Urteil des LSG Hessen vom 29.01.2009

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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 29.01.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 18 KR 614/05
Hessisches Landessozialgericht L 8 KR 164/07
Bundessozialgericht B 1 KR 7/09 R
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2007 wird
zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
II. Der Gegenstandswert wird auf 30.217,60 Euro festgesetzt.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von 30.217,60 Euro mit Zinsen als Restforderung aus der Abgabe
des Arzneimittels Berinert ® P an bei der Beklagten krankenversicherte Patienten und macht insoweit geltend, auf
diese Arzneimittelabgaben sei von ihm kein Herstellerabschlag nach § 130a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)
an die verklagte Krankenkasse abzuführen. Bei dem Arzneimittel Berinert ® P handelt es sich um einen aus
menschlichem Plasma gewonnenen Plasmaglycoprotein C1 Esterase-Inhibitor, der intravenös injiziert oder infundiert
zur Behandlung des erblichen Angio-ödems eingesetzt wird. Berinert ® P wird von dem pharmazeutischem
Unternehmen X-GmbH produziert. Die Abgabe des Medikaments durch die Apotheke des Klägers erfolgte auf
vertragsärztliche Verordnungen an bei der Beklagten krankenversicherte Patienten. Hierbei führte der Kläger keinen
Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1 SGB V an die Beklagte ab. Dieser durch das Beitragssicherungsgesetz
(BSSichG vom 23.12.2002, BGBl. I 4637) zur finanziellen Entlastung der Krankenkassen eingeführte Rabatt wird nicht
unmittelbar von den Herstellern an die Krankenkassen gezahlt. Vielmehr erhalten die Krankenkassen den Rabatt
dadurch, dass sie die Rechnungen der Apotheken um den Herstellerrabatt kürzen. Die Apotheken wiederum können
Erstattung der ihnen gekürzten Beträge von den Arzneimittelherstellern verlangen.
Die Beklagte stellte dem Kläger die entsprechenden Differenzbeträge (Herstellerrabatt für die Monate Januar bis
August 2004) im Rahmen der Retaxierung (Rechnungsberichtigung) in Rechnung (Schreiben vom 20. Oktober 2004,
12. November 2004, 21. Dezember 2004, 17. Februar 2005 und 10. März 2005), wogegen der Kläger jeweils Einspruch
mit der Begründung einlegte, das Präparat Berinert ® P sei von der Gewährung des Herstellerrabattes ausgenommen.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 22. März 2005 mit, dass seinen Einsprüchen/Widersprüchen nicht
stattgegeben werden könne. Für verschreibungspflichtige Arzneimittel, die nicht der Festbetragsregelung unterlägen,
seien 16% Herstellerrabatt zu gewähren, die von den Apotheken an die Krankenkasse abzuführen seien. In den
vorliegenden Fällen sei nach der verordnungsbezogenen Rabattdatenlieferung durch das Rechenzentrum des Klägers
der Herstellerrabatt nicht berücksichtigt bzw. falsch berechnet worden. Die entsprechenden Differenzbeträge seien
dem Kläger im Rahmen der Retaxierung in Rechnung gestellt worden. Bei Berinert ® P handele es sich um ein
verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel und es erfolge eine Berechnung nach der Arzneimittelpreisverordnung.
Am 6. Mai 2005 setzte der Kläger der Beklagten eine Frist bis zum 18. Mai 2005 zur Auszahlung der mittlerweile von
der Beklagten eingezogenen Beträge. Die Beklagte kam dem nicht nach. Am 3. August 2005 hat der Kläger sodann
Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben mit dem Klageantrag, die Beklagte zu verurteilen, unter
Aufhebung der Retaxation für Berinert ® P in den Monaten Januar bis August 2004 an ihn 30.217,60 Euro nebst 5%
Zinsen über den Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen sowie festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt
sei, von ihm für die Abgabe des streitgegenständlichen Arzneimittels einen Herstellerrabatt nach § 130a Abs. 1 SGB
V zu verlangen. Zur Klagebegründung ist vorgetragen worden, der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergebe sich
aus § 433 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. V. m. § 69 Abs. 3 SGB V. Die Beklagte erfülle seinen
Zahlungsanspruch nicht, da sie zu Unrecht in der streitigen Höhe die Abführung eines Herstellerabschlages nach §
130a SGB V von ihm verlange. Die Rabattregelung des § 130a Abs. 1 SGB V knüpfe an den Herstellerabgabepreis im
Sinne der §§ 2 und 3 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) an. Für Berinert ® P gebe es jedoch keinen
einheitlichen Herstellerabgabepreis, da dieses Arzneimittel als Plasmapräparat gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2a
Arzneimittelgesetz (AMG) außer an Apotheken auch an Krankenhäuser und Ärzte abgegeben werden dürfe. Bei dieser
Abgabeform gebe es keinen einheitlichen Herstellerabgabepreis, vielmehr seien hier die Preise frei vereinbar. Diese
Rechtsauffassung habe auch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) in
verschiedenen Schreiben zum Ausdruck gebracht. Auch habe der Gesetzgeber mit dem zum 1. Mai 2006 in Kraft
getretenen Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung (AVWG) vom 26. April 2006
(BGBl. I. S. 984) bei § 130a Abs. 1 SGB V eine Klarstellung durch Einfügung des Satzes 5 vorgenommen. Danach
gelte Satz 1 nur für Fertigarzneimittel, deren Apothekerabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem
