreichend
dokumentierenden Kostenübernahmeantrages vom 7. Januar 2008 (Montag)
am selben Tage per Telefax an die Stadt H. hat die Klägerin - zumindest
gegenüber dem Beklagten - seiner Verpflichtung zur sofortigen
Benachrichtigung des zuständigen Leistungsträgers genügt.
(5) Daneben bestand gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG eine hypothetische
Leistungsverpflichtung des Beklagten als für den Säugling zuständigen
Leistungsträger nach dem AsylbLG. Wegen der örtlichen Zuständigkeit des
Beklagten für den Neugeborenen - soweit es nicht die Leistungen in
Einrichtungen betrifft (dazu nachstehend) - verweist die Kammer insoweit auf die
vorstehenden Ausführungen zu (1) und den dort zitierten Beschluss vom 3.
September 2012.
(6) Die Anspruchsgrundlage des § 25 SGB XII setzt weiter tatbestandlich
voraus, dass der Sozialhilfeträger beim Einsetzen der (Kranken-)hilfe noch keine
Kenntnis vom Notfall hatte (Bieback in: Grube/Wahrendorf, Kommentar zum
SGB XII, 3. Aufl., § 25 Rn. 21; Schaefer in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zum
SGB XII, 4. Aufl., § 25 Rn. 4 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 30.10.1979 -
5 C 31/78 -, BVerwGE 59, 73 ff., zur Vorgängervorschrift § 121 BSHG). Erhält
der Sozialhilfeträger von der Notlage Kenntnis, entsteht nach § 18 SGB XII ein
Sozialhilfeanspruch der in Not geratenen Person - bzw. vorliegend ein Anspruch
des LE auf Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG -; ein
Aufwendungserstattungsanspruch des Nothelfers kann dagegen nicht mehr
begründet werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.11.2007 - L 7 SO
5195/06 -, KHR 2008, 46 ff., zit. nach juris Rn. 18 m.w.N.; Bieback, a.a.O., § 25
SGB XII Rn. 22 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 02.04.1987 - 5 C 67/84 -,
BVerwGE 77, 181 ff., Leitsatz 3, zit. nach juris Rn. 19, zur Vorgängervorschrift
des § 121 BSHG). Dieser Grundsatz gilt auch in Fällen, in denen der
Sozialhilfeträger in Kenntnis der Notlage der in Not geratenen Person die Hilfe
rechtswidrig verweigert oder eine Entscheidung nicht rechtzeitig herbeiführt. Es
ist dann Sache des Leistungsberechtigten, seinen Anspruch ggf. im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes gerichtlich durchzusetzen (Bieback, a.a.O., § 25
SGB XII Rn. 23 unter Hinweis auf VGH Kassel, Urteil vom 15.12.1992 - 9 UE
1694/87 -, FEVS 44, 247 ff., zit. nach juris Rn. 24 f.).
Hier hatte weder der Beklagte noch der Beigeladene vor oder während der von
der Klägerin erbrachten Geburtshilfeleistungen Kenntnis von dem Hilfefall des
Säuglings I.. Die Kenntnis hiervon erlangten beide erst nach Entlassung des
Säuglings und seiner Mutter aus dem Krankenhaus am 7. Januar 2008.
(7) Der Säugling I. war zudem hilfebedürftig i.S.d. §§ 7 ff. AsylbLG, denn weder
er noch seine Eltern als gesetzliche Vertreter verfügten zum damaligen
Zeitpunkt über einzusetzendes Einkommen oder Vermögen. Soweit ersichtlich,
sind auch keine Dritten zur vorrangigen Hilfeleistung zugunsten der Familie
verpflichtet gewesen. Mittel der Selbsthilfe scheiden hinsichtlich der von der
Klägerin erbrachten Geburtshilfeleistungen ebenfalls aus.
(8) Es bestand auch keine rechtliche oder sittliche Verpflichtung der Klägerin, die
Geburtshilfeleistungen ihres Krankenhauses gegenüber dem Säugling
unentgeltlich zu erbringen. Eine solche Verpflichtung ist insbesondere nicht dem
Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), dem KHEntgG oder anderen damit im
Zusammenhang stehenden Vorschriften zu entnehmen. Ebenso kann - wie
auch bei "privaten" Nothelfern - aus einer möglicherweise strafrechtlichen
Relevanz einer Nichtbehandlung durch die Mitarbeiter der Klägerin (z.B. § 323c
Strafgesetzbuch) nicht gefolgert werden, dass die Tätigkeiten auch unentgeltlich
hätten erfolgen müssen. Der gesetzliche Auftrag der Krankenhäuser, wonach
Kranke aufzunehmen und zu behandeln sind, vermittelt keine rechtliche Pflicht
zur unentgeltlichen Behandlung (LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 62
m.w.N.).
