Urteil des LSG Hessen vom 25.11.2010
LSG Hes: erlass, omnibus, hauptsache, anteil, existenzminimum, familie, wohnung, ausschreibung, notlage, auszahlung
Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 25.11.2010 (rechtskräftig)
Sozialgericht Fulda S 9 AS 86/10 ER
Hessisches Landessozialgericht L 6 AS 423/10 B ER
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 30. Juni 2010 wird
zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu
erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren von dem Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende -
(SGB II)
Die 1954 geborene Antragstellerin zu 1. und der 1954 geborene Antragsteller zu 2. stellten erstmals am 18. Februar
2009 Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Hieraus ergibt sich, dass die Antragsteller die angegebene Wohnung
gemeinsam mit ihrem 29 Jahre alten Sohn X. bewohnen, die Antragstellerin zu 1. bis zum 28. Februar 2009, dem
Zeitpunkt der Erschöpfung des Anspruchs, Arbeitslosengeld I bezogen hat, sie seit dem 1. Februar 2009 eine
Tätigkeit als Reinigungskraft im Umfang von 16 Monatsstunden verrichtet und der Antragsteller zu 2. seit Januar 1989
als Inhaber eines Reisebusunternehmens selbstständig tätig ist. Durch Bescheid vom 15. Juni 2009 bewilligte der
Antragsgegner den Antragstellern 342,11 EUR monatlich für die Zeit vom 1. März bis 30. April 2009. Hiergegen
erhoben die Antragsteller am 8. Juli 2009 Widerspruch und machten geltend, bei der Berechnung der Einkünfte des
Antragstellers zu 2. seien die monatlichen Leasingraten/Mietkaufraten für den Omnibus als notwendige
Betriebsausgaben in Abzug zu bringen. Der Antragsgegner wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom
27. August 2009 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die für den Omnibus zu zahlenden Raten stellten nicht
lediglich Nutzungsentgelte dar, sondern dienten indirekt dem Vermögensaufbau, weil es sich um einen
Mietkaufvertrag handele. Dessen ungeachtet sei zweifelhaft, ob der Kauf eines Omnibusses zu einem
Anschaffungspreis von 255.000,00 EUR eine notwendige Ausgabe im Sinne von § 3 der Arbeitslosengeld
II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) darstelle. Hiergegen haben die Antragsteller am 24. September 2009 Klage erhoben
(Az. des Sozialgerichts Fulda S 9 AS 215/05), über die bis dato noch nicht entschieden ist.
Weiter haben die Antragsteller am 29. März 2010 Eilantrag bezogen auf den Zeitraum ab Eingang des Antrags bis
Ende Juni 2010 gestellt, auf den das Sozialgericht durch Beschluss vom 30. Juni 2010 den Antragsgegner verpflichtet
hat, den Antragstellern vorläufig Leistungen nach dem SGB II vom 29. März 2010 bis 30. Juni 2010 in Höhe von
monatlich 603,47 EUR zu zahlen, und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen hat. Zur Begründung hat es im
Wesentlichen ausgeführt, nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung seien die Erfolgsaussichten in
der Hauptsache als offen anzusehen. Die Folgenabwägung führe dazu, dass den Antragstellern zur Vermeidung einer
Rechtsschutzlücke für den genannten Zeitraum die Höhe der Differenz zwischen dem errechneten Bedarf und
Einkommen in Höhe von 603,47 EUR monatlich zuzusprechen sei. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die
Ausführungen im angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen den ihm am 1. Juli 2010 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 23. Juli 2010 Beschwerde erhoben
und im Wesentlichen die Auffassung vertreten, sowohl Anordnungsgrund als auch Anordnungsanspruch seien nicht
gegeben. Dem erforderlichen Anordnungsgrund stehe bereits entgegen, dass der ablehnende Bescheid vom 25. Mai
2010 von den Antragstellern nicht mit einem Widerspruch angefochten worden sei. Darüber hinaus fehle es an einem
Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab dem 1. Juli 2010. Im Übrigen hätten die Antragsteller bislang keine
Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts eingeleitet. Im Hinblick auf den Anordnungsanspruch sei zu
berücksichtigen, dass die Einkommenssituation des Antragstellers zu 2. für die Zeit vom 29. März bis 30. Juni 2010
unklar geblieben sei. Er, der Antragsgegner, teile die Zweifel des Sozialgerichts, ob es sich bei den Tilgungsraten für
den Omnibus um notwendige Ausgaben i.S.d. § 3 Abs. 2 Alg II-V handele bzw. ob hier nicht ein Missverhältnis der
Ausgaben zu den jeweiligen Erträgen i.S.d. § 3 Abs. 3 Alg II-V vorliege. Weiter sei die von dem Sozialgericht
vorgenommene Berechnung der Kosten der Unterkunft fehlerhaft, weil nicht berücksichtigt worden sei, dass die
Antragsteller in Haushaltsgemeinschaft mit ihrem Sohn X., der bis zum 30. April 2010 selbst Leistungen nach dem
SGB II einschließlich Anteil für Kosten der Unterkunft erhalten habe, lebten, so dass bei Rückgriff auf die
Wohngeldtabelle nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) die Werte der rechten Spalte, Mietstufe II für drei Personen
anzusetzen seien. Weiter habe das Sozialgericht unzutreffend einen pauschalen Zuschlag auf die Werte der
Wohngeldtabelle vorgenommen.
