Urteil des LSG Hessen vom 20.02.2003
LSG Hes: innere medizin, wahrscheinlichkeit, mandelentzündung, anerkennung, verwaltungsverfahren, zugehörigkeit, entstehung, belastung, dienstzeit, diagnose
Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 20.02.2003 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 1a/1 Vs 152/93
Hessisches Landessozialgericht L 5 VS 105/96
I. Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 11. September 1995 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter
Aufhebung ihres Bescheids vom 14. April 1992 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 23. Februar 1993
verurteilt, bei dem Kläger als Wehrdienstbeschädigungsfolge einen ”Herzklappenschaden” festzustellen und ihm ab 1.
Juni 1990 einen Ausgleich nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H. zu gewähren.
II. Die Beklagte und der Beigeladene haben gemeinsam die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für
beide Instanzen zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten wegen der Anerkennung eines Herzklappenschadens als Wehrdienstbeschädigung und
Gewährung eines Ausgleichs nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit dem
Bundesversorgungsgesetz (BVG). Der 1941 geborene Kläger war zunächst vom 3. Januar 1962 bis 31. Dezember
1963 als Zeitsoldat und ab 1. Februar 1966 bis 30. September 1994 als Berufssoldat bei der Bundeswehr. Erstmals
mit Schreiben vom 26. Juni 1990 stellte er einen Antrag auf Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung, den er
damit begründete, dass er 1971 eine Mandelentzündung erlitten habe. Diese sei nicht ausgeheilt und habe deshalb
fortlaufend zu Leistungsschwächen geführt. Im Januar 1972 sei er wegen eines Leistungsknicks in die Kardiologie
überwiesen worden, dort sei ein Aortenvitium festgestellt worden. Aufgrund dieses Antrags zog das
Wehrbereichsgebührnisamt V zunächst die dienstlichen Unterlagen, Krankenblätter und weitere medizinische Befunde
bei. Wegen der wehrdienstlichen Belastungen des Klägers holte es zwei dienstliche Stellungnahmen bei Hauptmann
G., 1. Fernmeldebataillon 320 in F. ein. Dieser führte in seiner Stellungnahme vom 8. April 1991 aus, dass von den
Übungen aus den Jahren 1970/71 keinerlei Unterlagen mehr vorhanden seien. Auch in den Personalunterlagen
befänden sich keinerlei Hinweise, die Aufschlüsse geben könnten. Die einzelnen Fragen könnten deshalb nur nach
bestem Wissen und unter Verwertung der Aussage des Klägers beantwortet werden. Danach seien im streitigen
Zeitraum bei Übungen im Waldgelände in der Nähe von D. keine festen Unterkünfte zur Verfügung gestanden.
Witterungsbedingt sei man hier Nässe, Feuchtigkeit, Zugluft und Kälte ausgesetzt gewesen. Die seinerzeit gestellten
körperlichen Anforderungen müssten als erheblich bezeichnet werden, da zum Teil noch Kraftfahrzeuge und Geräte
der "älteren Generation” in Stand zu setzen waren. Dabei sei es oft passiert, dass neben der allgemeinen
Stresssituation auch die Kleidung nicht regelmäßig gewechselt werden konnte und oft die "Nässe” in der Bekleidung
am eigenen Körper wieder trocknete. Hauptmann G. führte weiter aus, er sei der Auffassung, dass im vorliegenden
Fall den Angaben des Klägers Glauben geschenkt werden müsse und der körperliche Gesundheitsschaden dienstlich
bedingt sei. Aufgrund dieser Unterlagen und Angaben holte das Wehrbereichsgebührnisamt V ein internistisch-
kardiologisches Gutachten bei Dr. F., Bundeswehrzentralkrankenhaus K., ein. Dr. F. kam in seinem Gutachten vom
18. Dezember 1991 zu dem Ergebnis, ein Zusammenhang zwischen dem bei dem Patienten auftretenden
Aortenvitium und einer vorhergehenden Mandelentzündung sei grundsätzlich nicht auszuschließen. Die im August
1971 durchgeführte Behandlung sowie die chronologische Abfolge vom Auftreten erster Symptome bis zur
Diagnosestellung mit einem Latenzzeitraum von lediglich fünf Monaten lasse einen Zusammenhang in diesem Fall
jedoch praktisch ausschließen. Die Voraussetzungen zur Anerkennung des Aortenklappenvitiums als WDB-Folge sei
seines Erachtens somit nicht gegeben. Zu diesem Gutachten zog das Wehrbereichsgebührnisamt V eine weitere
Stellungnahme des Sanitätsamts der Bundeswehr bei. Dr. V., Sanitätsamt der Bundeswehr, kam in ihrer
Stellungnahme vom 26. Februar 1992 zu dem Ergebnis, es bestehe kein Zusammenhang zwischen der am 31.