Arzneimittelgesetz oder aufgrund des § 129 Abs. 5 a SGB V bestimmt seien. Diese Gesetzesergänzung habe ihren
Grund in den Streitigkeiten im Hinblick auf vergleichbare Retaxationen gehabt. Weiter hat sich der Kläger auf einen
Artikel in der Deutschen Apothekerzeitung vom 22. Februar 2007 (147. Jahrgang, Nr. 8, Seite 72), mit der Überschrift
"Kein Herstellerrabatt bei Blutprodukten", Autor A., bezogen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat ausgeführt, bei den von ihr beanstandeten Rezepten handele es sich
ausschließlich um Einzelverordnungen auf den Namen des jeweiligen Versicherten, also nicht um einen Direktbezug
des Arztes vom Hersteller. Es gelte somit eine uneingeschränkte Apothekenpflicht mit obligatorischer Anwendung der
AMPreisV. Auch gehe aus den der Klageschrift beigefügten Belegen hervor, dass der Kläger auf Basis der AMPreisV
abgerechnet habe. Da im vorliegenden Fall das Arzneimittel Berinert ® P den Preisvorschriften des AMG unterliege,
stehe § 130a Abs. 1 Satz 5 SGB V nicht im Widerspruch zu ihrer Auffassung. Auf Vorschlag des Klägers hat die
Beklagte mit Schreiben vom 12. Oktober 2005 erklärt, dass sie auf die Einrede der Verjährung und die eventuelle
Geltendmachung vertraglicher Ausschlussfristen in Bezug auf Retaxationen wegen des Herstellerabschlages nach §
130a SGB V verzichte.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 5. Juni 2007 entschieden, dass die Klagen abgewiesen werden und
der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen habe. Die erhobene Feststellungsklage sei im Hinblick auf die von der
Beklagten abgegebene Verzichtserklärung hinsichtlich der Erhebung der Verjährungseinrede und der Geltendmachung
vertraglicher Ausschlussfristen neben der erhobenen allgemeinen Leistungsklage unzulässig. Es fehle an einem
berechtigten Interesse an der Feststellungsklage.
Die zulässige allgemeine Leistungsklage führe nicht zum Erfolg, da dem Kläger der geltend gemachte
Zahlungsanspruch gegen die Beklagte nicht zustehe. Nach § 17 Abs. 1 Arzneilieferungsvertrag (ALV) zwischen dem
Verband der Angestellten-Krankenkasse e.V. (VdAK) und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. (AEV) einerseits
und dem Deutschen Apothekerverband e.V. andererseits würden die bei der Rechnungsprüfung festgestellten
rechnerisch und sachlich unrichtig angesetzten Beträge von den Ersatzkassen innerhalb von 12 Monaten nach Ende
des Kalendermonats berichtigt, in dem die Lieferung erfolgte. Einsprüche gegen Taxdifferenzen könnten nach Abs. 2
Satz 1 des § 17 ALV vom Apotheker innerhalb von 3 Monaten nach Eingang der Beanstandungen geltend gemacht
werden. Die Verfahrensregelungen des § 17 ALV seien zwischen den Beteiligten eingehalten worden. Fraglich sei nur,
ob die Beanstandungen bzw. Rechnungskorrekturen in der Sache zu Recht erfolgt seien, was wiederum davon
abhänge, ob von dem Kläger ein Herstellerabschlag nach § 130a SGB V an die Beklagte abzuführen gewesen wäre.
Dies sei zu bejahen.
Nach § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V erhielten die Krankenkassen von den Apotheken für ab dem 1. Januar 2003 zu
ihren Lasten abgegebene Arzneimittel einen Abschlag in Höhe von 6 v. H. des Herstellerabgabepreises ohne
Mehrwertsteuer, der nach Abs. 1a dieser Norm im Jahr 2004 16 v. H. betrage. Voraussetzung für die Anwendbarkeit
des § 130a SGB V sei das Vorliegen eines einheitlichen Herstellerabgabepreises für ein bestimmtes Arzneimittel,
wobei der Begriff des Herstellerabgabepreises in der gesetzlichen Regelung selbst nicht definiert werde. Für die
Auslegung des Begriffes des Herstellerabgabepreises könne jedoch auf die Definition zurückgegriffen werden, welche
der Bundesgerichtshof (BGH) in dessen Urteil vom 22. Februar 1984 (I ZR 13/82) im Hinblick auf § 3 Abs. 2 der
Arzneimittelpreisverordnung vom 14. November 1980 (BGBl. I S. 2147) entwickelt habe. Danach sei der
Herstellerabgabepreis der Preis, den der Hersteller im Normalfall, abgesehen von wenigen besonderen
Ausnahmefällen, verlange. Dieser Preis könne sich mit seinem Listenpreis decken, so dass dann auf die Preislisten
abzustellen sei. Wenn diese aber im beachtlichen Umfang nicht eingehalten, sondern durch Rabatte oder
vergleichbare Vergünstigungen unterschritten würden, sei auf den tatsächlich überwiegend verlangten oder jedenfalls
durchschnittlichen Herstellerpreis abzustellen (Orientierungssatz dieser BGH Entscheidung). Entgegen der
Rechtsauffassung des Klägers scheitere ein einheitlicher Herstellerabgabepreis im Falle des Arzneimittels Berinert ®
P nicht daran, weil der Anwendungsbereich der AMPreisV nicht eröffnet sei. Denn Berinert ® P sei ein
apothekenpflichtiges Fertigarzneimittel und unterliege somit nach weiterer Maßgabe des § 1 Abs. 1 AMPreisV dem
Anwendungsbereich dieser Verordnung. Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Verordnung sehe § 1 Abs. 3
AMPreisV vor. In der hier einzig in Betracht kommenden Nr. 3 werde folgendes bestimmt: "Ausgenommen sind die
Preisspannen und Preise der Apotheken, wenn es sich um eine Abgabe handelt ( ) an die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 bis 7
des Arzneimittelgesetzes genannten Personen und Einrichtungen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen."