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(9) Die Klägerin hat schließlich ihrer Verpflichtung gem. § 25 Satz 2 SGB XII
analog zur Beantragung der Erstattung ihrer Aufwendungen innerhalb
angemessener Frist beim zuständigen Leistungsträger genügt. Den insoweit
schon ausreichenden Kostenübernahmeantrag (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen,
a.a.O., Rn. 63 m.w.N.) hat sie - wie oben zu (4) bereits dargelegt - am ersten
Werktag der neuen Arbeitswoche dem Sozialamt der Stadt H. übermittelt; die
entsprechende Schlussrechnung vom 18. Januar 2008 mit konkreter
Bezifferung der Aufwendungen gem. KHG ist der Stadt H. zeitnah nachgereicht
worden.
(10) Die Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Kosten begegnet keinen
rechtlichen Bedenken; weder der Beklagte noch der Beigeladene haben solche
angemeldet. Gegenüber Leistungsträgern nach dem AsylbLG ist - wie hier
geschehen - nach Maßgabe des jeweiligen Fallpauschalenkatalogs gem. § 17b
KHG abzurechnen (LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 68).
(11) Der danach entstandene Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gem. §
25 SGB XII analog richtet sich gegen den Beklagten als jedenfalls nach § 10a
Abs. 2 Satz 3 AsylbLG vorläufig einstandspflichtigem Leistungsträger. Die
Zuständigkeitsregelung nach der e.g. Vorschrift geht, soweit - wie hier (dazu
nachstehend) - ihre Anwendungsvoraussetzungen vorliegen, als speziellere
Regelung der des § 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG vor (BVerwG, Beschluss vom
19. Juni 2006 - 5 B 70/05 -, zit. nach juris Rn. 3 f.). Dem Beklagten stellt die
Kammer anheim, sich diese Kosten gem. § 10b Abs. 1 AsylbLG i.V.m. § 10a
Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 AsylbLG vom endgültig einstandspflichtigen Beigeladenen
erstatten zu lassen (vgl. Groth in: juris-Praxiskommentar zum SGB XII, § 10a
AsylbLG Rn. 44).
(a) Gemäß § 10a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG hat die nach § 10a Abs. 1 AsylbLG
zuständige Behörde über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und
vorläufig einzutreten, sofern nicht spätestens innerhalb von 4 Wochen feststeht,
ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt des Begünstigten nach § 10a Abs. 2
Sätze 1 und 2 AsylbLG begründet worden ist, oder sofern ein Eilfall vorliegt.
(b) Diese Voraussetzungen sind hier zugunsten der Klägerin gegeben. Wie die
Kammer bereits oben zu (1) unter Hinweis auf ihren Beschluss vom 3.
September 2012 (a.a.O.) ausgeführt hat, war der Beklagte ab Geburt des
Säuglings I. für diesen bis zu seiner Zuweisung durch das BAMF im Rahmen
des gem. § 14a AsylVfG am 25. September 2008 eingeleiteten Asylverfahrens
gem. § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG hinsichtlich aller Leistungen außerhalb von
Einrichtungen örtlich zuständig, weil sich der Säugling nur in H. bei seinem Vater
und seiner mit Besuchserlaubnissen dort verweilenden Mutter tatsächlich
aufgehalten hat. Bis zur Einleitung des Asylverfahrens im September 2008 fehlte
es für den Säugling an einer Zuweisungsentscheidung i.S.d. § 10a Abs. 1 Satz 1
AsylbLG, sodass nur der Auffangtatbestand des § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG
hier zum Tragen kommt. Eine örtliche Zuständigkeit des Beigeladenen für
Leistungen außerhalb von Einrichtungen hinsichtlich des Säuglings lässt sich
gem. § 10a Abs. 1 AsylbLG weder nach dessen Satz 1 noch nach Satz 2
begründen.
(c) Der in den vorgelegten Leistungsakten des Beklagten und des Beigeladenen
durch zahlreichen Schriftwechsel zwischen den Beteiligten sowie die
Argumentation in den hier streitgegenständlichen Bescheiden dokumentierte
Zuständigkeitsstreit, der sich seit der Geburt des Säuglings am 5. Januar 2008
bis zum Einlenken der Ausländerbehörde des Beklagten durch Erteilung einer
Aufenthaltsgestattung und Meldung nach § 14a AsylVfG am 25. September
2008 über mehr als 9 Monate hinzog, impliziert daneben, dass innerhalb der 4-
Wochen-Frist des § 10a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG eine von den Beteiligten als
verbindlich angesehene Klärung des gewöhnlichen Aufenthalts des Säuglings
unter Berücksichtigung des § 10a Abs. 3 Satz 5 AsylbLG, wonach für dessen
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gewöhnlichen Aufenthalt derselbe seiner Mutter maßgeblich ist, nicht erreicht
wurde.
