Urteil des LSG Hessen vom 29.03.2017

LSG Hes: uhrmacher, einberufung, händler, durchschnitt, urkunde, vergleich, stadt, gewerbe, befragung, arbeitsentgelt

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 09.07.1975 (rechtskräftig)
Sozialgericht Fulda
Hessisches Landessozialgericht L 5 V 780/72
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 29. Mai 1972 aufgehoben und die Klage
abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1909 geborene Kläger hat in seinem Heimatort B. in U. als Uhrmacher und Juwelier gearbeitet. Er erlitt im Jahre
1944 eine Verwundung. Mit Neufeststellungsbescheid vom 26. Januar 1965 wurden als Schädigungsfolgen anerkannt:
"1) Reaktionslose Narben in der linken Oberlippen- und rechten Wangengegend und Hauptgefühlsstörungen am linken
Unterschenkel und auf dem Fußrücken, 2) Erblindung links nach durchbohrender Verletzung, 3) Verlust des rechten
Unterschenkels, Narben am linken Knie sowie ausgedehnte Narbenbildung am linken Unterschenkel mit geringen
Stauungserscheinungen mit Bewegungseinschränkung des linken Knies und linken Fußes und Versteifung der linken
Großzehe, Narben in der linken Hohlhand mit Bewegungseinschränkung, Verschmächtigung und Gefühlsstörung des
3. bis 5. Fingers links”.
Der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde ab 1. Februar 1962 um 100 v.H. bewertet. Der Bescheid
enthielt weiterhin die Feststellung, daß der Kläger im Sinne des § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG)
beruflich besonders betroffen sei.
Diesem Neufeststellungsbescheid vom 26. Januar 1965 waren der Umanerkennungsbescheid vom 22. September
1952, der Zugunstenbescheid vom 14. November 1953, die Bescheide vom 14. Januar und 24. August 1960
vorausgegangen.
Der Kläger beantragte am 26. September 1960 Berufsschadensausgleich. Zum beruflichen Werdegang gab er an, er
habe von 1926 bis 1929 in seinem Heimatort B. das Uhrmacherhandwerk erlernt. Im Anschluß daran sei er im
elterlichen Betrieb als Uhrmacher tätig gewesen. Im Jahre 1931 habe er die Meisterprüfung abgelegt und im Oktober
1934 das elterliche Geschäft übernommen, das er bis zu seiner am 6. Oktober 1944 erfolgten Flucht geführt habe.
Sein Jahreseinkommen aus diesem Geschäft habe ungefähr 42.000,– Pengö betragen. Er habe es als Uhrmacher,
Juwelier und Uhrengroßhändler erzielt. Von 1945 bis 1953 sei er als Uhrmacher tätig gewesen. Er habe den Beruf aus
Schädigungsgründen aufgeben müssen und führe seit 1951 nur noch den Uhrengroßhandel fort.
Mit Bescheid vom 4. Mai 1962 gewährte die Versorgungsverwaltung Berufsschadenausgleich ab 1. Juni 1960. Bei der
Ermittlung des Durchschnittseinkommens ist davon ausgegangen worden, daß der Kläger heute voraussichtlich, als
Großhändler für Uhren tätig wäre. Nach § 5 Abs. 1 der Verordnung zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG (DVO) sei das für einen
selbständig Tätigen mit Mittelschulausbildung und abgeschlossener Berufsausbildung geltende Vergleichseinkommen
zugrunde zu legen.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17. September 1962).
In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Fulda hat der Kläger unter Hinweis auf die
Bescheinigung des Magistrats der Stadt Fulda – Ausgleichsamt – vom 21. März 1963 vorgetragen, er sei
Alleineigentümer einer Uhrengroßhandlung und eines Uhreneinzelhandelsgeschäftes in B. gewesen. Für beide
Betriebe sei ein Ersatzeinheitswert von 52.500,– RM ermittelt worden. Daraus ergebe sich ein jährliches
Reineinkommen bis 22.000,– RM, obwohl sein tatsächliches Einkommen bei 60.000, RM gelegen habe.
