Urteil des LSG Hessen vom 29.03.2017
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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 05.11.1975 (rechtskräftig)
Sozialgericht Wiesbaden S 4 U 153/71
Hessisches Landessozialgericht L 3 U 499/73
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. Februar 1973 aufgehoben und
die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung der Dauerrente.
Die 1911 geborene Klägerin erlitt am 1. September 1969 auf dem Wege zur Arbeit einen Unfall, bei dem sie sich eine
Fraktur des rechten Mittelhandknochens zuzog. Dem ersten Rentengutachten des Dr. S., W., vom 3. Februar 1970
zufolge fanden sich bei der Untersuchung ein deutlicher Druckschmerz über dem 4. und 5. Mittelhandknochen rechts,
eine leichte Schwellung und ein deutliches Glänzen der Haut im Bereich der Hand. Außerdem standen der 4. und 5.
Finger in mittlerer Beugestellung. Beim Faustschluß blieben der 4. Finger 0,5 cm und der 5. Finger 2,5 cm von der
Hohlhandfläche entfernt. Die Bewegungen im rechten Handgelenk waren deutlich behindert. Es bestand eine geringe
Muskelverschmächtigung des Armes. Den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE – schätzte Dr. S. für die
Zeit vom 8. Dezember 1969 bis zum 31. Januar 1970 auf 30 v.H. und ab 1. Februar 1970 auf 20 v.H. Hierauf gestützt
erteilte die Beklagte in entsprechender Weise den Bescheid vom 14. Mai 1970 über die Gewährung der vorläufigen
Verletztenrente. Die Bewegungsbehinderung in den Fingern bezeichnete sie teilweise als unfallbedingt. Als Folgen des
Arbeitsunfalls erkannte sie rheumatische Veränderungen an den Fingergelenken beider Hände mit entsprechenden
Einschränkungen nicht an. Der Bescheid erwuchs in Bestandskraft.
Am 18. Mai 1971 ließ die Beklagte die Klägerin zum Zwecke der erstmaligen Feststellung der Dauerrente im
Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus – BGUKH – durch Dr. H. und Dr. M. untersuchen und begutachten. In
ihrem am gleichen Tage erstatteten Gutachten fanden diese Ärzte eine nur noch geringgradige
Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenks und eine endgradige Behinderung des Faustschlusses. Eine
bestehende Bewegungsbehinderung an den Fingern führten sie wegen fortgeschrittener rheumatischer
Aufbrauchschäden nur noch teilweise auf das Unfallgeschehen zurück. Den Grad der unfallbedingten MdE schätzten
die Gutachter auf 10 v.H. Hierauf erließ die Beklagte den Bescheid vom 26. August 1971, mit dem sie unter
Entziehung der bisher vorläufig gewährten Verletztenrente mit Ablauf des Monats September 1971 die Gewährung der
Dauerrente ablehnte. Diesen, mit Einschreiben am 27. August 1971 abgesandten Bescheid, nahm anstelle der in
Wiesbaden anwesenden Klägerin ihre im gleichen Hause in der oberen Etage wohnende Schwägerin, die Zeugin M. K.
(K.) – die Schwester des Ehemannes der Klägerin – an der Haustür vom Postboten am 26. August 1971 entgegen.
Nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub im September 1971 hat die Klägerin mit dem bei der Beklagten am 14.
September 1971 eingegangenen und von dieser dem Sozialgericht in Wiesbaden – SG – am 1. Oktober 1971
vorgelegten Schreiben vom 12. September 1971 Klage erhoben und geltend gemacht: Den angefochtenen Bescheid,
den ihre Schwägerin entgegen genommen habe, habe sie erst jetzt erhalten, da sie im Zeitpunkt der Zustellung
verreist gewesen sei. Im übrigen hätten sich die Folgen des Arbeitsunfalls an der rechten Hand nicht gebessert;
vielmehr sei sie gezwungen gewesen, ihre Tätigkeit als Kassiererin in einem Kaufhaus aufzugeben.
Das SG hat mit Urteil vom 23. Februar 1973 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der
Klägerin auch über den 30. September 1971 hinaus Verletztenrente nach einem Grad der MdE um 20 v.H. als
Dauerrente zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei nicht ordnungsgemäß
zugestellt worden. Nach § 51 der Postordnung (PostO) sei es nicht zulässig gewesen, den als Einschreiben
abgesandten Bescheid der Schwägerin außerhalb der Wohnung der Klägerin auszuhändigen. Dieser nicht mehr
behebbare Mangel der Zustellung habe zur Folge gehabt, daß die bisher gewährte vorläufige Verletztenrente nach §
622 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung – RVO – automatisch zur Dauerrente geworden sei.