Durch Beschluss vom 23. August 2010 hat der Vorsitzende des Senats im Wege der einstweiligen Anordnung die
Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts vom 30. Juni 2010 bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der
Beschwerdeinstanz ausgesetzt, weil dem Vortrag des Antragsgegners, ein Folgeantrag für die Zeit ab dem 1. Juli
2010 sei bislang nicht gestellt und ein Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 25. Mai 2010 nicht erhoben
worden, bisher nicht entgegengetreten worden sei.
Der Antragsgegner beantragt (sinngemäß), den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 30. Juni 2010 aufzuheben
und den Antrag der Antragsteller abzulehnen.
Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie tragen mit Schriftsätzen vom 14. September 2010 und 1. November 2010 im Wesentlichen vor, sie seien
zunächst der Auffassung gewesen, dass der Bescheid vom 25. Mai 2010 Gegenstand des bei dem Sozialgericht
anhängigen Klageverfahrens geworden sei. Aus diesem Grund hätten sie den Bescheid nicht gesondert mit einem
Widerspruch angefochten. Allerdings sei zu dem Bescheid mit Schriftsatz vom 31. Mai 2010 gegenüber dem
Sozialgericht Stellung genommen worden. Im Übrigen hätten sie nunmehr mit Schreiben vom 8. Oktober 2010 einen
entsprechenden Überprüfungsantrag gestellt. Auch ein Weiterbewilligungsantrag sei zwischenzeitlich gestellt worden.
Im Hinblick auf einen Sterbefall in der Familie und auf den aus der Teilnahme an einer Ausschreibung resultierenden
Aufwand sei es zu der zeitlichen Verzögerung gekommen. Die Antragsteller vertreten die Auffassung, dass sowohl ein
Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch gegeben seien. Insbesondere handele sich bei den Tilgungsraten
für den Omnibus um notwendige Ausgaben gemäß § 3 Abs. 2 Alg II-V. Ergänzend legen die Antragsteller u.a. diverse
Kontounterlagen vor.
Unter Berücksichtung dieses Vortrags hat der Vorsitzende des Senats durch Beschluss vom 11. November 2010 den
Aussetzungsbeschlusses vom 23. August 2010 aufgehoben mit dem Hinweis, von der von dem Antragsgegner
vorgetragenen Sachlage, ein Folgeantrag für die Zeit ab dem 1. Juli 2010 sei bislang nicht gestellt und ein
Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 25. Mai 2010 nicht erhoben worden, könne aufgrund des weiteren
Schriftwechsels im Verfahren nicht länger ausgegangen werden.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten des Antragsgegners Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat den Antragsgegner zu Recht verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen nach dem
SGB II für die Zeit vom 29. März 2010 bis zum 30. Juni 2010 in Höhe von monatlich 603,47 EUR zu zahlen. Soweit
das Sozialgericht im Übrigen den Antrag abgelehnt hat, ist dies von den Antragstellern nicht mit der Beschwerde
angefochten worden, so dass lediglich die von dem Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung aufgrund der
hiergegen erhobenen Beschwerde des Antragsgegners Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein
Rechtsverhältnis gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist
sowohl ein Anordnungsanspruch (d.h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines materiellen Leistungsanspruchs) als
auch ein Anordnungsgrund (d.h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), die
glaubhaft zu machen sind (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung - ZPO -). Grundsätzlich
soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht
vorweggenommen werden. Wegen des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 des
Grundgesetzes - GG -), ist von diesem Grundsatz jedoch dann abzuweichen, wenn ohne die begehrte Anordnung
schwere und unzumutbare später nicht wiedergutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine
nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober
1988, Az.: 2 BvR 745/88 = BVerfGE 79, 69 ff.; Beschluss vom 22. November 2002, Az.: 1 BvR 1586/02 = NJW 2003,
1236 f.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander
stehen, sondern eine Wechselbeziehung besteht. Die Anforderungen an den Anordnungsanspruch sind mit
zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern und
umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs
ein bewegliches System (Beschluss des 7. Senates des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. Juni 2005, Az.: L
7 AS 1/05 ER; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 29). Ist die Klage in der
Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht
auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die
Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet und das angegriffene Verwaltungshandeln offensichtlich
rechtswidrig bzw. bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Leistungsträgers, so
vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 24. Mai 2004, Az.: L 16 B 15/04 KR ER; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 31. Juli
2002, Az.: L 18 B 237/01 V ER). In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung
stattzugeben, wobei jedoch auf einen Anordnungsgrund nicht gänzlich verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang
des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht
möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Davon ausgehend folgt der Senat zunächst der Beurteilung des Sozialgerichts, wonach das Vorliegen eines
Anordnungsanspruchs als offen anzusehen ist. Insbesondere folgt der Senat den Ausführungen im angefochtenen
Beschluss zum Bedarf der Antragsteller in Höhe von monatlich 1.145,00 EUR, wobei dies auch für die angesetzten
Kosten für Unterkunft und Heizung gilt. Zumindest sieht der Senat keinen Anlass, geringfügige Differenzen im
Beschwerdeverfahren zu korrigieren. Zwar hat insoweit der Antragsgegner unwidersprochen vorgetragen, dass die
Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller die Wohnung zusammen mit ihrem Sohn X. bewohnt, der bis zum 30. April
2010 selbst Leistungen nach dem SGB II mit eigenem Anteil für Kosten der Unterkunft erhalten habe, so dass die
Werte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle gemäß § 12 WoGG nach der Mietstufe II für drei Personen anzusetzen
und anteilig auf die Antragsteller umzulegen seien. Hieraus ergibt sich jedoch lediglich eine Differenz von 87,27 EUR
monatlich. Insoweit ist dem Antragsgegner nicht zu folgen, der zehnprozentige Zuschlag auf die Werte der
Wohngeldtabelle habe für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 zu unterbleiben, weil dieser Zuschlag nach der
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, B 4 AS 50/09 R) im
Hinblick auf die bis zum 31. Dezember 2008 nicht erfolgte Anpassung der Tabelle an Preissteigerungen der
vorhergehenden Jahre anzusetzen sei. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Vielmehr hat das Bundessozialgericht
in der genannten Entscheidung ausgeführt, dass der zehnprozentige Zuschlag zum jeweiligen Tabellenwert einen
"Sicherheitszuschlag" darstellt, der im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Hilfebedürftigen auf
Sicherung des Wohnraumes erforderlich sei, weil beim Fehlen eines schlüssigen Konzept nicht mit Sicherheit beurteilt
werden könne, wie hoch tatsächlich die angemessene Referenzmiete gewesen sei. Der Zuschlag beruht mithin nicht
auf fehlenden Anpassungen an Preissteigerungen, sondern auf Unwägbarkeiten bei Fehlen eines schlüssigen
Konzepts. Wird dem Vortrag des Antragsgegners folgend von dem Wert der rechten Spalte der Wohngeldtabelle für
drei Personen in Höhe von 451,00 EUR ausgegangen, erhöht sich dieser Wert um 10 % auf 496,10 EUR, so dass auf
die Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller 330,73 EUR anzurechnen sind. Das Sozialgericht ist von 418,00 EUR
ausgegangen, so dass die genannte Differenz von 87,27 EUR verbleibt. Angesichts der von dem Sozialgericht
ausgesprochenen Verpflichtung für die Zeit vom 29. März bis 30. Juni 2010 beläuft sich die Differenz auf gesamt
261,81 EUR. Dieser Betrag ist in den zugesprochenen 603,47 EUR monatlich enthalten, wobei aufgrund des wieder
aufgehoben Aussetzungsbeschlusses vom 23. August 2010 durch weiteren Beschluss vom 11. November 2010 der
Antragsgegner dem nach seinem Vortrag zwischenzeitlich vollständig nachgekommen ist. Mithin ist es angemessen,
dass der Antragsgegner die weitere Klärung im Hauptsacheverfahren betreibt und insoweit keine Korrektur im
