Urteil des LSG Hessen vom 29.03.1982

LSG Hes: anrechenbares einkommen, arbeitslosenhilfe, verpachtung, vermietung, soziale sicherheit, sozialversicherung, handelsvertreter, haftpflichtversicherung, gaststätte, unfall

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 29.03.1982 (rechtskräftig)
Sozialgericht Gießen S 5 Ar 134/76
Hessisches Landessozialgericht L 1 Ar 955/78
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. Juli 1978 wird zurückgewiesen.
Auf die Klage wird der Bescheid der Beklagten vom 16. August 1979 abgeändert und die Beklagte verurteilt,
Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 30. Dezember 1975 bis zum 30. November 1976 in voller Höhe zu zahlen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 30. Dezember 1975 bis zum 30.
November 1976.
Die Klägerin erhielt vom 1. Juli 1975 bis zum 29. Dezember 1975 Arbeitslosengeld nach einem Bemessungsentgelt
von zuletzt DM 355,– Am 17. Dezember 1975 stellte die Klägerin einen Antrag auf Anschluß-Arbeitslosenhilfe. In dem
Antrag gab sie an, sie habe Pachteinnahmen in Höhe von monatlich DM 360,36. Die Klägerin ist mit K. verheiratet.
Die Eheleute haben ein gemeinsames Kind, das 1961 geboren wurde. Der Ehemann der Klägerin ist seit dem 15. Juli
1974 für eine Bausparkasse selbständiger Handelsvertreter im Sinne der §§ 84 ff. Handelsgesetzbuch.
Die Eheleute K. sind Eigentümer von Haus- und Grundbesitz zu je 1/2. Der Haus- und Grundbesitz umfaßt eine
Wohnung, in der das Ehepaar mit dem gemeinsamen Kind lebte, eine kleine Imbißstube "Pilsstübchen”, eine
Discothek und eine weitere Wohnung. Imbißstube, Discothek und die weitere Wohnung waren in den Jahren 1975 und
1976 verpachtet bzw. vermietet. 1975 betrieb der Ehemann der Klägerin zusammen mit seinem Bruder H. K.
gemeinsam einen Minigolfplatz. Als Einkommensanteil für den Ehemann hat dieser DM 5.766,– angegeben.
Seit dem 1. Dezember 1976 betreibt der Ehemann der Klägerin die Gaststätte nach einem erfolgten Umbau
selbständig. Seit diesem Zeitpunkt ist die Klägerin bei dem Ehemann in der Gaststätte angestellt.
Das Arbeitsamt Gießen lehnte mit Bescheid vom 19. Februar 1976 den Antrag der Klägerin auf Gewährung von
Arbeitslosenhilfe ab. Zur Begründung wird unter anderem angeführt, daß die Klägerin nicht bedürftig sei (§§ 134 in
Verbindung mit § 138 Arbeitsförderungsgesetz (AFG)), da nach Abzug des Freibetrags das anzurechnende
Einkommen des Ehemannes den Arbeitslosenhilfe-Satz von DM 154,80 wöchentlich übersteige.
Gegen den Ablehnungsbescheid erhob die Klägerin Widerspruch. Dieser wurde durch Widerspruchsbescheid des
Arbeitsamtes Gießen vom 11. Mai 1976 als unbegründet zurückgewiesen.
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin am 18. Mai 1976 Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen,
ausweislich des inzwischen ergangenen Steuerbescheids 1975 hätten sich für sie Verluste aus Vermietung und
Verpachtung ergehen. Diese seien von den Einkünften ihres Ehemannes abzusetzen. Ebenso seien die in der
Steuererklärung für 1975 erklärten Ausgaben für Beiträge zur privaten Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherung in
Höhe von jährlich insgesamt DM 8.145,– als angemessene Aufwendungen zur sozialen Sicherung von den Einkünften
ihres Ehemannes abzusetzen. Die Beklagte hat vorgetragen, die Verluste aus gemeinsamer Vermietung und
Verpachtung könnten vom Einkommen des Ehemannes der Klägerin nur zur Hälfte in Abzug gebracht werden. Die für
Kranken-, Lebens-, Unfall- und Haftpflichtversicherung im Jahr 1975 aufgewendeten Beträge seien im Verhältnis zu
den vom Finanzamt anerkannten Einkünften unangemessen hoch und könnten deshalb nicht voll abgesetzt werden.
