Urteil des LSG Hessen vom 19.02.1997
LSG Hes: gemeinnützige arbeit, grobe fahrlässigkeit, arbeitslosenhilfe, verfassungskonforme auslegung, normale arbeitszeit, arbeitsamt, arbeitsvermittlung, verfügung, auskunft, geldstrafe
Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 19.02.1997 (rechtskräftig)
Sozialgericht Gießen S 12 Ar 1823/94
Hessisches Landessozialgericht L 6 Ar 1056/95
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. August 1995 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 21. März 1994 und
die Rückforderung eines Betrages in Höhe von DM 1.308,20 (21.03 bis 25.04.1994).
Mit Bescheid vom 2. Februar 1994 bewilligte die Beklagte dem 1963 geborenen Kläger weiterhin Arbeitslosenhilfe für
die Zeit vom 14. Dezember 1993 bis 26. Oktober 1994 (Ende Bewilligungsabschnitt) in Höhe von DM 42,20 täglich.
Einen Meldetermin am 25. April 1994 nahm der Kläger ohne Angabe von Gründen nicht wahr, weshalb die Leistung
vorläufig eingestellt und eine Säumniszeit von zwei Wochen festgestellt wurde, die aber später wieder aufgehoben
wurde. Im Widerspruchsschreiben gegen diesen Bescheid teilte der Kläger der Beklagten mit, daß er gemäß
Beschluss des Amtsgerichts Wetzlar vom 2. Februar 1994 seit 21. März 1994 in Vollzeit gemeinnützige Arbeit leisten
müsse. In dem Beschluss vom 2. Februar 1994 (Strafsache 4 Ls 20 Js 3414/91 – Verletzung der Unterhaltspflicht)
wird der Bewährungsbeschluß vom 17. Februar 1992 zu Ziffer 3) zunächst, was die Unterhaltszahlungen angeht,
ausgesetzt. Dem Kläger wird stattdessen auferlegt, unentgeltlich zugunsten des Bauhofs oder Grünflächenamtes der
Stadt Wetzlar die normale Arbeitszeit zu erbringen, damit er seine Arbeitswilligkeit unter Beweis stelle und ihm
sodann mit Hilfe seines Bewährungshelfers leichter die Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis gelinge. Nach
(telefonischer) Auskunft des Vorsitzenden des Schöffengerichts diente die Arbeitsauflage der Abwendung einer
Freiheitsstrafe.
Der Kläger begann die gemeinnützige Arbeit am 21. März 1994 (Montag), fehlte am 23. März und am 27. Mai 1994
unentschuldigt und war arbeitsunfähig erkrankt vom 24. bis 31. März 1994, vom 11. bis 30. April 1994, vom 5. bis 11.
Mai 1994, vom 16. bis 20. Mai 1994 und ab 30. Mai 1994. Die Bereitstellung der Beschäftigungsmöglichkeit endete
mit Ablauf des 31. Mai 1994. Am 1. Juli 1994 nahm der Kläger eine Arbeit auf. Im Rahmen der Anhörung vertrat der
Kläger gegenüber der Beklagten die Auffassung, daß er der Arbeitsvermittlung in vollem Umfang zur Verfügung
gestanden habe. Bei gemeinnützigen Arbeitsauflagen bestehe jederzeit die Möglichkeit der Freistellung und
Wahrnehmung von Arbeitsamts- sowie Vorstellungsterminen. Krankheitsbedingt habe er die vorgeschriebenen
Arbeitsleistungen nicht erbringen können und sei im Schnitt keinesfalls länger als 17 Stunden pro Woche beschäftigt
gewesen. Außerdem bestehe zwischen dem bewährungsaufsichtsführenden Richter und dem Arbeitsamt eine
Vereinbarung, daß der im Bewährungsbeschluß festgehaltene Arbeitsversuch nicht zur Kürzung oder Einstellung von
Arbeitslosenhilfe führe.
Mit Bescheid vom 18. August 1994 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 21. März
1994 auf und forderte einen Betrag in Höhe von DM 1.308,20 zurück (die Zeit vom 21.03. bis 25.04.1994 betreffend).
Der Kläger habe grob fahrlässig nicht rechtzeitig mitgeteilt, daß der Anspruch auf die Leistung weggefallen sei. Die
Aufhebung der Bewilligung folge aus § 48 SGB X. Für die von der Aufhebung betroffene Zeit habe der Kläger DM
1.308,20 ohne Rechtsgrund erhalten und deshalb zu erstatten, § 50 Abs. 1 SGB X.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1994
zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, es sei im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X in den
Verhältnissen des Klägers eine Änderung eingetreten i.S. des Fehlens der Verfügbarkeit durch die Tätigkeitsaufnahme
am 21. März 1994. Erst danach – am 24.03.1994 – sei der Kläger arbeitsunfähig erkrankt, so daß § 105 b AFG keine
Anwendung finde. Es liege auch nicht die Ausnahme des § 103 Abs. 4 AFG vor, da diese sich nur auf eine freie
Arbeit i.S. § 293 EGStGB (zur Abwendung einer Ersatzfreiheitsstrafe) und auf Anordnungen im Gnadenweg beziehe.
