Urteil des LSG Hessen vom 30.01.1985

LSG Hes: beitragspflichtige beschäftigung, öffentlich, arbeitslosenhilfe, verfassungskonforme auslegung, teleologische auslegung, dienstverhältnis, avg, widerruf, gleichstellung, krankenversicherung

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 30.01.1985 (rechtskräftig)
Sozialgericht Fulda S 3c Ar 48/83
Hessisches Landessozialgericht L 6 Ar 1418/83
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 30. September 1983 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1944 geborene Kläger war vom 5. September 1979 bis 16. Juli 1980 als Lehrkraft an einer integrierten
Gesamtschule im Bereich des Bezirksamtes von beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag vom 13. September 1979 wurde er
als Aushilfsangestellter beschäftigt mit einer Verpflichtung von 12 Unterrichtsstunden wöchentlich. Die Bezahlung
erfolgte nach Vergütungsgruppe IIa BAT. Laut Arbeitsbescheinigung vom 25. Juli 1980 erhielt der Kläger im Juni 1980
ein Bruttomonatsgehalt von DM 2.183,40 bei einer tariflichen Arbeitszeit von wöchentlich 23 (Unterrichts-)Stunden und
regelmäßig geleisteten 13,3 (Unterrichts-)Stunden. Beiträge u.a. zur Beklagten wurden entrichtet für die Zeit vom 5.
September 1979 bis zum 31. Dezember 1979. Für die Zeit vom 1. Januar 1980 bis zum 16. Juli 1980 wurden keine
Versicherungsbeiträge entrichtet unter Hinweis auf die Gewährleistungserklärung des Senators des Inneren vom 18.
Dezember 1964, wonach Lehrkräfte mit Erster (Wiss.) Staatsprüfung, die sich bei dem Schulsenator um Aufnahme in
den Vorbereitungsdienst des Studienrates beworben haben, deren Bewerbung jedoch zurückgestellt worden ist,
beitragsfrei seien. Nach Auskunft des Bezirksamtes Steglitz von Berlin vom 15. Juni 1982 habe es sich zwar um ein
privatrechtliches Arbeitsverhältnis gehandelt, das jedoch hinsichtlich der Sozialversicherungsfreiheit wie ein öffentlich-
rechtliches Dienstverhältnis behandelt worden sei. Laut Schreiben vom 15. Juni 1982 erfolgte für die Zeit vom 1.
Januar 1980 bis 16. Juli 1980 die Nachversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.
Der Kläger meldete sich am 23. Juli 1980 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von
Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 5. September 1980 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld ab
mit der Begründung, daß die Zeit vom 1. Januar bis zum 16. Juli 1980 aufgrund der Gewährleistungserklärung
beitragsfrei gewesen sei und deshalb innerhalb der dreijährigen Rahmenfrist nicht mindestens 180 Kalendertage eine
beitragspflichtige Beschäftigung bestanden habe. Mit Bescheid vom 8. Oktober 1980 bewilligte die Beklagte jedoch
die Gewährung von Arbeitslosenhilfe ab 23. Juli 1980. Mit Bescheid vom 5. Oktober 1981 entzog die Beklagte die
Arbeitslosenhilfe ab 28. August 1981 wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht. Dieser Bescheid wurde von der
Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 1982 bestätigt.
Am 10. November 1981 beantragte der Kläger die Wiederbewilligung der Arbeitslosenhilfe, die mit Bescheid vom 9.
Dezember 1981 gewährt wurde. Durch Verlegung seines Wohnsitzes von Berlin nach X-Stadt wurde das Arbeitsamt
H. zuständig. Dementsprechend beantragte der Kläger am 8. Februar 1982 erneut die Gewährung von
Arbeitslosenhilfe. Mit Schreiben vom 16. März 1982 wies die Beklagte den Kläger auf die Vorschriften des Gesetzes
zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (AFKG) und die Möglichkeit hin, daß der Arbeitslosenhilfeleistungsbezug zum
31. März 1982 enden könne. Mit Bescheid vom 25. März 1982 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosenhilfe für
die Zeit vom 5. Februar bis zum 31. März 1982 und hob mit Bescheid vom 1. April 1982 die Bewilligung der
Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 1. April 1982 auf mit dem Hinweis auf Art. 1 § 2 Nr. 17 AFKG und den Ablauf der
Übergangszeit.