Eine derartige Abgabe habe aber bei den hier streitigen Fällen nicht vorgelegen. Nach der hier ausschließlich in
Betracht kommenden Nr. 2a des § 47 Abs. 1 AMG dürfen "pharmazeutische Unternehmer und Großhändler ( )
Arzneimittel, deren Abgabe den Apotheken vorbehalten ist, außer an Apotheken nur abgeben an Krankenhäuser und
Ärzte, soweit es sich handelt um aus menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen oder gentechnologisch
hergestellte Blutbestandteile, die, soweit es sich um Gerinnungsfaktorenzubereitungen handelt von dem
hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern an seine
Patienten abgegeben werden dürfen". Eine solche Abgabe an Krankenhäuser oder Ärzte stehe hier jedoch nicht in
Rede. Dass es aber auf die tatsächliche Abgabe an die in § 47 Abs. 1 Nr. 2a AMG genannten Personen und
Einrichtungen, hier also an Krankenhäuser/und oder Ärzte entscheidend ankomme, ergebe sich schon aus dem
Wortlaut des § 1 Abs. 3 Nr. 3 AMPreisV, der die § 1 Abs. 1 AMPreisV unterfallenden apothekenpflichtigen
Fertigarzneimittel ausdrücklich von der Anwendung der Verordnung nur dann ausnehme, wenn sie an die in § 47 Abs.
1 Nr. 2 AMG "genannten Personen und Einrichtungen" und "unter den dort bezeichneten Bedingungen" abgegeben
werden. Es reiche daher entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus, dass ein Arzneimittel wie Berinert ® P
grundsätzlich nach § 47 Abs. 1 Nr. 2a AMG an Krankenhäuser und Ärzte abgegeben werden darf, vielmehr müsse
auch eine solche Abgabe erfolgen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den von dem Kläger vorgelegten
Stellungnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (Schreiben des Staatssekretärs Dr.
WC. vom 3. Dezember 2002; Schreiben des Herrn AY. vom 22. Januar 2003; Schreiben der Frau BX., Referat
Arzneimittelversorgung vom 24. Januar 2005). Auch in dem von dem Kläger vorgelegten Schreiben der
"Arbeitsgemeinschaft Plasmaderivate herstellender Unternehmen" werde für die Frage der Geltung der Rabattregelung
nicht auf die durch das Gesetz eröffnete Möglichkeit der Abgabe an Krankenhäuser und Ärzte, sondern auf die
tatsächliche Abgabe an diese abgestellt.
Aus der Einfügung eines Satzes 5 in § 130a Abs. 1 SGB V durch das AVWG und der zugrundeliegenden
Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/194 S. 2) könne der Kläger ebenfalls nichts für sich ableiten. Aufgrund der
Anwendbarkeit der AMPreisV komme im vorliegenden Fall ein Herstellerabschlag in Ansatz. Dass in der
Gesetzesbegründung auf Streitigkeiten zwischen Apotheken und Krankenkassen, insbesondere im Hinblick auf nicht
preisgebundene Blutprodukte Bezug genommen werde, ändere daran nichts. Denn die Frage, in welchen Fällen eine
solche Preisbindung nicht vorliege und damit kein Herstellerabschlag verlangt werden könne, würde in der
Gesetzesbegründung nicht beantwortet.
Die vom Kläger in Bezug genommene von Rechtsanwalt Dr. A. in dem in der Deutschen Apothekerzeitung
erschienenen Artikel "Kein Herstellerrabatt bei Blutprodukten" vertretene Rechtsauffassung überzeuge nicht. Wie der
Autor richtig erkenne, werde der Vertriebsweg über die Apotheken vom Wortlaut des § 1 Abs. 3 Nr. 3 AMPreisV nicht
erfasst. Sein Argument, es gäbe keinen Grund für die Anwendung der AmPreisV beim Vertrieb über Apotheken,
vermöge in keiner Weise zu überzeugen. Vielmehr bedürfe es angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 1 Abs. 3
Nr. 3 AMPreisV, der deutlich mache, dass es auf die in § 47 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 AMG genannten Personen und
Einrichtungen und die dort bezeichneten Voraussetzungen ankomme, zur extensiven Auslegung der Vorschrift einer
begründeten teleologischen Extension, die der Autor weder geltend mache noch belege und für die im Übrigen auch
nichts ersichtlich sei.