Der am 15. Mai 1963 erteilte Bescheid stellte fest, daß ein Berufsschadensausgleich ab 1. Januar 1961 nicht mehr
zustehe.
Mit Urteil vom 11. Oktober 1963 hat das Sozialgericht unter Abänderung des Bescheides vom 4. Mai 1962 und des
Widerspruchsbescheides vom 17. September 1962 sowie des Bescheides vom 15. Mai 1963 den Beklagten verurteilt,
bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs von der Besoldungsgruppe A 14 des Bundesbesoldungsgesetzes
(BBesG) auszugehen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger habe nachgewiesen, daß er in
seinem vor der Schädigung ausgeübten Beruf ein wesentlich höheres Einkommen erzielt habe. Eine Einstufung nach
A 10 BBesG werde dem nicht gerecht. Gemäß § 6 DVO sei es daher gerechtfertigt, bei der Berechnung des
Berufsschadensausgleichs die Besoldungsgruppe A 14 BBesG zugrunde zu legen.
In der mündlichen Verhandlung vom 30. März 1966 vor dem Hessischen Landessozialgericht sahen die Beteiligten
das Verfahren als erledigt an, nachdem sich der Beklagte zur Prüfung bereit erklärt hatte, ob dem Kläger
Berufsschadensausgleich nach der Besoldungsgruppe A 11 BBesG gewährt werden könne und ob, soweit er
Nachweise über das Durchschnittseinkommen in den drei Jahren vor der Schädigung führe, auch ein höherer
Berufsschadensausgleich in Frage komme.
Nachdem der Beklagte von dem Magistrat der Stadt Fulda – Ausgleichsamt – die Akten auf Feststellung von
Vertreibungsschäden beigezogen und ausgewertet und von dem Fachverband der Juweliere und Uhrmacher die
Auskunft vom 18. August 1967 beigezogen hatte, erteilte er den Bescheid vom 14. November 1967, der den
Berufsschadensausgleich nach § 6 DVO versagte. Es sei kein eindeutiger Nachweis hinsichtlich des Einkommens in
den drei Jahren vor der Einberufung zum Wehrdienst geführt worden. Der ehemalige Angestellte Z. habe den
Reingewinn in den Jahren 1936 bis 1938 mit monatlich zwischen 4.500,– und 5.500,– Pengö beziffert. Dagegen habe
der Kläger früher das Durchschnittseinkommen aus selbständiger Tätigkeit mit ca. 2.300,– bis ca. 2.500,– Pengö
angegeben. Von dem Magistrat – Ausgleichsamt – Fulda sei im Zuge des Feststellungsverfahrens ein
Gesamteinkommen als Uhrmacher und Juwelier sowie aus dem Großhandel von jährlich umgerechnet 55.000,– RM
(monatlich ca. 4.583,– RM) angenommen worden. Auch die Angaben hinsichtlich der Führung des Großhandels seien
widersprüchlich. In dem Feststellungsverfahren vor dem Ausgleichsamt seien einmal 3,5 und 4,5 dann wieder 6
Beschäftigte im Großhandel genannt worden. Die Schwester des Klägers M. H. habe für das Jahr 1937 sieben
beschäftigte Personen im Großhandel erwähnt.
Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 1968).