August 1971 diagnostizierten Mandelentzündung und dem im Januar 1972 erstmals aufgetretenen Aortenvitium;
unabhängig davon seien erste Anzeichen der Erkrankung bereits 1969 festgestellt worden. Dies mache einen
Zusammenhang mit den 1960 bis 1964 durchgemachten Streptokokkeninfektionen wahrscheinlicher. Nur eine dieser
akuten Erkrankungen sei in den Zeitraum der Zugehörigkeit zur Bundeswehr gefallen. Im Übrigen sei die
truppenärztliche Behandlung der Mandelentzündung im August 1971 angemessen und ausreichend gewesen. Mit
Bescheid vom 14. April 1992 wies das Wehrbereichsgebührnisamt V den Antrag des Klägers mit der Begründung
zurück, nach Auswertung der beigezogenen Krankenunterlagen sei ärztlicherseits festgestellt worden, dass die
vorliegende Gesundheitsstörung durch den Wehrdienst bei der Bundeswehr weder hervorgerufen noch verschlimmert
worden sei. Die am 31. August 1971 diagnostizierte "Mandelentzündung” könne nicht verursachend für das im Januar
1972 diagnostizierte kombinierte Aortenvitium gewesen sein.
Gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger mit seiner am 30. April 1992 beim Wehrbereichsgebührnisamt V
eingegangenen Beschwerde. Zur Begründung legte er ein fachinternistisches Gutachten des Prof. Dr. von W., Leiter
der Medizinischen Poliklinik im Zentrum Innere Medizin der Universitätsklinik M. vor, das dieser am 4. August 1992 in
einem Schwerbehindertenrechtsstreit vor dem Sozialgericht Marburg erstattet hatte. Prof. von W. führte hierin u. a.
aus, bezüglich der Genese des Aortenklappenfehlers bleibe festzustellen, dass bereits 1963 die erste
Mandelentzündung diagnostiziert worden sei. In den Folgejahren seien häufig grippale Infekte dokumentiert, weiterhin
eine Diarrhöe im August 1971 und 14 Tage später eine eitrige Angina. Diese Erkrankungen fielen alle in den Zeitraum
der Zugehörigkeit des Klägers zur Bundeswehr. Ob zwischen dem 15. August und dem 31. August 1971 eine 10
Tage-Übung stattgefunden habe, sei unerheblich. Weiterhin sei nur schwer nachvollziehbar, dass
wehrdiensteigentümliche Verhältnisse vorliegen müssten. Eine vereiterte Mandelentzündung sei auch in Zeiten des
Friedens eine häufige Erkrankung. Es sei ebenso bekannt, dass eine eitrige Angina Ursache einer subakut
verlaufenden Herzklappenentzündung sein könne. Aufgrund dieses Gutachtens zog das Wehrbereichsgebührnisamt V
weitere Krankenunterlagen bei und holte eine neue Stellungnahme des Sanitätsamtes der Bundeswehr hierzu ein. Dr.
V., Sanitätsamt der Bundeswehr, kam in ihrer Stellungnahme vom 25. November 1992 zu dem Ergebnis, dass
bezüglich der zeitlichen Manifestation eines Herzklappenfehlers bei der Kausalbeurteilung im sozialen
Entschädigungsrecht wenigstens die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zu fordern sei. Dies
werde sich im Fall von Herrn A. zeitlich nie sichern lassen, da er sowohl vor - wie auch zwischenwehrdienstlich als
auch während der Zeit der Zugehörigkeit der Bundeswehr an Streptokokkeninfekten erkrankt gewesen sei. Unabhängig
davon sei keine dieser Streptokokkeninfekte mit Wahrscheinlichkeit auf wehrdiensteigentümliche Einflüsse oder
Umstände zurückzuführen. Mit Beschwerdebescheid vom 23. Februar 1993 wies die Wehrbereichsverwaltung V die
Beschwerde des Klägers zurück und bezog sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Stellungnahme des
Sanitätsamtes der Bundeswehr.
