Urteil des LSG Hessen vom 25.05.1981
LSG Hes: mangel des verfahrens, abkommen über soziale sicherheit, schutz der familie, aufenthalt, rkg, verwaltungsakt, eltern, aufwand, unterhaltsaufwendungen, reserve
Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 25.05.1981 (rechtskräftig)
Sozialgericht Darmstadt S 6 Kg 28/79
Hessisches Landessozialgericht L 1 Kg 1166/80
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. September 1980, der Bescheid
der Beklagten vom 9. März 1979 sowie der Widerspruchsbescheid vom 2. November 1979 abgeändert und die
Beklagte verurteilt, dem Kläger Kindergeld für das Kind H. für die Zeit von Januar 1979 bis Dezember 1979 zu
gewähren.
II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Kindergeld für seine 1970 geborene Tochter H. für die Zeit von Januar 1979 bis Mai 1980.
Der Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und hält sich seit 1963 ununterbrochen rechtmäßig in der
Bundesrepublik Deutschland auf. Für seine Tochter H. und zuletzt 3 weitere Kinder bezog er aufgrund eines Antrages
vom 5. Januar 1973 für die Zeit ab Dezember 1972 bis Dezember 1978 Kindergeld, weil die Kinder hier ihren Wohnsitz
und gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Anfang Dezember 1978 kehrte das Kind H. wegen des Besuchs einer Schule
nach M. zurück; die polizeiliche Abmeldung erfolgte am 7. Dezember 1978. Es hielt sich bis Mitte Juni 1980 in M. auf
und kehrte am 16. Juni 1980 in die Bundesrepublik Deutschland zurück, wo es seitdem wieder bei dem Kläger lebt.
Während der Zeit des Aufenthalts in M. wendete der Kläger, und zwar bereits ab Dezember 1978, monatlich 250,– DM
für den Unterhalt des Kindes auf.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 1978, eingegangen beim Arbeitsamt D. (Kindergeldkasse) am 3. Januar 1979,
unterrichtete der Kläger die Beklagte von der Abreise des Kindes H. nach M. Mit Bescheid vom 9. März 1979 teilte
die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, daß für dieses Kind ab Januar 1979 kein Kindergeld mehr gezahlt werde, da
ab 1. Januar 1979 Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des
Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) hätten, nicht mehr berücksichtigt werden könnten. Am 13. März 1979
beanstandete der Kläger, daß er das Kindergeld für das Kind H. für den Monat Januar 1979 noch nicht erhalten habe.
Später ergänzte er seinen Widerspruch dahingehend, daß für drei andere marokkanische Staatsangehörige (A. H., R.,
G.str. M. B., R. F.str. ; M. B., R., ), deren Kinder ebenfalls in M. lebten, Kindergeld gezahlt werde. Mit
Widerspruchsbescheid vom 2. November 1979, zugestellt am 6. November 1979, wies die Beklagte den Widerspruch
als unbegründet zurück, wobei sie sich ergänzend darauf stützte, auch nach der Übergangsregelung zu der ab dem 1.
Januar 1979 geltenden Rechtslage stehe dem Kläger kein Kindergeld zu, da das Kindergeld für das Kind H. für den
Monat Dezember 1978 nicht aufgrund der Vorschrift des § 2 Abs. 5 BKGG alter Fassung – a.F. – gezahlt worden sei.
Am 3. Dezember 1979 hat der Kläger beim Sozialgericht Darmstadt schriftlich Klage erhoben. Während des
Klageverfahrens hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 10. Juli 1980, an den Kläger abgesandt am selben
Tage, wiederum Kindergeld für das Kind H. gewährt für die Zeit ab Juni 1980.