Gegen dieses ihr am 24. April 1973 gegen Empfangsbekenntnis abgestellte Urteil hat die Beklagte am 17. Mai 1973
Berufung eingelegt und vorsorglich nach Erstattung des Gutachtens des Dr. H. und des Dr. T., BGUKH, vom 12. Juli
1973 nach § 96 Sozialgerichtsgesetz – SGG – den Bescheid vom 27. Juli 1973 erlassen, mit dem sie eine Dauerrente
zum Ablauf des Monats August 1973 wegen einer inzwischen eingetretenen wesentlich freieren Beweglichkeit im
rechten Handgelenk unter Zunahme des Faustschlusses entzog. Die Klägerin hat dieser Feststellung widersprochen.
Es ist im Berufungsverfahren der Sachverhalt weiter aufgeklärt worden. Auf Antrage hat daß Postamt 1 W. am 1.
August 1973 mitgeteilt, daß die Klägerin ihrer Schwägerin K. für das Jahr 1971 keine Postvollmacht erteilt hatte.
Außerdem ist K. zu den häuslichen Verhältnissen, insbesondere zur Frage, ob sie in häuslicher Gemeinschaft mit der
Klägerin lebte und uneingeschränkt Zugang zu deren Post hatte, als Zeugin vor dem ersuchten SG vernommen
worden. Sie hat u.a. bekundet: Sie bewohne mit den Eheleuten W. ein Zweifamilienhaus, in dem sich ihre Wohnungen
in zwei verschiedenen Stockwerken getrennt befänden. Zwar seien die Wohnungstüren nicht abgeschlossen, so daß
sie auch jederzeit Zutritt zur Wohnung der Klägerin habe; es werde aber kein gemeinsamer Haushalt geführt. In der
Urlaubszeit versorge sie in der Wohnung der Klägerin das Nötigste, ohne sie jedoch zu benutzen. Eine Mitbenutzung
sei auch nicht vereinbart. Es bestünden auch voneinander getrennte Briefkästen. Einen Schlüssel zum Briefkasten
der Klägerin besitze sie nicht. In deren Abwesenheit bleibe daher die dort eingeworfene Post bis zu deren Rückkehr
im Briefkasten. Da sich die Briefkästen hinter dem oft verschlossenen Hoftor befänden, hänge ihr Bruder vor
Reisebeginn dort meistens einen Beutel hin, aus dem sie dann die Post sortiere und die an die Klägerin adressierten
Sendungen in deren Küche lege. Am 28. August 1971 habe sie den Einschreibebrief der Beklagten an der Haustür
entgegen genommen.
Schließlich ist durch Einholung des Gutachtens von Dr. K., W., vom 16. März 1974 Beweis erhoben worden. Der
Sachverständige hat ausgeführt: Die Unfallfolgen seien entsprechend dem Gutachten des Dr. H. und des Dr. M. vom
18. Mai 1971 zu dieser Zeit nur noch nach einer MdE um 10 v.H. zu bewerten gewesen. Auch bestehe seit Juli 1973
keinerlei Einschränkung der Funktion der rechten Hand mehr, die als Unfallfolge anzusehen sei, so daß er auch dem
Gutachten des Dr. H. und des Dr. T. zustimme. Es sei gegenüber dem Gutachten des Dr. S. vom 3. Februar 1970
eine wesentliche Änderung der Verhältnisse anzunehmen. Der Grad der MdE sei nicht mehr meßbar.
