Urteil des LSG Hessen vom 11.11.2010
LSG Hes: soziale sicherheit, entsandter arbeitnehmer, japan, rahmenfrist, entsendung, arbeitslosenversicherung, aufschiebende wirkung, versicherungspflicht, hauptsache, rechtsschutz
Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 11.11.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 1 AL 176/10 ER
Hessisches Landessozialgericht L 7 AL 108/10 B ER
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Mai 2010
wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander auch im Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im einstweiligen Rechtsschutz über die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 10. November
2009.
Der 1963 geborene Antragsteller ist japanischer Staatsangehöriger. Er meldete sich am 5. Oktober 2009 zum 10.
November 2009 bei der Antragsgegnerin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er war zuvor nach Tätigkeiten in
Japan vom 1. Juni 1995 bis 31. Dezember 2008 als Augenoptiker und Filialleiter bei der C. GmbH in C., ab November
2001 in D-Stadt und anschließend nach Versetzung zur Muttergesellschaft in E. vom 1. Januar 2009 bis 25. Oktober
2009 in seiner Heimat beschäftigt. Die C. GmbH teilte auf Nachfrage der Antragsgegnerin mit, dass Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung nur für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Dezember 2009 abgeführt worden seien, da bis
einschließlich Januar 2008 eine sogenannte DJ 101 Gültigkeit gehabt habe.
Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag auf Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 25. November 2009 ab, da die
Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Der Antragsteller sei innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem 10. November 2009
weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Hiergegen legte der Antragsteller am 15.
Dezember 2009 Widerspruch ein. Zunächst seien bis Dezember 2000 von der ehemaligen Arbeitgeberin
Sozialversicherungsbeiträge an deutsche Träger abgeführt worden. Nach Inkrafttreten des deutsch-japanischen
Sozialversicherungsabkommens vom 20. April 1998 zum 1. Februar 2000 seien entsandte Arbeitnehmer für einen
Zeitraum von 60 Monaten weiterhin in ihrem Heimatland zu versichern. Im Zuge dessen habe die ehemalige
Arbeitgeberin an deutsche Träger bereits ab 1. Januar 2000 keine Sozialversicherungsbeiträge mehr entrichtet. Erst
ab 1. Februar 2008 seien bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2008 wieder Beiträge zur
deutschen Sozialversicherung gezahlt worden. Der Antragsteller sei kein Entsandter im Sinne des Abkommens
gewesen, sondern regulärer Arbeitnehmer. Unabhängig davon hätten nur vom 1. Februar 2000 bis 1. Februar 2005
Beiträge an japanische Träger abgeführt werden dürfen. Die unzulässige Nichtabführung von Beiträgen könne nicht zu
seinen Lasten gehen. Ergänzend beantragte er mit Schriftsatz vom 18. März 2010 die Gewährung vorläufiger
Leistungen. Nach mehrfachen Rückfragen bei der Niederlassung der ehemaligen Arbeitgeberin in C. durch die
Antragsgegnerin ging über diese eine Stellungnahme des japanischen Mutterkonzerns ein, wonach der Antragsteller
nur vorübergehend und aufgrund befristeter Verträge für jeweils drei Jahre, die jederzeit hätten beendet werden
können, beschäftigt gewesen sei. Die Rückkehr nach Japan sei zum 1. Januar 2009 erfolgt. Der Antragsteller habe
das Arbeitsverhältnis zum 25. Oktober 2009 selbst aufgegeben. Die Antragsgegnerin wies daraufhin den Widerspruch
des Antragstellers mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2010 als unbegründet zurück. Innerhalb der Rahmenfrist
vom 10. November 2007 bis 9. November 2009 seien nicht mindestens zwölf Monate feststellbar, in denen der
Antragsteller in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe oder versicherungspflichtig beschäftigt gewesen
sei. Der Antragsteller unterliege bei einer Beschäftigung im Inland im Wege der Einstrahlung nicht den deutschen
Vorschriften über das Recht der Arbeitsförderung, wenn es sich um eine Entsendung im Rahmen eines im Ausland
bestehenden Rechtsverhältnisses handele. Nach Angaben seines Arbeitgebers sei der Antragsteller seit 1995 als
entsandter Arbeitnehmer beschäftigt gewesen und von der japanischen Gesellschaft in die deutsche Niederlassung
versetzt worden. Der Vertrag sei alle drei Jahre verlängert worden mit der Option, dass er jederzeit unter der
Bedingung der Rückkehr habe beendet werden können. Es habe somit von vornherein festgestanden, dass das
Arbeitsverhältnis nach einer im Voraus begrenzten Inlandstätigkeit im Entsendeland wieder habe aufleben sollen. Die
Zeit der Entsendung sei daher nicht als versicherungspflichtige Zeit anzuerkennen.