Da es sich im Falle des Klägers jedoch um eine Bewährungsauflage handele, könne Verfügbarkeit nicht unterstellt
werden. Der Kläger habe versäumt, dem Arbeitsamt rechtzeitig die Leistung der gemeinnützigen Arbeit seit 21. März
1994 mitzuteilen. Aufgrund der Ausführungen im Merkblatt für Arbeitslose hätte ihm bekannt sein müssen, daß er die
Arbeitsaufnahme dem Arbeitsamt hätte mitteilen müssen. Der Sachverhalt entspreche dem Regelfall des § 48 Abs. 1
Satz 2 SGB X, so daß die Entscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben gewesen wäre. Für das
Vorliegen eines atypischen Falles ergäben sich keine Anhaltspunkte.
Hiergegen hat der Kläger am 21. November 1994 Klage erhoben und im wesentlichen vorgetragen, die Beklagte habe
das ihr eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Die unterlassene Mitteilung sei ihm nicht vorwerfbar, da der
Richter am Tage der Beschlussfassung am 2. Februar 1994 mit dem Sachbearbeiter der Beklagten telefoniert habe
und dabei mündlich zugesichert worden sei, daß die Bewährungsauflage dem Bezug der Arbeitslosenhilfe nicht
entgegenstehe. Deshalb habe er davon ausgehen dürfen, keinen weiteren Pflichten mehr nachkommen zu müssen. Er
habe der Arbeitsvermittlung aber auch trotz der Auflage nach § 56 b StGB zur Verfügung gestanden. § 103 Abs. 4
AFG sei analog anzuwenden. Im Gesetzgebungsverfahren des 23. Strafrechtsänderungsgesetzes sei die Verbindung
von Arbeitslosengeld und freier Arbeit beraten worden, ohne Vergleiche zur gerichtlichen Arbeitsauflage zu ziehen.
Auch in der Literatur habe dieses Problem keine Beachtung gefunden. Das Bundesjustizministerium erwäge eine
klarstellende Regelung im EGStGB.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft über die Art und den Umfang der von dem Kläger ab 21. März 1994 verrichteten
Arbeit bei der Stadt Wetzlar eingeholt (28. Juli 1995).
Mit Urteil vom 3. August 1995 hat das Sozialgericht Gießen die angefochtenen Bescheide aufgehoben und der Klage
in vollem Umfang stattgegeben. In der Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe der
Arbeitsvermittlung nach der Arbeitsaufnahme am 21. März 1994 zur Verfügung gestanden, § 103 Abs. 4 AFG. Diese
Vorschrift sei wegen einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Regelungslücke im Wege gesetzesausdehnender
Interpretation auch auf die Arbeitsauflage im Rahmen von § 56 b Abs. 2 Nr. 3 StGB anzuwenden. Dieses Problem sei
im Gesetzgebungsverfahren und auch in der Literatur unerwähnt geblieben und es sei nicht erkennbar, daß es
absichtlich anders gehandhabt werden sollte. Ein Ziel des 23. Strafrechtsänderungsgesetzes sei es gewesen, die
Möglichkeit zur Abwendung der Vollstreckung von Freiheitsstrafen insgesamt zu verbessern; dem diene auch die
Bewährungsauflage. Durch verfassungskonforme Auslegung unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes des
Artikel 3 Abs. 1 GG seien Arbeitsauflagen im Rahmen von Bewährungsanordnungen als freie Arbeit nach § 293
EGStGB i.S. von § 103 Abs. 4 AFG anzusehen, da beide Maßnahmen von ihrer Art und Zielsetzung in hohem Maße
deckungsgleich seien.
Gegen das ihr am 7. September 1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 4. Oktober 1995 Berufung eingelegt. Die
Beklagte trägt vor, eine analoge Anwendung des § 103 Abs. 4 AFG auf Bewährungsauflagen nach § 56 b Abs. 2 Nr. 3
StGB scheide mangels einer planwidrigen Regelungslücke aus. Die beiden Institute – freie Arbeit nach § 293 Abs. 1
EGStGB bzw. Auflage nach § 56 b Abs. 2 StGB – unterschieden sich in ihrer Zielsetzung. Während ersteres ein
Instrument des Strafvollzuges darstelle, würden Auflagen gemäß § 56 b Abs. 2 StGB vom Gericht auferlegt.
