Urteil des LSG Hessen vom 21.03.1997
LSG Hes: verwaltungsakt, sozialleistung, arbeitslosigkeit, beendigung, aufhebungsvertrag, werk, kündigungsfrist, drucksache, aufwendung, erwerbsunfähigkeit
Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 21.03.1997 (rechtskräftig)
Sozialgericht Darmstadt S 9 Ar 825/95
Hessisches Landessozialgericht L 10 Ar 1370/95
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. November 1995 wird
zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 17. Januar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 4. März 1996 wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen Erstattungsbescheide, die die Beklagte auf der Grundlage des § 128 des
Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) erlassen hat.
Die Klägerin ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. In dem zu ihr gehörenden Werk war seit dem 24. September
1962 der am 1935 geborene J. M. (M.), zuletzt als Konstrukteur beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch
Aufhebungsvertrag vom 30. Dezember 1993 mit Wirkung zum 30. Juni 1994 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe
von 4.000,– DM zugunsten des Arbeitnehmers beendet. Am 9. Juni 1994 meldete sich M. arbeitslos und beantragte
die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 19. Juli 1994 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit
gemäß § 119 AFG vom 1. Juli 1994 bis zum 20. September 1994 fest. Anschließend gewährte die Beklagte dem M.
aufgrund Leistungsverfügung vom 20. Juli 1994 Arbeitslosengeld in Höhe von 539,40 DM wöchentlich. Am 19. Juli
1994 nahm M. die Möglichkeit des erleichterten Arbeitslosengeldbezugs gemäß § 105 c AFG in Anspruch. Seit dem
1. Juli 1995 bezieht er eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.
Nachdem die Beklagte der Klägerin Gelegenheit gegeben hatte, zu der beabsichtigten Geltendmachung eines
Erstattungsanspruches gemäß § 128 AFG Stellung zu nehmen, teilte sie ihr durch Bescheid vom 20. Februar 1995
mit, die Klägerin sei dazu verpflichtet, der Bundesanstalt für Arbeit das an ihren ehemaligen Arbeitnehmer gezahlte
Arbeitslosengeld sowie die hierauf entfallenen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ab 23.
September 1994 für längstens 624 Tage zu erstatten. Umstände für den Nichteintritt der Erstattungspflicht seien
weder vorgetragen worden noch aus der Akte erkennbar. Trete hinsichtlich der festgestellten Erstattungspflicht eine
wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen ein, werde darüber in einem besonderen
Bescheid entschieden. Die fällig werdenden Erstattungsbeträge würden jeweils in gesonderten
Abrechnungsentscheidungen – bezogen auf den kalendermäßig abgelaufenen Zeitraum von drei Monaten seit der
Entstehung des Erstattungsanspruchs – mitgeteilt.
Hiergegen legte die Klägerin am 28. Februar 1995 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 6. April 1995 teilte die Beklagte
sodann mit, die Klägerin habe für den Abrechnungszeitraum vom 23. September 1994 bis zum 28. Februar 1995
insgesamt 18.864,73 DM (Arbeitslosengeld 12.121,40 DM, Beiträge zur Krankenversicherung 3.522,96 DM und
Beiträge zur Rentenversicherung 3.220,37 DM) zu erstatten. Der Bescheid werde Gegenstand des laufenden
Widerspruchsverfahrens.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1995 den Widerspruch gegen die Bescheide vom 20.
Februar 1995 und vom 6. April 1995 als unbegründet zurück.
Dagegen richtet sich die am 30. Mai 1995 vor dem Sozialgericht Darmstadt erhobene Klage. Auf eine entsprechende
Anfrage der Beklagten vom 6. Juni 1995 teilte M. mit, die krankheitsbedingten Fehlzeiten während der letzten zwei
Jahre seines Arbeitsverhältnisses beruhten auf unterschiedlichen Gründen. Er sei im Rahmen eines Sozialplanes für
Vorruhestand des Jahrganges 1935 ausgeschieden. Gesundheitliche Gründe seien für die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses nicht maßgeblich gewesen. Gleiches teilte M. dem Sozialgericht auf dessen Beweisbeschluß
vom 27. Juni 1995 mit.