Gegen diesen Beschwerdebescheid hat der Kläger am 19. März 1993 vor dem Sozialgericht Marburg Klage erhoben
und die Ansicht vertreten, aufgrund des Gutachtens des Prof. von W. vom 4. August 1992 stehe fest, dass der bei
ihm vorliegende Herzschaden auf die mehrfachen Mandelentzündungen während der Dienstzeit zurückzuführen sei.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme bei Prof. von W., Leiter
der Medizinischen Poliklinik im Zentrum Innere Medizin der Universitätsklinik M ... Prof. von W. hat in seiner
Stellungnahme vom 18. Januar 1994 ausgeführt, es bleibe festzuhalten, dass der Patient zweimalig an einer Angina
erkrankt gewesen sei, jeweils nicht in zur Bundeswehr gehörig zählenden Zeiträumen. Dies sei im Dezember 1960 und
im November 1964 gewesen. Die einzig dokumentierte eitrige Angina, die üblicherweise auch als Ursache für die
Entwicklung einer Herzklappenerkrankung zugrundegelegt werden könne, sei 1963 vom Truppenarzt dokumentiert und
falle in den Zeitraum der Dienstzeit bei der Bundeswehr. Weiterhin habe Herr A. im Jahr 1971 eine Angina durchlitten,
die mit Sicherheit in den Zeitraum seiner Zugehörigkeit zur Bundeswehr falle und nach den eigenen Angaben von
Herrn A. nach einer Übung mit schlechten Witterungsbedingungen aufgetreten sei. Da im Gutachten des Dr. F. aus
dem Bundeswehrkrankenhaus M. vom 18. Dezember 1991 eine lueische Genese der Herzklappenerkrankung
ausgeschlossen worden sei, müssten die durchlittenen Mandelentzündungen des Patienten mit hoher
Wahrscheinlichkeit als ursächlich für das Entstehen des Herzklappenfehlers angesehen werden. Welche einzelne
dieser Mandelentzündungen erstmalig den Entzündungsprozess ausgelöst habe, lasse sich jedoch im Nachhinein
nicht feststellen.
Mit Urteil vom 11. September 1995 hat das Sozialgericht Marburg die Klage abgewiesen und in den
Entscheidungsgründen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung eines Ausgleichs nach dem
Soldatenversorgungsgesetz. Als Wehrdienstbeschädigungsfolge sei nach § 81 Abs. 1 SVG jede gesundheitliche
Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen
Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden sei. Während nach § 81 Abs.
5 Satz 1 SVG zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des
ursächlichen Zusammenhangs genüge, müssten demgegenüber nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen die
anspruchsbegründenden Tatsachen und damit sowohl das schädigende Ereignis selbst als auch Art und Umfang der
Gesundheitsstörung erwiesen sein. Für das Vorliegen eines bestimmten schädigenden Ereignisses müsse eine so
hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, dass darauf die Überzeugung von der Wahrheit und nicht der bloßen
Wahrscheinlichkeit einer solchen Schädigung gegründet werden könne. In Anlehnung an die aktenmäßigen
Äußerungen von Frau Dr. V. sowie in Anlehnung an das aktenkundige Gutachten von Dr. H., Dr. M. und Dr. F. stehe
für die Kammer fest, dass die als Wehrdienstbeschädigungsfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen durch
die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse weder mittelbar noch unmittelbar verursacht worden seien. Aufgrund
des Gutachtens von Dr. F. sei die Kammer der Überzeugung, dass es sich bei der erst im Alter von ca. 30 Jahren in
Erscheinung getretene und diagnostizierte Herzschädigung des Klägers nicht um eine anlagebedingte, sondern um
eine später erworbene Organschädigung handele. Auch könne auf dem Boden der herrschenden medizinisch-
wissenschaftlichen Lehrmeinung davon ausgegangen werden, dass durch Streptokokkeninfekte ausgelöste
Mandelentzündungen und Anginen, Herz- und Aortenklappenschädigungen verursacht werden könnten. Die vorliegend
nachgewiesenen am 7. Dezember 1960, 1. Februar 1963, 10. November 1964 und 31. August 1971 aufgetretenen
Anginen und Mandelentzündungen seien jedoch aus unterschiedlichen medizinischen und rechtlichen Gründen nicht
geeignet, die für die Anerkennung der geltend gemachten Gesundheitsstörungen erforderliche Wahrscheinlichkeit zu
erbringen. Die von Prof. von W. in seinem vom Kläger vorgelegten Gutachten vertretene Ansicht, die während der
Zugehörigkeit des Klägers zur Bundeswehr aufgetretenen Anginen und Mandelentzündungen seien jeweils als
Wehrdienstbeschädigungsfolgen einzustufen, mache deutlich, dass der Sachverständige mit der Kausalitätsprüfung
offenkundig sachlich und rechtlich vollständig überfordert gewesen sei. Die Annahme einer
Wehrdienstbeschädigungsfolge könne nämlich nur dann begründet werden, wenn durch die dem Wehrdienst
eigentümlichen Verhältnisse die vom Kläger angeschuldigte eitrige Angina vom 31. August 1971 unmittelbar
verursacht worden sei. Zwar würden die Angaben des Klägers über eine zehntägige Wehrübung im Wald 1971 zu
dessen Gunsten gemäß § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung als
richtig unterstellt, dies führe jedoch nicht zur Anerkennung der geltend gemachten Gesundheitsstörungen. Unstreitig
sei ein Zeitraum von ca. fünf Monaten zwischen der Diagnose der eitrigen Angina und der Diagnose des
Aortenklappenvitiums nachgewiesen, so dass die Kausalitätsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Entgegen der
Ansicht des Klägers sei auch eine etwaige fehlerhafte truppenärztliche Versorgung bei der Behandlung seiner am 31.