Das Sozialgericht Gießen hat mit Urteil vom 13. Juli 1978 den Bescheid vom 19. Februar 1976 und den
Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 1976 aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Verluste aus
Vermietung und Verpachtung des gemeinsamen Grundbesitzes der Eheleute vom Einkommen des Ehemannes
abgesetzt werden dürften und daß auch die Beiträge für die Versicherungen voll abgesetzt werden dürften, da gerade
in Zeiten, in denen das Einkommen durch Verlust gemindert sei, eine besondere Notwendigkeit zur sozialen
Sicherung bestehe. Nach Abzug der auch in den Urteilsgründen berechneten Beiträge sei die Klägerin in jedem Fall
bedürftig.
Gegen dieses der Beklagten am 28. Juli 1978 zugestellte Urteil richtet sich ihre mit Schriftsatz vom 23. August 1978,
eingegangen beim Hessischen Landes Sozialgericht am 24. August 1978, eingelegte Berufung.
Die Beklagte trägt im wesentlichen folgendes vor:
1) In den Berechnungen der Klägerin seien als Aufwendungen zur sozialen Sicherung des Ehemannes der Klägerin für
die Jahre 1975 und 1976 in Gestalt der Beiträge zur privaten Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherung die
tatsächlich aufgewendeten und vom Finanzamt anerkannten Beträge in Höhe von je DM 8.145,– abgesetzt worden.
Die Beiträge dürften nicht in vollem Umfange, sondern als angemessen im Sinne des § 138 Abs. 2 AFG nur bis zur
Höhe des Betrages, der von den Einkünften – wären diese beitragspflichtiges Entgelt – als gesetzlicher Beitrag
(Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) entrichtet werden müßte, abgesetzt werden. Insoweit wäre für 1975 nur ein
Abzug von DM 4.696,– und für 1976 ein Abzug von DM 3.559,40 angemessen.
2) Soweit im Einkommen des Ehemannes für 1975 das Einkommen aus der Gemeinschaft H. und Ha. Kraft enthalten
sei – es handelt sich um den von den Brüdern Kraft im Jahre 1975 gemeinsam betriebenen Minigolfplatz –, sei nicht
nur ein hälftiger Anteil des Gesamteinkommens in Höhe von DM 5.766,– einzusetzen, sondern entsprechend dem
Steuerbescheid des Finanzamts N. das volle Einkommen.
3) Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung sei es nicht zulässig, Verluste eines Ehegatten auf die Einkünfte des
anderen Ehegatten zu übertragen.
Im Laufe des Berufungsverfahren hat die Beklagte durch Schriftsatz vom 15. Juni 1979 für die Zeit vom 1. Januar bis
zum 30. November 1976 eine Rest-Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 5,12 wöchentlich anerkannt, was einen
Nachzahlungsbetrag in Höhe von DM 244,40 ergibt. Die Klägerin hat durch Schriftsatz vom 24. Juli 1979 dieses
Teilanerkenntnis angenommen. Übereinstimmend wurde insoweit die Hauptsache für erledigt erklärt.
Dementsprechend hat die Beklagte am 16. August 1979 einen Bewilligungs-Bescheid erlassen, der nach §§ 153, 96
Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. Juli 1978 aufzuheben und die Klage gegen den
Bescheid vom 16. August 1979 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Berufung zurückzuweisen und auf die Klage hin den Bescheid vom 16. August
1979 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 30. Dezember 1975 bis zum
30. November 1976 in voller Höhe zu zahlen.
Zur Begründung legt sie eine Berechnung ihres Einkommens für die Jahre 1975 und 1976 vor, aus der sich ein
Schuldensaldo ergibt. Das eigene Einkommen der Klägerin betrug nach diesen Angaben, die mit den Angaben in der
Steuerakte übereinstimmen, für das Jahr 1975 DM 3.491,– und für das Jahr 1976 DM 3.016,–. Diese Einnahmen sind
aus der Verpachtung der Imbißstube "Pilsstübchen” erzielt worden. Unter Berücksichtigung der hälftigen Verluste der
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vom weiteren gemeinsamen Vermögen in Höhe von DM 8.161,– für das
Jahr 1975 und in Höhe von DM 9.194,– für das Jahr 1976 ergibt sich daraus für die Klägerin ein Schuldsaldo von DM
4.670,– für das. Jahr 1975 und von DM 6.178,– für das Jahr 1976.