Am 12. April 2010 hat der Antragsteller unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung beim Sozialgericht Frankfurt
am Main die Bewilligung von Arbeitslosengeld durch Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt und am 20. April
2010 gegen die getroffene Entscheidung der Antragsgegnerin Klage erhoben (S 1 AL 195/10), über die noch nicht
entschieden worden ist. Bei Beginn seiner Anstellung in Deutschland sei ihm von dem damaligen Geschäftsführer
mitgeteilt worden, dass nicht beabsichtigt sei, ihn nach Japan zurückzuschicken. Ein Teil seines Gehalts sei aus
Japan, der andere von der C. GmbH angewiesen worden. Arbeitsanweisungen habe er während der Dauer seiner
Beschäftigung nur von den Geschäftsführern der C. GmbH und nicht aus Japan erhalten. Er sei arbeitslos, habe drei
Kinder und lebe mit seiner Ehefrau, die Hausfrau sei, derzeit von Überweisungen der Verwandtschaft aus Japan.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liege keine Einstrahlung vor, da der Schwerpunkt der Beschäftigung
über zwölf Jahre bei der C. GmbH und nicht bei der japanischen Konzernmutter gelegen habe. Auch von einer
Entsendung könne vorliegend keine Rede sein, weil hierfür ein vorübergehender Charakter der Tätigkeit erforderlich
sei. Zwar möge die Befristung eines Arbeitsverhältnisses hierfür sprechen. Folge jedoch eine Befristung auf eine
andere, sei dies ein Indiz dafür, dass sich die Beschäftigung in eine solche im Inland gewandelt habe. Dann aber habe
er auch in der Zeit vom 1. Februar 2000 bis zum 31. Januar 2008 in einem versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis
gestanden und die Anwartschaftszeit erfüllt. Er habe innerhalb des Bemessungszeitraums von Januar bis Dezember
2008 ein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 7.106,25 Euro erzielt und könne
dementsprechend 2.166,30 Euro monatlich Arbeitslosengeld beanspruchen. Auf die Beantragung von Leistungen zur
Grundsicherung für Arbeitsuchende könne er nach der Rechtsprechung des Hessischen Landessozialgerichts nicht
verwiesen werden.
Mit Beschluss vom 28. Mai 2010 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung abgelehnt. Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit habe nur, wer in der Rahmenfrist mindestens
zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Innerhalb der Rahmenfrist vom 10. November
2007 bis 9. November 2009 seien nur vom 1. Februar bis 31. Dezember 2008 Beiträge zur Renten- und
Arbeitslosenversicherung entrichtet worden. Zwar sei nach den gesetzlichen Bestimmungen nur maßgeblich, ob ein
Versicherungspflichtverhältnis von mindestens zwölf Monaten innerhalb der Rahmenfrist bestanden habe. Dies sei
jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich. Vielmehr liegt es nach den Gesamtumständen näher, dass der Antragsteller
als entsandter Arbeitnehmer eines im Ausland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses mit der C. GmbH eine
Beschäftigung im Inland ausgeübt habe, die vertraglich im Voraus begrenzt gewesen sei und die gemäß § 5 Abs. 1
Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) nicht den deutschen Vorschriften über das Recht der Arbeitsförderung
unterlegen hätte. Soweit der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren drei Arbeitsverträge in japanischer Sprache
vorgelegt habe, sei diesen zumindest zu entnehmen, dass der Antragsteller aufgrund zeitlich befristeter Verträge für
jeweils drei Jahre tätig gewesen ist (1. März 1998 bis 28. Februar 2001, 1. April 2001 bis 31. März 2004, 1. April 2004
bis 31. März 2007). Für die anschließende Zeit ab 1. April 2007 sei ein Arbeitsvertrag zwar nicht vorgelegt worden.