Durch Urteil vom 27. November 1995 hat das Sozialgericht Darmstadt die Klage abgewiesen. Auf die Gründe der
Entscheidung wird Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 1. Dezember 1995 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. Dezember 1995 beim Hessischen
Landessozialgericht eingelegte Berufung, nachdem die Beklagte bereits am 29. November 1995 sowohl der Klägerin
vor Erlaß einer Abrechnungsentscheidung für den Zeitraum vom 1. März 1995 bis zum 30. Juni 1995 Gelegenheit zur
Stellungnahme gegeben hatte als auch unter dem gleichen Datum den M. dazu befragt hatte, ob sich gegenüber
seinen Angaben bei Beantragung des Arbeitslosengeldes Änderungen ergeben hätten. Mit weiterem Bescheid vom 17.
Januar 1996 machte die Beklagte auch die Erstattung für die Zeit vom 1. März 1995 bis zum 30. Juni 1995 in Höhe
von insgesamt 15.219,14 DM geltend. Den dagegen erhobenen Widerspruch verwarf sie durch Widerspruchsbescheid
vom 4. März 1996 als unzulässig.
Zur Berufungsbegründung führt die Klägerin aus: Der Gesetzgeber habe Aufhebungsverträge bei den
Befreiungstatbeständen nicht herausnehmen wollen. Gänzlich unberücksichtigt sei die dringende Notwendigkeit bei
der Klägerin geblieben, eine ausgewogene Altersstruktur bei der Belegschaft zu gewährleisten. Bezüglich der
Überprüfung möglicher anderweitiger Sozialleistungen sei das erstinstanzliche Urteil zu Unrecht lediglich von einer
Amtsermittlungspflicht bei der Erstellung des Grundlagenbescheides ausgegangen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. November 1995 sowie die Bescheide der
Beklagten vom 20. Februar 1995 und vom 6. April 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Mai 1995
sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März
1996 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen sowie die Klage gegen den Bescheid vom 17. Januar 1996 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 1996 abzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im einzelnen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. November 1995 sowie die angefochtenen Bescheide erweisen sich
als rechtmäßig.
Vorab ist darauf hinzuweisen, daß der Bescheid vom 17. Januar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 4. März 1996 gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Nach
der genannten Vorschrift wird, wenn nach Klageerhebung der Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder
ersetzt wird, auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Entsprechendes gilt für das
Berufungsverfahren (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 SGG). Über den neuen Verwaltungsakt (Bescheid vom 17.
Januar 1996) hatte der Senat zwar – anders als über die Bescheide vom 20. Februar 1995 und 6. April 1995 – nicht
als Berufungsgericht (§ 143 SGG), wohl aber – auf den Antrag der Klägerin vom 22. März 1996 – erstinstanzlich zu
entscheiden. Daß der Bescheid vom 17. Januar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 1996
den früheren Bescheid vom 6. April 1995 abändert, ist angesichts der weiten Auslegung des § 96 Abs. 1 SGG (vgl.
Meyer-Ladewig, SGG, § 96 Rdnrn. 4 und 5) nicht zweifelhaft. Die Vorschrift erfaßt auch Verwaltungsakte, die – ohne
daß sie sich auf den Streitgegenstand im engeren Sinne beziehen – im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses
ergehen und das streitige Rechtsverhältnis für einen weiteren Zeitraum regeln, der sich an den anschließt, in bezug
auf den der frühere Verwaltungsakt ergangen ist (BSGE 34, 255). So liegt es hier.
Die angefochtenen Bescheide beruhen auf der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Neufassung des § 128 AFG.