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Fulda hat der Kläger vorgetragen, das Einzelhandelsgeschäft habe er
seit 1933. Im Jahre 1936 habe er das Großhandelsgeschäft im Hause seiner Mutter gegründet. Seine beiden
Schwestern hätten einem Einzelhandelsgeschäft vorgestanden, das mit seiner Hilfe im Jahre 1936 durch seine Mutter
eingerichtet worden sei. Seine Schwester M. habe bis zum Jahre 1939 mit seinen Geschäften nichts zu tun an
gehabt, sondern sei erst ab seiner Einberufung als Geschäftsführerin tätig geworden. Seinen Großhandel, den er
vollständig allein geführt habe, habe er durch Geschäftsreisen betrieben, in dem Einzelhandelsgeschäft seien bis zu
seiner Einberufung zwei Gesellen und ein Lehrling beschäftigt gewesen. Sein Jahreseinkommen habe ca. 50.000,–
RM betragen. Diese Zahlen beruhen auf Schätzungen, da darüber keine Unterlagen mehr existieren.
Demgegenüber hat der Beklagte ausgeführt, auch die Angehörigen des Klägers hätten wesentlich zum Gewinn
beigetragen.
Mit Urteil vom 29. Mai 1972 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides
vom 14. November 1967 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 1968 verurteilt, dem Kläger unter
Abänderung des Bescheides vom 4. Mai 1962 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1962
sowie der weiteren Bescheide Berufsschadensausgleich nach der Besoldungsgruppe A 14 BBesG zu gewähren. In
den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Berufsschadensausgleich sei gemäß § 6 Abs. 2 DVO nach A 14
BBesG zu berechnen, denn der Kläger habe bei seiner selbständigen Tätigkeit als Uhrmacher, Juwelier sowie
Uhrengroßhändler Einkünfte erzielt, denen durch die Einstufung in die Gruppen A 10/11 BBesG nicht ausreichend
Rechnung getragen werde. Der durchschnittliche Gewinn aus seinem Gewerbe habe in den Zeiträumen zwischen 1936
und 1944 durchgehend einem Monatseinkommen von mindestens 750,– RM entsprochen. Er habe damit das
Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 2 b des Reichsbesoldungsgesetzes vom 16. Dezember 1927 erreicht. Das
ergebe sich aus dem Inhalt der beigezogenen Ausgleichs- und Versorgungsakten unter Berücksichtigung seiner
eigenen Angaben. Als alleiniger Inhaber der von ihm geführten geschäftlichen Unternehmen habe er ein
Reineinkommen von mindestens 750,– RM erzielt. Seine Angehörigen hätten erst nach 1939, nachdem er zum
Wehrdienst einberufen worden sei, mit den Geschäften zu tun gehabt. Alle Schwestern hätten ihr eigenes Geschäft
gehabt.
Gegen das dem Beklagten am 18. Juli 1972 zugestellte Urteil ist seine Berufung am 14. August 1972 bei dem
Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er vorträgt, § 6 Abs. 2 DVO könne nicht der
Ausgangspunkt des Rechtsstreits sein, da nicht der definitive Nachweis des persönlich erzielten Gewinnanteils vor
1939 geführt worden sei. Die Einkommensverhältnisse seien nicht geklärt gewesen. Auch nicht die familiäre
Beteiligung an den geschäftlichen Unternehmen. Es sei nicht angängig, von pauschalierten Wertungen auszugehen.
Ausschlaggebend sei allein für die Einstufung in die entsprechende Besoldungsgruppe der Wert der eigenen
Arbeitsleistung.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 29. Mai 1972 aufzuheben und die klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, bis zu der Einberufung zum Wehrdienst sei er
allein in seinem Geschäft tätig gewesen. Der Geschäftsgewinn habe daher ausschließlich aus persönlicher Tätigkeit
resultiert. Seine Schwester habe erst nach seiner Einberufung und in seinem Auftrag das Geschäft weitergeführt.
Der Senat hat von der Barmenia-Versicherung die Auskünfte vom 16. Dezember 1974 und 29. Januar 1975 eingeholt.
Die Versorgungsakten mit der Grundlisten-Nr. xxx, die Ausgleichsakte des Klägers, der M. H. und G. S. und die
Gerichtsakte des Sozialgerichts Fulda – S-4/V-200/62 – haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten
beider Rechtszüge, der auszugsweise in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des
Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 14. November 1967, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 1968
Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist im Gegensatz zu der Auffassung des Sozialgerichts zu Recht
ergangen.
Nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG erhalten Schwerbeschädigte, deren Erwerbseinkommen durch die Schädigungsfolgen
gemindert ist (Einkommensverlust) nach Anwendung des Absatzes 2 dieser Vorschrift einen
Berufsschadensausgleich in Höhe von vier Zehntel des auf volle Deutsche Mark nach oben abgerundeten Verlustes,
jedoch höchstens 882,– DM. Nach § 30 Abs. 4 BVG ist der Einkommensverlust der Unterschiedsbetrag zwischen
dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente
(derzeitiges Bruttoeinkommen) und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der
der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem
bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte (Vergleichseinkommen). Allgemeine
Vergleichsgrundlage zur Ermittlung des Vergleichseinkommens sind die amtlichen Erhebungen des Statistischen
Bundesamtes für das Bundesgebiet und die beamten- oder tarifrechtlichen Besoldungs- oder Vergütungsgruppen des
Bundes. Gemäß § 30 Abs. 8 BVG ist die Bundesregierung ermächtigt worden, durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung dem Bundesrates zu bestimmen, welche Vergleichsgrundlage in Frage kommt und in welcher Weise sie
zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist. Nach § 5 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des §
30 Abs. 3 und 4 BVG (DVO) ist Vergleichseinkommen bei selbständig Tätigen mit abgeschlossener
Mittelschulausbildung und mit abgeschlossener Berufsausbildung die Besoldungsgruppe A 11 des
Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG), wobei das ermittelte Grundgehalt um den Ortszuschlag nach Stufe 2 des
BBesG zu erhöhen ist. Von dieser Regeleinstufung macht § 6 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 (jetzt Abs. 3) DVO
insofern eine Ausnahme, als dann, wenn der Beschädigte nachweist, daß er in dem vor Eintritt der Schädigung oder
vor Auswirkung der Folgen der Schädigung ausgeübten Beruf eine Stellung erreicht hatte, die nicht durch § 5 DVO
ausreichend Berücksichtigung findet, eine höheres Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen ist. Dabei ist bei
Selbständigen für die Ermittlung der angemessenen Besoldungsgruppe von dem nachgewiesenen durchschnittlichen
Gewinn aus Gewerbe in den letzten drei Jahren vor der Schädigung oder dem Beginn des militärischen Dienstes
auszugehen, jedoch nur insoweit, als er auf die eigene Tätigkeit des Beschädigten zurückzuführen ist. Bei der
Ermittlung des Wertes der eigenen Arbeitsleistung ist zum Vergleich das Arbeitsentgelt heranzuziehen, das einem
Arbeitnehmer in vergleichbarer Stellung zu zahlen gewesen wäre.
Die tatsächlich innegehabte Stellung muß aber eine solche gewesen sein, die den Betreffenden bereits vor seiner
Einberufung besonders aus seiner Berufsgruppe herausgehoben hat, wobei nachweislich ein erheblich über dem
Durchschnitt liegender Gewinn erforderlich ist. Diese besondere Berufsstellung muß festgestellt werden, ehe die nach
§ 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 DVO in Betracht kommende Besoldungsgruppe ermittelt werden darf (BSG
Urt. v. 11.11.1969, Az.: 10 RV 570/67).
Werden diese grundsätzlichen Erwägungen, denen der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung zum
Berufsschadenrecht stets gefolgt ist, auf den Fall des Klägers übertragen, so ist es zweifelhaft, ob von einer
herausgehobenen Stellung als Uhrmacher, Juwelier und Uhrengroßhändler in den Jahren von 1939 gesprochen werden
kann. Im Vergleich mit dem Durchschnitt der Angehörigen seiner Berufsgruppe mag er zwar einkommensmäßig über
dem Durchschnitt gelegen haben. Ob seine Tätigkeit aber zu außergewöhnlichen wirtschaftlichen Erfolgen geführt
hatte, ist nicht nachgewiesen.