(d) Hiervon unabhängig ist zudem aufgrund der obigen Feststellungen zu (4)
von einem Eilfall i.S.d. § 10a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG auszugehen. Ein Eilfall im
Sinne dieser Vorschrift ist immer dann anzunehmen, wenn die gem. § 10a Abs.
2 Satz 1 AsylbLG eigentlich zuständige Behörde zur sofortigen Leistung außer
Stande ist und die Gewährung der vom Betroffenen benötigten
Asylbewerberleistung bei objektiver Betrachtung keinen Aufschub duldet, aber
auch dann, wenn ein Kompetenzkonflikt besteht, dessen Klärung innerhalb der
in § 10a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG normierten 4-Wochen-Frist nicht abgewartet
werden kann (Groth, a.a.O., § 10a AsylbLG Rn. 42 m.w.N.). Ausgehend von der
Zuständigkeit des Beigeladenen gem. § 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG (dazu
nachstehend) war dieser zum Zeitpunkt der Geburtshilfeleistungen der Klägerin
ebenso wie der Beklagte außer Stande, dem Säugling Krankenhilfe gem. § 4
AsylbLG zu gewähren. Denn an jenem Samstagabend war auch das Sozialamt
des Beigeladenen nicht zu erreichen. Dass die Geburtshilfeleistungen für den
Säugling keinen Aufschub duldeten, hat die Kammer oben zu (4) bereits
ausgeführt.
(e) Da die Voraussetzungen des § 10a Abs. 2 Satz 3 AsylbLG im vorliegenden
Sachverhalt erfüllt sind, war der vorläufig einstandspflichtige Beklagte an sich
gehalten, dem Kostenerstattungsbegehren der Klägerin unverzüglich zu
entsprechen. Ihm war es verwehrt, im Außenverhältnis zur Klägerin auf die - im
Eilfall bzw. Kompetenzkonfliktfall nachrangige - Zuständigkeit des Beigeladenen
gem. § 10a Abs. 2 Satz 1 AsylbLG zu verweisen (BVerwG, Beschluss vom 19.
Juni 2006, a.a.O., Rn. 4). Der angefochtene Bescheid der Stadt H. vom 17. März
2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 23. Juni
2008 unterlag somit der Aufhebung.
(12) Die endgültige Einstandspflicht des Beigeladenen folgt aus § 10b Abs. 1
AsylbLG i.V.m. § 10a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 5 AsylbLG. Nach § 10a
Abs. 2 Satz 1 AsylbLG ist für die Leistungen in Einrichtungen, die der
Krankenbehandlung oder anderen Maßnahmen nach diesem Gesetz dienen,
die Behörde örtlich zuständig, in deren Bereich der Leistungsberechtigte seinen
gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hat oder in den zwei
Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat. Gemäß § 10a Abs. 3 AsylbLG gilt
als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne dieses Gesetzes der Ort, an dem sich
jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort
oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher
Aufenthalt ist auch von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt
von mindestens sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige
Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt
ausschließlich zum Zweck des Besuchs, der Erholung, der Kur oder ähnlichen
privaten Zwecken erfolgt und nicht länger als ein Jahr dauert. Ist jemand nach
Absatz 1 Satz 1 verteilt oder zugewiesen worden, so gilt dieser Bereich als sein
gewöhnlicher Aufenthalt. Für ein neugeborenes Kind ist der gewöhnliche
Aufenthalt der Mutter maßgeblich.
a) Der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der Mutter des Säuglings, Frau J., lag
zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus der Klägerin im Gebiet des
Beigeladenen, genauer im Landkreis M.. Zwar ist dem Beigeladenen darin
beizupflichten, dass sich der gewöhnliche Aufenthalt der für den Säugling nach
§ 10a Abs. 3 Satz 5 AsylbLG allein maßgeblichen Mutter nicht gem. § 10a Abs.
3 Satz 4 AsylbLG aus einer früheren asylverfahrensrechtlichen
Zuweisungsentscheidung herleiten lässt, denn diese hatte sich für die Mutter
spätestens seit Erteilung der ersten Duldung durch den Beigeladenen aus
asylverfahrensunabhängigen Gründen am 18. Juni 2003 erledigt (vgl. die
Nachweise im Beschluss der Kammer vom 3. September 2012, a.a.O., Rn. 5;
ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 84 ff. m.w.N.).