August 1971 diagnostizierten Angina nicht nachgewiesen, so dass der sogenannte Operationserlass keine
Anwendung finde.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 12. Januar 1996 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner
am 1. Februar 1996 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung.
Mit Beschluss vom 24. November 1999 hat der Senat das Land Hessen gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz
(SGG) beigeladen, weil eine Entscheidung auch gegenüber dem Land nur einheitlich ergehen könne.
Der Kläger ist der Ansicht, der bei ihm bestehende Herzschaden sei als Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen. Dies
folge schon aus dem von ihm im Beschwerdeverfahren vorgelegten Gutachten des Prof. von W ... Er sei bei der
Bundeswehr immer schwerer körperlicher Tätigkeit ausgesetzt gewesen, die nicht mit der Tätigkeit auf zivilen
Arbeitsplätzen vergleichbar sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 11. September 1995 aufzuheben und den Beklagten
unter Aufhebung des Bescheides vom 14. April 1992 in der Gestalt des Beschwerdebescheides vom 23. Februar 1993
zu verurteilen, bei ihm als Wehrdienstbeschädigung die Gesundheitsstörung ”Herzklappenschaden” anzuerkennen und
ab 1. Juni 1990 einen Ausgleich nach einer MdE von 30 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, ein Zusammenhang zwischen der vom Kläger als Wehrdienstbeschädigung geltend gemachten
Gesundheitsstörung und den dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnissen lasse sich weder im Sinne der
Entstehung noch der Verschlimmerung mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit nachweisen. Zur weiteren Begründung
legt sie zwei internistische Stellungnahmen des Oberfeldarztes Dr. U., Institut für Wehrmedizinalstatistik und
Berichtswesen der Bundeswehr, R. (Stellungnahmen vom 31. Januar 2002 und 27. Juni 2002), vor.
Der Beigeladene beantragt ebenfalls, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung bezieht er sich auf die von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen
Stellungnahmen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Stabsfeldwebel a. D., D. D., und des Oberstabsfeldwebels P.
V ... Wegen des Inhalts der Aussagen der beiden Zeugen wird ausdrücklich auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift
vom 14. September 2000 Bezug genommen (vgl. Bl. 142 - 147 der Gerichtsakte). Aufgrund des mit der
Zeugenvernehmung ermittelten Sachverhaltes und nach Beiziehung der Personalakten des Klägers hat der Senat des
weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines fachinternistischen Gutachtens bei Dr. B., Chefarzt der Abteilung für
Innere Medizin der Klinik S., M ... Der Sachverständige kommt in seinem Gutachten vom 20. August 2001 und der
ergänzenden Stellungnahme vom 25. März 2002 zu dem Ergebnis, nach der herrschenden medizinisch-
wissenschaftlichen Lehrmeinung sei der ursächliche Zusammenhang zwischen der dokumentierten eitrigen
Mandelentzündung und der beim Kläger vorliegenden Herzerkrankung wahrscheinlich. Die wehrdiensteigentümlichen
Verhältnisse seien durch die Zeugen V. und D. ausführlich dargelegt. Kälte, Nässe, Zugluft, nicht ausreichender und
gestörter Schlaf sowie schwere körperliche Anstrengungen und Stress durch Zeitdruck seien ursächlich für eine
Schwächung des Immunsystems, welche nachfolgend bei Kontakt mit geeigneten Keimen eine eitrige
Mandelentzündung entstehen lassen könne. Eine geschädigte Herzklappe, wie sie bei dem Kläger schon 1972
diagnostiziert worden sei, sei durch die besonderen wehrdiensteigentümlichen Belastungen im Sinne der
Verschlimmerung beeinflussbar. Auch der in den Vorgutachten diskutierte Zeitraum von lediglich fünf Monaten
zwischen der eitrigen Mandelentzündung und der Diagnose der Herzklappenerkrankung spreche nicht dagegen.