Die Beklagte stützt sich zur Begründung der Berufung auf die von ihr eingeholten und das im Berufungsverfahren von
Dr. K. erstattete Gutachten. Im übrigen bringt sie vor: Das SG habe zu Unrecht angenommen, daß die bisher
gewährte vorläufige Verletztenrente automatisch zur Dauerrente geworden sei. Eine unwirksame Zustellung des
angefochtenen Dauerrentenbescheides habe nicht vorgelegen, da die Übergabe der Einschreibesendung an die Zeugin
K. nach § 51 der PostO. statthaft gewesen sei. K. sei als Schwägerin Angehörige der Klägerin und daher
Ersatzempfängerin. Ihr könne als solcher ein Einschreiben im von der Klägerin mitbewohnten Zweifamilienhaus
wirksam ersatzweise ausgehändigt werden, ohne daß sie sich hierbei in der Wohnung der Klägerin aufgehalten haben
müsse. Die im § 51 PostO vorgesehene Ersatzzustellung verstoße auch nicht gegen das in Artikel 10 Abs. 1 des
Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – GG – geschützte Postgeheimnis. Die PostO habe zudem eine
ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 14 des Postverwaltungsgesetzes PostVerwG , so daß Artikel
80 GG nicht verletzt sei. Auch verstoße diese Vorschrift nicht gegen das Zitiergebot des Artikels 19 Abs. 1 Satz 2
GG, da mit dem PostVerwG keine neue Rechtsgrundlage geschaffen, sondern lediglich die frühere Rechtslage eine
neue gesetzliche Formulierung erfahren habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. Februar 1973 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen und den Bescheid vom 27. Juli 1973 aufzuheben.
Sie beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils und wiederholt ihr bisheriges Vorbringen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt
haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die statthafte Berufung ist frist- u. formgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte keinen Bestand haben,
da die Beklagte mit dem Bescheid vom 26. August 1971 wirksam unter gleichzeitiger Entziehung der vorläufigen
Verletztenrente in erster Linie die Gewährung der Dauerrente abgelehnt hat (§§ 1585 Abs. 2, 581 Abs. 1 RVO).
Zunächst ist festzustellen, daß – entgegen der Auffassung des SG – die gemäß Bescheid vom 14. Mai 1970 zuletzt
nach einem Grad der MdE um 20 v.H. gewährte vorläufige Verletztenrente nicht mangels ordnungsmäßiger Zustellung
des Dauerrentenbescheides automatisch zur Dauerrente geworden ist (§ 622 Abs. 2 Satz 1 RVO). Vielmehr ist dieser
Bescheid vor Ablauf des zweiten Unfalljahres mittels Einschreibebriefes wirksam zugestellt worden (§ 4 Abs. 1
Verwaltungszustellungsgesetz – VwZG – in Verbindung mit § 51 PostO). Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin
nicht selbst, sondern ihre Schwägerin, die Zeugin K., diesen Bescheid, ohne im Besitz einer gültigen Postvollmacht
zu sein, von dem zustellenden Postbeamten entgegennahm. Da die Klägerin bei der Zustellungshandlung abwesend
war, dürfte der Bescheid der Zeugin K. als Ersatzempfängerin wirksam ausgehändigt werden (§ 51 Abs. 1 und 2 Nr. 1
und Abs. 3 PostO). K. ist als Schwester des Ehemannes der Klägerin mit dieser verschwägert und daher deren
Angehörige im Sinne des § 51 Abs. 2 Nr. 1 PostO (vgl. Kämmerer-Eidenmüller, Post- und Fernmeldewesen, Stand
April 1975, Anm. 6 zu § 51 PostO; unentschieden bei Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit,
Anm. zu § 4 VwZG bei § 63 SGG S. 186/62 f.). Entgegen der Auffassung des SG konnte der Zeugin K. als
Ersatzempfängerin der Bescheid mittels eingeschriebenen Briefes von dem zustellenden Postbeamten auch
außerhalb der Wohnung der Klägerin, nämlich am Hoftor des gemeinsam in getrennten Wohnungen bewohnten
Zweifamilienhauses, wirksam ausgehändigt werden. Zutreffend hat das Bayerische Oberste Landesgericht (NJW
1972, 302) entschieden, daß die Ersatzzustellung nach § 51 PostO anders geregelt ist, als die Ersatzzustellung bei
Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde (§ 3 VwZG) und bei der Zustellung durch die Behörde gegen
Empfangsbekenntnis (§ 5 VwZG). Während bei diesen beiden Zustellungsarten die Ersatzzustellung, wenn sie an
einem zur Familie gehörenden Hausgenossen bewirkt wird, in der Wohnung des Empfängers stattfinden muß (§ 181
Abs. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 Satz 1 VwZG), enthält der für eingeschriebene Briefe in Betracht kommende § 51 Abs. 2 Nr.
1 PostO keine Einengung dahingehend, daß die dort aufgeführten Personen Hausgenossen des Empfängers sein
müssen und die Zustellung in dessen Wohnung vorzunehmen ist. Eine solche Auslegung dieser Bestimmung würde
dem mit der Änderung der Vorschriften über die Ersatzzustellung eingeschriebener Briefe verfolgten Zweck des
Gesetzgebers, diese Ersatzzustellung in einem weiteren Rahmen zuzulassen (vgl. Kohlrust-Eimert, Anmerkung 1 zu
§ 4 VwZG), zuwiderlaufen.