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b) Gleichwohl kann hier aufgrund der ausländerrechtlichen Vorgaben nicht
davon ausgegangen werden, dass die Mutter des Säuglings allein aufgrund
ihres jahrelangen und überwiegenden tatsächlichen Aufenthalts bei dem Vater
des Säuglings sowie den weiteren Geschwisterkindern in H. ihren gewöhnlichen
Aufenthalt i.S.d. § 10a Abs. 3 AsylbLG in H. begründet hatte. Der Aufenthalt der
Mutter in H. war für den Geburtszeitraum (2. bis 13. Januar 2008) zwar aufgrund
einer vom Beigeladenen erteilten Besuchserlaubnis rechtmäßig, vgl. § 12 Abs. 5
Satz AufenthG. Auch für davor liegende Zeiträume hat der Beigeladene in
unregelmäßigen Abständen der Mutter Besuchserlaubnisse für den
vorübergehenden Aufenthalt in H. erteilt. Wie der Charakter dieser
Besuchserlaubnisse bereits verdeutlicht, sind derartige Verfügungen der
zuständigen Ausländerbehörde nicht geeignet, auf Dauer von gesetzlich
bestehenden oder verfügten räumlichen Beschränkungen zu befreien. So wurde
die Mutter des Säuglings bis zu ihrer länderübergreifenden Umverteilung im
September 2008 ausschließlich von Beklagten mit zeitlichen Unterbrechungen
geduldet. Diese Duldungen beschränkten sich kraft Gesetzes nur auf das Land
Baden-Württemberg, vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Daneben hatte der
Beigeladene mit erster Duldungserteilung im Jahre 2003 eine den Landkreis M.
betreffende Wohnsitzauflage gem. § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG verfügt, sodass
der Mutter des Säuglings eine Wohnsitznahme in Niedersachsen nicht gestattet
war. Ein rechtmäßiger Aufenthalt der Mutter des Säuglings war somit außerhalb
der in den erteilten Besuchserlaubnissen aufgelisteten Zeiträumen in H. nicht
möglich; soweit sie sich darüber hinaus tatsächlich in H. aufgehalten haben
sollte, war dieser rechtswidrig und erfüllte in jedem Fall die
Ordnungswidrigkeitentatbestände der § 98 Abs. 3 Nrn. 2 und 4 AufenthG, im
Widerholungsfall sogar den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG. In
der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird deshalb ganz
überwiegend vertreten, dass ein Ausländer, dessen Aufenthalt rechtlich einer
räumlichen Beschränkung - und hier zusätzlich einer Wohnsitzauflage -
unterliegt, außerhalb dieses Bereiches seinen gewöhnlichen Aufenthalt mit
zuständigkeitsbegründender Wirkung zulasten der betroffenen
Ausländerbehörde nicht begründen kann (vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 2. Dezember 2009 - OVG 3 S 120.08 -, zit. nach juris Rn. 6 mit
zahlr. Nachw. aus der Rspr.). Zudem ist durch das Bundesverwaltungsgericht
(Beschluss vom 8. Dezember 2006 - 5 B 65/06 -, zit. nach juris Rn. 2) bereits
geklärt, dass Zwang und Unfreiwilligkeit die Begründung eines gewöhnlichen
Aufenthalts nicht ausschließen. Dass die Mutter des Säuglings somit spätestens
seit 2006 nicht mehr in Baden-Württemberg, insbesondere nicht in der
Gemeinschaftsunterkunft in P., sondern in H. leben wollte, ist danach für die
ausländerrechtliche Bestimmung ihres gewöhnlichen Aufenthalts irrelevant.
c) Lag somit zum Zeitpunkt der Geburt des Säuglings nach ausländerrechtlichen
Maßstäben der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter weiterhin im Gebiet des
Beigeladenen und war danach das Landratsamt M. als Ausländerbehörde weiter
örtlich zuständig - die Ausländerbehörde des Beklagten insoweit während des
Aufenthalts der Mutter in H. nur für unaufschiebbare Maßnahmen zuständig, vgl.
