Urteil des LSG Hessen vom 18.01.2010

LSG Hes: private krankenversicherung, vag, schutz der menschenwürde, verfassungskonforme auslegung, tarif, krankenkasse, erlass, begriff, versorgung, hauptsache

Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 18.01.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 20 SO 268/09 ER
Hessisches Landessozialgericht L 7 SO 182/09 B ER
I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29.
September 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auf die Verpflichtung, Aufwendungen für die private
Krankenversicherung in Höhe von 284,82 EUR und für die private Pflegeversicherung in Höhe von 11,65 EUR
monatlich bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu gewähren, bereits geleistete Zahlungen in Höhe von
monatlich 142,11 EUR anzurechnen sind.
II. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Höhe der von der Antragsgegnerin zu zahlenden Kosten für die private
Krankenversicherung des Antragstellers.
Der 1962 geborene Antragsteller bezieht von der Antragsgegnerin Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem
Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - SGB XII. Darin enthalten sind auch Krankenversicherungsbeiträge. Für
den Antragsteller besteht bei der D. Krankenversicherung a.G. (Versicherungsnummer xxxxx) eine private
Krankenversicherung mit ambulanter Heilbehandlung, stationärer Heilbehandlung, Zahnbehandlung, Zahnersatz,
Kieferorthopädie und Rücktransport aus dem Ausland (Tarif VC2) mit einer Selbstbeteiligung von 360,00 EUR/Jahr,
gesetzlicher Zuschlag i.H.v. 10% für die Beitragsentlastung im Alter (Tarif GZN10), Krankenhaustagegeld (Tarif KH)
sowie häusliche und stationäre Pflege - Pflegeversicherung - (Tarif PVN) mit einem Beitrag ab 1. Januar 2009 in Höhe
von 305,83 EUR.
Mit Schreiben vom 3. März 2009 bat die Antragsgegnerin den Antragsteller wegen der gesetzlichen Änderungen zum
Gesundheitsmodernisierungsgesetz bei seiner Krankenkasse den Basistarif zu beantragen.
Auf den Folgeantrag des Antragstellers vom 14. Juli 2009 wurden die Krankenversicherungs- und
Pflegeversicherungsbeiträge lediglich noch in Höhe von 124,32 EUR/17,79 EUR berücksichtigt (Bescheid vom 20. Juli
2009). Mit Schreiben vom gleichen Tage teilte die Antragsgegnerin mit, dass nach § 12 Abs. 1c
Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) lediglich die niedrigeren Beiträge im Basistarif (124,32 EUR/17,79 EUR)
anerkannt werden könnten.
Am 4. August 2009 legte der Antragsteller ein Schreiben seiner Krankenkasse vom 17. März 2009 vor, wonach der
Beitrag im Basistarif zum 1. April 2009 282,54 EUR/23,29 EUR (Krankenversicherung/Pflegeversicherung) betrage
sowie ein weiteres Schreiben der Krankenversicherung vom 21. Juli 2009, wonach ihm ein Selbstbehalt in Höhe von
360,00 EUR für das Jahr 2009 abgezogen worden sei.
Mit Schreiben vom 12. August 2009 teilte die Antragsgegnerin mit, es sei nicht zu erkennen, dass der Antragsteller
tatsächlich in den Basistarif gewechselt habe und wies im Übrigen auf die geänderte Rechtslage hin mit der Folge,
dass nach ihrer Auffassung im Basistarif lediglich Beiträge in Höhe von 124,32 EUR/17,79 EUR gezahlt werden
könnten.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 9. September 2009 Widerspruch, über den bislang nicht entschieden worden ist.
Bereits am 3. September 2009 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main im Wege der
einstweiligen Anordnung beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Beiträge für seine private Kranken- und
Pflegeversicherung in Höhe von 305,83 EUR zu übernehmen, hilfsweise in Höhe des Basistarifs in Höhe von 296,47
EUR und ihm den von der D. eingezogenen Jahresselbstbehalt in Höhe von 360,00 EUR zu erstatten.
Mit Beschluss vom 29. September 2009 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Antragsgegnerin verpflichtet,
dem Antragsteller bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens die Aufwendungen für die private
Krankenversicherung in Höhe von 284,82 EUR und für die private Pflegeversicherung in Höhe von 11,65 EUR
monatlich zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt.