Der Kläger hat geltend gemacht, wenn schon für Kinder, die im Dezember 1980 im Ausland lebten, aufgrund der
Übergangsregelung Kindergeld gezahlt werde, dann müsse diese Zahlung erst recht für Kinder erfolgen, die im
Dezember 1978 zunächst noch in der Bundesrepublik Deutschland gelebt hätten und dann erst ins Ausland gegangen
seien. Im übrigen sei die ab dem 1. Januar 1979 geltende gesetzliche Neuregelung verfassungswidrig; sie verstoße
gegen Art. 3 und 6 Grundgesetz (GG) sowie gegen das Sozialstaatsgebot. Die Beklagte hat demgegenüber an ihrem
Standpunkt festgehalten, daß die Übergangsregelung nicht anwendbar sei, da das Kindergeld für den Monat
Dezember 1980 deshalb gezahlt worden sei, weil das Kind sich, jedenfalls zu Beginn des Monats, in der
Bundesrepublik aufgehalten habe.
Mit Urteil vom 5. September 1980 hat das Sozialgericht Darmstad die Klage, gerichtet auf Aufhebung des Bescheides
vom 9. März 1979 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 1979 sowie auf Verurteilung der
Beklagten zur Gewährung von Kindergeld für die Tochter H. vom 1. Januar 1979 ab, als unbegründet abgewiesen. Es
ist dabei hinsichtlich der Anwendbarkeit der Übergangsregelung der Auffassung der Beklagten gefolgt; am Ende der
Entscheidungsgründe wird ausgeführt, daß, da ein Kindergeldanspruch auf unbestimmte Zeit geltend gemacht werde,
der Berufungsausschließungsgrund nach § 27 Abs. 2 BKGG keine Anwendung finde.
Gegen dieses dem Kläger am 19. September 1980 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, eingelegt mit einem
am 30. September 1980 beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangenen Schriftsatz vom 29.
September 1980.
Der Kläger, der die Berufung zunächst ohne zeitliche Beschränkung des Kindergeldantrages eingelegt hatte und erst
in der mündlichen Verhandlung am 25. Mai 1981 den Antrag auf die Gewährung von Kindergeld für die Zeit von Januar
1979 bis Mai 1980 beschränkt hat, macht geltend, daß die Berufung auch dann zulässig sei, wenn man insoweit der
Auffassung des Sozialgerichts nicht folge; denn jedenfalls liege in der Nichtberücksichtigung des Bescheides vom 10.
Juli 1980, der gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens
geworden sei, ein wesentlicher Mangel des Verfahrens, den er vorsorglich rüge. In der Sache selbst wiederholt er sein
früheres Vorbringen und stellt den Beweisantrag, die Kindergeldakten der marokkanischen Staatsangehörigen H. und
M. B. zu Vergleichszwecken beizuziehen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. September 1980, den Bescheid der Beklagten
vom 9. März 1979 sowie den Widerspruchsbescheid vom 2. November 1979 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, ihm Kindergeld für das Kind H. für die Zeit von Januar 1979 bis Mai 1980 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Kindergeldakten der Beklagten, Arbeitsamt D., Kg-Nr. , der
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG). Auch ihre Statthaftigkeit ist
gegeben, wobei dahinstehen kann, ob der Ausschlußgrund des § 27 Abs. 2 Halbs. 1 BKGG, wonach die Berufung
nicht zulässig ist, soweit sie nur Beginn oder Ende des Anspruchs auf Kindergeld oder nur das Kindergeld für bereits
abgelaufene Zeiträume betrifft, nicht doch, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und obwohl die Berufung in
dem maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Einlegung (vgl. insoweit BSG, Urteil vom 20. Dezember 1978 – 4 RJ – 37/78 –
USK 78 180, mit weiteren Nachweisen) zeitlich nicht eingeschränkt war, deshalb eingreift, weil in der fehlenden
Einschränkung auf die Zeit von Januar 1979 bis Mai 1980 im Hinblick auf den Wiederbewilligungsbescheid vom 10.
Juli 1980 – möglicherweise – eine willkürliche Antragstellung zu erblicken ist (vgl. Meyer-Ladewig,
Sozialgerichtsgesetz, Kommentar 1977, § 144 SGG, Randr. 10, mit weiteren Nachweisen), die die Statthaftigkeit der
Berufung nicht begründet (vgl. auch Wickenhagen/Krebs, Bundeskindergeldgesetz, Kommentar, Bd. II, 6.