Aufgrund der Angaben des Arbeitgebers, die die Antragsgegnerin – unbestritten – ihrer Entscheidung zugrunde gelegt
habe, enthielten die vertraglichen Vereinbarungen die Regelung, dass der Vertrag jederzeit unter der Bedingung der
Rückkehr nach Japan beendet werden konnte. Dementsprechend sei auch verfahren worden, denn der Antragsteller
sei mit Wirkung zum 1. Januar 2009 nach Japan versetzt worden und habe dort bis zur eigenen Kündigung des
Arbeitsverhältnisses zum 25. Oktober 2009 gearbeitet. Darüber hinaus sei während der gesamten Zeit der Tätigkeit
mehr als die Hälfte des Gehalts aus Japan angewiesen worden. Der Auffassung des Antragstellers, dass eine
Entsendung insbesondere wegen der Zeitdauer seiner Tätigkeit im Inland und der Zusicherung des damaligen
Geschäftsführers der Arbeitgeberin, wonach eine Rücksendung nach Japan nicht beabsichtigt sei, nicht angenommen
werden könne, habe sich die Kammer nicht anschließen können. Die Antragsgegnerin habe zutreffend unter Hinweis
auf die höchstrichterliche Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Bestimmungen eine
Höchstdauer der Beschäftigung im Ausland nicht vorsähen, sondern nur voraussetzten, dass die Entsendung
vertraglich im Voraus begrenzt sein muss. Dies sei aber nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers der Fall.
Dieser Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt Main wurde dem Antragsteller am 8. Juni 2010 zugestellt. Dagegen hat
der Antragsteller am 2. Juli 2010 Beschwerde eingelegt.
Der Antragsteller ist der Auffassung, bei seiner vom 1. Januar 1995 bis 31. Dezember 2008 bei der deutschen
Tochtergesellschaft (GmbH) seines japanischen Mutterkonzerns ausgeübten Tätigkeit liege wegen des Schwerpunkts
des Beschäftigungsverhältnisses in Deutschland ein inländisches Beschäftigungsverhältnis vor. Er erfülle deshalb die
Anwartschaftszeit von 12 Monaten, obwohl die Gesellschaft nur für 11 Monate Beiträge zur Arbeitslosenversicherung
abgeführt habe. Auch wenn man von einem ausländischen Beschäftigungsverhältnis ausgehe, sei er nach dem
deutsch-japanischen Sozialversicherungsabkommen, das entgegen der von ihm im erstinstanzlichen Verfahren
vertretenen Auffassung, auch auf die Arbeitslosenversicherung anwendbar sei, in Deutschland versicherungspflichtig
gewesen. Zwar gälten bei einer Entsendung in das Hoheitsgebiet eines anderen Staates für die ersten 60 Monate
einer Beschäftigung die Rechtsvorschriften des Staates, aus dem die Entsendung erfolgt sei. Überschreite die
Entsendung diesen Zeitraum, sei das Recht des Staates, aus dem die Entsendung erfolgt sei, nur noch dann
anwendbar, wenn dies auf Antrag von Arbeitnehmer und Arbeitgeber von der zuständigen Behörde entschieden
worden sei. Ein solcher gemeinsamer Antrag sei nie gestellt worden, so dass er nach Ablauf der 60 Monate ab 1.
Februar 2005 in Deutschland versicherungspflichtig geworden wäre. Bei der von der Antragsgegnerin vorgelegten
Bescheinigung (DJ 101) handele es sich nicht um eine Bescheinigung nach Art. 7 Absatz 1 Satz 2 des deutsch-
japanischen Sozialversicherungsabkommens, sondern um ein Schreiben nach Art. 7 letzter Satz dieses Abkommens.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß), den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Mai 2010
aufzuheben und die Antragsgegnerin durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Arbeitslosengeld ab
11. November 2009 in Höhe von mindestens 2.166,30 Euro monatlich zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt (sinngemäß), die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hält den erstinstanzlichen Beschluss für zutreffend. Sie verweist auf die vorgelegte
Bescheinigung (DJ 101) über die Anwendung der japanischen öffentlichen Rentengesetze auf den Antragsteller für die
Zeit von 1. Februar 2000 bis 31. Januar 2008. Wegen dieser Bescheinigung sei der Antragsteller in der Zeit vom 1.
Februar 2005 bis 31. Januar 2008 auch in der Arbeitslosenversicherung nicht versicherungspflichtig gewesen. Er
erfüllte deshalb die für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld notwendige Anwartschaftszeit nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie der Leistungsakten der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, Bezug
genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Ist einstweiliger Rechtsschutz weder durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen
Verwaltungsakt noch die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes (§ 86b Abs. 1 SGG) zu gewährleisten, kann
nach § 86b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf
den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die
Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte
(Sicherungsanordnung - vorläufige Sicherung eines bestehenden Zustandes -). Nach Satz 2 der Vorschrift sind
einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis
statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint
(Regelungsanordnung - vorläufige Regelung zur Nachteilsabwehr -). Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers
den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser grundsätzlich im Wege der
Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung
erforderlich sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur
anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher
Leistungsanspruch in der Hauptsache - möglicherweise - zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht
zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Das Abwarten
einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h. es muss eine
dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (Conradis in LPK–SGB II, 2. Aufl., Anhang
Verfahren Rn. 117).