In den Gründen hat es ausgeführt: Der Antragsteller habe ab 3. September 2009 Anspruch auf Übernahme der
Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für den Basistarif der D. Dies gelte jedoch nicht für die
tatsächlichen Beiträge, sondern nur für die angemessenen Beiträge im Sinne von § 32 Abs. 5 SGB XII. Angemessen
sei die Hälfte des aktuellen maßgebenden Höchstbetrages der gesetzlichen Krankenversicherung. Dieser betrage ab
Januar 2009 284,82 EUR. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sei der maßgebende Betrag zur
Krankenversicherung nicht auf den Betrag zu begrenzen, der für Bezieher von Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen
Krankenversicherung zu tragen sei. Diese Bewilligungspraxis der Antragsgegnerin erweise sich als rechtswidrig. Für
die Erstattung des Jahresselbstbehaltes in Höhe von 360,00 EUR sei ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Dieser Betrag sei bereits vor dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung einbehalten worden. Ein besonderes
Eilbedürfnis sei nicht begründet.
Gegen diesen am 2. Oktober 2009 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 21. Oktober 2009 bei dem
Sozialgericht Frankfurt am Main Beschwerde eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass der Antragsteller
lediglich einen Anspruch auf Übernahme in Höhe des Beitrages für die gesetzlich Versicherten habe. Da sie
tatsächlich monatliche Beiträge in Höhe von 142,11 EUR für die Krankenversicherung und Pflegeversicherung
bezahle, hätte das Sozialgericht sie nicht zur Zahlung von 296,47 EUR verpflichten dürfen, sondern lediglich in Höhe
des Differenzbetrages i.H.v. 154,36 EUR (284,82 EUR + 11,65 EUR 142,11 EUR). Letztlich habe der Antragsteller
überhaupt keinen Anspruch auf Zahlung der Kosten des Basistarifs, da er nicht im Basistarif versichert sei. Zur
weiteren Beschwerdebegründung bezieht sie sich auf einen Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen
(vom 16. Oktober 2009 – L 20 B 56/09 SO ER).
Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. September 2009
aufzuheben und den Antrag in vollem Umfang abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend und verweist für seine Auffassung auf Entscheidungen der
Landessozialgerichte Niedersachsen-Bremen und Nordrhein-Westfalen. Im Übrigen trägt er vor, dass zwischenzeitlich
ein Antrag auf Versicherung im Basistarif gestellt worden sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der
Akten der Antragsgegnerin, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
II.
Die Beschwerde ist zulässig aber nur im tenorierten Umfang begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug
auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes
die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach S. 2 der
Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint.
Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen
materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen
Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die
Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine
Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit
beziehungsweise Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches
System (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. etwa Beschluss vom 6. Juli 2006 (L 7 AS 86/06 ER
m.w.N.; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b, Rdnrn. 27, 29). Ist die Klage in der
Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht
auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die
Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den
Anordnungsgrund. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn
in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des
Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht
möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen
Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzubeziehen. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) müssen sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des
Einzelnen stellen (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 in: info also 2005, 166 ff.).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind nach § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m.
§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei ist, soweit im Zusammenhang mit dem Anordnungsanspruch auf
die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu
prüfen (BVerfG a.a.O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und
die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen
Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes (Beschluss des erkennenden Senats vom
29. Juni 2005 - L 7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).
Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, a.a.O., Rdnr. 42). Deshalb sind auch Erkenntnisse, die
erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens zu Tage getreten sind, vom Senat zu berücksichtigen (ständige
Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 6. Januar 2006 - L 7 AS 87/05 ER).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main mit Ausnahme der
tenorierten Berichtigung zutreffend.
Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht verpflichtet, für den Antragsteller monatlich einen Betrag in Höhe
des halbierten Basistarifs seiner privaten Krankenversicherung und Pflegeversicherung zu übernehmen. Der Senat
sieht keine Veranlassung, von seiner im Beschluss vom 14. Dezember 2009 (L 7 SO 165/09 B ER) geäußerten
Rechtsauffassung abzuweichen.
"In Frage steht das Verhältnis von § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG zum Anspruch des Hilfebedürftigen nach § 32 Abs. 5
SGB XII, insbesondere, ob der "halbierte Basistarif" als angemessen im Sinne von § 32 Abs. 5 SGB XII anzusehen
ist, oder ob sich aus der Regelung des § 12 Abs. 1c S. 6 VAG ergibt, dass nur der - nochmals geringere - Kranken-
und Pflegeversicherungsbeitrag als angemessen zu betrachten ist, der für Bezieher von Arbeitslosengeld II in der
gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zu tragen wäre, wodurch sich für Hilfebedürftige
eine Finanzierungslücke ergäbe. Zur Überzeugung des Senats wird der Begriff der Angemessenheit in § 32 Abs. 5
Satz 1 SGB XII nicht durch die Vorschrift des § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG auf den im Verhältnis zum halbierten
Basistarif nochmals nahezu halbierten Beitrag für Alg-II-Bezieher in der gesetzlichen Krankenversicherung begrenzt.