Danach ist der Arbeitgeber der Bundesanstalt für Arbeit gegenüber zur Erstattung des Arbeitslosengeldes verpflichtet,
wenn der Arbeitslose, der Arbeitslosengeld erhält, bei ihm mindestens 720 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt
war, diese Beschäftigung innerhalb einer Frist von vier Jahren vor dem Tag der Arbeitslosigkeit lag und der
Arbeitslose frühere Arbeitnehmer zwischen 58 und 65 Jahren alt ist. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese
Regelung sind nicht ersichtlich; die sie rechtfertigende gesetzgeberische Zielsetzung der Verhinderung sozial
unzuträgliche Frühverrentung hat nach wie vor Bestand, um eine vermehrte Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld
und Rentenleistung zu verhindern. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hält das Bundesverfassungsgericht
(Urteil vom 23. Januar 1990, BVerfGE 81, 156) die Erstattungszahlung für zumutbar, weil der Arbeitgeber für die
Beendigung des Arbeitsverhältnisses allein verantwortlich sei. Dies bedeutet, daß die Verantwortungsgemeinschaft,
die mit dem Arbeitsverhältnis entstanden ist, diese Belastungen des Arbeitgebers rechtfertigt. Dem Arbeitgeber wird
durch den Abschluß der Ausscheidensvereinbarung die wesentliche Verursachung dafür angelastet, daß
Arbeitslosengeld beansprucht und damit das Sozialversicherungssystem belastet wird. Eine besondere Verantwortung
für den Eintritt der Arbeitslosigkeit und damit für die Gewährung der zu erstattenden Leistung trifft den Arbeitgeber
auch unter veränderten konjunkturellen Bedingungen und auch dann, wenn ältere Arbeitnehmer im Rahmen von
Sozialplänen "freigesetzt” werden. Wie bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber die durch das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts in bezug auf die Vorgängervorschrift postulierten verfassungsrechtlichen Vorgaben bei
der Neuregelung beachtet. Hierzu zählt insbesondere, daß zu den Tatbestandsvoraussetzungen der Erstattungspflicht
nach § 128 AFG nunmehr auch das Fehlen eines Anspruchs des Arbeitslosen auf eine anderweitige Sozialleistung
gehört (§ 128 Abs. 1 Satz 2 AFG).
Das Fehlen der Voraussetzungen für den Bezug einer anderen Sozialleistung, bei deren Zuerkennung ein Anspruch
auf Auszahlung von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe bestehen würde, hat die Beklagte in ausreichender Weise
festgestellt und damit der ihr obliegenden Amtsermittlungspflicht (§ 20 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch – SGB X)
genügt. Die Beklagte hat – ausgehend von den Angaben des M. im Antrag auf Arbeitslosengeld – keine
Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs auf eine anderweitige Sozialleistung gefunden. Auch die Angaben
des ehemaligen Arbeitnehmers der Klägerin lassen nicht den Schluß zu, er erfülle die Voraussetzungen für eine der in
§ 118 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2–4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Nur bei
insoweit bestehenden Zweifeln wäre aber die Beklagte zu weiteren Ermittlungen verpflichtet gewesen. Insbesondere
hat sie nicht in jedem Fall "automatisch” sowohl den Arbeitslosen, den Arbeitgeber und die Sozialversicherungsträger
zu befragen. Es wäre angesichts der der Beklagten obliegenden Massenverwaltung auch kaum praktikabel (vgl. Gagel
AFG, § 128 Rdnr. 132) und entspräche auch nicht den Intentionen des Gesetzgebers. Im Regierungsentwurf des §
128 AFG ist ausdrücklich davon die Rede, daß die Bundesanstalt für Arbeit eine weitergehende Feststellungspflicht
nur treffe, wenn begründete Anhaltspunkte für einen anderen Sozialleistungsanspruch sprächen. Die
Voraussetzungen, etwa für die Erwerbsunfähigkeit des Arbeitslosen, seien deshalb nicht in jedem Fall zu prüfen; es
genüge, wenn sie im Zusammenhang mit der Prüfung des Arbeitslosengeldes getroffen würden (BT-Drucksache
12/32/11, Seite 25). Für gesundheitliche Einschränkungen in der Person des ehemaligen Arbeitnehmers hat
schließlich auch das Bundesverfassungsgericht eine besondere Ermittlungspflicht nur dann für geboten erachtet,
wenn diesbezügliche Anhaltspunkte gegeben sind (BVerfGE a.a.O., 203).
Die Beklagte ist auch nicht aufgrund eines der übrigen in § 128 Abs. 1 Satz 2 genannten Tatbestandes von der
Erstattungspflicht ausgenommen. Weder ist das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des
Arbeitslosen M. beendet worden noch hat die Beklagte nachgewiesen, daß einer der Fälle des Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1
bis 7 von § 128 AFG gegeben ist. Die Klägerin beruft sich zwar auf § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG, wonach die
Erstattungspflicht entfällt, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet
hat. Außerdem beruft sie sich auf § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AFG, der die Erstattungspflicht ausschließt, wenn der
Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, daß Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne
Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht
erfüllt. Das zu M. bestehende Arbeitsverhältnis wurde nicht durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet, sondern
durch einen Aufhebungsvertrag. Außerdem ist nicht ersichtlich, daß die Klägerin zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund berechtigt gewesen sein soll. Ihr Interesse an der Schaffung einer
ausgewogenen Altersstruktur jedenfalls rechtfertigt eine außerordentliche Kündigung nicht. Dies gilt auch unter
Berücksichtigung der vorliegend gebotenen verfassungskonformen Auslegung des Begriffs des wichtigen Grundes.