Entgegen der von Bettermann und Loh Der Betriebsberater – BB – 1968, 892 ff.; vgl. auch Jecht in Die Öffentliche
Verwaltung – DÖV – 1964, 544) vertretenen Auffassung bestehen gegen die Rechtsgültigkeit der in § 51 PostO
geregelten Ersatzzustellung eines eingeschriebenen Briefes keine Bedenken. Der Senat hält § 51 PostO mit dem GG
für vereinbar. Bettermann und Loh (a.a.O. und in "Legislative unter Posttarifhoheit” in Beiträge zum Rundfunkrecht,
Heft 10) meinen, daß die PostO als Rechtsverordnung nicht auf einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage
entsprechend Artikel 80 GG beruhe. Dem folgt der Senat nicht. Die PostO vom 16. Mai 1963 (BGBl. I, 341) in der
geänderten Fassung vom 19. Mai 1964 (BGBl. I, 327) ist aufgrund des § 14 – Post VerwG – vom 24. Juli 1953 –
BGBl. I, 676 – ergangen. Danach erläßt der Bundesminister für das Post- u. Fernmeldewesen ohne Zustimmung des
Bundesrates nach Maßgabe der Beschlüsse des Verwaltungsrates und der Bundesregierung u.a. die
Rechtsverordnungen über die Bedingungen und Gebühren für die Benutzung der Einrichtungen des Post- und
Fernmeldewesens (Benutzungsverordnungen). Zwar ist die Ermächtigung dem Wortlaut nach weder nach Inhalt und
Zweck noch nach Ausmaß bestimmt. Gleichwohl liegt hierin kein Verstoß gegen Artikel 80 Abs. 1 GG. Es ist
herrschende Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung, daß die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage im Wege
der Auslegung ermittelt werden kann. Es gelten für die Interpretation von Ermächtigungsnormen die allgemeinen
Auslegungsgrundsätze. Zur Klärung von Zweck, Inhalt und Ausmaß der Ermächtigung können also, wie auch sonst
bei der Auslegung einer Vorschrift, der Sinnzusammenhang der Norm mit anderen Vorschriften und das Ziel, daß die
gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt, berücksichtigt werden. Es genügt, wenn sich Inhalt und Zweck des
Ausmaßes der Ermächtigung aus dem Gesetz ermitteln lassen. Maßgebend ist der in der Bestimmung zum Ausdruck
gekommene objektive Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm und dem
Sinnzusammenhang ergibt, in den die Ermächtigung gestellt ist. Auch die Entstehungsgeschichte kann vor allem nur
Bestätigung des Ergebnisses der Auslegung herangezogen werden. Artikel 80 Abs. 1 GG verlangt nicht, daß die
Ermächtigung so bestimmt wie irgend möglich unterschrieben ist. Sie muß nur hinreichend bestimmt sein. Der
Gültigkeit einer Ermächtigung steht also nicht entgegen, daß vielleicht eine präzisere Umschreibung des Zwecks
möglich gewesen wäre (vgl. statt Vieler: Leibholz/Rinck, Das Grundgesetz, 2. Aufl., Anm. 7 zu Art. 80 GG, BVerfG E
4, 20, 50; 8, 307, 315). Diesen Anforderungen entspricht § 14 PostVerwG, wie sich auch aus den Materialien zum
Gesetz über das Postwesen vom 28. Juli 1969 – PostG – zu § 5 ergibt (vgl. BVerfGE, 28, 66 = Archiv für das Post-
u. Fernmeldewesen 1970, 547 ff. mit zustimmender Anerkennung von Dörig, S. 555; BVerwG. in Deutsches
Verwaltungsblatt – DVBl. – 1968, 182 und Archiv PF 1968, 231; Kämmerer in DVBl. 1965, 217; Schmidt, DÖV, 1964,
760; Kämmerer-Eidenmüller, Anm. 2 zu § 14 PostVerwG; Materialien in Archiv PF 1970, 448 bis 450).
Die in § 51 PostO getroffene Regelung der Ersatzzustellung eines eingeschriebenen Briefes stellt auch keine
Einschränkung des Postgeheimnisses (Artikel 10 GG) dar mit der Folge, daß diese nur in einem – hier fehlenden –
formellen Gesetz unter Berücksichtigung des Zitiergebotes nach Artikel 19 Abs. 1 Satz 2 GG zulässig wäre (so
Bettermann und Loh a.a.O.). Bei § 51 PostO handelt es sich um eine im Interesse der Postbenutzer erlassene
Benutzungsordnung, die den Zweck hat, der Post, insbesondere unter Berücksichtigung des derzeitigen
Massenaufkommens an Postsendungen, einen ordnungsmäßigen und reibungslosen Postverkehr zu ermöglichen.