Die Klägerin legt ferner eine Berechnung des Einkommens ihres Ehemannes für die Jahre 1975 und 1976 vor. Ohne
Anrechnung der Verluste der Klägerin hatte demnach der Ehemann 1975 ein anrechenbares Einkommen von DM
8.003,–. Auf die Woche umgerechnet ergebe dies einen Betrag in Höhe von DM 153,90. Unter Berücksichtigung des
Freibetrages von DM 110,– ergebe dies ein anrechenbares Einkommen des Ehemannes der Klägerin in Höhe von DM
43,90, der von der Arbeitslosenhilfe der Klägerin in Höhe von DM 154,80 in Abzug zu bringen sei, so daß noch der
Betrag in Höhe von DM 110,90 verbleibe. Für den Zeitraum vom 1. bis zum 31. Dezember 1975 stehe der Klägerin
somit eine Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 110,90 zu. Rechne man den Schuldensaldo der Klägerin auf das
Einkommen ihres Ehemannes an, so ergebe sich für 1975 ein anrechenbares Einkommen des Ehemannes in Höhe
von DM 3.333,– Auf die Woche umgerechnet ergebe dies den Betrag in Höhe von DM 64,10. Da dies den Freibetrag in
Höhe von DM 110,– unterschreite, stehe der Klägerin nach dieser Berechnung der volle Arbeitslosenhilfesatz in Höhe
von DM 154,80 pro Woche für die Zeit vom 1. bis 31. Dezember 1975 zu.
Für 1976 ergebe sich ohne Anrechnung der Verluste der Klägerin ein Einkommen ihres Ehemannes in Höhe von DM
8.918,–. Auf die Woche umgerechnet ergebe dies einen Betrag in Höhe von DM 171,50. Nach Abrechnung des
Freibetrags in Höhe von DM 110,– verbleibe ein wöchentliches anrechenbares Einkommen in Höhe von DM 61,50.
Nach Abzug dieses Betrages von dem Arbeitslosenhilfesatz in Höhe von DM 154,80 stehe nach dieser Berechnung
der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. November 1976 eine Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich
DM 93,30 zu. Rechne man 1976 den Schuldensaldo der Klägerin auf das Einkommen ihres Ehemannes an, so ergebe
sich für 1976 ein anrechenbares Einkommen des Ehemannes in Höhe von DM 3.340,–. Auf die Woche umgerechnet
ergebe dies einen Betrag in Höhe von DM 64,23, der unter dem Freibetrag in Höhe von DM 110,– liege. Nach dieser
ergebe dies einen Betrag in Höhe von DM 64,23, der unter dem Freibetrag in Höhe von DM 110,– liege. Nach dieser
Berechnung stehe der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. November 1976 die volle Arbeitslosenhilfe in
Höhe von wöchentlich DM 154,80 zu.
Für die gesamte Zeit vom 1. Dezember 1975 bis zum 30. November 1976 ergebe dies ohne Anrechnung des
Verlustsaldos der Klägerin beim Einkommen des Ehemannes eine gesamte Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM
4.895,58, mit Anrechnung des Verlustsaldos eine gesamte Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 8.008,48.
Der Ehemann der Klägerin habe 1975 zusammen mit seinem Bruder Ha. in Gemeinschaft einen Minigolfplatz
betrieben. In allen oben angeführten Rechnungen sei für das Jahr 1975 von einem Gesamteinkommen der
Gemeinschaft in Höhe von DM 5.766,– und einem hälftigen Anteil des Ehemannes der Klägerin in Höhe von DM
2.883,– ausgegangen worden. Für den Fall, daß auf den Ehemann das gesamte Einkommen der Gemeinschaft
entfiele, ergäbe sich ohne Anwendung des Verlustsaldos ein anrechenbares Einkommen des Ehemannes für 1975 in
Höhe von DM 10.886,–.