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr stehen beide in einer
Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender
Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein
bewegliches System (Senat, 29. Juni 2005 - L 7 AS 1/05 ER - info also 2005, 169; Keller in Meyer-Ladewig u.a.,
SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 27 und 29, 29a m.w.N.): Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder
unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich
abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen
offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall
nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens,
wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist,
ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der
Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung
zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich
geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem
Sozialstaatsprinzip) ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die
soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu
gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht
vollständig klären lässt (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - info also 2005, 166
unter Hinweis auf BVerfGE 82, 60 (80)). Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann regelmäßig das
Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des
ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten
(Senat, 27. Juli 2005 - L 7 AS 18/05 ER).
Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzuweisen. Der Antragsteller hat keinen
Anordnungsanspruch. Er hat für die Zeit ab 10. November 2009 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit setzt u.a. nach § 118 Abs. 1 Nr. 3 SGB III voraus, dass der
Arbeitnehmer die Anwartschaftszeit erfüllt hat. Nach § 123 Satz 1 SGB III erfüllt die Anwartschaftszeit, wer in der
Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Nach § 124 Abs. 1
SGB III beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen
Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Da der Antragsteller arbeitslos war und sich zum 10.
November 2009 bei der Antragsgegnerin arbeitslos gemeldet hat, reicht die Rahmenfrist vom 9. November 2009 bis
zum 10. November 2007 zurück. In dieser Zeit hat der Antragsteller jedoch nicht mindestens zwölf Monate in einem
Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Dabei kann offen bleiben, ob der Antragsteller in der Zeit vom 1. Februar
bis 31. Dezember 2008 durch seine Tätigkeit für die C. GmbH in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt war.
Dieser Zeitraum von 11 Monaten war nicht ausreichend, um die Anwartschaftszeit von mindestens 12 Monaten zu
erfüllen und der Antragsteller war in der Zeit vom Beginn der Rahmenfrist bis zum 31. Januar 2008 nicht in
Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Dass der Antragsteller in der Zeit vom Beginn der Rahmenfrist bis
zum 31. Januar 2008 nicht in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt war, ergibt sich aus Art. 10 des
Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan über Soziale Sicherheit vom 20. April 1998 (BGBl.
II 1999, 876 ff.). Nach Art. 10 Satz 1 dieses Abkommens kann, wenn nach den Art. 6 bis 9 des Abkommens auf
einen Arbeitnehmer in Bezug auf die Versicherungspflicht die Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates über die
Versicherungspflicht anwendbar sind, die zuständige Behörde dieses Vertragsstaates oder die von ihr bezeichnete
Stelle diesen Arbeitnehmer auf gemeinsamen Antrag des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers von diesen
Rechtsvorschriften befreien, wenn für den Arbeitnehmer die Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates gelten.
Von einer solche Befreiung von den deutschen Rechtsvorschriften ist hier auszugehen, da die vorliegende
Bescheinigung vom 11. April 2005 über die Anwendung der japanischen öffentlichen Rentengesetze auf einen in der
Bundesrepublik Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer bescheinigt, dass der vom 1. Februar 2000 bis 31. Januar
2008 bei der Firma C. GmbH C-Stadt beschäftigte Antragsteller gemäß Art. 10 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und Japan über Soziale Sicherheit in der Zeit vom 1. Februar 2005 bis 31. Januar 2008
den japanischen öffentlichen Rentengesetzen untersteht. Dass der Antragsteller in dieser Zeit den japanischen
öffentlichen Rentengesetzen untersteht, hat jedoch nicht nur Bedeutung für Versicherungspflicht in der
Rentenversicherung, sondern auch für die Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung, da Nr. 10 Buchstabe
b) des Protokolls zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Japan über Soziale Sicherheit, das
Bestandteil des Abkommens wird, vorsieht, dass, wenn aufgrund von Art. 7, 8 und 10 des Abkommens für eine
Person, die im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland tätig ist, die japanischen Rechtsvorschriften über die
Versicherungspflicht gelten, für sie und ihren Arbeitgeber die deutschen Gesetze und Vorschriften über die
Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung keine Anwendung finden. Daher ist der Antragsteller in der Zeit
vom 1. Februar 2005 bis 31. Mai 2008 mangels Anwendbarkeit der deutschen Vorschriften über die
Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung nicht in der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig
gewesen. Damit hat er in der Rahmenfrist vom 10. November 2007 bis 9. November 2009 keine mindestens 12
Monate dauernde und in Deutschland versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Er erfüllt die Voraussetzungen
für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 10. November 2009 nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt, dass der
Antragsteller vollständig unterlegen ist.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).