Vielmehr könne eine subakut verlaufende Endokarditis, wie oben beschrieben, gerade in diesem Zeitraum zu einer
Schlussunfähigkeit der Aortenklappe führen, die längere Zeit die Leistungsfähigkeit nicht sehr beeinträchtige.
Zusammengefasst könnten also eitrige Mandelentzündungen im Sinne des im Versorgungsrecht geltenden
Grundsatzes der Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhangs geeignet seien, die beim Kläger vorliegenden
Herzerkrankungen ursächlich hervorzurufen. Beim Kläger und seiner Erkrankung könne ein solcher Zusammenhang
mit Wahrscheinlichkeit hergestellt werden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit sei zum Untersuchungszeitpunkt mit
30 v.H. festzulegen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen, insbesondere wegen des Inhalts der medizinischen Unterlagen und
Gutachten, wird auf die Gerichts-, Verwaltungs- und Personalakten über den Kläger verwiesen, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung vom 20. Februar 2003 gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch an sich statthaft (§§ 151 Abs. 1, 143, 144
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Auch in der Sache ist die Berufung begründet. Das erstinstanzliche Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 11.
September 1995 und der Bescheid der Beklagten vom 14. April 1992 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom
23. Februar 1993 waren aufzuheben, denn bei dem Kläger ist eine Wehrdienstbeschädigung festzustellen; wegen der
Folgen dieser Wehrdienstbeschädigung hat er Anspruch auf einen Ausgleich.
Wehrdienstbeschädigung ist nach § 81 Abs. 1 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) eine gesundheitliche Schädigung,
die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder
durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Dabei müssen die in der Vorschrift
genannten anspruchsbegründenden Tatsachen (die aktuellen dauerhaften Gesundheitsstörungen, das schädigende
Ereignis und die erlittene gesundheitliche Schädigung) erwiesen sein, während nach § 81 Abs. 6 (früher Abs. 5) SVG
zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung die Wahrscheinlichkeit des
ursächlichen Zusammenhangs genügt. Wahrscheinlichkeit im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn unter
Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen
Zusammenhang spricht (siehe auch Soldaten-Versorgungsgesetz-Verwaltungsvorschriften - SVG-VwV zu § 81 Nr.
81.5.1). Es muss aber ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit bestehen, dass sich darauf vernünftigerweise die
Überzeugung vom Kausalzusammenhang gründen kann. Daher genügt die reine Möglichkeit des Zusammenhangs
oder zeitlichen Zusammenhangs nicht (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 6. März 1990 - L 4/5 V 1110/89 -).
Ursachen sind die Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehungen zum Erfolg und dessen Eintritt wesentlich
mitgewirkt haben. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich auch dann
nebeneinanderstehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolgs
annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist
dieser Umstand als Alleinursache im Sinne des Soldatenversorgungsgesetzes anzusehen (vgl. grundlegend: BSG,
Urteil vom 10. Juni 1995 - 10 RV 390/85 – BSGE 1, 72 - 78; Fehl in Wilke, Soziales Entschädigungsrecht,
Handkommentar zum Bundesversorgungsgesetz – BVG - und zu Vorschriften aus dem Soldatenversorgungs-,
Opferentschädigungs- und Bundesseuchengesetz, 7. Aufl., § 1 BVG Rdnr. 64 - 69).