Infolge der Leistungen aus dem Bewilligungs-Bescheid vom 16. August 1979 verminderten sich die von der Klägerin
geltend gemachten Beträge auf DM 4.651,18 (ohne Anrechnung des Verlustsaldos) beziehungsweise auf DM 7.764,08
(mit Anrechnung des Verlustsaldos).
Beigezogen wurden die Leistungsakten der Klägerin beim Arbeitsamt G., Stamm-Nr. , die Akten des Sozialgerichts
Gießen in dem Rechtsstreit des H. K. gegen die Bundesanstalt für Arbeit – Az. S 5/Ar – 99/77 – und die
Einkommensteuerakten für H. und M. K. beim Finanzamt N.-Steuer-Nr. , die dem Senat vorgelegen haben.
Am 12. Juni 1981 fand ein Termin zur Erörterung des Sachverhaltes und zur Beweisaufnahme statt. In dem Termin
wurde der Inhalt der Leistungsakten und der Einkommensteuerakten mit den Beteiligten erörtert. Der Finanzbeamte
H.-D. A. wurde als sachverständiger Zeuge vernommen. Zur Frage des Einkommens führte er aufgrund der
Steuerunterlagen aus, daß für das Jahr 1975 aus der Gemeinschaft H. und Ha. K. auf den Ehemann der Klägerin ein
Anteil von 80 % in Höhe von DM 5.766,– entfallen sei. Auf den anderen Gesellschafter seien 20 % entfallen. Der
Gesamtgewinn der Gemeinschaft hätte also nicht DM 5.766,–, sondern ungefähr DM 7.200,– betragen. Daraufhin
gehen die Beteiligten übereinstimmend von einem Gewinn in Höhe von DM 5.766,– aus der Gemeinschaft für den
Ehemann der Klägerin aus. Zur Frage der Angemessenheit der Aufwendungen des Ehemannes der Klägerin für seine
soziale Sicherheit führte der sachverständige Zeuge aus, daß die Höhe der Aufwendungen im Vergleich zu den in
anderen Steuererklärungen abgesetzten Beträgen weder besonders hoch noch besonders niedrig sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt und besonders auf die beigezogenen
Akten Bezug genommen.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124
Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist an sich statthaft (§ 143 SGG), da einer der Ausschlußgründe
der §§ 144, 147 SGG nicht vorliegt.
Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 13. Juli 1978 ist
rechtlich nicht zu beanstanden. Der Klägerin steht für die Zeit vom 30. Dezember 1975 bis zum 30. November 1976
Arbeitslosenhilfe in voller, dem Leistungssatz entsprechender Höhe zu.
Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hat, wer unter Erfüllung weiterer Voraussetzungen bedürftig ist (§ 134 Abs. 1 Nr. 3
AFG). In der Person der Klägerin lag für den Zeitraum, für den ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe geltend gemacht
wird, diese Voraussetzung vor. Sie hatte im Jahr 1975 ein jährliches Einkommen in Höhe von DM 3.491,– und im Jahr
1976 in Höhe von DM 3.016,–, was einem wöchentlichen Einkommen von DM 67,15 bzw. DM 58,– entspricht. Selbst
wenn man dieses Einkommen der Klägerin nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 AFG voll anrechnet, erreicht es die aufgrund des
Bemessungsentgeltes in Höhe von DM 355,– nach Anlage 4 der AFG-Leistungsordnung 1975 (BGBl. I, S. 113) für
Verheiratete zu zahlende Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 154,80 nicht. Entsprechendes gilt für das Jahr 1976. Nach
§ 137 Abs. 1 AFG würde dieses eigene Einkommen die Bedürftigkeit der Klägerin daher nicht ausschließen.
Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung der Klägerin ist jedoch nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG auch das Einkommen ihres
Ehemannes zu berücksichtigen, wobei nach derselben Vorschrift ein Freibetrag von DM 110,– abzuziehen ist, der
sich aus einem Betrag in Höhe von DM. 75,– für den Ehemann selbst und einem Betrag in Höhe von DM 35,– für das
gemeinsame Kind zusammensetzt.
Auch bei Berücksichtigung des nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG anzurechnenden Einkommens des Ehemannes der
Klägerin bleibt diese bedürftig im Sinne des § 137 AFG.
Im Jahre 1975 erzielte der Ehemann, der Klägerin als selbständiger Handelsvertreter und aus der Gemeinschaft H.
und Ha. K. zusammen ein Einkommen in Höhe von DM 27.192,–. Im Jahre 1976, in der die Gemeinschaft nicht mehr
bestand, erzielte er als Handelsvertreter ein Einkommen in Höhe von DM 26.257,–. Diese Größen stellen das um die
steuerlich absetzbaren Unkosten aus dem Gewerbebetrieb verminderte Bruttoeinkommen ohne Abzug der Ausgaben
für die soziale Sicherung und ohne Abzug der Steuern dar.
Zur Entscheidung der Fragen, welche weiteren Beträge von den Einkommen abzuziehen sind, ist § 138 Abs. 2 AFG in
der bis zum 1. August 1979 geltenden Fassung (AFG a.F.) anzuwenden.
Nach § 138 Abs. 2 AFG a.F. sind unter anderem die Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt oder
entsprechende Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang abzuziehen. Da der Ehemann der
Klägerin nicht in der gesetzlichen Sozialversicherung versichert war, sind dies die der gesetzlichen
Sozialversicherung entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang. Der Ehemann
hat für die Jahre 1975 und 1976 Beiträge zur Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherung in Höhe von je DM 8.145,–
geltend gemacht. Diese Beiträge sind voll abzuziehen. Die Rechtsauffassung der Beklagten, die Beiträge seien nur
bis zu der Höhe abzuziehen, die als Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung bei fiktiver Mitgliedschaft gesetzlich
festgelegt wären, ist mit § 138 Abs. 2 AFG a.F. nicht vereinbar. Dem Text dieser Vorschrift läßt sich eine solche
Obergrenze der Absetzbarkeit nicht entnehmen. Vielmehr unterscheidet der Text deutlich den Fall, in dem ein
Versicherter Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit zu entrichten hat und den Fall der
privaten Versicherung, in dem Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang absetzbar sind. Die
Angemessenheit des Grundes für die Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherung des Ehemannes der Klägerin steht
außer Streit. Aber auch die Höhe der geltend gemachten Beiträge ist angemessen. Die Versicherung eines
Selbständigen muß andere und höhere Risiken absichern, als dies die gesetzliche Sozialversicherung tut. Das
Verhältnis von aufzuwendendem Beitrag und gewährtem Versicherungsschutz ist in beiden Versicherungsarten völlig
verschieden. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber für die Aufwendungen zur sozialen Sicherung durch eine private
Versicherung die Grenze der Angemessenheit festgelegt. Eine private Versicherung ist ihrer Höhe nach angemessen,
wenn sie, gemessen am Einkommens- und Vermögensstand des Versicherten, ihm bei Eintritt des Risikofalles die
Fortführung seines bisherigen sozialen Status ermöglicht. "Angemessene Versicherungsbeiträge sind (also) nicht nur
Sozialversicherungsbeiträge und entsprechende Aufwendungen Nichtpflichtversicherter, sondern auch jedwede
Beitrags-(Prämien-)Zahlungen aufgrund eines Versicherungsvertrages, soweit die Versicherung nicht nach
Gegenstand oder Höhe außerhalb der Toleranzgrenzen wirtschaftlicher Vernunft liegen” (Hennig/Kühl/Heuer, AFG-
Kommentar, Frankfurt am Main 1981, § 138, 3b). Wie der als sachverständige Zeuge vernommene Finanzbeamte A.