Die Beweiswürdigung des Sozialgerichts, die sich vollständig auf die Angaben des Klägers und seiner Schwestern M.
und G. stützt, begegnet jedenfalls erheblichen Bedenken. Rechtlich hat das Sozialgericht bereits § 2 DVO übersehen,
weil es alle drei behaupteten Tätigkeiten als Uhrmacher, Juwelier und Uhrengroßhändler als eine Tätigkeit behandelt
hat. Die Vorschrift des § 2 Abs. 2 b der DVO schreibt jedoch vor, daß bei mehreren Tätigkeiten, die den gleichen
Zeitaufwand an Arbeitskraft erfordern, bei der Ermittlung des Durchschnittseinkommens von dem günstigsten
Durchschnittseinkommen ausgegangen werden muß. Diese Vorschrift gilt selbstverständlich auch bei der Ermittlung
des Durchschnittseinkommens nach § 6 DVO. Insofern scheidet das Uhrmacherhandwerk nach den eigenen Angaben
des Klägers und seiner Schwestern von vornherein als maßgebliche Tätigkeit aus. Den Zeitaufwand für den Groß- und
Einzelhandel haben der Kläger und seine Schwestern im Schadensfeststellungsverfahren des Ausgleichsamtes Fulda
(vgl. Vernehmungsniederschriften des Ausgleichsamtes der Stadt Fulda Bl. 747 ff. VA) annähernd als gleichwertig
bezeichnet. Mithin kommt es darauf an, welche Tätigkeit den höchsten Gewinn eingebracht hat.
Auf das behauptete Großhandelsgeschäft kann hierbei nach Ansicht des Senats nicht abgestellt werden, weil die
Führung eines solchen Geschäftes nicht ausreichend nachgewiesen worden ist. Es ist nicht zu übersehen, daß der
Kläger ursprünglich im Versorgungsverfahren (Bl. 1, 41 Vers. Akten) von einem Großhandelsgeschäft überhaupt
nichts erwähnt hat. Damals hat er lediglich seine Erwerbstätigkeit in den Jahren 1933 bis 1944 auf das
Uhrmacherhandwerk und das Juweliergeschäft bezogen. Es hätte nahegelegen, wenn er Einkommen aus dem
Großhandelsgeschäft gehabt hätte, dies damals, als er noch völlig unbeeinflußt war von den Ergebnissen und
Feststellungen des Ausgleichsamtes, ebenfalls anzugeben. Daß er wegen seiner mangelnden Deutschkenntnisse (Bl.
7000 Vers. Akten) nicht gewußt habe, um was es bei seiner Befragung im Jahre 1951 gegangen ist, erscheint dem
Senat nicht überzeugend, weil gleiche Angaben schon früher beim Erstantrag und bei der versorgungsärztlichen
Begutachtung gemacht worden sind (Bl. 1 ff. Vers. Akten). Nach dem Fragebogen war er im übrigen nach dem
Durchschnittseinkommen aus selbständiger Tätigkeit gefragt worden, und es hätte infolgedessen nahegelegen, auch
die Einnahmen aus dem Großhandelsgeschäft anzugeben. Bestärkt wird der Senat in seiner Ansicht dadurch, daß der
Kläger auch bei der Verhandlung am 30. September 1953 (Bl. 116 V-Akte) nicht von einer Tätigkeit im Großhandel
angegeben hat.
Es kommt hinzu, daß ausreichende Unterlagen über das Einkommen aus den drei Tätigkeiten bzw. Geschäften
überhaupt nicht vorliegen. Einen solchen Nachweis verlangt § 6 DVO aber unbedingt, wobei es freilich gleichgültig ist,
mit welchen Mitteln der Nachweis geführt wird. Die Handelserlaubnis von 1931 erscheint dem Senat nicht als
ausreichendes Beweismittel, weil hierin gerade von einer Tätigkeit im Großhandelsgewerbe nicht die Rede ist.