Die Kausalität zwischen den schädigenden Einwirkungen des Wehrdienstes und der bestehenden Gesundheitsstörung
kann dabei nicht nur dann angenommen werden, wenn die Gesundheitsstörung durch einen schädigenden Vorgang
hervorgerufen, d.h. entstanden ist, sondern auch, wenn ein schon bestehendes Leiden durch einen der in § 81 SVG
genannten Tatbestände verschlimmert worden ist. Das Gesetz gebraucht diese Begriffsbestimmung zwar nicht
ausdrücklich. Sinn und Zweck der Vorschrift verdeutlichen aber, dass die Versorgung gewährt werden soll, wenn
schädigende Einwirkungen eine Gesundheitsstörung hervorgerufen oder verschlimmert haben (vgl. Fehl in Wilke,
Soziales Entschädigungsrecht, 7. Aufl., § 1 BVG Rdnr. 71). Für die Unterscheidung eines Leidens nach dem
Gesichtspunkt der Entstehung oder Verschlimmerung ist die Tatsache maßgebend, ob zur Zeit des schädigenden
Ereignisses bereits Anzeichen des Leidens vorhanden waren oder nicht (BSG, Urteil vom 27. Dezember 1957 - 10 RV
925/55 -).
Soweit § 81 Abs. 1 SVG für die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen regelmäßig den
Vollbeweis fordert, kann zugunsten des Anspruchstellers die Beweiserleichterungsregelung des § 15 des Gesetzes
über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopfer (VfG-KOV) Anwendung finden. Danach sind die Angaben des
Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der
Entscheidung zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden
des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind. Glaubhaftmachung in diesem Sinne bedeutet
das Dartun überwiegender Wahrscheinlichkeit, d.h. der guten Möglichkeit, dass der Vorgang sich so zugetragen hat,
wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität
gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für
als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen (vgl. BSG, Entsch. v. 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -
SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 - Breith. 2001, 967 - 970 ). Diese Beweiserleichterungsregel des § 15 VfG-KOV ist auch bei
einer Wehrdienstbeschädigung anzuwenden (vgl. HLSG, Urteil vom 18. Oktober 2001 - L 5 V 612/98 - Breith. 2002,
201 - 204 - SGB 2002, 186 -).
In Anwendung dieser Grundsätze ist zur Überzeugung des Senats das beim Kläger bestehende Aortenklappenvitium
mit Herzleistungsschwäche als Wehrdienstbeschädigungsfolge anzuerkennen. Dies folgt zur Überzeugung des Senats
letztendlich aus dem im Berufungsverfahren bei Dr. B. eingeholten innerfachärztlichen Gutachten vom 20. August
2001 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. März 2002.
Zwar kann der Senat Dr. B. nicht darin folgen, dass mit der im Versorgungsrecht erforderlichen Wahrscheinlichkeit die
Entstehung der Herzklappenerkrankung auf schädigende Einflüsse des Wehrdienstes zurückzuführen ist. Auch zur
Kausalitätsbeurteilung sind die in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen
Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz” - Anhaltspunkte - Ausgabe 1996, niedergelegten
Grundsätze heranzuziehen. Diesen Anhaltspunkten kommt zwar keine Normqualität zu, sie sind nur antizipierte
Sachverständigengutachten. In der Praxis der Versorgungsverwaltung wirken sie sich jedoch normähnlich aus und
haben sich als Art untergesetzlicher Normen entwickelt, die von sachverständigen Gremien kraft Sachnähe und
Kompetenz gesetzt worden sind. Hinsichtlich der richterlichen Kontrolle der Anhaltspunkte ergeben sich
Besonderheiten. Sie sind vornehmlich an den gesetzlichen Vorgaben zu messen und können nicht durch
Einzelfallgutachten hinsichtlich ihrer generellen Richtigkeit widerlegt werden (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a
RVS 1/91 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 6 - BSGE 72, 285 - 292 - Breith. 1994, 323 - 329). Diese Anhaltspunkte regeln in Nr.
99 (S. 270), dass Herzklappenfehler Folge einer Herzinnenhautentzündung, einer Klappensklerose oder angeborener
Fehlbildungen sein können. Eine rheumatische Herzinnenhautentzündung kann danach auch ohne gleichzeitige oder
vorangehende Gelenkentzündung und in nahezu einem Drittel der Fälle so uncharakteristisch und leicht verlaufen,
dass es bei Entdeckung des Herzklappenfehlers nicht mehr gelingt, die ursächliche Herzinnenhautentzündung zu
ermitteln. Die Eigentümlichkeiten des Kriegsdienstes und der Gefangenschaft konnten Streptokokkeninfektionen
begünstigen. Nach den Anhaltspunkten kann ein ursächlicher Zusammenhang als wahrscheinlich angesehen werden,
wenn der Betroffene im bevorzugten Alter derartigen Schädigungen nachweislich ausgesetzt war und aufgrund der
bekannten Entwicklungsverläufe eine Herzinnenhautentzündung in diesem Zeitraum angenommen werden kann. Des
Weiteren wird in den Anhaltspunkten (a.a.O.) ausgeführt, dass bakterielle Endokardititen in ihren verschiedenen
Formen häufig einen vorgeschädigten Klappenapparat voraussetzen, der meist als gleichwertige Bedingung gegenüber
der Bakteriemie anzusehen ist. Bei angeborenen oder vor einer Schädigung erworbenen Vitien sei zu prüfen, ob die
Schädigungseinflüsse geeignet waren, eine Verschlimmerung herbeizuführen; diese Vitien würden auch ohne
besondere Belastungen zum Teil erst im höheren Lebensalter zu den ersten klinischen Erscheinungen führen.