überzeugend bekundet hat, liegen Art und Höhe der Versicherungen des Ehemannes der Klägerin weder unter noch
über dem Durchschnitt selbständig Tätiger in vergleichbarer Einkommenslage. Wie aus den Steuererklärungen des
Ehemannes der Klägerin seit 1972 hervorgeht und wie zwischen den Parteien unstreitig ist, hat der Ehemann der
Klägerin auch in den Jahren vor 1975 Versicherungsbeiträge in vergleichbarer Höhe geleistet, so etwa im Jahre 1974
DM 7.923,–. Auch dieser Umstand läßt zur Überzeugung des erkennenden Senats darauf schließen, daß der
Ehemann der Klägerin eine langfristige angemessene Versicherung seiner Risiken vorgenommen hat.
Setzt man nach dieser Rechtslage von dem Einkommen des Ehemannes der Klägerin die geltend gemachten
Aufwendungen zur sozialen Sicherung ab, so erhält man für das Jahr 1975 ein Einkommen des Ehemannes in Höhe
von DM 19.047,– und für das Jahr 1976 ein Einkommen in Höhe von DM 18.112,–.
Im Streit zwischen den Parteien steht weiter die Frage, ob nicht nur die im Gewerbebetrieb des Ehemannes der
Klägerin entstandenen steuerlich absetzbaren Kosten als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, was bei der
Berechnung der oben genannten Beträge bereits geschehen ist, sondern darüber hinaus noch weitere
Werbungskosten. Dabei geht es um die Verluste aus Vermietung und Verpachtung von gemeinsamem Vermögen der
Klägerin und ihres Ehemannes und die Frage, ob diese Verluste als Werbungskosten im Sinne des § 138 Abs. 2 AFG
a.F. absetzbar sind. Der Ausdruck "Werbungskosten” ist dem Steuerrecht entnommen. Dort bedeutet er die
Gesamtheit derjenigen Aufwendungen, die "zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen” eines
Steuerpflichtigen dienen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG)). Dieser allgemeinen Definition fügt das
Steuerrecht kasuistisch in stets wechselndem Umfang bestimmte Aufwendungen als Werbungskosten absetzbar
hinzu. Anerkannt ist einerseits, daß auch für das Recht der Arbeitslosenhilfe von dieser steuerrechtlichen Anknüpfung
des Ausdrucks "Werbungskosten” in § 138 Abs. 2 AFG a.F. auszugehen ist, da er sonst keinen feststellbaren Inhalt
hat (Urteil des Bundessozialgerichts vom 6.10.1977, Az. 7 RAr 1/77, BSGE 45, 60 (62)). Daß diese Anknüpfung
insbesondere die allgemeine Definition des Ausdrucks "Werbungskosten” betrifft, zeigt der Umstand, daß das AFG-
Änderungsgesetz vom 23. Juli 1979 den Ausdruck "Werbungskosten” in § 138 Abs. 2 AFG a.F. in § 138 Abs. 2 Nr. 3
AFG neue Fassung (n.F.) durch die Legaldefinition des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG ersetzt hat. Andererseits ist
anerkannt, daß für das Recht der Arbeitslosenhilfe nicht einfach das gesamte Steuerrecht zu den Größen
"Einkommen” und "Werbungskosten” gilt (BSGE 45, 60 (63) mit weiteren Nachweisen). Insbesondere gelten nicht alle
durch § 9 Abs. 1 Satz 3 in den jährlich wechselnden Fassungen des Einkommensteuergesetzes als Werbungskosten
definitorisch festgelegten Größen auch im Recht der Arbeitslosenhilfe als absetzbare Werbungskosten. Dies geht jetzt
insbesondere daraus hervor, daß im § 138 Abs. 2 Nr. 3 AFG n.F. zur Legaldefinition des § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG der
Zusatz der Erforderlichkeit gemacht wurde. Der Begriff "Werbungskosten” ist also im Recht der Arbeitslosenhilfe
enger als im Steuerrecht.