Außerdem hat der Kläger den Beweiswert dieser Urkunde dadurch in Frage gestellt, daß sie mit einem unzulässigen
Zusatz versehen worden sein soll. Seine Einlassung, daß der Gewerbeschein aus dem Jahre 1942 als Ersatz für
einen früheren ausgestellt worden sein soll, ist ebenfalls nicht glaubhaft, weil der Gewerbeschein einen derartigen
Hinweis nicht enthält, wie das allgemein in solchen Fällen bei Ersatzurkunden im In- und Ausland üblich ist. Insoweit
fehlt es auch an einem entsprechenden Vermerk auf der Urkunde von 1931. Nach dem Gewerbeschein von 1942 hat
der Kläger das Großhandelsgewerbe erst ab diesem Jahre ausgeübt. Bedenkt man, daß er von April 1939 bis Ende
1944 Soldat war, so wird deutlich, daß eine eigene Arbeitsleistung im Großhandelsgewerbe völlig unbewiesen ist.
Insoweit ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß das Uhrmacherhandwerk, das Juweliergeschäft und der
Großhandel nach dem Tode des Vaters durch die Mutter auf deren Rechnung weitergeführt worden sind, zumal zu
jener Zeit ab 1931 die Schwester M. offensichtlich als Geschäftsführerin fungiert hat.
Im Rahmen seiner Beweiswürdigung hat das Sozialgericht selbst auf die Widersprüche in den Angaben des Klägers
und seiner Schwestern hingewiesen. Angesichts dieses Umstandes ist es völlig unverständlich, wenn es diesen
Angaben bedingungslos ohne weiteren Nachweis gefolgt ist. In der Tat erscheinen die Vermögensverhältnisse auch
völlig verworren, wie die Heimatauskunftsstelle am 6. März 1962 treffend zum Ausdruck gebracht hat (Ausgleichsakte
S. 67). Danach erschien es nicht glaubhaft, daß die Mutter bereits eine Regelung über das von ihrem Ehemann
ererbte Vermögen getroffen hatte. Wenn die Ausgleichsstelle später eine andere Auffassung im Hinblick auf die neuen
Angaben des Klägers und eine weitere als Endbeschluß deklarierte Urkunde vertreten hat, so ist der Senat von der
Richtigkeit der neuen Auffassung keineswegs überzeugt. Der Endbeschluß kam auf Initiative des in U. verbliebenen
Bruders des Klägers zustande und vermag einen Nachweis über die grundbuchrechtlichen Verhältnisse im Gegensatz
zu der Auffassung des Sozialgerichts, das diesen Verhältnissen keine maßgebliche Bedeutung beigemessen hat,
nicht zu ersetzen. Im übrigen haben zudem die Schwestern M. und G. übereinstimmend am 30. Juli 1970 erklärt, daß
ihre Mutter Eigentümerin des Geschäftes in M. geblieben sei. Damit wird die Behauptung des Klägers, daß das
Grundvermögen und das Geschäft in M. im Jahre 1933 oder 1934 auf die Schwestern umgeschrieben worden sei,
hinfällig. Davon abgesehen hat der Kläger später selbst vorgetragen, daß er das Geschäft in M. erst mit seiner Mutter
im Jahre 1936 eingerichtet habe (Ausgleichsakte S. 64). Hinfällig wird auch der Endbeschluß deshalb, weil ein
Verwandter nach 1945 mitgeteilt hat, das Haus in B., T.straße, stehe auf den Namen M., worunter nur die ältere
Schwester verstanden werden kann. Jedenfalls ist damit die Erklärung des Klägers (Bl. 53/9/2921 M.) vom 21. Januar
1963 in ihrer Beweiskraft völlig erschüttert. Auch hinsichtlich der Übernahme des Großhandelsgeschäftes ergeben
sich bezüglich des Zeitpunktes der Übernahme nicht zu übersehende Widersprüche. So will der Kläger das
Großhandelsgeschäft schon 1933 übernommen haben ( S. 73). Auch die Schwester G. hat dies bestätigt (Bl. 747
VA). Hiergegen steht aber die Angabe des Klägers vom 10. Juni 1951, wonach das Großhandelsgeschäft erst im
Jahre 1936 gegründet worden ist (vgl. Ausgleichsakte S. 74). Wenn die Mutter nach der Erklärung ihrer Töchter M.