Eine Verletzung von Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG durch die Anwendung von § 130a SGB V
sei nicht erkennbar. Apotheken stünden nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zu Krankenhäusern und verordnenden
Ärzten. Somit könne eine Grundrechtsverletzung aufgrund der Tatsache, dass Berinert ® P soweit es an
Krankenhäuser und Ärzte abgegeben werde, keinem Herstellerabschlag unterliege, ein solcher beim Vertriebsweg über
die Apotheke jedoch zum Ansatz komme, nicht eintreten. Im Übrigen seien in den Fällen, in denen die
Krankenkassen nach § 130a Abs. 1 Satz 1 und Absatz 1a SGB V einen Abschlag erhielten, die pharmazeutischen
Unternehmen und pharmazeutischen Großhändler zur Erstattung an die Apotheken verpflichtet (§ 130a Abs. 1 Sätze 2
und 3 SGB V).
Gegen den am 5. Juni 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 20. Juni 2007 Berufung eingelegt. Er
trägt vor, der Feststellungsantrag werde nicht mehr weiter verfolgt. An dem Vorbringen in der ersten Instanz werde
inhaltlich festgehalten. Der von der Beklagten in Abzug gebrachte Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1 SGB V
setze einen einheitlichen Herstellerabgabepreis voraus, der für das Blutderivat Berinert ® P nicht bestehe. Die
AMPreisV stelle nicht auf den Einzelfall der konkreten Abgabe ab, sondern auf die grundsätzliche Möglichkeit der
verschiedenen Abgabenwege. Die AMPreisV sei immer dann unanwendbar, wenn nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 AMG auch
eine Abgabe an Ärzte und Krankenhäuser zugelassen sei, was hier der Fall sei. Diese Ansicht ergebe sich auch aus
den vorgelegten schriftlichen Äußerungen des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung.
Tatsächlich gebe es für Berinert ® P auch keinen einheitlichen Herstellerabgabepreis, da sowohl gegenüber Ärzten
und Krankenhäusern als auch Apotheken der Preis frei vereinbart werde.
Auch die Einfügung des Satzes 5 in § 130a Abs. 1 SGB V durch das AVWG und die Gesetzesbegründung (BT-Drs.
16/194) sprächen für die hier vertretene Rechtsauffassung. Diese Rechtsansicht habe auch das Sozialgericht
Darmstadt in seinem Urteil vom 6. Juni 2007 (S 10 KR 343/05; Berufungsverfahren L 8 KR 226/07) im Rahmen eines
Klageverfahrens eines Apothekers gegen die X.-GmbH auf Erstattung des Abschlages, den die Apotheke den
Krankenkassen auf den Herstellerabgabepreis zu gewähren habe, vertreten. Schließlich würde eine Unterscheidung in
der Anwendung des Herstellerrabattes je nach Vertriebsform zu einem Ungleichgewicht der verschiedenen
Abgabewege führen. Dies hätte auch Rückwirkungen auf den Grundrechtsschutz der betroffenen Apotheker, da es
dann im Interesse der pharmazeutischen Unternehmer liegen müsse, zur Vermeidung der Entrichtung des
Herstellerrabattes nur noch direkt an einen Arzt oder ein Krankenhaus zu liefern.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2007 aufzuheben und
die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung der Retaxation für Berinert ® P in den Monaten Januar bis August 2004
an den Kläger Euro 30.217,60 nebst 5% Zinsen über dem Basiszins seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe zutreffend entschieden. Es habe die Schreiben des
Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung sowie die Gesetzesbegründung zu § 130a Satz 5 SGB V
zutreffend gewürdigt. Abgesehen davon seien weder die Rechtsauffassung des Bundesministeriums noch die
Gesetzesbegründung geeignet, eindeutige Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen umzudeuten. Da ein
Wettbewerbsverhältnis zwischen Apotheken einerseits und Ärzten bzw. Krankenhäusern andererseits nicht bestehe,
könne die vom Kläger behauptete Schlechterstellung der Apotheken gegenüber Krankenhäusern und Ärzten nicht
grundrechtsrelevant werden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die beigezogene Verwaltungsakte der
Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz
– SGG). Einer Sachentscheidung bedarf es nur noch hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten
Zahlungsanspruchs. Der Kläger hält an seinem Feststellungsbegehren, das das Sozialgericht als eigenständige Klage
wertete, die im Wege der objektiven Klagehäufung zusammen mit der Leistungsklage erhoben wurde, nicht mehr fest.
Darin liegt eine teilweise Klagerücknahme, die gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 102 Abs. 1 SGG auch noch im
Berufungsverfahren möglich ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Auflage, § 102 Rn. 6a; §
153 Rn. 2a). Eine Einwilligung des Beklagten in die Klagerücknahme ist nicht erforderlich. § 269 Abs. 1
Zivilprozessordnung (ZPO) ist nicht anwendbar (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, § 102 Rn. 6b). Die Wirkung einer
teilweisen Klagerücknahme ist, dass der Rechtsstreit im Übrigen, das heißt hinsichtlich der nicht von der Rücknahme
erfassten Streitgegenstände rechtshängig bleibt. Über diese ist zu entscheiden.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist somit der von dem Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von
30.217,60 Euro nebst Zinsen. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 5. Juni 2007, mit dem
das Bestehen einer solchen Forderung gegen die Beklagte verneint wurde, ist nicht zu beanstanden.