Für den vorliegenden Rechtsstreit ist erheblich, ob als Werbungskosten im Sinne des § 138 Abs. 2 AFG a.F. der
sogenannte Verlustausgleich zulässig ist. "Verlustausgleich” heißt dabei der Umstand, daß ein Ausgleich von
negativen Einkünften (Verlusten) aus bestimmten Einkommens arten mit positiven Einkünften aus anderen
Einkunftsarten innerhalb eines Veranlagungszeitraumes vorgenommen werden darf (vgl. Bundesverfassungsgericht,
Entscheidung vom 26.1.1977, Az.: 1 BvL 7/76, BVerfGE 43, 231 (232)). Bei dem Ehemann der Klägerin ist in den
Jahren 1975 und 1976 ein Verlust bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eingetreten Ein solcher
Verlust tritt dann ein, wenn die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung geringer sind als die Werbungskosten.
Das Bundessozialgericht hat in der schon zitierten Entscheidung vom 6. Oktober 1977 für die Rechtslage des § 138
Abs. 2 AFG a.F. mit einigen, durch die Eigenart des Arbeitslosenhilferechts bedingten Ausnahmen den
Verlustausgleich grundsätzlich zugelassen (BSGE 45, 60 (63); ebenso Landessozialgericht München, Urteil vom
23.1.1979 – Az.: L 5/Ar – 29/77 – für § 138 Abs. 2 AFG; Bundessozialgericht, Urteil vom 6.10.1977 – Az.: VII Ar
44/76 – für § 40 Abs. 1 Satz 1 APG).
Zu den durch die Eigenart des Arbeitslosenhilferechts bedingten Unterschieden zwischen den Begriffen im Steuer-
und im Arbeitslosenhilferecht gehört als erstes der Grundsatz, daß der Arbeitslose selbst sich von verlustbringenden
Einnahmequellen zu trennen hat, wenn ihm dies zumutbar ist. "Das wirtschaftliche Verhalten des Arbeitslosen wird
nicht einfach hingenommen, sondern es wird von ihm verlangt, daß er seine Fähigkeiten und Möglichkeiten zum
Erwerb von Einkommen und zum Ersatz von Vermögen für den Einkommenserwerb ausnützt”. (BSGE 45, 60 (64)). Im
vorliegenden Fall war der Klägerin die Trennung von ihrem verlustbringenden Anteil an dem gemeinsamen ehelichen
Vermögen nicht zumutbar. Die Verluste aus Vermietung und Verpachtung sind nur kurzfristig entstanden. Nach der
Renovierung der Gaststätte und der anschließenden Übernahme durch den Ehemann der Klägerin und der Anstellung
der Klägerin in dieser Gaststätte durch ihren Ehemann ist das Grundvermögen der Eheleute deren Existenzgrundlage,
wodurch zugleich die Arbeitslosigkeit der Klägerin ihr Ende gefunden hat. Da also das Vermögen zum alsbaldigen
Aufbau einer angemessenen Lebensgrundlage diente (§ 6 Abs. 3 Nr. 3 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom
7.8.1974), brauchten weder die Klägerin noch ihr Ehemann nach § 6 Abs. 1 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung ihr
Vermögen durch Verkauf oder – wie gleich noch auszuführen ist – durch Belastung zu verwerten.
Zu den Unterschieden zwischen den Begriffen "Vermögen” und "Werbungskosten” im Steuer- und im
Arbeitslosenhilferecht nach § 138 Abs. 2 AFG a.F. gehört weiter, daß im Rahmen des Arbeitslosenhilferechts nur
solche Werbungskosten zu berücksichtigen sind, die die Einkünfte des Arbeitslosen und seines Ehepartners effektiv
schmälern (BSGE 45, 60 (62)). Nicht absetzbar sind daher als Werbungskosten z.B. die Abschreibungen nach § 7 b
EStG oder bloße Pauschbeträge nach § 9 a EStG. Aus den Gewinn- und Verlustrechnungen der
Einkommensteuerakten – Finanzamt N., St. Nr. –, die Gegenstand des Erörterungstermins waren, ergibt sich, daß die
für die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung geltend gemachten Werbungskosten solche im Recht der
Arbeitslosenhilfe nicht zu berücksichtigenden Beträge nicht enthalten.