Ziff. 71.1.2.5 AVwV-AufenthG -, ist die Kammer der Auffassung, dass die
leistungsbehördliche örtliche Zuständigkeit bei Auslegung und Anwendung des
§ 10a Abs. 3 AsylbLG schon aus Praktikabilität hiervon nicht abweichend
bestimmt werden sollte. Die Kammer hat im Anschluss an die Rechtsprechung
des BVerwG (Urteil vom 3. Juni 2003 - 5 C 32/02 -, InfAuslR 2004, S. 119 ff., zit.
nach juris Rn. 19) ihre Rechtsprechung stets an dem Grundsatz ausgerichtet,
dass die zuständigen Leistungsträger nach dem AsylbLG zwar an
ausländerrechtliche Entscheidungen nicht gebunden, gleichwohl im Rahmen
ihrer eigenständigen Prüfung des Leistungsfalls eine vom Ausländerrecht
unabhängige, insbesondere hiervon abweichende Bewertung des Sachverhalts
nicht vornehmen dürfen (vgl. Beschluss der Kammer vom 1. Februar 2012 - S
42 AY 177/10 ER -, zit. nach juris Rn. 71). Daraus folgt für den vorliegenden
Sachverhalt, dass die Kammer für die Bestimmung des gewöhnlichen
Aufenthalts der Mutter des Säuglings die Zeiträume ihres widerrechtlichen,
55
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räumlichen Bestimmungen zuwider laufenden Aufenthalts in H. nicht zu
berücksichtigen vermag. Die übrigen, von Besuchserlaubnissen des
Beigeladenen abgedeckten Zeiträume des Aufenthalts in H. vermögen aufgrund
des durch die Besuchserlaubnisse dokumentierten vorübergehenden
Charakters keinen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. § 10a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG
zu begründen (vgl. insoweit ausdrücklich § 10a Abs. 3 Satz 1 AsylbLG a.E).
Soweit in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung demgegenüber
vertreten wird, für die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d. § 10a
Abs. 3 AsylbLG komme es nicht auf die ausländerrechtliche oder
asylverfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des
Leistungsberechtigten an (so etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.
Dezember 2005 - 7 S 266/03 -, ZFSH/SGB 2006, S. 683 ff., zit. nach juris LS 2
und Rn. 45; ebenso Groth, a.a.O., § 10a AsylbLG Rn. 50), vermag das dort
gefundene Ergebnis weder von seiner Begründung noch von der praktischen
Handhabung für die mit solchen Sachverhalten befassten Ausländer- und
Leistungsbehörden zu überzeugen. Die vom VGH Baden-Württemberg (a.a.O.)
gegebene Begründung, das AsylbLG könne bei Anknüpfung des gewöhnlichen
Aufenthalts an die Rechtmäßigkeit desselben nach ausländerrechtlichen
Vorgaben bei einer großen Zahl von Leistungsberechtigten gem. § 1 Abs. 1 Nr.
4 und 5 AsylbLG sonst nicht angewendet werden, weil sich diese
Personengruppen typischerweise gerade nicht rechtmäßig im Bundesgebiet
aufhielten, überzeugt schon deshalb nicht, weil die Bestimmung des
Anwendungsbereiches einerseits und Zuständigkeitsbestimmung andererseits
auch im AsylbLG strikt voneinander zu trennen sind und nicht denselben Regeln
bzw. Maßstäben unterworfen werden. Die örtliche Zuständigkeit, soweit es um
die Leistungsberechtigten gem. § 1 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 AsylbLG geht, bestimmt
sich in erster Linie gem. § 10a Abs. 1 AsylbLG. Außer für die Leistungen
innerhalb von Einrichtungen (§ 10a Abs. 2 AsylbLG) knüpft der Gesetzgeber
somit für die örtliche Zuständigkeitsbestimmung schon von vorn herein nicht an
den gewöhnlichen Aufenthalt an. Selbst wenn die vom VGH vorgenommene
Verknüpfung von Anwendungsbereich und Zuständigkeitsbestimmung
bestehen würde, wäre jedenfalls nach der Grundregel des § 10a Abs. 1 Satz 2
AsylbLG regelmäßig der Leistungsträger des tatsächlichen Aufenthaltsortes für
die e.g. Leistungsberechtigten zuständig und verbliebe es im Falle von
Leistungen in Einrichtungen, weil der tatsächliche Aufenthalt ohne Verstoß
gegen räumliche Beschränkungen einen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. § 10a
Abs. 2 und 3 AsylbLG am tatsächlichen Aufenthaltsort begründen würde. Es
kommt hinzu, dass der VGH die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts der
Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 AsylbLG nur auf die Frage
der Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet oder aber der Vollziehbarkeit
ihrer Ausreisepflicht reduziert. Dies ist nach Auffassung der Kammer indes zu
weit gegriffen. Der Kammer geht es bei der im Rahmen des § 10a Abs. 3
AsylbLG aufzuwerfenden Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des
betroffenen Ausländers allein um den Teilaspekt der Zuwiderhandlung gegen
räumliche Beschränkungen oder Wohnsitzauflagen i.S.d. § 61 Abs. 1 Sätze 1
und 2 AufenthG. Nur derartige Zuwiderhandlungen sollen nach der hier
vertretenen Auffassung bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts i.S.d.