summarischen Beschwerdeverfahren stattfindet. Weiter folgt der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts zu dem
anzurechnenden Einkommen der Antragstellerin zu 1. in Höhe von monatlich 219,50 EUR und dem zumindest zu
berücksichtigenden Einkommen des Antragstellers zu 2. in Höhe von monatlich 322,03 EUR. Der Senat stimmt mit
dem Sozialgericht auch darüber überein, dass die Einkommenssituation des Antragstellers zu 2. insofern unklar ist,
als die Frage, ob Tilgungsleistungen für den von ihm betriebenen Omnibus einkommensmindernd als notwendige
Ausgaben im Sinne des § 3 Abs. 2 Alg II-V von den Betriebseinnahmen abzusetzen sind, weder aus dem Wortlaut der
maßgeblichen Regelungen des SGB II bzw. der Ag II-V beantwortet werden kann, noch bislang durch die
obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt worden ist. Soweit das Bundessozialgericht lediglich
zur Übernahme von Tilgungsleistungen für eine selbstgenutzte Wohnimmobilie im Rahmen der Kosten der Unterkunft
gemäß § 22 SGB II Stellung genommen und ausgeführt hat, Gesetzeswortlaut und Sinn und Zweck der Leistung
stünden der Übernahme eines derartigen Aufwandes nicht entgegen, jedoch komme die Berücksichtigung nur unter
engen Voraussetzungen in Betracht, um dem Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des Wohneigentums
einerseits und der Beschränkung der Leistungen nach dem SGB II auf die aktuelle Existenzsicherung, die
grundsätzlich nicht der Vermögensbildung dienten, andererseits gerecht zu werden (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B
14/11b AS 67/06 R), lässt sich diese Rechtsprechung nicht ohne weiteres auf die vorliegende Fallkonstellation
übertragen. Der Senat vertritt die Auffassung, dass die Beantwortung komplexer, bislang ungeklärter Rechtsfragen im
Rahmen einer vollständigen Prüfung nicht im summarischen Beschlussverfahren, sondern im Berufungsverfahren zu
erfolgen hat (im Ergebnis ebenso: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Auflage, § 86b Rn. 16c;).
Wird weiter berücksichtigt, dass die betriebswirtschaftliche Situation des von dem Antragsteller zu 2. betriebenen
Omnibus-Reisedienstes noch der sorgfältigen Analyse bedarf, ist es vorliegend in der Gesamtschau geboten, von
einem offenen Anordnungsanspruch auszugehen und im Übrigen den Eilantrag gemessen an dem Vorliegen eines
Anordnungsgrundes bzw. einer Folgenabwägung zu entscheiden.
Nach Auffassung des Senates ergibt die Folgenabwägung, dass ein Anordnungsgrund für den Erlass der einstweiligen
Anordnung in dem von dem Sozialgericht stattgegebenen Umfang zu bejahen ist. Der Erlass einer einstweiligen
Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen,
die eine sofortige Entscheidung erfordert (Conradis in SGB II, Lehr- und Praxiskommentar, - LPK-SGB II -, 3. Aufl.,
Anhang Verfahren Rdnr. 119). Eine solche Notlage ist bei einer Gefährdung der Existenz oder erheblichen
wirtschaftlichen Nachteilen anzunehmen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., Rdnr. 28 u. 29a). Gegeneinander
abzuwägen sind die Folgen, die bei Erlass bzw. Ablehnung einer einstweiligen Anordnung für den unterliegenden
Beteiligten entstehen würden, jeweils unterstellt, der Erlass bzw. die Ablehnung der Anordnung erfolgte aufgrund
nachträglicher Prüfung im Hauptsacheverfahren zu Unrecht. Davon ausgehend würden den Antragstellern im Falle
einer unzutreffenden Ablehnung ihres Antrages gravierendere Nachteile entstehen als dem Antragsgegner im Falle
einer im Ergebnis unzutreffenden Stattgabe des Antrages. Insoweit stünde zu befürchten, dass das
verfassungsrechtlich gewährleistete Existenzminimum der Antragsteller nicht gedeckt ist, denn diese müssten sich
im Falle der unzutreffenden Nichtberücksichtigung der Tilgungsleistungen für den Omnibus als notwendige Ausgaben
i.S.d. § 3 Abs. 2 Alg II-V ein tatsächlich nicht gegebenes Einkommen anrechnen lassen mit der Folge der
entsprechenden Minderung der SGB II-Leistungen, so dass das Existenzminimum gerade nicht mehr sichergestellt
wäre. Im Falle des Abwartens der Hauptsacheentscheidung könnte die sich daraus ergebende Verletzung einer