Der am 13. April 1982 bei der Beklagten zugegangene Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid
vom 8. Dezember 1982 zurückgewiesen. In der Begründung wurde ausgeführt, nach § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b
AFG in der bis zum 31. Dez. 1981 gültigen Fassung habe für einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe der Nachweis einer
entlohnten Beschäftigung von einer mindestens 70-kalendertägigen Dauer innerhalb eines Jahres vor der
Arbeitslosmeldung genügt. Durch das am 1. Januar 1982 in Kraft getretene AFKG seien nunmehr nach § 134 Abs. 1
Ziff. 4 b AFG mindestens 150 Kalendertage beitragspflichtige Beschäftigung erforderlich. Der Kläger habe jedoch vom
5. September 1979 bis zum 31. Dezember 1979 nur 118 Kalendertage einer beitragspflichtigen Beschäftigung
ausgeübt. Für die Zeit vom 1. Januar 1980 bis zum 16. Juli 1980 habe keine Beitragspflicht bestanden, und der Kläger
habe auch nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Januar 1983 Klage erhoben, mit der er die Aufhebung der Bescheide vom 1. April
1982 und vom 8. Dezember 1982 sowie Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosenhilfe ab 1. April
1982 begehrte.
Mit Urteil vom 30. September 1983 hat das Sozialgericht Fulda die Bescheide der Beklagten vom 1. April 1982 und
vom 8. Dezember 1982 aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung von Arbeitslosenhilfe ab 1. April 1982 verurteilt.
Zur Begründung wurde im Urteil ausgeführt, der Kläger habe die Voraussetzungen für einen Arbeitslosenhilfeanspruch
nach § 134 Abs. 1 u. 2 AFG i.d.F. des AFKG erfüllt, so daß es nicht darauf ankomme, ob Art. 1 § 2 Nr. 17 AFKG, der
die Zahlung von Arbeitslosenhilfe nach § 134 a.F. auch bei bereits entstandenen Ansprüchen nur bis zum 31. März
1982 zulasse, mit dem Grundgesetz, insbesondere den Art. 14 u. 20, übereinstimme. Zwar sei der Kläger vom 5.
September bis zum 31. Dezember 1979 nur für 118 Kalendertage versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, er sei
jedoch weitere 198 Tage vom 1. Januar bis zum 16. Juli 1980 bei dem Land Berlin versicherungsfrei beschäftigt
gewesen, wobei die von der Obersten Verwaltungsbehörde des Dienstherren ausgesprochene Versicherungsfreiheit
von den Sozialgerichten nicht überprüft werden könne. In der Zeit vom 1. Januar bis zum 16. Juli 1980 habe zwar kein
öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis vorgelegen, er müsse jedoch in diesem Rahmen wie ein früherer Beamter
behandelt werden. Zeiten eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses stünden nach § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG einem
Beschäftigungsverhältnis i.S. des § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AFG nicht deswegen gleich, weil sie öffentlich-
rechtlich ausgestaltet seien, sondern weil die öffentlich-rechtlich Bediensteten, insbesondere die Beamten, nach § 169
Nr. 1 AFG i.V.m. § 169 RVO versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung seien. Sie seien deshalb von der
Versicherungspflicht ausgenommen, weil sie im Regelfall von Arbeitslosigkeit nicht bedroht seien. Mißlinge jedoch die
lebenslange Beschäftigung, wie z.B. bei Beamten auf Widerruf oder auf Probe, sichere ihnen § 134 Abs. 1 u. 2 AFG
zumindest einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Die Aufnahme der öffentlich-rechtlich Bediensteten in den Schutz
des AFG finde seine Begründung nicht unmittelbar in Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses,
sondern lediglich in der Versicherungsfreiheit dieser Dienstverhältnisse. Trotz des engeren Wortlautes würden deshalb
alle nach § 169 Nr. 1 AFG i.V.m. § 169 RVO versicherungsfreien Beschäftigten den versicherungspflichtig
Beschäftigten im Rahmen des Arbeitslosenhilferechtes gleichgestellt. Die gebotene verfassungskonforme Auslegung
des § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG führe zur Gleichstellung auch privatrechtlicher Dienstverhältnisse, die wegen
Gewährleistung einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versicherungsfrei seien, mit
Versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
Gegen das ihr am 17. November 1983 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 15. Dezember 1983 bei dem Hess.