Diese Zweckbestimmung macht es unumgänglich, daß auch Ersatzempfänger anstelle des Adressaten Kenntnis von
der Postsendung als solcher erhalten. § 51 PostO stellt sich daher nicht als unzulässiger Eingriff in das
Postgeheimnis, sondern als betriebsbedingte Maßnahme nach § 5 Abs. 2 PostG dar. Die Ersatzzustellung ist keine
Ausnahme vom Postgeheimnis, sondern eine dem herkömmlichen Begriff des Postgeheimnisses Immanente
Schranke, wie sich auch aus den parlamentarischen Beratungen zum PostG ergibt (vgl. Florian-Weigert, Kommentar
zur PostO Teil II, Anm. 1 zu § 51, S. 528; Altmannsperger, Kommentar zum Gesetz über das Postwesen, Rd.Nr. 76,
80–87 zu § 5 PostG unter Hinweis auf Badura, Kommentar zum GG, Rd.Nr. 49 zu Art. 10 GG; Materialien zum PostG
in Archiv PF 1970, 448–54).
Da nach alledem der Bescheid über die erstmalige Feststellung der Dauerrente vom 26. August 1971 wirksam vor
Ablauf des zweiten Unfalljahres zugestellt worden ist, hatte der Senat nur noch zu prüfen, ob die Beklagte zu Recht
mit dem Bescheid vom 26. August 1971 den unfallbedingten Grad der MdE mit unter 20 v.H. festgestellt hat, ohne
daß es hierzu eines Besserungsnachweises im Sinne einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse bedurfte (§ 1585
Abs. 2 RVO). Insoweit ist der Versicherungsträger allerdings an die Grundlagen, wie sie sich aus dem Bescheid über
die vorläufige Verletztenrente ergeben, gebunden. Hierzu gehört vor allem die Bejahung des ursächlichen
Zusammenhangs zwischen dem Unfall und der Gesundheitsstörung, durch welche die MdE hervorgerufen ist
(Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 4 c zu § 622 RVO). Hierüber besteht unter den Beteiligten auch kein
Streit. Die Klägerin macht vielmehr geltend, daß im Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung der Dauerrente am 28.
August 1971 der Grad der unfallbedingten MdE wenigstens noch 20 v.H. (§ 581 Abs. 1 RVO) betragen habe. Das ist
indessen nicht der Fall, wie die Gutachten der Dres. H. und M. vom BGUKH sowie dem im Berufungsverfahren
gehörten Sachverständigen Dr. K. vom 18. Mai 1971 und vom 16. März 1974 zeigen.
Nach dem Gutachten der Dres. H. und M. vom 18. Mai 1971 bestanden damals als wesentliche Unfallfolgen lediglich
noch eine geringgradige Bewegungseinschränkung des rechten Handgelenkes und eine endgradige
Bewegungsbehinderung des Faustschlusses nach knöchern fest verheiltem Bruch des 4. und 5. Mittelhandknochens.
Auch wenn beide Hände keine nennenswerte Beschwielung zeigten, so ist doch aus den vergleichenden
Umfangmaßen beider oberer Extremitäten zu schließen, daß die Klägerin beide Hände gleichmäßig einsetzt, denn
diese Maße ließen keine Differenzen erkennen. Der Unfallfolgezustand gestattet es somit nicht, einen Grad der MdE
um 20 v.H. anzunehmen. Dies wird auch von Dr. K. bestätigt. Er wie auch Dr. H. und Dr. M. haben demgegenüber
röntgenologisch nachgewiesen, daß an beiden Händen gleichmäßig unfallunabhängige Aufbrauchschäden vorliegen,
die zu Beschwerden führen können.
Da der Dauerrentenbescheid vom 26. August 1971 zu Recht ergangen ist, brauchte der Senat nicht mehr zu prüfen,
ob die vorsorgliche Entziehung der Rente gemäß Bescheid vom 27. Juli 1973 rechtmäßig war. Der Klägerin stand
bereits ab 1. Oktober 1971 keine Verletztenrente mehr zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung nicht vorliegen
(§ 160 SGG).