Arbeitsauflagen dienten u.a. der Genugtuung der Öffentlichkeit. Damit sei es nicht zu vereinbaren, daß der Verurteilte
während der Ableistung dieser Arbeit öffentliche Mittel erhalte.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. August 1995 aufzuheben und die Klage
abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hat sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen sowie das angefochtene Urteil bezogen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der
Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Der Senat hat die Strafakten 4 Ls 20 Js 3414/91 des Amtsgerichts Wetzlar, sowie das dazugehörige Bewährungsheft
beigezogen und eine Auskunft des für die Bewährungsüberwachung zuständigen Richters vom 12. Februar 1997
eingeholt, in der dieser u.a. mitgeteilt hat, daß nach seiner Rechtsansicht die Arbeitsauflage dem Bezug von
Arbeitslosenhilfe nicht entgegenstehe und er dies dem Kläger gegenüber geäußert und folglich den Beschluss vom 2.
Februar 1994 erlassen habe.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Berufung ist auch zulässig.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. August 1995 ist
nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 18. August 1994 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1994 ist rechtswidrig. Die Aufhebung durch das angefochtene Urteil
erfolgte damit zu Recht.
Allerdings ist der aufgehobene Bescheid durch eine offenbare Unrichtigkeit im Urteil fälschlich mit dem 8. August
1994 bezeichnet worden, obwohl im Klageantrag das richtige Datum verwendet und der dazugehörige
Widerspruchsbescheid sowohl im Klageantrag als auch im Tenor zutreffend mit dem 31. Oktober 1994 bezeichnet
worden ist.
Zu Unrecht hat die Beklagte für die streitbefangene Zeit vom 21. März bis 25. April 1994 die Bewilligung von
Arbeitslosenhilfe aufgehoben und einen Betrag in Höhe von DM 1.308,20 zurückgefordert. Entgegen der Auffassung
der Beklagten stand der Kläger auch über den 20. März 1994 hinaus der Arbeitsvermittlung weiterhin zur Verfügung.
Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen des Klägers, die beim Erlaß des
Bewilligungsbescheides vom 2. Februar 1994 vorgelegen haben, ist damit nicht eingetreten, § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB
X.
Nach § 103 Abs. 1 AFG steht der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, wer
1) eine zumutbare, nach § 168 die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des
allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2) bereit ist, - jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann und darf, sowie
3) an zumutbaren Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung, Fortbildung und Umschulung sowie zur beruflichen
Rehabilitation teilzunehmen, sowie - das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und für das Arbeitsamt erreichbar ist.
Durch die Erfüllung der Bewährungsauflage entsprechend dem Beschluss vom 2. Februar 1994 (4 LS 20 Js 3414/91)
und Beginn der gemeinnützigen Arbeit am 21. März 1994 entfiel die Verfügbarkeit des Klägers nicht. Zwar handelte es
sich um eine vollschichtige Arbeit, die nicht auf weniger als 18 Stunden wöchentlich begrenzt und damit nicht
kurzzeitig i.S. § 102 Abs. 1 AFG war (das unentschuldigte Fehlen nach zwei Tagen Arbeit und die späteren Zeiten der
Arbeitsunfähigkeit ändern daran nichts), die Verfügbarkeit blieb jedoch in analoger Anwendung von § 103 Abs. 4 AFG
erhalten, da die Tätigkeit des Klägers wie eine freie Arbeit i.S. Art. 293 EGStGB zu bewerten ist. Zwar ist die freie
Arbeit i.S. Art. 293 EGStGB nur möglich zur Abwendung der drohenden Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe, die
an die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe getreten ist, jedoch ergeben sich aus Entstehungsgeschichte und Sinn
und Zweck der getroffenen gesetzlichen Regelung, daß die fehlende Einbeziehung der Erbringung gemeinnütziger
Arbeit nach § 56 b Abs. 2 Nr. 3 StGB in das 23. Strafrechtsänderungsgesetz vom 13. April 1986 (BGBl. I, S. 393)
eine planwidrige Regelungslücke darstellt, die bei verfassungskonformer lückenausfüllender Auslegung zu deren
Einbeziehung führen muß. Auf die ausführliche Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird insoweit ergänzend
verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG. Soweit die Beklagte einen Unterschied, der einer Einbeziehung widerspreche, darin zu