Lieferung/Juli 1975, § 27 BKGG, Randnr. 23, die den Ausschluß der Berufung bejahen, wenn im Laufe des
sozialgerichtlichen Verfahrens der Kindergeldanspruch von einem bestimmten Zeitpunkt an anerkannt wird). Greift
dieser Ausschlußgrund nämlich nicht ein, ist die Berufung ohnehin statthaft, greift er dagegen ein, ergibt sich die
Statthaftigkeit daraus, daß der Kläger zutreffend einen wesentlichen Mangel des Verfahrens rügt (§ 27 Abs. 2 Halbs. 2
BKGG in Verbindung mit § 150 Nr. 2 SGG). Dieser Mangel besteht in der Nichtbeachtung des Bescheides vom 10.
Juli 1980, der nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden ist (vgl. insoweit zum
Vorliegen eines Verfahrensmangels: BSG, Urteil vom 24. Oktober 1956 – 2 RU 114/55 – BSGE 4, 24, 26; Meyer-
Ladewig, a.a.O., § 150 SGG, Randnr. 16). Er ist auch wesentlich, da das Urteil auf ihm beruhen kann (vgl. insoweit
Meyer-Ladewig, a.a.O., Randnr. 18), und zwar hinsichtlich der im Falle des Eingreifens des Ausschlußgrundes des §
27 Abs. 2 Halbs. 1 B KGG zu treffenden Entscheidung über die Zulassung der Berufung (§ 27 Abs. 2 Halbs. 2 BKGG
in Verbindung mit § 150 Nr. 1 Halbs. 2 SGG). Dies ergibt sich vorliegend besonders deutlich daraus, daß das
Sozialgericht in den Entscheidungsgründen ausdrücklich Ausführungen darüber, daß der Berufungsausschluß gemäß
§ 27 Abs. 2 BKGG nicht eingreife, für nötig erachtet und damit zu erkennen gegeben hat, daß es bei anderer
Auffassung über die Zulässigkeit der Berufung möglicherweise die Berufung zugelassen hätte. Unerheblich ist in
diesem Zusammenhang, daß der Kläger den Bescheid vom 10. Juli 1980 nicht anficht, sondern insoweit lediglich sein
Begehren in zeitlicher Hinsicht beschränkt.
Die Berufung ist auch teilweise begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Kindergeld für das Kind H. für die Zeit
von Januar 1979 bis Dezember 1979 auf Grund der Übergangsregelung des Art. 2 Abs. 1 des Achten Gesetzes zur
Änderung des BKGG vom 14. November 1978 (BGBl. I S. 1757). Nach dieser Vorschrift, deren Voraussetzungen
vorliegend erfüllt sind, sind Kinder, die bei der Zahlung von Kindergeld für Dezember 1978 nach § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr.
1 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1978 geltenden Fassung (vgl. Art. 1 Nr. 1 und Art. 4 des Achten Gesetzes zur
Änderung des BKGG vom 14. November 1978) zu berücksichtigen sind, bei dem Berechtigten bis einschließlich
Dezember 1979, jedoch längstens für die Monate zu berücksichtigen, in denen der Berechtigte weiterhin Unterhalt in
der bisher erforderlichen Höhe an sie zahlt und die übrigen Voraussetzungen für ihre Berücksichtigung erfüllt bleiben.