Landessozialgericht zugegangenem Schreiben vom selben Tage Berufung eingelegt, mit dem sie Aufhebung des
Urteils vom 30. September 1983 und Abweisung der Klage begehrt.
Die Beklagte trägt unter anderem vor, die Zeit vom 1. Januar 1980 bis zum 16. Juli 1980 könne nicht nach § 134 Abs.
1 Nr. 4 b AFG berücksichtigt werden, da es sich nicht um ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis handele. Allein
durch die Gewährleistungserklärung werde aus einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis noch kein öffentlich-
rechtliches Dienstverhältnis. Das privatrechtliche Arbeitsverhältnis des Klägers habe zum 16. Juli 1980 geendet
infolge Fristablaufs, ohne daß es einer Kündigung bedurft habe. Die Beendigung eines öffentlich-rechtlichen
Verhältnisses hätte jedoch eine Entlassung vorausgesetzt. Nachdem das Sozialgericht das versicherungsfreie privat-
rechtliche Beschäftigungsverhältnis des Klägers mit einem Versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis
gleichgestellt habe, hätte die Zeit vom 1. Januar 1980 bis zum 16. Juli 1980 der Erfüllung einer Anwartschaftszeit
dienen können. Konsequenterweise hätte das Sozialgericht dann feststellen müssen, daß der Kläger ursprünglich
einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt habe, da die damals erforderliche Beschäftigungsdauer von 180 Tagen
dann vorgelegen hätte. Der vom Sozialgericht vorgenommenen Auslegung stehe jedoch der eindeutige Wortlaut des
Gesetzes entgegen. Auch im Hinblick auf Art. 3 Grundgesetz sei eine derartige Auslegung nicht möglich, zumal auch
sonstige Erwerbstätige, wie z.B. Selbständige, nicht die Voraussetzungen nach § 134 AFG erfüllten und im Falle von
Arbeitslosigkeit ggf. auf die Sozialhilfe verwiesen werden müßten.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 30. September 1983 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger trägt vor, das Sozialgericht Fulda habe in seinem Urteil vom 30. September 1983 ebenso wie das
Sozialgericht Frankfurt am Main in der Entscheidung vom 25. Oktober 1982 die entscheidende Frage der
Gleichstellung des Klägers mit öffentlich-rechtlich Bediensteten richtig beantwortet. Die Gewährleistungserklärung
werde (auch) zum Schutz des Beamtenbewerbers ausgesprochen. Da er, der Kläger, es nicht in der Hand gehabt
habe, trotz dieser Erklärung Beiträge zur Beklagten zu entrichten, dürfe sich die vorläufige Beitragsfreiheit nicht zu
seinem Nachteil auswirken. Das wäre aber bei der wortgetreuen Auslegung von § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG, wie sie die
Beklagte vornehme, der Fall. Die Behauptung der Beklagten, das Sozialgericht habe konsequenterweise einen
Arbeitslosengeldanspruch annehmen müssen, sei unrichtig. Die Gleichstellung beziehe sich (nur) auf § 134 Abs. 2 Nr.
1 AFG, der ja nach § 134 Abs. 1 Nr. 2 voraussetze, daß ein Arbeitslosengeld-Anspruch nicht gegeben sei.
Der Vergleich der Beklagten mit einem Selbständigen gehe fehl, da bei ihm, dem Kläger, unstreitig eine
beitragspflichtige Beschäftigung vorgelegen hätte, wenn die Gewährleistungserklärung nicht abgegeben worden wäre.