und G. bis zuletzt Eigentümer des Betriebes in M. geblieben ist, ist nicht einzusehen, warum sie nicht auch in B. die
Geschäfte auf eigene Rechnung weitergeführt hat, wobei sie von ihrer Tochter M. als Geschäftsführerin unterstützt
wurde. Das muß umso mehr gelten, als keinerlei Nachweis darüber vorliegt, wie der in U. verbliebene Bruder von der
Mutter abgefunden worden ist.
Wie unzuverlässig die Angaben des Klägers sind, folgt auch aus seinen Bemerkungen zu der durchgemachten Lehre,
die einmal von 1925 bis 1927 (Bl. 41 Verw.A) gedauert haben soll, zum anderen wiederum von 1926 bis 1929 (Bl. 116
VA). Im Anschluß an die Lehre will er nach Bl. 116 der Verwaltungsakten im elterlichen Betrieb tätig gewesen sein,
während er wiederum nach seiner Erklärung am 10. Juni 1951 von 1927 bis 1931 die höhere Handelsschule in B.
besucht hat. Schließlich will er das elterliche Geschäft nach seiner Erklärung vom 30. September 1953 am 1. Oktober
1934 übernommen haben, während später die Übernahme auf das Jahr 1933 vorverlegt wurde (vgl. Bl. 747 Verw.A =
Ausgleichsamt S. 73). Endlich will er das Großhandelsgeschäft ebenfalls schon 1933 bzw. 1934 (AA S. 73)
übernommen haben, während er später bei der Heimatauskunftsstelle zu Protokoll gab, den Großhandel überhaupt
erst ab 1936 gegründet zu haben. Insoweit sind auch die Angaben der Schwester G. unglaubhaft, die ebenfalls von
einer Übernahme des Großhandelsgeschäftes im Jahre 1933 berichtet.
Weiterhin ist auch die Erklärung des Zeugen B. Z. (Bl. 672 Vers.A) nicht verwertbar, weil der Kläger selbst bei seiner
Befragung durch das Sozialgericht zugeben mußte, daß diesem die Einnahmen nur in etwa bekannt gewesen seien.
Maßgebliche Kenntnisse könne er überhaupt nicht gehabt haben. Das erscheint bei der Art der Buchführung auch
nicht weiter verwunderlich. Im übrigen kann dieser Zeuge verbindliche Angaben über die Einnahmen aus dem
Großhandelsgeschäft sicherlich für die Zeit vor 1936 nicht machen, wenn der Kläger erst in diesem Jahr das Geschäft
überhaupt gegründet haben will (vgl. Ausgleichsakte S. 75). Ebensowenig kann er ab 1935 im Großhandel angestellt
gewesen sein.
Bezeichnend für die vorliegenden Widersprüche ist ferner, daß der Kläger in der Erklärung vor dem Ausgleichsamt am
28. April 1959 (AA S. 73) angab, daß die Haupteinnahmequelle des Einzelhandelsgeschäft gewesen sei. Dem stehen
seine Angaben in den Schadensfeststellungsakten zur Größe des Großhandelsgeschäftes völlig entgegen.