Das Kind H. des Klägers war bei der – auch tatsächlich erfolgten – Zahlung von Kindergeld für Dezember 1978 – auch
– nach § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F. zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift bestand – ausnahmsweise –
ein Kindergeldanspruch auch für Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im
Geltungsbereich des BKGG hatte wenn der Berechtigte – so Buchstabe a – mindestens 15 Jahre lang einen Wohnsitz
oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG gehabt und für den Unterhalt des betreffenden
Kindes regelmäßig mindestens den Betrag des Kindergeldes aufgewendet hatte, der bei Leistung von Kindergeld für
dieses Kind auf es entfiel (§ 12 Abs. 4 BKGG). Diese Voraussetzungen sind gegeben. Der Kläger hatte aufgrund der
am 7. Juni 1963 erfolgten Einreise und seines seitherigen ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthaltes in der
Bundesrepublik Deutschland im Dezember 1978 einen bereits mehr als 15 Jahre lang andauernden Wohnsitz und
gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG aufzuweisen. Ebenso wendet er durch die Unterhaltsleistung
in Höhe von 250,00 DM für Dezember 1978 auch mindestens den anteiligen Kindergeldbetrag im Sinne des § 12 Abs.
4 BKGG auf. Letzteres folgt, ohne daß insoweit nähere Berechnungen anzustellen sind, allein schon daraus, daß der
Betrag von 250,00 DM den höchsten, auf ein Kind entfallenden Kindergeldbetrag im Sinne des § 10 BKGG übersteigt.
Allerdings sind im Falle des Klägers, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, für den Monat Dezember 1978 zugleich
auch die allgemeinen Voraussetzungen für eine Kindergeldgewährung (§§ 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 BKGG) gegeben, und zwar
deshalb, weil sich das Kind H., jedenfalls zu Beginn des Monats Dezember 1978, noch in der Bundesrepublik
Deutschland aufhielt und hier seinen Wohnsitz hatte und weil auch insoweit ausreichend ist, daß die
Anspruchsvoraussetzungen wenigstens an einem Tage des Monats vorgelegen haben (vgl. § 9 Abs. 1 BKGG,
Umkehrschluß aus § 13 BKGG sowie für die umgekehrte Fallgestaltung der Begründung eines Wohnsitzes oder
Aufenthaltes im Laufe eines Monats BSG, Urteil vom 26. Juni 1980 – 8b RKg 10/79 – SozR 5870 § 10 Nr. 4). Damit
läßt sich der Kindergeldanspruch des Klägers für Dezember 1978 auf zwei voneinander unabhängige materiell-
rechtliche Grundlagen stützen, die jede für sich genommen ausreichen, um den Anspruch auf Kindergeld für den
gesamten Monat zu begründen (§ 9 Abs. 1 BKGG). Entstanden ist der Anspruch freilich bereits am 1. Dezember 1978
mit dem Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen des inländischen Wohnsitzes bzw. Aufenthaltes (vgl. § 40 Abs.
1 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – SGB I), nicht erst nach dem kurz darauf folgenden Verlassen der
Bundesrepublik; aufgrund der (Rück-)Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F., ebenso beruht die
Kindergeldzahlung für Dezember 1978 – auch insoweit ist der Beklagten zu folgen – auf einer Anwendung dieser
allgemeinen Vorschriften, denn bei dieser Zahlung handelt es sich lediglich um ein Fortwirken bzw. eine Dauerwirkung
der erstmaligen, auf den inländischen Wohnsitz und Aufenthalt des Kindes gestützten Kindergeldbewilligung aufgrund
des Antrages des Klägers vom 5. Januar 1973. Damit steht zugleich fest, daß es sich bei der Anspruchsgrundlage
des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F. im vorliegenden Falle um eine Anspruchsgrundlage handelt, die jedenfalls für
den Kindergeldanspruch für Dezember 1978 keine aktuelle rechtliche Bedeutung gewonnen hat, sich auf die
Entstehung dieses Anspruchs rechtlich nicht auswirkte, sondern lediglich quasi als Reserve-Anspruchsgrundlage im
Hintergrund stand.
