Urteil des LSG Hessen vom 15.12.2009
LSG Hes: vag, zuschuss, erlass, private krankenversicherung, selbstbehalt, hauptsache, tarif, beitragssatz, notlage, wechsel
Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 15.12.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 4 AS 142/09 ER
Hessisches Landessozialgericht L 6 AS 368/09 B ER
Unter Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts Kassel vom 15. Juni 2009 wird die Antragsgegnerin verpflichtet,
dem Antragsteller vorläufig einen Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 12. Mai bis
31. Dezember 2009 in Höhe von monatlich 235,40 EUR und für die Zeit vom 1. Januar bis 11. Mai 2010 in Höhe von
monatlich 276,66 EUR unter Anrechnung der bereits erbrachten Leistungen in Höhe von 147,33 EUR monatlich sowie
den jährlichen Selbstbehalt, insgesamt maximal bis zur Höhe des hälftigen Beitrags des Basistarifs, zu zahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen jeweils zur
Hälfte zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist - nachdem der Antragsteller im Hinblick auf die erstinstanzlich noch streitigen Kosten der
Unterkunft mit Schriftsatz vom 25. November 2009 das Eilverfahren für erledigt erklärt hat - noch die vorläufige
Erstattung bzw. Übernahme von weiteren Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung streitig.
Der 1961 geborene Antragsteller ist seit dem 15. Dezember 2006 Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch
des Sozialgesetzbuchs - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 31. Juli
2009 erteilte die Antragsgegnerin unter dem 2. Februar 2009 einen Bewilligungsbescheid und wies darin einen
Zuschuss zu den Beiträgen zur Krankenversicherung von 118,31 EUR sowie zur Pflegeversicherung in Höhe von
17,54 EUR aus. Hiergegen erhob der Antragsteller am 11. Februar 2009 Widerspruch und machte u. a. geltend, es
seien die tatsächlichen Kosten für seine Krankenversicherung (und Pflegeversicherung) zu übernehmen. Insoweit
könne er die entsprechenden Beiträge nicht mehr zahlen. Im Übrigen sei ihm ein Wechsel von der privaten zur
gesetzlichen Krankenversicherung verwehrt. Zum 1. März 2009 wechselte der Antragsteller von seinem bisherigen
Tarif bei der Deutschen Krankenversicherung AG (DKV) in den sog. Basistarif mit einem Gesamtbeitrag für die
Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 307,70 EUR. Zuvor betrug der Monatsbeitrag gesamt 235,40 EUR.
Durch Änderungsbescheid vom 27. April 2009 setzte die Antragsgegnerin den Beitragszuschuss für den genannten
Zeitraum nunmehr auf 129,54 EUR (Krankenversicherung) und 17,79 EUR (Pflegeversicherung), mithin gesamt 147,33
EUR fest. Den Widerspruch wies sie durch Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2009 mit der Begründung zurück,
soweit der Antragsteller vor Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert gewesen und deshalb gemäß § 5
Abs. 5a S. 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) nicht
versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung sei, regele § 26 SGB II den Zuschuss zu den
Versicherungsbeiträgen und verweise auf § 12 Abs. 1c S. 5 und 6 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG).
Zunächst sei davon auszugehen, dass der Beitrag für den Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen
Selbstbehaltsstufen den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht übersteigen dürfe, wobei sich
dieser aus dem allgemeinen Beitragssatz der Krankenkassen und der Beitragsbemessungsgrenze errechne. Entstehe
allein durch die Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags Hilfebedürftigkeit, vermindere sich der Beitrag für die
Dauer der Hilfebedürftigkeit um die Hälfte. Bestehe auch bei einem derart verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit,
beteilige sich der zuständige Träger im erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden werde.
Bestehe unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit, zahle der zuständige Träger den
Betrag, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen sei.