Bei diesen aufgezeigten Unklarheiten, Zweifeln und Widersprüchen werden die Richtigkeit der Feststellung des
Ausgleichsamtes Fulda und der Heimatauskunftsstelle Stuttgart in Frage gestellt. Der Senat ist im Rahmen der freien
Beweisführung auch nicht an sie gebunden und hat seine Wertung selbst zu treffen. Bei den vorliegenden
Widersprüchen ist es ihm nicht möglich, einen einwandfreien Nachweis über die erzielten Einnahmen aus irgendeinem
der Geschäfte als geführt anzusehen. Die Auskunft der Industrie- und Handelskammer bezieht sich auf
reichsdeutsche Verhältnisse und ist nicht verwertbar. Es kommt hinzu, daß der Kläger nach seinen eigenen Angaben
und denen seiner Verwandten von April 1939 bis zum Zusammenbruch Soldat der ungarischen Wehrmacht gewesen
ist. Infolgedessen konnte er während des Krieges keinen maßgeblichen Einfluß auf das Geschäftsergebnis nehmen.
Vor 1939 ist ein klarer Nachweis ebenfalls nicht geführt.
Bei diesem Sachverhalt ist es nicht angängig, einen überdurchschnittlichen Berufserfolg als nachgewiesen
anzusehen. Das schließt es aus, den Berufsschadensausgleich nach § 6 DVO zu berechnen, der im übrigen die
Bewertung der eigenen Tätigkeit des Beschädigten durch Vergleich mit dem Arbeitsentgelt, das einem Arbeitnehmer
in vergleichbarer Stellung zu zahlen gewesen wäre, vorschreibt. Das hat das Sozialgericht gleichfalls nicht beachtet.
Da als Gewinn im Sinne des § 6 Abs. 3 DVO der steuerliche Gewinn gilt, vermindert um eine nennenswerte
Verzinsung des im Betrieb investierten Kapitals und um einen nachweislich erwirtschafteten Anteil für das
Unternehmerrisiko, bedeutet das, daß der sich daraus ergebende Betrag in der Regel nicht höher sein darf als die
Arbeitsvergütung, die einem Arbeitnehmer als Geschäftsführer unter den besonderen Verhältnissen des Betriebes zu
zahlen gewesen wäre (KOV 1969, 129 ff.). Das würde auf jeden Fall ein Gehalt sein, das sich erheblich unter der vom
Sozialgericht angenommenen Grenze von mindestens 750,– RM bewegt hatte. Denn das Einkommen eines
Geschäftsführers wäre im übrigen nach der Leistungsgruppe II der Angestellten im Wirtschaftsbereich Großhandel zu
bemessen. Eine solche Berechnung ergibt, daß es geringer wäre als das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 11
BBesG. Das zeigt im übrigen auch, daß den Belangen des Klägers in jeder Hinsicht Rechnung getragen worden ist.
Seine Einstufung kann als äußerst wohlwollend angesehen werden.
Bei einem Einkommen, wie es das Sozialgericht angenommen hat, hätte ferner beachtet werden müssen, daß der
Beamte ruhegehaltsberechtigt ist und dadurch die Bezüge, die er im aktiven Dienst erhält, erheblich niedriger sind, als
sie ohne das Ruhegehalt wären (Urt. BSG v. 5.5.1970, Az.: 9 RV 4/68). Demzufolge hatte der selbständig Tätige von
seinem Einkommen erhebliche Beträge für seine Altersversorgung aufzuwenden und zurückzulegen. Das hätte auch
für den Kläger gegolten, so daß er wahrscheinlich im Durchschnitt der Jahre 1937 bis 1939 über wesentlich geringere
Beträge als ein Beamter der Besoldungsgruppe A 2 b RBesG verfügt hätte.
Nach allem konnte deshalb dem angefochtenen Urteil nicht beigetreten werden. Demgemäß war es aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG kam nach Lage des Falles nicht in Betracht.