Diese für Dezember 1978 nicht aktualisierte Anspruchsgrundlage des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F. wirkt sich
jedoch aus im Rahmen der Übergangsregelung des Art. 2 Abs. 1 des Achten Gesetzes zur Änderung des BKGG vom
14. November 1978. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, der Verwaltung ohne besonderen Aufwand die Erfassung
der bisher nach § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG begünstigten Eltern und damit die Umstellung auf das neue Recht zu
ermöglichen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BR-Drucks. 385/78, S. 7 = BT-Drucks. 8/2102, S. 6; Bericht des
Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit, BT-Drucks. 8/2183, S. 8). Es handelt sich mit anderen Worten um
eine allein auf Gesichtspunkten der Verfahrensökonomie beruhende Zweckmäßigkeitsregelung. Irgendeine vom bis
dahin geltenden Recht abweichende Regelung hinsichtlich der Berechtigten, die im Dezember 1978 die
Anspruchsvoraussetzungen für eine Kindergeldgewährung erfüllten, sollte damit nicht verbunden sein; insbesondere
sollte insoweit keine Verschlechterung ihrer Rechtsposition eintreten. Ebensowenig sollten nur die Berechtigten in den
Genuß der Übergangsregelung kommen, denen tatsächlich bereits im Dezember 1978 für diesen Monat Kindergeld
unter Anwendung der Bestimmung des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F. gewährt worden war, auch wenn dem
Gesetzgeber sicherlich hauptsächlich diese Fälle vorschwebten. Nicht nur nach dem Wortlaut der Vorschrift, der allein
auf die materielle Rechtslage für Dezember 1978 abstellt, ist das Vorliegen einer diesbezüglichen
Verwaltungsentscheidung nicht erforderlich; auch der dargelegte Zweck der Vorschrift nötigt nicht zu einer derartigen
Einschränkung. Die Leistungsverwaltung soll auch noch im Laufe des Jahres 1979 im Rahmen ihrer üblichen Tätigkeit
die Fälle erfassen können, in denen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F. für Dezember 1978
vorlagen, selbst wenn bis dahin noch kein Kindergeld für diesen Monat gewährt worden war. In diesem Sinne kommt
es auch nach den Gesetzesmaterialien lediglich auf die Erfassung der "begünstigten Eltern” und damit auf die
materielle Rechtslage an. Danach läßt sich nicht bezweifeln, daß ein Berechtigter, er erst im Dezember 1978 die
Voraussetzungen der 15-Jahresfrist oder der entsprechenden Unterhaltsgewährung erfüllt, unter die
Übergangsregelung fällt und Kindergeld erhält, sofern er den Kindergeldantrag innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 9
Abs. 2 BKGG, d.h., bis zum 30. Juni 1979, gestellt hat.
Sollten durch die Übergangsregelung keine Verschlechterungen der materiellen Rechtslage eintreten und ist nicht
erforderlich, daß im Dezember 1978 ein auf § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F. gestützter Verwaltungsakt über eine
Kindergeldgewährung für Dezember 1978 vorliegt, so bestehen auch keine Hinderungsgründe dagegen, auf die
materielle Rechtslage auch dann zurückzugreifen, wenn im Dezember 1978 ein auf eine andere, ebenfalls und zwar
vorrangiggegebene Rechtsgrundlage gestützter Verwaltungsakt vorliegt oder für diesen Monat später ein solcher
Verwaltungsakt erlassen wird. Entscheidend ist, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, allein, daß der
Berechtigte im Dezember 1978 zu dem nach § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F. begünstigten Personenkreis gehört.
Dies ist aber bereits dann der Fall, wenn im Dezember 1978 an wenigstens einem Tage in seiner Person die
Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F. vorgelegen haben. Auch vom Verwaltungsaufwand und
damit vom eigentlichen Zweck der Übergangsvorschrift her gesehen, ergeben sich keine Unterschiede zwischen der
Fallgestaltung, daß im Dezember 1978 lediglich die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F. erfüllt
waren und der Fallgestaltung, daß in diesem Monat zusätzlich – zeitlich davor – auch die Voraussetzungen einer
anderen Anspruchsgrundlage erfüllt waren. Beide Fallgestaltungen kann die Verwaltung ohne besonderen Aufwand im
Zuge der normalen, auch sonst üblichen, Antragsbearbeitung erfassen und dabei der Gesetzesänderung Rechnung
tragen; ein Ausschuß der Berücksichtigung der Fälle, in denen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1
BKGG a.F. lediglich im Sinne einer Reserve-Anspruchsgrundlage gegeben sind, läßt sich unter dem Gesichtspunkt
der Verfahrensökonomie nicht rechtfertigen.