Bei Abgabe eines vertragsärztlich verordneten Medikaments, das von der gesetzlichen Krankenkasse als
Sachleistung zu erbringen ist, an den Versicherten durch die Apotheke wird zwischen der Krankenkasse und dem
Apotheker ein Vertrag zugunsten des Versicherten geschlossen, der bis zum 31.12.1999 als zivilrechtlicher und
infolge der Regelung in § 69 S. 3 SGB V (nunmehr § 69 S. 4 SGB V) ab 01.01.2000 als öffentlich-rechtlicher
Kaufvertrag zu werten ist (vgl. BSG, Urteil vom 03.08.2006, B 3 KR 7/06 R). Dieser Vertrag verpflichtet die
Krankenkasse zur Zahlung des Preises bzw. des Festpreises abzüglich etwaiger vom Versicherten zu tragender
Zuzahlungen oder Verordnungsgebühren. Allerdings muss die Apotheke die in den gesetzlichen und den vertraglichen
Regelungen nach § 129 Absätze 3, 4 und 5 SGB V niedergelegten Abgabebestimmungen einhalten. Weiter muss sie
die aus § 130 und § 130a Abs. 1 SGB V folgenden Verpflichtungen zur Gewährung von Preisnachlässen (Rabatten)
bei ihrer Rechnungsstellung berücksichtigen. Die Rabattverpflichtung kann als sozialrechtliche Verpflichtung bei der
Versorgung gesetzlich Krankenversicherter und als skontoähnlicher Ausgleich für prompte Zahlung angesehen werden
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.09.2005, 2 BvF 2/03). Wird diesen Verpflichtungen nicht von dem Apotheker genüge
getan, so steht der Krankenkasse, sofern sie bereits die Rechnung beglichen hat, ein Rückerstattungsanspruch zu,
der durch eine sog. Rechnungs- oder Taxberichtigung geltend gemacht werden kann. Dabei handelt es sich nicht um
einen Verwaltungsakt, sondern um eine schlichte Zahlungsverweigerung. Auch haben die Krankenkassen das Recht,
mit dem Rückerstattungsanspruch gegen Kaufpreisforderungen des Apothekers aufzurechnen. Will der Apotheker die
verweigerten Zahlungsansprüche gerichtlich geltend machen, so kann er eine allgemeine Leistungsklage bei den
Sozialgerichten erheben (vgl. Knittel in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, Kommentar,
§ 129 SGB V Rz. 5, Stand Oktober 2007).
Da, wie das Sozialgericht in seiner Entscheidung zutreffend dargetan hat, die Verfahrensregelungen des hier
einschlägigen Arzneilieferungsvertrages für die vorgenommenen Rechnungskorrekturen eingehalten wurden, ist
entscheidungserheblich, ob der Kläger im Hinblick auf die hier streitgegenständlichen Abgaben des Arzneimittels
Berinert ® P einen Herstellerabschlag nach § 130a Abs. 1 SGB V zugunsten der Beklagten von seinen Abrechnungen
absetzen hätte müssen. Dies hat das Sozialgericht zu Recht bejaht.
Die in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten haben zur Behandlung einer Krankheit unter anderem
Anspruch auf die Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit diese nicht ausnahmsweise von der
Versorgung ausgeschlossen sind (§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, §§ 31, 34 SGB V). Die Arzneimittel werden vom
behandelnden Arzt verordnet und den Versicherten von den Krankenkassen als Sachleistung zur Verfügung gestellt (§
2 Abs. 2 SGB V). Der für Patienten als Endverbraucher maßgebliche Arzneimittelabgabepreis bestimmt sich nach der
aufgrund von § 78 AMG erlassenen AMPreisV. Mit § 78 AMG hat sich der Gesetzgeber für eine indirekte Festsetzung
einheitlicher Apothekenverkaufspreise entschieden, um wegen der den Apotheken zugewiesenen Schlüssel- und
Beratungsfunktion bei der Abgabe von Arzneimitteln an den Endverbraucher einen Preiswettbewerb auf dieser letzten
Handelsstufe auszuschließen. Die originäre Preisfestsetzungsbefugnis des jeweiligen Herstellers von Arzneimitteln ist
nicht eingeschränkt. Jedoch lässt der Gesetzgeber für die nachfolgenden Handelsstufen Preisspannen nur in
beschränktem Umfang in Form prozentualer Zuschläge auf den Herstellerabgabepreis zu und regelt damit die
Preisbildung für Arzneimittel auf dem Vertriebswege. Um diese einheitliche Preisfestlegung zu ermöglichen,
verpflichtet § 78 Abs. 3 S. 1 AMG die pharmazeutischen Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis für ihre
Arzneimittel sicherzustellen.
Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung werden die Arzneimittelkosten, die den Krankenkassen durch die
Versorgung ihrer Versicherten entstehen, unter anderem durch Apotheken- und Herstellerrabatte verringert. Ist an
einen Versicherten ein bestimmtes Arzneimittel abgegeben worden, darf seine Krankenkasse von dem für dieses
Arzneimittel einheitlich festgesetzten Apothekenabgabepreis den gesetzlich festgelegten Apotheken-Rabatt abziehen
(§ 130 Abs. 1 SGB V). Besonderheiten gelten, wenn für ein Arzneimittel Festbeträge festgesetzt worden sind (§ 130
Abs. 2 SGB V). Das Beitragssicherungsgesetz (BSSichG vom 23.12.2002, BGBl. I 4637) hat den Krankenkassen zu
ihrer finanziellen Entlastung darüber hinaus einen gesetzlich festgesetzten Rabatt gegenüber den pharmazeutischen
Unternehmen eingeräumt (§ 130a Abs. 1 SGB V). Dieser "(Hersteller-)Rabatt" gemäß § 130a SGB V wird nicht
unmittelbar von den Herstellern an die Krankenkassen gezahlt. Vielmehr erhalten die Krankenkassen den Rabatt
dadurch, dass sie die Rechnungen der Apotheken um den Herstellerrabatt kürzen. Die Apotheken wiederum können
Erstattung der ihnen gekürzten Beträge von den Arzneimittelherstellern verlangen (vgl. zum Vorstehenden BSG,
Beschluss vom 22.04.2008, B 1 SF 1/08 R). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Gesetzeskraft
entschieden, dass das BSSichG einschließlich des mit ihm eingeführten § 130a SGB V mit dem Grundgesetz
vereinbar ist (Beschluss vom 13.09.2005, 2 BvF 2/03, BVerfGE 114, 196 ff. = SozR 4 2500 § 266 Nr. 9). Die
Vorschriften des BSSichG sind dementsprechend im vorliegenden Rechtsstreit anzuwenden.
§ 130a Abs. 1 SGB V unterwirft in seiner hier maßgeblichen vom 1. Januar 2004 bis 5. September 2005 geltenden
Fassung (§ 130a SGB V eingefügt durch Art. 1 Nr. 8 BSSichG mit Wirkung vom 1. Januar 2003; Abs. 1 Satz 1
geändert durch Art. 3a Nr. 2 Gesetz vom 29. August 2005, BGBl. I, 2570, mit Wirkung vom 6. September 2005) dem
Herstellerrabatt nur solche Fertigarzneimittel, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem
AMG oder aufgrund des § 129 Abs. 5a SGB V bestimmt sind. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach Satz 1 dieser
Regelung die Rabatthöhe sich nach dem Herstellerabgabepreis ohne Mehrwertsteuer richtet. Der
Herstellerabgabepreis ist nicht gleichbedeutend mit dem in § 130 Abs. 1, Alternative 2, SGB V in Bezug genommenen
für den Versicherten maßgeblichen Arzneimittelabgabepreis. So unterliegen die nach der Arzneimittelpreisverordnung
anfallenden Großhandels- und Apothekenzuschläge nicht der Rabattierung nach § 130a Abs. 1 SGB V. Der
Herstellerabgabepreis ist allerdings auch Ausgangspunkt für die Ermittlung des für den Versicherten maßgeblichen
Apothekenabgabepreises für Arzneimittel, die zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden. Die
Festsetzung des Herstellerabgabepreises unterliegt der Höhe nach zwar der freien Entscheidung durch den Hersteller.
Seine Festsetzung hat jedoch einheitlich zu erfolgen (§ 78 Abs. 3 Satz 1 AMG). Für rezeptpflichtige und sonstige zu
Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung verordnenbare Arzneimittel gibt es damit zwar eine Preisbindung, aber
keine Kontrolle der Preise auf ihre Angemessenheit hin (vgl. VZ. in: juris PK-SGB V, § 130 Rdnr. 8). Welcher Preis zu
einem bestimmten Zeitpunkt als Herstellerabgabepreis maßgebend ist, lässt sich der sogenannten Lauer-Taxe
entnehmen, bei der es sich um eine auf privater Initiative beruhende Aufstellung von Arzneimitteln und sonstigen
apothekenüblichen Waren mit Preisen handelt.
Dass der Herstellerrabatt nur für Fertigarzneimittel zu entrichten ist, für die die Arzneimittel-Preisvorschriften gelten,
regelt mit Wirkung vom 1. Mai 2006 ausdrücklich § 130a Abs. 1 Satz 5 SGB VI (eingefügt durch Art. 1 Nr. 7a AVWG).
Dies galt aber auch bereits zuvor. Nach der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit
(14. Ausschuss) zum Entwurf eines AVWG der Fraktionen der CDU/CSU und SPD wurde mit der Einfügung des
Satzes 5 in § 130a Abs. 1 SGB V lediglich "klargestellt", dass die Herstellerabschläge nur für Fertigarzneimittel
gelten, deren Apothekenabgabepreise aufgrund der Preisvorschriften nach dem AMG oder aufgrund des § 129 Abs. 5a
SGB V bestimmt sind (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juli 2008, B 1 KR 4/08 R).
Für die weitere Prüfung ist somit zugrunde zu legen, dass die Regelung des Herstellerrabattes in § 130a Abs. 1 SGB
V an die Geltung der Arzneimittel-Preisvorschriften anknüpft. Dabei ist, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat,
auf die jeweils in Frage stehende Abgabeform abzustellen. Dies ergibt sich aus dem Regel-Ausnahmeverhältnis, das
§ 1 AMPreisV in seinen Absätzen 1 und 3 bestimmt. § 1 Abs. 1 AMPreisV unterwirft Fertigarzneimittel, deren Abgabe
nach § 43 Abs. 1 AMG den Apotheken vorbehalten ist, dem Preisregime dieser Verordnung, also der Bestimmung
eines Apothekenabgabepreises durch Festlegung von Preisspannen, die an den Herstellerabgabepreis anknüpfen.