grundgesetzlichen Gewährleistung - bei unterstelltem Obsiegen der Antragsteller nicht durch eine nachträgliche
Gewährung korrigiert werden. Für die Antragsteller ergäbe sich eine nachträglich nicht mehr zu schließende
Rechtsschutzlücke. Demgegenüber sind die Nachteile für den Antragsgegner, sofern sich im Hauptsacheverfahren
erweist, dass die einstweilige Anordnung zu Unrecht ergangen ist, deutlich weniger gravierend. Sollte sich nämlich
ergeben, dass die einstweilige Anordnung von Anfang an ganz oder teilweise ungerechtfertigt war, sind die
Antragsteller verpflichtet, dem Antragsgegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Vollziehung der Anordnung
entsteht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 945 ZPO). Nach allem ist von dem Vorliegen des erforderlichen
Anordnungsgrundes auszugehen. Daran ändert auch das Vorbringen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren
bzw. nach Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses nichts. Dieser hat sich im Wesentlichen darauf berufen, der
Bescheid vom 25. Mai 2010 sei nicht mit einem Widerspruch angefochten worden, zudem hätten die Antragsteller
einen Folgeantrag für die Zeit ab dem 1. Juli 2010 nicht gestellt. Dem sind die Antragsteller substantiiert
entgegengetreten, indem sie darauf hingewiesen haben, sie seien zunächst irrtümlich der Auffassung gewesen, der
Bescheid vom 25. Mai 2010 sei nach § 96 SGG Gegenstand des bei dem Sozialgericht anhängigen Klageverfahrens
geworden, so dass eine gesonderte Anfechtung nicht erforderlich sei. Insoweit hätten sie nunmehr einen Antrag auf
Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB
X) gestellt (im Übrigen hätten sie unter dem 31. Mai 2010 im Rahmen des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht zu
dem Bescheid Stellung genommen - insoweit wird angesichts der Ausführungen in diesem Schreiben "I. Bescheid
vom 25. Mai 2010 Der Bescheid des Antragsgegners ist daher nicht korrekt." zu prüfen sein, ob dies als Widerspruch
zu werten ist). Weiter haben die Antragsteller vorgetragen, ein Weiterbewilligungsantrag sei zwischenzeitlich bei dem
Antragsgegner gestellt worden und die zeitliche Verzögerung sei auf einen Sterbefall in der Familie (Mutter des
Antragstellers zu 2.) sowie auf die zeitaufwändige Teilnahme an einer Ausschreibung im Rahmen des
Busunternehmens zurückzuführen. Damit haben die Antragsteller nachvollziehbar und schlüssig den Vorhalt des
Antragsgegners entkräftet, aus ihrem eigenen Verhalten ergebe sich, dass keine Eilbedürftigkeit vorliege. Weiter
vermag sich der Antragsgegner nicht darauf zu berufen, die Antragsteller hätten auf den Beschluss des Sozialgerichts
ihre Bedürftigkeit ihm, dem Antragsgegner, gegenüber nicht unmittelbar geltend gemacht und die Auszahlung der
vorläufigen Leistungen gefordert. Aus diesem Grund sei mit der Erhebung der Beschwerde zunächst bis zum 23. Juli
2010 gewartet worden. Insoweit war es nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts nicht
Sache der Antragsteller, die Auszahlung des zugesprochenen Betrages einzufordern, vielmehr war der Antragsgegner
unmittelbar und zwingend gehalten, den Eilbeschluss des Sozialgerichts zu befolgen oder aber unverzüglich
Beschwerde zu erheben verbunden mit einem Aussetzungsantrag nach § 199 Abs. 2 SGG. Davon abweichende
taktische Erwägungen waren dem Antragsgegner schon unter Berücksichtigung von Art. 20 Abs. 3 GG bzw. dem sich
daraus ergebenden Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verwehrt. Dies gilt gleichermaßen, soweit der
Antragsgegner nach Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses vom 23. August 2010 durch Beschluss vom 11.
November 2010 mit Schriftsatz vom 11./12. November 2010 eine Mitteilung für den Fall, dass die Antragsteller ein
Vollstreckungsverfahren einleiten, erbeten hat. Insoweit war die offenbar beabsichtigte weitere Nichtbefolgung des
Beschlusses des Sozialgerichts bis zur Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen rechtswidrig, ohne dass es hierzu
weiterer Ausführungen bedarf.
Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen, die sich der Senat zu Eigen macht
(§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).