Dieser Betrag belaufe sich derzeit für die gesetzliche Krankenversicherung auf 129,54 EUR und für die gesetzliche
Pflegeversicherung auf 17,79 EUR. Soweit der tatsächliche Beitrag den Höchstbeitrag übersteige, könne die Differenz
von anrechenbarem Einkommen abgesetzt werden. Im Fall des Antragstellers liege kein anzurechnendes Einkommen
vor, so dass eine Deckungslücke verbleibe, die jedoch mangels Rechtsgrundlage nicht von ihr auszugleichen sei.
Am 12. Mai 2009 hat der Antragsteller gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben und zugleich Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Mit Beschluss vom 15. Juni 2009 hat das Sozialgericht den Eilantrag betreffend die Kosten für die private Kranken-
und Pflegeversicherung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, insoweit fehle es an einem Anordnungsanspruch.
Der Antragsteller habe gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 12 Abs. 1c S. 5 und 6 VAG lediglich
Anspruch auf Gewährung des Beitrages, der auch für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen
Krankenversicherung zu tragen sei. Dieser belaufe sich für die gesetzliche Krankenversicherung auf 129,54 Euro und
für die gesetzliche Pflegeversicherung auf 17,79 EUR. Die Differenz zu dem Basistarif des Antragstellers betrage
demnach 160,37 EUR und könne bei der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nicht berücksichtigt werden,
weil lediglich gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3a SGB II eine Absetzung vom Einkommen in Betracht komme und der
Antragsteller derzeit über kein Einkommen verfüge. Im Ergebnis sei der Antragsteller darauf zu verweisen, eine
andere private Kranken- und Pflegeversicherung mit einem günstigeren Basistarif zu wählen.
Der Antragsteller hat am 13. Juli 2009 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Beschwerde erhoben. Er begehrt
weiterhin die Erstattung seiner Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung über den bewilligten Zuschuss
hinaus und trägt im Verlauf des Verfahrens vor, ohne die Übernahme dieser Kosten durch die Antragsgegnerin
bestehe eine erhebliche Deckungslücke. Mit seinen Leistungen sei es ihm nicht möglich, die ungedeckten Beiträge zu
zahlen, so dass sein Krankenversicherungsschutz gefährdet sei. Im Übrigen habe er mit dem
Versicherungsunternehmen die Umstellung in den Basistarif vorgenommen, weil er hierzu von der Antragsgegnerin
aufgefordert worden sei. Nach der Tarifumstellung habe sich herausgestellt, dass selbst der für ihn als
Hilfebedürftigen halbierte Basistarif teurer gewesen sei als der vor März 2009 geltende Tarif. Dementsprechend habe
er die Tarifumstellung rückgängig gemacht. Für ihn gelte durchgängig wieder ein Gesamtbeitrag von monatlich 235,40
EUR. Allerdings habe er einen Selbstbehalt von 380,00 EUR pro Jahr zu tragen. Trotz der Selbstbeteiligung sei dieser
Tarif günstiger als der halbierte Beitrag für den Basistarif. Ergänzend trägt der Antragsteller vor, seine Beiträge zur
privaten Kranken- und Pflegeversicherung würden sich ab dem 1. Januar 2010 auf monatlich 276,66 EUR und sein
jährlicher Selbstbehalt auf 400,00 EUR erhöhen, was seine finanzielle Unterdeckung weiter verschärfe. Im Übrigen
verweist der Antragsteller auf Beschlüsse des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. Juni 2009 (L 2 SO
2529/09 ER-B) und 8. Juli 2009 (L 7 SO 2453/09 ER-B), die seinen Anspruch stützten.