§ 10a Abs. 3 AsylbLG entscheidungserheblich sein. Hierfür nicht erforderlich ist
indes die generelle Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthalts des Betroffenen
im Bundesgebiet. Insofern pflichtet die Kammer dem VGH bei, als es hierauf im
Rahmen des § 10a Abs. 2 und 3 AsylbLG nicht ankommen kann.
II. Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet und insoweit abzuweisen, soweit
die Klägerin bezüglich ihrer Erstattungsforderung einen Anspruch auf
Prozesszinsen gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB gegen den Beklagten
geltend macht. Ebenso wenig besteht zu ihren Gunsten ein Anspruch auf
Verzinsung der Klageforderung gemäß § 44 SGB I. Die e.g. Normen sind auch
nicht analog anwendbar. Die Kammer folgt damit der jüngeren Rechtsprechung
der Landessozialgerichte (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 91 ff.; LSG
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Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Oktober 2012 – L 7 AY 726/11 –, zit. nach
juris Rn. 16 ff., Revision beim BSG – B 7 AY 8/12 R –anhängig) und weiterer
Sozialgerichte (vgl. SG Düsseldorf, Urteil vom 17. Oktober 2012 – S 17 AY 5/08
–, zit. nach juris Rn. 10; SG Gelsenkirchen, Urteil vom 29. Mai 2006 – S 2 AY
20/05 –, zit. nach juris Rn. 19). Zur Begründung hat etwa das LSG Nordrhein-
Westfalen (a.a.O., Rn. 94 ff.) u.a. ausgeführt:
„Rechtsprechung des für Sozialhilfe- und
Asylbewerberleistungsangelegenheiten zuständigen 8. Senats des BSG liegt zu
dieser Frage bisher nicht vor. Die Rechtsprechung zur Frage des Anspruchs auf
Prozesszinsen in Erstattungsstreitigkeiten der Sozialleistungsträger
untereinander (vgl. Urteil vom 02.02.2010 - B 8 SO 22/08 R) ist für den Fall der
Klägerin nicht einschlägig. Nach Ansicht des Senats ist jedoch jedenfalls in
Rechtsstreitigkeiten, die nicht unter § 197a SGG fallen und damit keine
Gebührenpflicht auslösen, die (analoge) Anwendung der §§ 291, 288 BGB
ausgeschlossen. Der Senat sieht insoweit keine Veranlassung, von der
ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. die zahlreichen Nachweise in dem
Urteil des BSG vom 23.03.2006, a.a.O.) abzuweichen, die - bei Fehlen einer
ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (wie hier) - u.a. auf die einseitig zu
Lasten der Leistungsträger getroffenen Regelungen hinsichtlich der
Gerichtsgebühren (§§ 183, 184 SGG) sowie auf den Ausschluss der Erstattung
außergerichtlicher Kosten an den Leistungsträger selbst im Falle seines
Obsiegens (§ 193 Abs. 4 SGG) verweist.
Soweit das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 26.11.2009 - L 8 SO
172/07) einen Zinsanspruch (Verzugszinsen) auf § 44 SGB I stützt, vermag
auch dies nicht zu überzeugen. Sozialleistungen im Sinne dieser Vorschrift sind
solche Leistungen, die der Verwirklichung eines der in §§ 3 bis 10 SGB I
genannten sozialen Rechte dienen, im Sozialgesetzbuch geregelt sind, und die
dem Träger der sozialen Rechte dadurch zu Gute kommen, dass bei ihm eine
vorteilhafte Rechtsposition begründet wird (vgl. etwa BSG, Urteil vom
28.10.2008 - B 8 SO 23/07 R). Aufwendungsersatzansprüche Dritter zählen
nicht dazu (so auch SG Aachen, Urteil vom 24.01.2006 - S 20 SO 107/05). Das
BSG qualifiziert den Anspruch gemäß § 25 SGB XII im Zusammenhang mit §
197a SGG - wie bereits dargelegt - als spezielle sozialhilferechtliche Form der
Geschäftsführung ohne Auftrag, die lediglich als Sozialleistung im weiteren
Sinne zu qualifizieren sei (Beschluss vom 11.06.2008 - B 8 SO 45/07 B).“
Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen an, zumal das für die
erkennende Kammer zuständige Berufungsgericht (LSG Niedersachsen-
Bremen – 8. Senat –) in seinem Urteil vom 26. November 2009 (a.a.O., zit. nach
juris Rn. 27) keine Begründung für seine Rechtsauffassung gegeben hat, die
Kostenerstattungsforderung des Nothelfers könne – jedenfalls im allgemeinen
Sozialhilferecht des SGB XII – gem. § 44 Abs. 1 SGB I verzinst werden.