Hinzu kommt, daß diejenigen, die im Dezember 1978, wenn auch nacheinander, die Voraussetzungen zweier
Anspruchsgrundlagen erfüllten, im Ergebnis nicht schlechter gestellt werden können als diejenigen, die im Dezember
1978 lediglich die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage, nämlich der des § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F.,
erfüllten. Ihre im Dezember 1978 stärkere Rechtsposition kann nicht dazu führen, daß sie im Jahre 1979 nicht in den
Genuß der Übergangsregelung kommen können. Ist diese Regelung, entsprechende Unterhaltsaufwendungen
vorausgesetzt, auf diejenigen anwendbar, deren Kinder sich immer im Ausland aufhielten, sofern sie bis 31.
Dezember 1978 die Voraussetzung der 15-Jahresfrist erfüllten, so muß sie auch und "erst recht” auf diejenigen
anwendbar sein, deren Kinder sich noch im Dezember 1978 in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten und erst im
Laufe dieses Monats ins Ausland zurückkehrten. Kommen bei gleichen Unterhaltsaufwendungen und gleiche Erfüllung
der 15-Jahresfrist diejenigen in den Genuß der Übergangsregelung, deren Kinder noch vor dem 1. Dezember 1978 die
Bundesrepublik verließen, so muß dies auch und "erst recht” für diejenigen gelten, deren Kinder erst im Dezember
1978 von hier weggingen.
Zusammenfassend läßt sich damit feststellen, daß das Erfordernis der Berücksichtigung der Kinder bei der Zahlung
von Kindergeld für Dezember 1978 nach § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F. in der Übergangsvorschrift des Art. 2
Abs. 1 des Achten Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 14. November 1978 nicht so zu verstehen ist, daß für die
betreffenden Kinder auch tatsächlich für Dezember 1978 Kindergeld nach § 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BKGG a.F. gezahlt
werden muß. Vielmehr ist, wenn für Dezember 1978 bereits Kindergeld nach einer anderen, in diesem Monat zeitlich
früher erfüllten Anspruchsgrundlage zu zahlen ist, ausreichend, daß die Voraussetzungen (auch) des § 2 Abs. 5 Satz
2 Nr. 1 BKGG a.F. – wenigstens an einem Tage – im Dezember 1978 vorliegen und nach dieser Vorschrift Kindergeld
zu zahlen wäre, wenn die andere, zeitlich früher erfüllte Anspruchsgrundlage nicht eingreifen würde. Die
Übergangsvorschrift ist damit, bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen, auch dann anwendbar, wenn das
betreffende Kind zu Beginn des Monats Dezember 1978 noch einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im
Geltungsbereich des BKGG hatte, diesen Aufenthalt bzw. Wohnsitz dann aber im Laufe des Monats Dezember 1978
aufgab.
Der Kläger erfüllt zugleich aber auch die übrigen Voraussetzungen der Übergangsregelung und zwar bis einschließlich
Dezember 1979. Indem er für den Unterhalt des Kindes H. während der gesamten Dauer des Aufenthaltes dieses
Kindes in M. und damit bis Juni 1980 monatlich einen Betrag von 250,00 DM aufwendete, zahlte er weiterhin Unterhalt
in der bisher erforderlichen, wenigstens anteiligen Höhe; auch die übrigen Voraussetzungen für die fortdauernde
Berücksichtigung des Kindes H. blieben, wie die Beklagte auch insoweit nicht bestreitet, erfüllt.
Die Berufung ist dagegen unbegründet, soweit der Kläger Kindergeld für die Zeit von Januar 1980 bis Mai 1980
begehrt. Für diese Zeit hat der Kläger keinen Kindergeldanspruch, da nach § 2 Abs. 5 BKGG in der Fassung vom 14.