Im Verlauf des Verfahrens hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 17. Juli 2009 Folgeleistungen für die Zeit vom
1. August 2009 bis 31. Januar 2010 bewilligt und hierbei weiterhin einen Zuschuss zur Krankenversicherung von
129,54 EUR sowie zur Pflegeversicherung von 17,79 EUR festgesetzt.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß), den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 15. Juni 2009 zu ändern und
die Antragsgegnerin zu verpflichten, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache weitere Kosten der privaten
Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 12. Mai bis 31. Dezember 2009 in Höhe von monatlich 88,07 EUR
(mithin gesamt 235,40 EUR) und für die Zeit ab 1. Januar 2010 in Höhe von monatlich 129,33 EUR (mithin gesamt
276,66 EUR) zu übernehmen sowie die Selbstbeteiligung in tatsächlich anfallender Höhe zu erstatten.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts und trägt
ergänzend vor, der von ihr festgesetzte Zuschuss zu den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung entspreche
der Gesetzeslage, so dass ihr eine andere Entscheidung nicht möglich sei. Die von dem Antragsteller zitierten
Gerichtsentscheidungen beträfen Angelegenheiten nach dem Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe -
(SGB XII), bei denen sich die Rechtslage anders darstelle.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug
genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und auch in dem noch anhängigen Umfang überwiegend begründet. Das Sozialgericht hat
insoweit den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
Rechtsverhältnis gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist
sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als
auch ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), die
glaubhaft zu machen sind (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung - ZPO -). Grundsätzlich
soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht
vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes - GG -), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung
schwere und unzumutbare später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine
nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober
1988, Az. 2 BvR 745/88 = BVerfGE 79, 69 ff.; Beschluss vom 22. November 2002, Az. 1 BvR 1586/02 = NJW 2003,
1236 f.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander
stehen, sondern eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit
zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und
umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs
ein bewegliches System (Beschluss des 7. Senates des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Juni 2005, Az. L
7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 29). Ist die Klage in der
Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht
auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die
Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet und das angegriffene Verwaltungshandeln offensichtlich
rechtswidrig bzw. bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Leistungsträgers, so
vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 24. Mai 2004, Az: L 16 B 15/04 KR ER; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 31. Juli
2002, Az: L 18 B 237/01 V ER). In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung
stattzugeben, wobei jedoch auf einen Anordnungsgrund nicht gänzlich verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang
des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht
möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Davon ausgehend ist der erforderliche Anordnungsanspruch, nämlich der Anspruch des Antragstellers auf einen
Zuschuss gemäß § 26 SGB II zu seinen Kosten für die private Krankenversicherung maximal bis zur Hälfte der
Beiträge für den Basistarif sowie für die soziale Pflegeversicherung für die Zeit seit Eingang des Eilantrages am 12.
Mai 2009 bis zum 11. Mai 2010 zu bejahen. Dies gilt zumindest im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen und im
konkret vorliegenden Verfahren auch ausreichenden summarischen Prüfung. In Übereinstimmung mit der Auffassung