Jedenfalls für das Asylbewerberleistungsrecht folgt die Kammer insoweit den
zutreffenden Argumenten des LSG Baden-Württemberg (a.a.O., Rn. 17 ff.), das
hierzu Folgendes ausgeführt hat:
„Die vordergründig zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob § 44 SGB I
auf (Nach-)Zahlungsansprüche nach dem AsylbLG Anwendung finde, muss der
Senat im Sinne der Auffassung des Beklagten beantworten: Nach § 44 Abs. 1
SGB I sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats
nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der
Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Systematisch ist die Norm im Dritten
Abschnitt des SGB I „Gemeinsame Vorschriften für alle Sozialleistungsbereiche
dieses Gesetzbuches“ verortet.
(vgl. Hohm in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Auflage, Vorbemerkung
AsylbLG, Rdnr. 19; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage,
Einleitung zum AsylbLG, Rdnr. 4; Birk in LPK-SGB XII, 9. Auflage,
Vorbemerkung zum AsylbLG, Rdnr. 6). § 44 SGB I kann weder direkt noch
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analog auf Leistungen nach dem AsylbLG angewendet werden.
Das AsylbLG stellt ein besonderes Sicherungssystem und eine eigenständige
abschließende Regelung zur Sicherung des Lebensunterhaltes sowie zur
Aufnahme und Durchführung von Arbeitsgelegenheiten für einen eng
begrenzten Personenkreis von Ausländern dar (vgl. Frerichs in: jurisPK-SGB XII,
Stand: 20. August 2012, § 1 AsylbLG Rdnr. 22; Hohm, a.a.O., Rdnr. 1). § 1
AsylbLG bestimmt in diesem Zusammenhang den Kreis der
Leistungsberechtigten und damit den persönlichen Anwendungsbereich des
AsylbLG. Trotz der Nähe zum Fürsorgerecht und damit insbesondere zum
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII; vgl. Bundesverfassungsgericht,
Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11- , Rdnrn. 114, 129)
hat der Gesetzgeber eine klare Abgrenzung zum Sozialhilferecht getroffen.
Asylbewerber und ihnen gleichgestellte Ausländer erhalten keine Sozialhilfe und
haben darauf auch keinen Anspruch (§ 23 Abs. 2 SGB XII, § 9 Abs. 1 AsylbLG).
Das AsylbLG ist - anders als das SGB XII - nicht (besonderer) Teil des
Sozialgesetzbuches (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juni 2011, SozR 4-1300 § 44 Nr.
22 Rdnr. 21 und Senatsurteil vom 8. Dezember 2011 - L 7 AY 3353/09 - ).
Deswegen können die allgemeinen Bestimmungen des SGB I auch nicht direkt
auf Leistungen nach dem AsylbLG angewendet werden. Das SGB I definiert -
als gesetzliche Fiktion - die besonderen Teile des Sozialgesetzbuches in § 68.
Dabei ist das AsylbLG nicht erfasst. Auch in der Übersicht über die einzelnen
vom Regelungsumfang des Gesetzes erfassten Sozialleistungen und
zuständigen Leistungsträger im Zweiten Titel des SGB I (§§ 18 bis 29) fehlt es
an einer Erwähnung des AsylbLG. § 68 SGB I ist seit dem Inkrafttreten des
AsylbLG vom 30. Juni 1993 (BGBl I, S. 1074) am 1. November 1993 mehrfach
geändert worden (vgl. z. B. zuletzt die Änderungen durch Gesetze vom 5.
Dezember 2006 und 8. Dezember 2010
Bei der Gesetzesauslegung muss der Senat nach alledem nach Wortlaut,
Systematik und Entwicklung der zugrunde liegenden gesetzlichen Vorschriften
davon ausgehen, dass der Gesetzgeber nicht nur keine Anwendung der
allgemeinen Bestimmungen des SGB I geregelt hat, sondern gerade auch keine
solche Regelung treffen wollte.