In richtiger Auslegung dieser Anhaltspunkte hat Dr. B. in seinem genannten Gutachten ausgeführt, dass die beim
Kläger vorliegende Erkrankung durch bakterielle Entzündungen, insbesondere die bei ihm nachgewiesenen
verschiedenen Mandelentzündungen, entstanden sein kann. Allerdings kann zur Überzeugung des Senates mit der
erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht mehr festgestellt werden, welche der beim Kläger dokumentierten
Mandelentzündungen die Erkrankung verursacht hat. Darüber hinaus ist es auch nicht ausgeschlossen, dass die
Erkrankung schon anlagebedingt bestanden hat. Zwar führt Dr. B. in seinem Gutachten aus, dass nur bei 2 % aller
erwachsenen Männer eine angeborene bikuspidale Aortenklappe vorhanden sei (vgl. S. 32 des Gutachtens). Die
Tatsache allerdings, dass mehrere bakterielle Entzündungen nachgewiesen sind und Vitien auch angeboren sein
können, führen zur Überzeugung des Senats dazu, dass ein Zusammenhang zwischen schädigenden Einwirkungen
des Wehrdienstes und der Entstehung des Vitiums nicht mit Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden kann. Insoweit
schließt sich der Senat dem im Verwaltungsverfahren eingeholten internistisch-kardiologischen Gutachten des Dr. F.,
Bundeswehrzentralkrankenhaus K. und den im weiteren Verfahren eingeführten Stellungnahmen von Dr. V.,
Sanitätsamt der Bundeswehr, und Dr. U., Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr, R.,
an.
Allerdings kann der Senat Dr. B. ausdrücklich folgen, soweit dieser ausführt, dass sich die Herzklappenerkrankung
durch schädigende Einwirkungen des Wehrdienstes mit Wahrscheinlichkeit verschlimmert hat. Dies trifft ausdrücklich
zu auf die Folgen der 1971 erlittenen bakteriellen Mandelentzündung, die durch schädigende Einwirkungen des
Wehrdienstes entstanden ist. Vor Entstehung dieser Mandelentzündung war der Kläger dienstlich auf einer
Truppenübung in einem Waldgelände in der Nähe von D ... Dort standen keine festen Unterkünfte zur Verfügung.
Witterungsbedingt war er hier Nässe, Feuchtigkeit, Zugluft und Kälte ausgesetzt. Zwar konnte diese Truppenübung in
den Unterlagen nicht mehr nachgewiesen werden. Sie ist für den Senat aber im Sinne des o. g. § 15 VfG-KOV
glaubhaft gemacht. Diese Angaben des Klägers werden im Übrigen auch durch die schon im Verwaltungsverfahren
eingeholten Stellungnahmen des Hauptmannes G., 1. Fernmeldebataillon 320 in F., bestätigt. Dieser hat insbesondere
neben den angeführten witterungsbedingten Einflüssen darauf verwiesen, dass die seinerzeit gestellten körperlichen
Anforderungen als erheblich bezeichnet werden müssen. In diesem Zeitraum sei es oft passiert, dass neben der
allgemeinen Stresssituation auch die Kleidung nicht regelmäßig gewechselt werden konnte und oft die Nässe in der
Bekleidung am eigenen Körper wieder getrocknet sei. Diese Einflüsse haben den beim Kläger bestehenden
Herzklappenschaden verschlimmert. Auch im Zeitraum nach dieser Truppenübung 1971 war er schweren körperlichen
Belastungen ausgesetzt, die geeignet waren, eine Verschlimmerung der Erkrankung herbeizuführen. Dies steht zur
Überzeugung des Senats aufgrund der Aussagen der Zeugen D. und V. fest. Insoweit führt Dr. B. für den Senat
überzeugend aus, dass eine Mandelentzündung, wie 1971 vom Kläger erlitten, geeignet sei, eine schon vorliegende
Herzklappenschädigung zu verschlimmern. Dieser ursächliche Zusammenhang kann nach Ansicht von Dr. B. mit
hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Auch ist es für den Senat überzeugend, wenn Dr. B. im Weiteren
ausführt, dass die durch die Zeugen V. und D. dargestellten konkret ausgeübten Tätigkeiten mit hoher