des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vgl. Beschluss vom 16. September 2009, L 3 AS 3934/09 ER-B)
vertritt auch der erkennende Senat die Auffassung, dass unter Auswertung der Gesetzesmaterialien von einer
planwidrigen Regelungslücke auszugehen ist. Nach § 26 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB II in der seit dem 1. Januar 2009
geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-
Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG vom 26. März 2007, BGBl. I Seite 378) gilt für Bezieher von
Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig und nicht
familienversichert und die für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert
sind, § 12 Abs. 1c S. 5 und 6 VAG. Zunächst ist in § 12 Abs. 1c S. 1 VAG geregelt, dass der Beitrag für den
Basistarif ohne Selbstbehalt und in allen Selbstbehaltsstufen den Höchstbeitrag der gesetzlichen
Krankenversicherung nicht übersteigen darf, wobei sich der Höchstbeitrag aus dem allgemeinen Beitragssatz der
Krankenkassen vom 1. Januar des Vorjahres und der Beitragsbemessungsgrenze errechnet; abweichend davon wird
im Jahr 2009 zur Berechnung des Höchstbeitrags der allgemeine Beitragssatz der Krankenkassen vom 1. Januar
2009 zugrunde gelegt. Weiter regelt § 12 Abs. 1c S. 4 Halbs. 1 VAG, dass sich, sofern allein durch die Zahlung des
Beitrags nach S. 1 (oder S. 3 - betreffend Personen mit Anspruch auf Beihilfe nach beamtenrechtlichen Grundsätzen)
Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII entsteht, der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit um
die Hälfte vermindert. Besteht auch bei einem nach S. 4 verminderten Beitrag Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II
oder SGB XII, beteiligt sich der zuständige Träger nach dem SGB II oder SGB XII auf Antrag des Versicherten im
erforderlichen Umfang, soweit dadurch Hilfebedürftigkeit vermieden wird (§ 12 Abs. 1c S. 5 VAG). Nach § 12 Abs. 1c
S. 6 VAG gilt S. 4 entsprechend, sofern unabhängig von der Höhe des zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit nach
den SGB II oder SGB XII besteht; der zuständige Träger zahlt den Betrag, der auch für einen Bezieher von
Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen ist. Vorliegend besteht unabhängig von der
Höhe des von dem Antragsteller zu zahlenden Beitrags Hilfebedürftigkeit, so dass an sich nach dem
Gesetzeswortlaut der Beitragszuschuss auf den Betrag begrenzt wäre, den der Leistungsträger für einen in der
gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Hilfebedürftigen aufzuwenden hätte. Dies hätte hier zur Folge, dass
wegen der - sowohl bezogen auf den aktuellen Tarif des Antragstellers als auch bezogen auf den halbierten Basistarif
- höheren Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung eine Deckungslücke verbliebe, die von dem
Antragsteller nicht anderweitig geschlossen werden kann. Insbesondere deckt die Regelleistung nach § 20 SGB II
nicht auch den Bedarf aufgrund der Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung ab, was bereits daraus
geschlossen werden kann, dass § 26 SGB II einen Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen gesondert regelt (vgl. im
Übrigen den Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt der Fraktionen SPD und
Bündnis 90/Die Grünen vom 5. September 2003, Bundestags-Drucksache - BT-Drucks. - 15/1516, Seite 55 f.). Es
kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die sich in dieser Konstellation ergebende
Deckungslücke gesehen und bewusst eine den Hilfebedürftigen unzumutbar belastende Regelung getroffen hat. Zur
Gesetzesbegründung ist im Entwurf des GKV-WSG der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 24. Oktober 2006
(BT-Drucks. 16/3100, Seite 207) zu § 12 Abs. 1c VAG ausgeführt, im Interesse der Bezahlbarkeit des Basistarifs
dürfe dessen Beitrag den durchschnittlichen Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht
überschreiten. Weiter heißt es: "Würde die Bezahlung eines solchen Beitrags Hilfebedürftigkeit im Sinne von SGB II
oder SGB XII auslösend, stellen weitere Regelungen sicher, dass die Betroffenen nicht finanziell überfordert werden."