Daher ist auch eine analoge Anwendung des § 44 SGB I auf Leistungen nach
dem AsylbLG nicht möglich. Eine Regelungslücke, die durch eine Analogie
geschlossen werden könnte, existiert nicht. Vielmehr ist auch aus den durch den
Gesetzgeber in das AsylbLG aufgenommenen Verweisungen auf SGB I- und
SGB X-Vorschriften zu entnehmen, dass eine (analoge) Anwendung von § 44
SGB I ausgeschlossen ist. So wurde durch das 1. Änderungsgesetz zum
AsylbLG vom 26. Mai 1997 (BGBl I, S. 1130) mit Wirkung vom 1. Juni 1997 in §
7 Abs. 4 AsylbLG eine entsprechende Anwendung der §§ 60 bis 67 SGB I
ausdrücklich angeordnet. Mit dem selben Gesetz erfolgte in § 9 Abs. 3 AsylbLG
die Erweiterung der entsprechenden Anwendung von Normen des SGB X
(vorher nur §§ 102 bis 114, nun auch §§ 44 bis 50 SGB X). Dieser
gesetzgeberischen Initiative ist klar zu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine
(entsprechende) Anwendung von Normen des SGB I (und des SGB X) für
ausdrücklich regelungsbedürftig hält. Da eine Regelung der entsprechenden
Anwendung des § 44 SGB I trotz Gestaltungsmöglichkeit des Gesetzgebers
unterblieb, fehlt es mithin an einer Regelungslücke. Eine analoge Anwendung
von § 44 SGB I würde damit die Wortlautgrenze sprengen und die
gesetzgeberische Konzeption außer Acht lassen (vgl. auch BSG, Urteil vom 17.
Juni 2008, SozR 4-3520 § 9 Nr. 1).
§ 44 SGB I kann - anders als die Kläger meinen - auch nicht über § 44 Abs. 4
SGB X Anwendung finden. Denn diese - nur aufgrund ausdrücklicher
Verweisung in § 9 Abs. 3 AsylbLG überhaupt entsprechend anwendbare -
Bestimmung formuliert zwar einen Anspruch auf eine rückwirkende Gewährung
von Sozialleistungen, enthält aber keine Regelung für eine Verzinsung und auch
keinen Verweis auf eine Verzinsungsbestimmung. Soweit der
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Prozessbevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem
Senat die Auffassung vertreten hat, dass § 9 Abs. 3 AsylbLG auch auf die
Verzinsungsbestimmung des § 50 Abs. 2a SGB X verweise und aus der dort
geregelten Verzinsung zu Gunsten der Behörde im Umkehrschluss auch eine
solche für den Sozialleistungsempfänger zu folgern sei, kann der Senat dem
nicht folgen. Denn § 50 Abs. 2a SGB X ist eine spezielle Folgeregelung zu § 47
Abs. 2 SGB X (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar zum
Sozialversicherungsrecht, 74. Ergänzungslieferung 2012, § 50 SGB X, Rdnr. 40)
und erfasst lediglich Leistungen, die im Rahmen der Förderung von
Einrichtungen und Betrieben zu erstatten sind. Ansonsten - insbesondere bei
Leistungen an Versicherte - bleibt es bei der Nichtverzinslichkeit (vgl.
Steinwedel, a.a.O.). Eine Analogiefähigkeit der Norm, noch dazu in Umkehrung
des Verhältnisses zwischen Behörde und Bürger, ist daher nicht einmal
ansatzweise zu erkennen.
Zur Ausführung des AsylbLG ist - mangels Einordnung dieses Gesetzes in das
formelle Sozialrecht - nicht das SGB X, sondern das
Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Baden-Württemberg anzuwenden
(vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 2011, a.a.O.; Wahrendorf, a.a.O.). Dieses
Gesetz sieht jedoch eine Verzinsung von Leistungen zugunsten des
Leistungsempfängers an keiner Stelle vor.“
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt das
vollständige Obsiegen der Klägerin gegen den Beklagten hinsichtlich der
geltend gemachten Hauptforderung. Soweit sie ihm gegenüber wegen der
Nebenforderung (Zinsen) unterlegen ist, handelt es sich nach Auffassung der
Kammer um ein verhältnismäßig geringfügiges Unterliegen, welches dem bei
der Ausübung des Ermessens i.R.d. § 193 Abs. 1 SGG heranzuziehenden
Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO entsprechend eine
Kostenquotelung zugunsten des Beklagten nicht zu rechtfertigen vermag. Der
Beigeladene war hingegen an den außergerichtlichen Kosten der Klägerin nicht
zu beteiligen, vgl. § 197a Abs. 2 SGG.
Die Kammer stellt bezüglich der erstattungsfähigen Aufwendungen der Klägerin
klar, dass die mit Gerichtskostenrechnung vom 4. Juli 2008 (Bl. 19 GA) von ihr
als Vorschuss angeforderten Gerichtskosten wieder auszukehren sind. Nach
der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19. Mai 2009 – B 8 SO 4/08 R –,
BSGE 103, S. 178 ff., zit. nach juris Rn. 15), der die erkennende Kammer folgt,
gehört die Klägerin als Nothelferin zu dem in § 183 Satz 1 SGG genannten
Personenkreis, sodass das vorliegende Verfahren nicht nach § 197a Abs. 1
SGG gerichtskostenpflichtig ist (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn.
94, 96; LSG Hamburg, a.a.O., Rn. 32).