sehen meint, daß die Arbeitsauflage nach § 56 b StGB der Genugtuung der Öffentlichkeit diene, vermag der
erkennende Senat dem nicht zu folgen. Die Genugtuungsfunktion wird nicht beeinträchtigt, wenn ein Arbeitsloser
gemeinnützige Arbeit ohne Bezahlung leistet, der andernfalls keine Arbeiten erbringen würde. Im übrigen würden durch
die Auferlegung gemeinnütziger Arbeiten, die zum Entzug der Arbeitslosenhilfe führen würden, nach Auffassung des
erkennenden Senats unzumutbare Anforderungen i.S. § 56 b Abs. 1 StGB gestellt. Dem Strafgericht wäre damit die
Auferlegung solcher Arbeiten in Vollschicht für einen Arbeitslosen nicht möglich. Im besonderen Fall des Klägers
kommt hinzu, daß eine Verurteilung wegen Unterhaltspflichtverletzung vorlag. Der eigentliche Sinn der ursprünglichen
Bewährungsauflage, den Kläger zur Unterhaltszahlung anzuhalten, konnte wegen Erhöhung der Freibeträge ab Juli
1992 nicht mehr erfüllt werden. Ferner sollte die Ableistung der gemeinnützigen Arbeit den Kläger wieder an die Arbeit
gewöhnen und ihm ermöglichen, eine normale Arbeitsstelle zu erlangen. Jedenfalls im Falle des Klägers waren die
Ziele der Bewährungsauflage deckungsgleich mit den Zielen der Beklagten z.B. nach § 91 Abs. 2 Satz 1 AFG,
Arbeiten, die im öffentlichen Interesse liegen durch Zuschüsse zu fördern, nach § 91 Abs. 3 Nr. 1 AFG die
Voraussetzungen für die Beschäftigung von Arbeitslosen in Dauerarbeit zu schaffen, nach § 91 Abs. 3 Nr. 3 AFG
Arbeitsgelegenheiten für langfristig arbeitslose Arbeitnehmer zu schaffen. Die Arbeitsaufnahme des Klägers zum 1.
Juli 1994 zeigt auch einen Erfolg der Bewährungsauflage i.S. der Reintegration in den Arbeitsmarkt. Die Vermittlung in
Arbeit durch die Beklagte wurde in der streitbefangenen Zeit nicht beeinträchtigt, da der Kläger zur Wahrnehmung von
Terminen bei dem Arbeitsamt bzw. zur Vorstellung bei möglichen Arbeitgebern jederzeit von der gemeinnützigen
Arbeit freigestellt worden wäre.
Eine rückwirkende Aufhebung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder Nr. 4 SGB X ist aber auch
deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger keinesfalls einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur
Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht
nachgekommen ist bzw. der Kläger keinesfalls wußte oder nicht wußte, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders
schwerem Maße verletzt hat, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen
gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Bei analoger Anwendung von § 103 Abs. 4 AFG entfällt eine Aufhebung nach § 48 SGB X bereits deshalb, weil keine
wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Doch selbst, wenn die
gemeinnützige Arbeit zum Wegfall der Verfügbarkeit des Klägers geführt hätte, wäre die unterlassene Mitteilung an die
Beklagte über die Aufnahme der gemeinnützigen Arbeit weder vorsätzlich noch grob fahrlässig unterblieben. Denn der
für die Bewährungsauflagen zuständige Strafrichter hat sowohl der Beklagten als auch dem Kläger gegenüber
vehement die Rechtsansicht vertreten, daß die gemeinnützige Arbeit erst recht verfügbarkeitsunschädlich sei, wenn
schon die Arbeit zur Abwendung einer Geldstrafe diese Wirkung habe. Damit konnte der Kläger ohne grobe
Fahrlässigkeit davon ausgehen, daß die Aufnahme der gemeinnützigen Arbeit keine Auswirkung auf die Verfügbarkeit
habe und nicht mitteilungspflichtig sei. Auch die Tatsache, daß sowohl im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts als
auch im Urteil des erkennenden Senats die analoge Anwendung von § 103 Abs. 4 AFG zugrunde gelegt wurde, zeigt
die fehlende grobe Fahrlässigkeit des Klägers bei Vertrauen auf die Richtigkeit einer Auskunft des für seine
Bewährung zuständigen Strafrichters.
Gleiches gilt auch für § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Dem Kläger kann keine grobe Fahrlässigkeit deshalb
vorgeworfen werden, daß er weiterhin auf die Rechtmäßigkeit des Bezuges von Arbeitslosenhilfe vertraut hat, obwohl
er am 21. März 1994 eine gemeinnützige Arbeit aufgenommen hat.
Der Rückerstattungsanspruch entfällt nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, da der Bewilligungsbescheid weiter Bestand
hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr.
1 SGG.