Das Hauptargument des angefochtenen Urteils sei jedoch die teleologische Auslegung, daß die öffentlich-rechtlich
Bediensteten durch § 134 Abs. 2 AFG den Schutz des AFG fänden wegen der durch die Versicherungsfreiheit
ausgelösten Schutzbedürftigkeit im Falle des Mißlingens der lebenslangen Beschäftigung. Dieser Sinn und Zweck der
Vorschrift gelte aber ebenso für ihn, da er aufgrund öffentlich-rechtlicher Gewährleistungserklärung des Schutzes des
AFG bedürfe. Es sei ferner zu bedenken, daß es sich um einen Entziehungsbescheid handele. Es wäre evtl. zu
prüfen, ob er nicht Bestandsschutz genieße, vergleichbar einem eigentumsähnlichen Recht.
Die Beigeladene hat zur Sache nicht vorgetragen und auch keinen Antrag gestellt.
Mit Beschluss vom 25. Oktober 1982 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main – S-14-/Ar-651/82 A – im Wege der
einstweiligen Anordnung der Beklagten die Gewährung vorläufiger Leistungen bis zum erstinstanzlichen Urteil in der
Hauptsache aufgegeben. In der Begründung ließ das Sozialgericht Frankfurt am Main es dahingestellt, ob eine der
Erfüllung der Anwartschaftszeit dienende Beschäftigungszeit vorliege, da der Kläger jedenfalls einem in einem
öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis Stehenden i.S. von § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG gleichzusetzen sei. Die
sozialversicherungsrechtliche Situation habe in jeder Hinsicht der des Beamten auf Widerruf geglichen. Auch bei
jenem seien Beiträge zur Beklagten während des bestehenden Dienstverhältnisses nicht zu erbringen, und die
Nachversicherung beziehe sich nur auf die Rentenversicherung. Mit Beschluss vom 25. April 1983 hat der 10. Senat
des Hess. Landessozialgerichts – L-10/Ar-1278/82 (A) – auf die Beschwerde der Beklagten den Beschluss des
Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Oktober 1982 aufgehoben, da eine einstweilige Anordnung nicht erforderlich
sei, um von dem Kläger schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile fernzuhalten.
Mit Beschluss vom 2. Januar 1984 hat der Vorsitzende des erkennenden Senats die Vollstreckung aus dem Urteil des
Sozialgerichts Fulda vom 30. September 1983 auf Antrag der Beklagten ausgesetzt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten des Sozialgerichts Frankfurt am Main –
S-14/Ar-651/82 A –, des Hess. Landessozialgerichts – L-10/Ar-1278/82 (A) –, der Verwaltungsakten der Beklagten
sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–.
Ausschließungsgründe gem. §§ 144, 147 SGG liegen nicht vor.
Der Senat konnte im Termin am 30. Januar 1985 auch in Abwesenheit eines Vertreters der Beigeladenen verhandeln
und entscheiden, da die Beigeladene rechtzeitig und ordnungsgemäß vom Termin benachrichtigt und dabei darauf
hingewiesen worden war, daß auch im Falle der Abwesenheit eines Vertreters verhandelt und entschieden werden
könne.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 30. September 1983 hat zu Recht der Klage stattgegeben und
die Bescheide der Beklagten vom 1. April 1982 und vom 8. Dezember 1982 aufgehoben.
Der Kläger hat auch über den 31. März 1982 hinaus gegen die Beklagte einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach §
134 Abs. 1 AFG i.d.F. des Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung vom 22. Dezember 1981 (AFKG, BGBl.
I S. 1497).
Der Kläger hat auch über den 31. März 1982 hinaus die Voraussetzungen des § 134 Abs. 1 AFG erfüllt. Der Kläger
war weiterhin arbeitslos, hatte wegen fehlender Anwartschaftszeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, war bedürftig
und hatte 150 Tage in einer Beschäftigung gestanden, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen konnte bzw. in
einem Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst gestanden, das infolge einer Gewährleistungserklärung nach §
169 RVO versicherungsfrei zur Krankenversicherung und nach § 169 Nr. 1 AFG beitragsfrei zur Beklagten war und
unter die Vorschrift des § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG zu subsumieren ist. Der Kläger hat vom 5. September bis zum 31.