Auch wenn Arbeitnehmer im Rahmen eines Sozialplans "freigesetzt” werden, so beseitigt dies nicht die die
Erstattungspflicht begründende Verantwortung des Arbeitgebers für die Freisetzung des Arbeitnehmers und damit für
die Aufwendung der Arbeitslosenversicherung. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer – wie aus der
Beantwortung der entsprechenden Antragen des Sozialgerichts und der Beklagten hervorgeht – aus gesundheitlichen
Gründen nicht daran gehindert ist, die von ihm vertraglich übernommene Arbeit auf Dauer zu verrichten.
Die Erstattungspflicht entfällt auch nicht nach § 128 Abs. 2 Nr. 2 AFG. Es ist nämlich nicht nachgewiesen, daß die
Erstattung für die Klägerin eine unzumutbare Belastung bedeuten würde, weil durch die Erstattung der Fortbestand
des Unternehmens oder die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden Arbeitsplätze gefährdet werden.
Wenn die Klägerin, wie vorliegend, in der Lage gewesen ist, Abfindungen zu zahlen, kann auch erwartet werden, daß
sie ihrer Erstattungspflicht nach § 128 AFG nachkommt. Die "Freisetzung” älterer Arbeitnehmer mag zwar geeignet
sein, die Arbeitsplätze der jüngeren Arbeitnehmer zu sichern. Dies rechtfertigt die Anwendung der zweiten Alternative
des Abs. 2 von § 128 AFG jedoch nicht. Erst wenn die nach Durchführung des Personalabbaus verbleibenden
Arbeitsplätze durch die Erstattung des Arbeitslosengeldes gefährdet werden, könnte die die Klägerin grundsätzlich
treffende Erstattungspflicht entfallen. Hierfür bestehen jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
Ebensowenig wie gegen den Bescheid vom 20. Februar 1995, den Bescheid vom 6. April 1995 sowie den
Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 1995 bestehen gegen den Bescheid vom 17. Januar 1996 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 4. März 1996 rechtliche Bedenken. Wegen der gesetzlichen vorgeschriebenen
Begrenzung der Erstattungspflicht auf 1/4-jährliche Abrechnungszeiträume hat die Beklagte nicht nur bei ihrer
Entscheidung über den Grundbescheid, sondern auch jeweils über jede Abrechnungsentscheidung für das letzte
Vierteljahr zu überprüfen, ob für die Erstattungspflicht bedeutsame Sozialleistungsansprüche entstanden sind oder
nicht (Kressel, NZS 1993, 292, 294 f.). Die anderweitige Berechtigung zum Bezug einer Sozialleistung im Sinne des §
128 Abs. 1 Satz 2 AFG kann nämlich nicht nur zum Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts der Erstattungspflicht,
sondern auch zu einem späteren Zeitpunkt eintreten; mit einem solchen Eintritt muß sogar im Hinblick auf den
betroffenen Personenkreis älterer, oft leistungsgeminderter Arbeitnehmer gerechnet werden.
Der erneute Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) ist nur zu rechtfertigen,
wenn von der Beklagten zuvor ermittelt worden ist, daß die Voraussetzungen der Erstattungsforderung, für deren
Vorliegen sie die Beweislast trägt, gegeben sind. Hierzu gehört, daß die Beklagte bei dem bei ihr im Leistungsbezug
stehenden arbeitslosen früheren Arbeitnehmer Nachforschungen anstellt. Sie muß von sich aus tätig werden und
ermitteln, ob ein anderweitiger Sozialleistungsanspruch des Arbeitslosen zwischenzeitlich begründet worden ist.
Ausweislich der Akten hat diesbezüglich eine Überprüfung stattgefunden. Insoweit ist auf die Schreiben der Beklagten
vom 6. Juni 1995 und vom 29. November 1995 hinzuweisen. Mit diesen Schreiben an den ehemaligen Arbeitnehmer
der Klägerin hat die Beklagte ihrer Überprüfungspflicht vor Erlaß des Abrechnungsbescheides Genüge getan.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG gegeben sind; die Rechtssache
hat grundsätzliche Bedeutung.