Dies bezieht sich zum einen auf § 12 Abs. 1c S. 4 VAG, der die Halbierung des Beitrags im Falle von
Hilfebedürftigkeit regelt, und zum anderen auf § 12 Abs. 1c S. 5 VAG, wonach bei weiterhin gegebener
Hilfebedürftigkeit trotz Halbierung des Beitrags der zuständige Leistungsträger sich im für die Vermeidung von
Hilfebedürftigkeit erforderlichen Umfang an der Beitragslast zu beteiligen hat. Eine weitere Begründung bezogen auf §
12 Abs. 1c S. 6 VAG enthält der Gesetzentwurf nicht. Es ist jedoch das Ziel des Gesetzgebers erkennbar, finanzielle
Überforderungen des Hilfebedürftigen zu vermeiden. Eine solche Überforderung wäre aber gegeben, wenn der
Hilfebedürftige eine Deckungslücke - wie hier im Umfang von 88,07 EUR bzw. 129,33 EUR monatlich - schließen
müsste, für die ihm allerdings Mittel gar nicht zur Verfügung stehen. Zutreffend hat das Landessozialgericht Baden-
Württemberg (a.a.O.) darauf verwiesen, dass vor diesem Hintergrund § 12 Abs. 1c S. 6 VAG auch so gelesen werden
konnte, dass eine Beitragspflicht in der privaten Krankenversicherung nur in Höhe des Betrages der gesetzlichen
Krankenversicherung für Bezieher von Arbeitslosengeld II bestand. In der Folge befasste sich der Ausschuss für
Gesundheit des Bundestages mit dem Gesetzentwurf. Der Beschlussempfehlung vom 31. Januar 2007 sind jedoch
gesonderte Hinweise zu § 12 Abs. 1c S. 6 VAG nicht zu entnehmen (vgl. BT-Drucks. 16/4200, Seite 209). In dem
weiteren Bericht des Ausschusses vom 1. Februar 2007 (BT-Drucks. 16/4247, Seite 69) ist zu § 12 Abs. 1c VAG
ausgeführt: "Satz 6 stellt klar, dass die Halbierung des Beitrags im Basistarif bei Entstehen oder Vorliegen von
Hilfebedürftigkeit greift. Es bleibt bei der vorgesehenen Beteiligung der Grundsicherungsträger und der vorgesehenen
Begrenzung möglicher finanzieller Belastungen der Versicherungsunternehmen in diesen Fällen." Daraus wird nicht
ersichtlich, dass eine aus einer Begrenzung des Beitragszuschusses entstehende Deckungslücke für Hilfebedürftige
nach dem SGB II als Problem erkannt worden ist und Überlegungen angestellt worden sind, aus welchen Mitteln der
Hilfebedürftige diese Lücke schließen kann. Mithin kann auch nicht aus dem Umstand, dass § 32 Abs. 5 SGB XII
keinen Verweis auf § 12 Abs. 1c S. 5 und 6 VAG enthält, geschlossen werden, der Gesetzgeber habe eine bewusste
Differenzierung vorgenommen (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg a.a.O.). Vielmehr liegt der Schluss
nahe, dass eine im Hinblick auf die erkennbar gewordenen Zielsetzungen unvollständige Regelung beschlossen
worden ist. Dieses Ergebnis wird weiter auch dadurch untermauert, dass eine sich auf den Anspruchsumfang
auswirkende Differenzierung in § 12 Abs. 1c S. 5 VAG (keine Beschränkung des Zuschusses, vielmehr Zuschuss im
für die Vermeidung von Hilfebedürftigkeit erforderlichen Umfang) und § 12 Abs. 1c S. 6 VAG (Beschränkung des
Zuschusses auf den für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden
Beitrag) nicht nachvollzogen werden kann. Nach alledem geht der Senat von einer planwidrigen Gesetzeslücke aus,
die zumindest im summarischen Eilverfahren dergestalt zu schließen ist, dass die Antragsgegnerin vorläufig den
tatsächlichen Beitragsaufwand des Antragstellers maximal bis zur hälftigen Höhe des für den Basistarif maßgeblichen
Beitrags trägt. Für die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung ergibt sich eine Verpflichtung des Leistungsträgers,
die Aufwendungen für eine angemessene private Pflegeversicherung im notwendigen Umfang zu übernehmen, aus §
26 Abs. 3 S. 1 SGB II. Zweifel an der Angemessenheit bzw. Notwendigkeit im Hinblick auf den seitens der DKV dem
Antragsteller berechneten monatlichen Beitrag für die soziale Pflegeversicherung bestehen insoweit nicht.
Ist damit der erforderliche Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, so lässt sich vorliegend auch der weiter
erforderliche Anordnungsgrund bejahen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung
wesentlicher Nachteile nötig sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung
erfordert (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 7. November 2005, Az. L 9 AS 66/05; Conradis, SGB II,
Lehr- und Praxiskommentar, Anhang Verfahren Rdnr. 119). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der Existenz
oder erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen anzunehmen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer aaO, Rdnr. 29a).