Dezember 1979 für 118 Tage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden. Die Zeit vom 1. Januar bis zum
16. Juli 1980 stand der Kläger für weitere 198 Tage in einem nach § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG zu berücksichtigenden
Beschäftigungsverhältnis. Durch die den Kläger betreffende Gewährleistungserklärung aufgrund seiner zunächst
zurückgestellten Bewerbung zur Vorbereitungszeit erfolgte Versicherungsfreiheit in der Renten- und
Krankenversicherung nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 3 AVG, 169 Abs. 1 RVO und Beitragsfreiheit zur Beklagten nach § 169 Nr.
1 AFG ab 1. Januar 1980. Die Gewährleistungserklärung bedeutet dabei schon dem Sinngehalt des Wortes nach, daß
der Arbeitgeber den sozialen Schutz gewährleistet, indem er die Aufgaben der Sozialversicherung – zumindest
teilweise – übernimmt. In erster Linie übernimmt der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber den sozialen Schutz für
Versicherungsfälle des Alters und der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, indem er bestätigt, daß eine Anwartschaft auf
Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen besteht. In dieser Beziehung funktioniert der soziale Schutz auch
dann, wenn das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis beendet wird, sei es, weil es widerrufen wird (Beamte auf
Widerruf) oder die vorgesehene Zeit abgelaufen ist (Beamte auf Zeit) oder aus sonstigen Gründen. Die Beiträge
werden nachentrichtet, und der Betroffene erwirbt damit die gleichen Rechte, wie ein versicherungspflichtig
Beschäftigter, §§ 1232 RVO, 9 AVG. Obwohl die Versicherungsfreiheit nach § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO (bzw. § 6 AVG)
in der Rentenversicherung derjenigen in der Krankenversicherung nach § 169 RVO entspricht und sich nach dieser
Vorschrift auch die Beitragsfreiheit zur Beklagten richtet, entsprechend § 169 Nr. 1 AFG, ist in den
Versicherungszweigen der Krankenversicherung und des AFG eine Nachversicherung nicht vorgesehen. Das
Bundessozialgericht begründet diesen Unterschied in seinem Urteil vom 26. Oktober 1982 – 12 RK 29/81 – damit, daß
das Krankenversicherungsverhältnis überwiegend kurzfristige Risiken abzudecken habe und deshalb weitgehend von
rückwirkenden Eingriffen frei bleiben müsse im Gegensatz zur langfristigen Rentenversicherung. Im Rahmen des AFG
hat der Gesetzgeber die über § 169 AFG nach § 169 RVO beitragsfreien Zeiten nicht bei der Anwartschaftszeit für das
Arbeitslosengeld nach § 104 AFG berücksichtigt, sondern lediglich nach § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG für die besondere
Anwartschaftszeit der Arbeitslosenhilfe gleichgestellt. Soweit das AFKG mit Wirkung ab 1. Januar 1982 die Vorschrift
des § 134 Abs. 2 Nr. 1 in das AFG aufnahm, bedeutet dies insoweit keine wesentliche rechtliche Änderung, da über
die Ermächtigung des § 134 Abs. 3 AFG die Gleichstellung der Zeiten eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses
bereits in § 1 Nr. 1 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1929, geändert durch Verordnung
vom 10. April 1978 BGBl. I S. 500) enthalten war.
Der Hinweis der Beklagten auf Selbständige, die ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 134 AFG erfüllten, geht
aus mehreren Gründen fehl. Zwar waren die Selbständigen nach § 1 Nr. 3 in der bis 31. Dezember 1981 geltenden
Fassung der Arbeitslosenhilfe-Verordnung noch enthalten, jedoch wurden sie durch das AFKG nicht in den ab 1.
Januar 1982 geltenden § 134 Abs. 2 AFG übernommen. Zum anderen fehlt es gerade bei den Selbständigen an dem
entscheidenden Anknüpfungspunkt, nämlich dem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Für den Selbständigen hat
auch keine Gewährleistungserklärung eines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers zur Versicherungs- bzw.
Beitragsfreiheit geführt.
Die Vorschrift des § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG kann nur im Zusammenhang mit den Vorschriften der §§ 1229 Abs. 1 Nr. 3
RVO, 6 Abs. 1 Nr. 3 AVG, 169 RVO, 169 AFG gesehen werden. Die identische Bedeutung von § 169 Abs. 1 RVO mit
§ 6 Abs. 1 Nr. 3 AVG bzw. § 1229 Abs. 1 Nr. 3 RVO hat das Bundessozialgericht bereits in seinem Urteil vom 26.