Mit dem Sozialgericht kann der Begriff der Angemessenheit seit Einführung des Basistarifs nur so verstanden werden,
dass damit der (halbierte) Beitrag im Basistarif gemeint ist.
Auszugehen ist dabei zunächst von dem im SGB XII geregelten und näher ausgestalteten Sozialleistungsverhältnis
zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner. Anders als in § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB II und § 110 Abs. 2 Satz 3
und 4 SGB XI findet § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG in § 32 Abs. 5 SGB XII – der für den Antragsteller maßgeblichen
Anspruchsgrundlage – gerade keine ausdrückliche Erwähnung. Der Wortlaut sowohl des § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB II als
auch des § 32 Abs. 5 SGB XII beruht dabei auf der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit vom 31.
Januar 2007. Angesichts der unterschiedlichen Regelungen in den beiden Leistungssystemen ist somit davon
auszugehen, dass § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII eine Regelung treffen soll, die sich von der Regelung des § 26 Abs. 2
Nr. 1 SGB II unterscheidet (so auch Klerks, aaO, S. 157 mit Hinweis auf BT-Drucks. 16/4200). § 12 Abs. 1c Satz 6
VAG ist auch nicht mittelbar auf das Sozialhilfeleistungsverhältnis anwendbar. Dem stehen erkennbar der Zweck und
die Systematik des Gesetzes entgegen. Das VAG regelt die staatliche Aufsicht über private
Versicherungsunternehmen. Es regelt insbesondere die Gründung, Rechtsnatur, Kapitalausstattung der
Versicherungsunternehmen und die Befugnisse der Aufsichtsbehörde. In § 12 VAG wird den
Versicherungsunternehmen das Recht zum Angebot einer substitutiven Krankenversicherung eingeräumt, dessen
nähere Ausgestaltung im VVG geregelt ist. Im Rahmen der substitutiven Krankenversicherung besteht nunmehr die
Verpflichtung der Versicherungsunternehmen zum Angebot von Basistarifen. § 12 VAG regelt somit das Verhältnis
zwischen privater Krankenversicherung und (potentiellen) Versicherungsnehmern. Normzweck des VAG ist es nicht,
das Rechtsverhältnis zwischen Beziehern von Sozialleistungen und den Sozialleistungsbehörden zu regeln. Dies ist
Aufgabe des SGB II bzw. SGB XII (so auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30. Juni 2009, L 2 SO 2529/09
ER-B, juris-Rdn. 15).
Damit bleibt es bei der für den Antragsteller maßgeblichen Anspruchsgrundlage des § 32 Abs. 5 SGB XII, wonach die
angemessenen Aufwendungen für die Kranken- und Pflegeversicherung zu übernehmen sind. Angemessen können
dabei – wie schon das SG zutreffend unter Verweis auf die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 30. Juni
2009, aaO) ausgeführt hat – nur Beiträge sein, die der Hilfebedürftige auch schuldet; bzw. für den Antragsteller, den
man zum Tarifwechsel nicht zwingen kann, also die Beiträge, die er schulden würde, wenn er von seinem noch
bestehenden "Normaltarif" in den Basistarif der DKV wechseln würde.
Der Beitragssatz, den der Versicherungsgeber vom Versicherungsnehmer im Falle der Hilfebedürftigkeit verlangen
kann, wird in § 12 Abs. 1c Satz 4 VAG geregelt und sieht allenfalls die Halbierung des Beitrags vor. Durch Satz 6 wird
also die Beitragsschuld des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherungsunternehmen nicht reduziert, was
durch die entsprechende Anwendung von Satz 4 klargestellt wird (vgl. BT-Drs. 16/4247 zu Abs. 1c Satz 6, S. 69) und
sich auch aus der nach dem 1. Januar 2009 anschließenden politischen Debatte um Sicherstellung der Schließung
einer möglichen Finanzierungslücke (BT-Drs. 16/12677 v. 22. April 2009 Nr. 48, S. 17, Aufforderung des Bundesrats
gesetzgeberisch Finanzierungslücke auszuschließen) sowie entsprechenden Empfehlungen von Verbänden zur
Ergänzung von § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG deutlich wird (vgl. Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien
Wohlfahrtspflege e.V. " ...zur Stellungnahme des Bundesrates BT-Drs. 16/12677" v. 4. Mai 2009, Nr. 5 S. 7 f und
Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge in seinem Positionspapier aaO. S. 3; Vorschlag: "In § 12 Abs.