Unstreitig handelt es sich bei Berinert ® P um ein apothekenpflichtiges Fertigarzneimittel, das somit dem
Anwendungsbereich der AMPreisV unterliegt. Eine generelle Freistellung von dem Preisrecht der AMPreisV sieht § 1
Abs. 4 dieser Verordnung für apothekenpflichtige Fertigarzneimittel vor, sofern sie nicht verschreibungspflichtig sind.
Diese Regelung kommt hier nicht zur Anwendung. Demgegenüber sieht § 1 Abs. 3 eine Nichtanwendbarkeit der
Preisbestimmungsvorgaben der AMPreisV für apothekenpflichtige Fertigarzneimittel dann vor, wenn es sich um eine
Abgabe handelt, deren Modalität in den Nrn. 1 bis 6 näher bestimmt wird. Schon der Wortlaut dieser Bestimmung
lässt klar erkennen, dass, anders als im Falle des § 1 Abs. 4 AMPreisV das betroffene apothekenpflichtige
Fertigarzneimittel nicht durchweg generell den Preisvorgabebestimmungen der AMPreisV entzogen wird. Die Nrn. 1, 2,
3, 3a und 5 stellen für die Freistellung auf bestimmte Distributionswege ab. Nur in den Nrn. 4 und 6 werden
Fertigarzneimittel ohne Rücksicht darauf, an wen sie ausgeliefert werden, vom Preisregime der AMPreisV freigestellt.
Dies gilt für Impfstoffe, die zur Anwendung bei allgemeinen, insbesondere behördlichen oder betrieblichen
Grippevorsorgemaßnahmen abgegeben werden (Nr. 4) sowie für die Abgabe von Blutkonzentraten, die zur Anwendung
bei der Bluterkrankung, sowie von Arzneimitteln, die zur Anwendung bei der Dialyse Nierenkranker bestimmt sind (Nr.
6). In den übrigen Fällen wird auf die Abgabe entweder an bestimmte Stellen, nämlich an Krankenhäusern sowie an
Justizvollzugsanstalten und Jugendarrestanstalten (Nr. 2), an die in § 47 Abs. 1 Nrn. 2 bis 7 des Arzneimittelgesetzes
genannten Personen und Einrichtungen (Nr. 3), an Krankenhäuser, Gesundheitsämter und Ärzte im Falle von
Impfstoffen, die zur Anwendung bei öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen bestimmt sind (Nr. 3a) sowie an
Gesundheitsämter im Rahmen der Maßnahmen der Rachitis-Vorsorge (Nr. 5) abgestellt.
Besonders deutlich wird das im Rahmen der für das Fertigarzneimittel Berinert ® P hier allein in Betracht kommenden
Alternative des § 1 Abs. 3 Nr. 3 AMPreisV. Dieser nimmt die § 1 Abs. 1 AMPreisV unterfallenden
apothekenpflichtigen Fertigarzneimittel von der Anwendung der Verordnung nur dann aus, wenn sie an die in § 47 Abs.
1 Nr. 2 AMG "genannten Personen und Einrichtungen" und "unter den dort bezeichneten Bedingungen" abgegeben
werden. Der mit der Überschrift "Vertriebsweg" versehene § 47 AMG sieht in seinem Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a die Abgabe
an sich apothekenpflichtiger Arzneimittel an Krankenhäuser und Ärzte vor, soweit es sich handelt um "aus
menschlichem Blut gewonnene Blutzubereitungen oder gentechnologisch hergestellte Blutbestandteile, die, soweit es
sich um Gerinnungsfaktorenzubereitungen handelt, von dem hämostaseologisch qualifizierten Arzt im Rahmen der
ärztlich kontrollierten Selbstbehandlung von Blutern an seine Patienten abgegeben werden dürfen". Das hier
maßgebliche Fertigarzneimittel Berinert ® P stellt zwar eine unter diese Norm fallende Blutzubereitung dar, jedoch
erfolgte die Abgabe durch den Kläger nicht an Krankenhäuser und Ärzte, sondern an bei der Beklagten
krankenversicherte Patienten auf der Grundlage vertragsärztlicher Verordnungen. Somit lag eine Abgabe vor, für die
das Preisbildungssystem der AMPreisV nach deren § 1 Abs. 1 maßgeblich ist. Dem hat auch der Kläger Rechnung
getragen, indem er im Rahmen seiner Abrechnung mit der Beklagten den von der X.-GmbH als Arzneimittelhersteller
bekannt gemachten und in der sogenannten Lauer-Taxe ausgewiesenen Herstellerabgabepreis zugrunde legte.
Aus Wortlaut und Systematik des § 1 Abs. 3 AMPreisV i.V.m. § 47 Abs. 1 S. 1 Nr. 2a AMG sowie § 78 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 AMG ergibt sich somit, dass das Arzneimittel Berinert ® P nur dann dem Preisregime des § 78 AMG und den in
der AMPreisV vorgenommenen Konkretisierungen nicht unterliegt, wenn ein nach § 47 Abs. 1 Nr. 2a AMG zulässiger
Direktvertrieb an Krankenhäuser und Ärzte tatsächlich erfolgte. Nur in diesen Fällen gibt es keinen einheitlichen
Herstellerabgabepreis, den wiederum die Rabattvorschrift des § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V voraussetzt. Entgegen der
Auffassung des Klägers ist die Verpflichtung zur Gewährung des Herstellerrabattes nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB V
nicht davon abhängig, ob für alle zulässigen Abgabeformen ein einheitlicher Herstellerabgabepreis existiert. Wie das
Sozialgericht zutreffend dargetan hat, vermag die von Kraft in dessen Artikel "Kein Herstellerrabatt bei Blutprodukten"
vertretene ausweitende Auslegung des § 1 Abs. 3 AMPreisV nicht zu überzeugen. Sie überschreitet die Grenzen
zulässiger Norminterpretation.