November 1978 Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des BKGG
haben, nicht (mehr) berücksichtigt werden. Diese gesetzliche Neuregelung verstößt, wie der Senat bereits
entschieden hat (Urteile vom 27. November 1980 – L – 1/Kg – 271/80 und L – 1/Kg – 362/80 –) und wie nunmehr auch
das Bundessozialgericht festgestellt hat (Urteil vom 22. Januar 1981 – 10/8b – RKg – 7/79), nicht gegen das
Grundgesetz. Eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG scheitert daran, daß der Gesetzgeber im Rahmen seiner
Gestaltungsfreiheit bestimmen kann, auf welche Weise er den ihm geeignet erscheinenden Schutz der Familie
verwirklichen will, und seine Förderungspflicht nicht so weit geht, daß er gehalten wäre, jegliche die Familie treffende
Belastung auszugleichen (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1968 – 1 BvR 133/67 – BVerfGE 23, 258, 264;
BVerfG, Beschluss vom 18. März 1970 – 1 BvR 498/66 – BVerfGE 28, 104, 113). Hinzu kommt, daß Art. 6 Abs. 1
GG das Ziel verfolgt, den Zusammenhalt der Familie zu fördern und Familie in diesem Sinne grundsätzlich nur die in
der Hausgemeinschaft geeinte, aus den Eltern und ihren Kindern bestehende Familie bedeutet (vgl. auch BVerfG,
Beschluss vom 31. Mai 1978 – 1 BvR 683/77 – BVerfGE 48, 327, 339). Dem trägt die Kindergeldregelung Rechnung,
indem sie nicht eine Entlastung des Unterhaltspflichtigen, sondern die Begünstigung der Familie, in der das Kind
dauernd lebt, zum Ziel hat; diejenigen, die dem Kind eine Heimstatt geben und sich um sein persönlichen Wohl sowie
um seine Erziehung kümmern, sollen für die damit verbundenen finanziellen, mindestens aber persönlichen Opfer
einen Ausgleich von der Gesellschaft erhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 1968, a.a.O., 263 f.; BVerfG,
Beschluss vom 28. April 1970 – 1 BvL 4/68 – BVerfGE 28, 206, 212 f.; BSG, Urteil vom 25. November 1966 – 7 RKg
12/65 – BSGE 25, 295, 297; BSG, Urteil vom 22. Januar 1981 – 10/8b RKg 7/79). Da es sich insoweit nicht um eine
willkürliche Differenzierung zwischen Kindern, die einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im
Geltungsbereich des BKGG haben und Kindern, bei denen dies nicht der Fall ist, handelt, ist auch eine Verletzung
des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gegeben (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom
27. November 1980, mit weiteren Nachweisen). Auch der Umstand, daß zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und dem Königreich M. im Gegensatz zu anderen Ländern bislang kein die Kindergeldgewährung einbeziehendes
Abkommen über Soziale Sicherheit besteht, begründet keinen, die Regelung des § 2 Abs. 5 BKGG berührenden
Verfassungsverstoß. Weiterhin ist auch Art. 3 Abs. 3 GG nicht verletzt, da der Kläger durch die Versagung des
Kindergeldes nicht wegen seiner Heimat und Herkunft benachteiligt wird (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 7. Mai
1968, a.a.O., 262 f.; BSG, Urteil vom 25. November 1966, a.a.O., 297). Schließlich liegt auch kein Verstoß gegen des
Sozialstaatsgrundsatz der Verfassung vor. Die Ausgestaltung dieses Prinzips obliegt im wesentlichen dem
Gesetzgeber; dieser hat insoweit einen weiten Raum zur freien Gestaltung. Seine sozialpolitischen Entscheidungen
sind hinzunehmen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlerhaft noch mit der Wertordnung des
Grundgesetzes unvereinbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1962 – 1 BvL 22/57 – BVerfGE 14, 288,