Gegeneinander abzuwägen sind die Folgen, die bei Erlass bzw. Ablehnung einer einstweiligen Anordnung für den
unterliegenden Beteiligten entstehen würden, jeweils unterstellt, der Erlass bzw. die Ablehnung der Anordnung erfolgte
aufgrund nachträglicher Prüfung im Hauptsacheverfahren zu Unrecht. Davon ausgehend würden dem Antragsteller im
Falle einer unzutreffenden Ablehnung seines Antrages gravierendere Nachteile entstehen als der Antragsgegnerin im
Falle einer im Ergebnis unzutreffenden Stattgabe des Antrages. Insoweit stünde zu befürchten, dass das
Existenzminimum des Antragstellers in dem maßgeblichen Zeitraum nicht gewährleistet wäre. Diese Verletzung einer
grundgesetzlichen Gewährleistung kann nicht durch eine nachträgliche Gewährung im Falle des Obsiegens des
Antragstellers im Hauptsacheverfahren korrigiert werden. Für diesen ergäbe sich eine nachträglich nicht mehr zu
schließende Rechtsschutzlücke. Demgegenüber sind die Nachteile für die Antragsgegnerin deutlich weniger
gravierend, sollte sich im Hauptsacheverfahren erweisen, dass die einstweilige Anordnung zu Unrecht ergangen ist.
Sollte sich nämlich ergeben, dass die einstweilige Anordnung von Anfang an ganz oder teilweise ungerechtfertigt war,
ist der Antragsteller verpflichtet, der Antragsgegnerin den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Vollziehung der
Anordnung entsteht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO).
Der Senat hält vorliegend eine Verpflichtung der Antragsgegnerin (ausgehend von dem 12. Mai 2009) für die Zeit bis
zum 11. Mai 2010 für angemessen. Dabei orientiert er sich daran, dass nach der gesetzlichen Konzeption der
regelmäßige Bewilligungszeitraum sechs Monate (§ 41 Abs. 1 S. 4 SGB II) und im Falle nicht zu erwartender
Veränderungen bis zu 12 Monate umfasst (§ 41 Abs. 1 S. 5 SGB II). Anhaltspunkte für relevante Änderungen in den
Verhältnissen sind hier nicht ersichtlich, vielmehr wird der Antragsteller bis auf weiteres in der privaten Kranken- und
Pflegeversicherung verbleiben (müssen). Allenfalls könnte sich künftig die Frage stellen, ob nicht doch ein Wechsel in
den Basistarif der Krankenversicherung günstiger ist, was von der weiteren Beitragsgestaltung des Versicherers
abhängt. Jedoch ist der Anspruch nach § 26 SGB II nach oben von vornherein auf den hälftigen Beitrag des
Basistarifs begrenzt, wobei jeweilige Selbstbehalte zu berücksichtigen sind.
Das bedeutet im Ergebnis, dass die Antragsgegnerin während der genannten Zeiträume die tatsächlichen Beiträge des
Antragstellers zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung vorläufig zu übernehmen hat. Ggf. kommt wegen der
Begrenzung auf den hälftigen Beitrag des Basistarif in Betracht, dass die Antragsgegnerin ab dem 1. Januar 2010 den
für den Antragsteller dann geltenden jährlichen Selbstbehalt von 400,00 EUR nur zum Teil auszugleichen hat (für die
Zeit vor dem 1. Januar 2010 liegt die Summe der monatlichen Beiträge und des jährlichen Selbstbehalts ohnehin unter
der Summe der auf die Hälfte verminderten Beiträge des Basistarifs). Allerdings bleibt abzuwarten, ob der
Selbstbehalt überhaupt zum Tragen kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).