Die vom Kläger beanspruchte extrem restriktive Definition der Existenz eines Herstellerabgabepreises würde zudem
der gesetzgeberischen Intension, die der Einführung der Rabattierungsregelung in § 130a Abs. 1 zugrunde lag,
zuwiderlaufen. § 130a SGB V ist unter ausdrücklichem Hinweis des Gesetzgebers auf die defizitäre
Ausgabenentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung durch Art. 1 Nr. 8 BSSichG neu in das SGB V
aufgenommen worden. Bedeutsam war für den Gesetzgeber vor allem der Umstand, dass die gesetzliche
Krankenversicherung je Mitglied kontinuierlich einen überproportionalen Zuwachs bei den Arzneimittelausgaben
auswies (vgl. BT-Drs. 15/28, Seite 11). Diese Entwicklung gefährde das finanzielle Gleichgewicht der Gesetzlichen
Krankenversicherung. Zur Stabilisierung des Beitragssatzniveaus und zur Stärkung der Finanzgrundlagen der
Gesetzlichen Krankenversicherung wurden deshalb kurzfristig wirksame Maßnahmen für unverzichtbar gehalten.
Durch die mit § 130a SGB V eingeführte Rabattgewährung sollten auch die pharmazeutischen Unternehmer einen
angemessenen Beitrag zur Stabilisierung der Arzneimittelkosten in der Gesetzlichen Krankenversicherung und der
finanziellen Situation der Gesetzlichen Krankenversicherung leisten. Vor dem Hintergrund hoher Umsätze, die
pharmazeutische Unternehmer im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung erzielten, hielt der Gesetzgeber
korrigierende Maßnahmen in Form von Rabattregelungen für erforderlich und sachlich gerechtfertigt (BT-Drucks.
15/28, Seite 12, 16). Die gegen das BSSichG von Inhabern zahntechnischer Labore, Apothekern,
Arzneimittelgroßhändlern und pharmazeutischer Unternehmern erhobenen Verfassungsbeschwerden sind erfolglos
geblieben. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13.09.2005 (2 BvF 2/03) entschieden, dass das
BSSichG mit dem Grundgesetz vereinbar sei, nachdem es bereits zuvor Anträge auf einstweilige Anordnungen gegen
sein In-Kraft-Treten mit Beschluss vom 26. März 2003 (1 BvR 112/03) abgelehnt hatte.
Eine Generalisierung der in § 1 Abs. 3 AMPreisV enthaltenen Dispensierung von der Geltung der Preisregelungen des
§ 78 AMG i.V.m. der AMPreisV würde im Rahmen des § 130a Abs. 1 SGB V den mit dieser Norm intendierten Beitrag
zur Erhaltung der Finanzierbarkeit der Gesetzlichen Krankenversicherung, der nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts in einem Sozialstaat ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut darstellt (vgl. BVerfG,
Beschluss vom 13. September 2005, 2 BvF 2/03), gefährden und damit auch die gesetzgeberischen Bestrebungen
zur Herstellung der Beitragsstabilität, die unabdingbare Voraussetzung für ein Fortbestehen des gegenwärtigen
Sozialsystems ist, konterkarieren. Erst bei Verwirklichung der Summe aller Sparmaßnahmen, die mit dem BSSichG
ins Werk gesetzt worden sind, lässt sich eine spürbare Entlastung der Gesetzlichen Krankenkassen erreichen. Alle
diese Gesichtspunkte sprechen für die auch vom Sozialgericht vorgenommene enge Auslegung des § 1 Abs. 3
AMPreisV. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, sind bloße Stellungnahmen aus dem Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherheit nicht geeignet, eine eindeutige Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmung
umzudeuten, weshalb es auf den genauen Erklärungsinhalt der vom Kläger in Bezug genommenen Schreiben nicht
ankommt. Diese stützen zudem, wie das Sozialgericht überzeugend dargetan hat, seine Rechtsauffassung nicht.
Ebenso wie für das Sozialgericht sind auch für den Senat die vom Kläger geltend gemachten
Grundrechtsverletzungen durch die hier vorgenommene Anwendung des § 130a SGB V i.V.m. § 78 AMG und § 1 Abs.
3 AMPreisV nicht erkennbar. Soweit der Kläger insoweit anführt, die hier streitige Anwendung des § 130a Abs. 1 SGB
V würde in seine Berufausübungsfreiheit insoweit eingreifen und ihn ungleich behandeln, als es im Interesse
pharmazeutischer Unternehmen liegen würde, bei dieser Normhandhabung die Apotheken von der Abgabe von aus
menschlichem Blut gewonnenen Blutzubereitungen oder gentechnologisch hergestellten Blutbestandteilen
auszunehmen, handelt es sich um bloße nicht näher belegte Vermutungen, denen nicht weiter nachzugehen ist.
Es war daher zu entscheiden wie geschehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 155 Abs. 2
Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).