1c Satz 6 VAG wird der Punkt am Satzende durch ein Semikolon ersetzt und folgender Text angefügt: der Versicherer
kann in diesem Fall nur einen Beitrag in dieser Höhe verlangen."). Der derzeitigen Regelung ist nicht zu entnehmen,
dass damit eine weitere Kostenbelastung der privaten Versicherungsunternehmen einhergehen soll, die dann die
Beitragslücke zwischen dem halbierten Basistarif und dem gem. § 12 Abs. 1c Satz 6 VAG vom
Grundsicherungsträger zu tragenden Anteil zu übernehmen hätten.
Somit besteht für den Antragsteller ein Anspruch auf Übernahme eines Betrages in Höhe des halbierten Beitrags im
Basistarif, wie er von seinem privaten Krankenversicherungsunternehmen bei Wechsel in den Basistarif gefordert
würde. Allein dies entspricht den angemessenen Kosten im Rahmen des § 32 Abs. 5 SGB XII. In dieser Auffassung
sieht sich der Senat auch durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt, das in seiner Entscheidung vom
10. Juni 2009 offensichtlich auch von einer vollen Übernahme des halbierten Basistarifs durch den SGB-XII-Träger
ausging und die in § 12 Abs. 1c Satz 4 bis 6 VAG vorgesehenen Beitragsbegrenzungen bei Hilfebedürftigkeit
verfassungsrechtlich nicht beanstandet hat. Es hat ausgeführt, dass diese Grenzen der eingeschränkten
Leistungsfähigkeit dieser Personengruppe Rechnung tragen. Es hat weiter ausgeführt, dass bei Hilfebedürftigkeit im
sozialhilferechtlichen Sinne ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger besteht, die Aufwendungen für die private
Krankenversicherung zu übernehmen, und hierzu nur auf § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB XII und - anders als bei den
Hilfebedürftigen nach dem Recht der Grundsicherung nach dem SGB II - nicht auf § 12 Abs. 1c Sätze 5 und 6 VAG
Bezug genommen (BVerfG, Urteil vom 10. Juni 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1
BvR 837/08, Rdn. 184, 195, juris).
Selbst wenn man zu einer anderen Auslegung des o.a. Normengefüges gelangt, dürfte in den Fällen, in denen infolge
einer Beitragsversorgungslücke für Hilfebedürftige nach dem SGB XII eine ausreichende gesundheitliche Versorgung
(trotz bestehender privater Krankenversicherung) faktisch nicht mehr gewährleistet wäre, aus verfassungsrechtlich-
sozialstaatlichen Gründen eine verfassungskonforme Auslegung des genannten Normengefüges dahingehend zu
erfolgen haben, dass die gesetzlich vorgesehenen hälftigen Beiträge im Basistarif doch als Hilfeleistung zu
übernehmen sind (so schon angedeutet durch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. Oktober 2009, L 20 B
56/09 SO ER, juris-Rdn. 29)."
Der Senat hält an dieser Auffassung fest und sieht sich durch die Entscheidungen der Landessozialgerichte Baden-
Württemberg (Beschluss vom 8. Juli 2009 – L 7 SO 2453/09 ER-B), Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 3.
Dezember 2009 – L 15 AS 1048/09 B ER) und Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 18. Dezember 2009 – L 9 B
49/09 SO ER) bestätigt (siehe auch Klerks, der Beitrag für die private Krankenversicherung im Basistarif bei
hilfebedürftigen Versicherungsnehmern nach dem SGB II und dem SGB XII in: info also 2009, 153 ff.).
In der Sache selbst rügt die Antragsgegnerin zu Recht, dass das Sozialgericht sie zur Zahlung von insgesamt 296,47
EUR monatlich verpflichtet habe, obwohl sie monatlich einen Betrag in Höhe von 142,11 EUR leiste. Der Tenor war
insoweit zu berichtigen.
Ein Anordnungsgrund ist ebenfalls zu bejahen. Die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII
dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens, mithin der Erfüllung einer verfassungsrechtlichen Pflicht
des Staates, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt
(BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - a.a.O.). Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung bliebe eine Lücke in
den Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträgen von monatlich 154,36 EUR. Die Konsequenzen für den
Antragsteller daraus, insbesondere für seine medizinische Versorgung und seine Ansprüche gegenüber der
Krankenkasse, sind derzeit zumindest ungeklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt, dass die
Antragsgegnerin in der Sache unterlegen ist.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).