Ob bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ein Verlustausgleich zwischen dem Arbeitslosen und seinem Ehepartner mit
Wirkung für das Recht der Arbeitslosenhilfe zulässig ist, ist nicht abstrakt für alle Einkommens- und Verlust arten
gleich, sondern von der jeweiligen Fallgestaltung her zu entscheiden, um Mißbräuche der Möglichkeit des
Verlustausgleichs auszuschließen. Im vorliegenden Fall war der Verlustausgleich zuzulassen und die geltend
gemachten Werbungskosten auf die Einnahmen als selbständiger Handelsvertreter anzurechnen.
Die geltend gemachten Werbungskosten enthalten nur das Einkommen effektiv schmälernde Kosten. Die Klägerin
hatte, wie oben dargestellt wurde, keine eigenen Mittel, um den auf sie entfallenden Anteil der effektiv entstandenen
Kosten zu tragen. Der Gewerbebetrieb ihres Ehemannes als selbständiger Handelsvertreter bestand im Zeitpunkt der
Antragstellung erst anderthalb Jahre und die Einkommen aus ihm reichten nicht aus, um den Verlustanteil der
Klägerin mitzutragen. In dieser Situation hätten die Eheleute nur die Wahl gehabt, weitere Kredite aufzunehmen oder
das gemeinsame, zu diesem Zeitpunkt verlustbringende Vermögen zu veräußern. Das letztere war ihnen, wie oben
ausgeführt wurde, unzumutbar. Da aber auch der Umbau der Gaststätte, der einerseits zu den Verlusten führte und
andererseits anschließend die Existenzgrundlage der Klägerin und teilweise auch ihres Ehemannes sicherstellte,
bereits mit erheblichen Fremdmitteln erfolgte, wie sich ebenfalls aus den Steuerakten ergibt, war auch eine weitere
Kreditaufnahme als Verwertung des gemeinsamen Vermögens unzumutbar. Der Verlustausgleich war daher in diesem
Falle zuzulassen.
Im Jahre 1975 entstand den Eheleuten K. aus der gemeinsamen Vermietung und Verpachtung ein Gesamtverlust in
Höhe von DM 16.322,–, im Jahre 1976 in Höhe von 18.388,–. Zieht man diesen Verlust für das Jahr 1975 von dem
oben nach Absetzung der Aufwendungen zur sozialen Sicherung verbleibenden Einnahmen in Höhe von DM 19.047,–
ab, so verbleibt ein Einkommen des Ehemannes für das Jahr 1975 in Höhe von DM 2.725,–. Der entsprechende
Abzug für das Jahr 1976 ergibt ein negatives Einkommen in Höhe von DM 276,–. In beiden Fällen bleibt Betrag unter
dem Freibetrag nach § 138 Abs. 1 AFG für Ehegatten und leibliche Kinder. Ein nach § 138 Abs. 1 AFG im Rahmen
der Bedürftigkeitsprüfung nach § 137 Abs. 1 AFG zu berücksichtigendes Einkommen des Ehemannes der Klägerin
lag somit für die Jahre 1975 und 1976 nicht vor. Die Klägerin war somit vom 30. Dezember 1975 bis zum 30.
November 1976 bedürftig im Sinne des § 137 AFG. Da die weiteren Voraussetzungen des § 134 AFG unstreitig
vorliegen, hat die Klägerin Anspruch auf Arbeitslosenhilfe in der gesetzlichen Höhe. Der Bescheid der Beklagten vom
16. August 1979, der der Klägerin von dem insgesamt durch die Klage geltend gemachten Anspruch nur einen
geringfügigen Teil bewilligt, war daher abzuändern und der Klage in vollem Umfang zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht, auch unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses, auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil die Rechtssache von grundlegender
Bedeutung ist. Zwar beruht die Entscheidung des Senats auf einer inzwischen geänderten Rechtsvorschrift. Aber
sowohl die Frage des angemessenen Umfangs von Aufwendungen zur sozialen Sicherung wie die Frage des
Umfanges eines im Arbeitslosenhilferecht zulässigen Verlustausgleichs tauchen in § 138 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AFG n.F.
wieder auf, so daß die vorliegende Entscheidung und die sie tragenden Gründe für die neue Rechtslage von
Bedeutung sind.