301; BSG, Urteil vom 19. Juni 1979 – 7 RAr 77/78; BSG, Urteil vom 2. Oktober 1979 – 7 RAr 101/78; BSG, Urteil vom
15. November 1979 – 7 RAr 99/78 – AuB 1980, 185). Insoweit bestehen enge Berührungspunkte zum Gleicheitssatz
(vgl. insbesondere BVerfG, Beschluss vom 19. April 1977 – 1 BvL 17/75 – BVerfGE 44, 283, 290; BVerfG, Beschluss
vom 22. Juni 1977 – 1 BvL 2/74 – BVerfGE 45, 376, 385 ff.). Verstößt die Regelung, wie dies hier zutrifft, nicht gegen
den Gleichheitssatz, so kann im vorliegenden Zusammenhang auch eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips nicht
angenommen werden. Hinzu kommt, daß es der verfassungsrechtlichen Legitimität entspricht, eine sozial- und
fürsorgerechtliche Förderung, wie sie durch die Gewährung von Kindergeld erfolgt, allgemein auf die Bewohner des
eigenen Staatsgebietes zu beschränken. Darin liegt keine willkürliche Benachteiligung der Personen, die diese
Voraussetzung nicht erfüllen (vgl. BSG, Urteil vom 25. November 1966, a.a.O., 297).
Davon abgesehen vermag auch eine mögliche Kindergeldgewährung an andere marokkanische Staatsangehörige,
selbst wenn man sie als gegeben unterstellt, keinen Kindergeldanspruch des Klägers, jedenfalls für die Zeit von
Januar 1980 bis Mai 1980, zu begründen. Insoweit kann es sich nur um eine Leistungsgewährung handeln, die mit der
geltenden Rechtslage nicht in Einklang steht; hierauf kann jedoch ein Anspruch auf Gleichbehandlung nicht gestützt
werden (vgl. insoweit zu den Grenzen des Gleicheitssatzes im einzelnen BVerwG, Urteil vom 28. April 1978 – IV C
49.76 – NJW 1979, 561, mit weiteren Nachweisen), so daß insoweit auch keine weiteren Beweiserhebungen
erforderlich waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssche grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG). bestehen enge Berührungspunkte zum Gleichheitssatz (vgl. insbesondere BVerfG, Beschluss vom 19. April
1977 – 1 BvL 17/75 – BVerfGE 44, 283, 290; BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1977 – 1 BvL 2/74 – BVerfGE 45, 376,
385 ff.). Verstößt die Regelung, wie dies hier zutrifft, nicht gegen den Gleichheitssatz, so kann im vorliegenden
Zusammenhang auch eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips nicht angenommen werden. Hinzu kommt, daß es der
verfassungsrechtlichen Legitimität entspricht, eine sozial- und fürsorgerechtliche Förderung, wie sie durch die
Gewährung von Kindergeld erfolgt, allgemein auf die Bewohner des eigenen Staatsgebietes zu beschränken. Darin
liegt keine willkürliche Benachteiligung der Personen, die diese Voraussetzung nicht erfüllen (vgl. BSG, Urteil vom 25.
November 1966, a.a.O. 297).
Davon abgesehen vermag auch eine mögliche Kindergeldgewährung an andere marokkanische Staatsangehörige,
selbst wenn man sie als gegeben unterstellt, keinen Kindergeldanspruch des Klägers, jedenfalls für die Zeit von
Januar 1980 bis Mai 1980, zu begründen. Insoweit kann es sich nur um eine Leistungsgewährung handeln, die mit der
geltenden Rechtslage nicht in Einklang steht; hierauf kann jedoch ein Anspruch auf Gleichbehandlung nicht gestützt
werden (vgl. insoweit zu den Grenzen des Gleichheitssatzes im einzelnen BVerwG, Urteil vom 28. April 1978 – IV C
49.76 – NJW 1979, 561, mit weiteren Nachweisen), so daß insoweit auch keine weiteren Beweiserhebungen
erforderlich waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr.
1 SGG).