Wahrscheinlichkeit geeignet waren, die Erkrankung zu verschlimmern. Dadurch wurde nach Feststellung des
Sachverständigen zumindest der Zeitpunkt deutlich vorverlegt, an dem das Leiden sonst in Erscheinung getreten wäre
(Bl. 35 des Gutachtens). Soweit Dr. U., Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr, in
seinen Stellungnahmen vom 31. Januar 2002 und 27. Juni 2002 ausführt, eine schwere Belastung habe nicht
vorgelegen, da der Kläger vom Sport befreit gewesen sei, kann dem der Senat nicht folgen. Wie Dr. B., in
Übereinstimmung mit den im Berufungsverfahren gehörten Zeugen D. und V., ausgeführt hat, lagen die Belastungen
des Klägers nicht beim Dienstsport, sondern in seiner ungewöhnlich schweren Tätigkeit. Diese Tätigkeit übte er nicht
nur, vergleichbar dem Zivilleben, in einer Kfz-Werkstatt aus, sondern auch auf Truppenübungsplätzen im Freien. Den
genannten dienstlichen Äußerungen des Hauptmanns G. im Verwaltungsverfahren ist insoweit für den Senat nichts
hinzuzufügen. Dr. U. verkennt hier völlig, dass eine Belastung nicht nur im Dienstsport liegen kann. Letztendlich steht
zur Überzeugung des Senats fest, dass sich der beim Kläger bestehende Herzklappenfehler durch schädigende
Einwirkungen des Wehrdienstes wesentlich verschlimmert hat.
Ihm ist deshalb auch ein Ausgleich zu gewähren. Gemäß § 85 Abs. 1 SVG erhalten wegen der Folgen einer
Wehrdienstbeschädigung Soldaten während ihrer Dienstzeit einen Ausgleich in Höhe der Grundrente und der
Schwerstbeschädigtenzulage nach § 30 Abs. 1 und § 31 des BVG. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist die Minderung
der Erwerbsfähigkeit nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen;
dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 BVG ist für
die Beurteilung maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren
Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen
beeinträchtigt sind. Bei der Beurteilung der MdE müssen sich auch insoweit die Verwaltung und die Gerichte an den in
den o. g. Anhaltspunkten festgelegten Werten orientieren. Insoweit ist Dr. B. in seinem Gutachten und der
ergänzenden Stellungnahme vom 25. März 2002 zu dem Ergebnis gekommen, beim Kläger sei eine MdE von 30 v.H.
ab Operationszeitpunkt festzustellen. Dem folgt der Senat. Zwar hat Dr. U. in seiner ersten Stellungnahme vom 31.
Januar 2002 die Ansicht vertreten, die MdE sei nur mit 10 v.H. zu bemessen, da der Patient schon in der
Anschlussheilbehandlung im April 1990 bereits wieder mit bis zu 100 Watt belastbar gewesen sei. Dr. B. hat in seiner
ergänzenden Stellungnahme vom 25. März 2002 jedoch nachvollziehbar ausgeführt, warum die MdE hier 30 v.H.
beträgt. Dies folgt nicht nur aus der "Marcumarisierung” sondern insbesondere aus den Kardiomyopathien, die bei
mittelschwerer Belastung immer wieder auftreten. Diese sind von Dr. B. in seinem Gutachten überzeugend
dokumentiert. Er hat die Angaben des Klägers geschildert und für nachvollziehbar gehalten. Insoweit bestehen für den
Senat keinerlei Zweifel, sich an den Feststellungen eines erfahrenen Gutachters zu orientieren. Dr. B. ist Chefarzt der
Klinik S., der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen. In dieser Eigenschaft ist er täglich mit Begutachtungen von
Leistungsbeeinträchtigungen im Rahmen von Erwerbsminderungsrenten befasst. Er beherrscht die Grundsätze zur
Feststellung von Leistungsminderungen, dies kommt für den Senat auch im konkreten Fall in seinem Gutachten
deutlich zum Ausdruck. Dem Kläger ist deshalb ab Antragstellung bis zu seinem Ausscheiden aus der Bundeswehr
ein Ausgleich nach einer MdE von 30 v.H. zu zahlen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.