Oktober 1982 – 12 RK 29/81 – herausgestellt; für § 169 Nr. 1 AFG ergibt sie sich aus der Verweisung auf § 169 RVO.
Dem Sinn und Zweck der genannten Normenkette wird die Auslegung nur dann gerecht, wenn Kongruenz besteht
zwischen dem nach §§ 169 RVO, 169 AFG versicherungs- bzw. beitragsfreien Personenkreis und den im Sinne des §
134 Abs. 2 Nr. 1 AFG Gleichgestellten. Voraussetzung ist also nicht, wie der § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG zunächst
vermuten läßt, ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, sondern eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst, wenn die
Gewährleistung einer Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung zur Beitragsfreiheit bei der
Beklagten geführt hat. Im Urteil des Sozialgerichts Fulda wird zutreffend ausgeführt, daß die Beitragsfreiheit nach §
169 Nr. 1 AFG i.V.m. § 169 RVO nicht wegen der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des
Beschäftigungsverhältnisses erfolgt, sondern weil dieser Kreis von Arbeitnehmern im Regelfall nicht von
Arbeitslosigkeit bedroht ist. Wenn die lebenslange Beschäftigung im öffentlichen Dienst mißlingt, sichert § 134 Abs. 1
und 2 AFG wenigstens einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Ergänzend ist zu berücksichtigen, daß die soziale
Schutzbedürftigkeit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst umso größer ist, je ungesicherter die dienstrechtliche
Stellung ist. Für den Fall des Klägers läßt sich dies deutlich ablesen. Solange er für die Zeit vom 5. September 1979
bis zum 31. Dezember 1979 als Angestellter im Bereich des Bezirksamtes Steglitz von Berlin beschäftigt war, war er
beitragspflichtig zur Beklagten. Wäre er bis zum 16. Juli 1980 weiterhin beitragspflichtig geblieben, hätte er nach der
damaligen Fassung des § 106 Nr. 2 AFG einen Arbeitslosengeldanspruch von 120 Tagen erworben. Durch die mit
seiner Bewerbung zum Vorbereitungsdienst und vorläufigen Zurückstellung verbundene Gewährleistung erfolgte ab 1.
Januar 1980 Beitragsfreiheit, obwohl sich weder an seinem Status als Angestellter noch an der Ausgestaltung des
konkreten Beschäftigungsverhältnisses etwas änderte. Wäre der Kläger in den Vorbereitungsdienst aufgenommen
worden, wäre seine soziale Stellung nicht nur während des Vorbereitungsdienstes als Beamter auf Widerruf gesichert
gewesen, sondern auch nach dem Ende des Vorbereitungsdienstes, und bei Fehlen einer Anschlußbeschäftigung
hätte er nach dem Wortlaut des § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nach § 134 Abs. 1 AFG
gehabt. Es widerspräche Sinn und Zweck der Vorschrift des § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG, wenn der Kläger nur deshalb
den Schutz des AFG komplett verlieren sollte, weil er sich für den Vorbereitungsdienst beworben hat, jedoch nicht
angenommen wurde. Zumal noch verschärfend zu berücksichtigen ist, daß der Kläger diese Folge nicht etwa durch
einen Antrag auf Beitragsfreiheit beeinflussen konnte. Um der Rechtsfolge zu entgehen, die sich bei wortgetreuer
Auslegung des § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG ergäbe, hätte der Kläger sich nicht um die Aufnahme in den
Vorbereitungsdienst bewerben dürfen. Auch dieses Ergebnis bestätigt die Richtigkeit der vom Senat getroffenen
Entscheidung.
Nachdem die Berufung bereits aus den oben genannten Gründen zurückzuweisen war, brauchte der Senat nicht mehr
zu entscheiden, ob die mit Wirkung ab 1. Januar 1982 eintretende Neuregelung des AFG durch das AFKG, die durch
Erhöhung der sog. kleinen Anwartschaftszeit von 70 Tagen auf 150 Tage erst die rechtliche Grundlage für die
Entziehung des dem Kläger bereits zugestandenen Arbeitslosenhilfeanspruches schaffte, mit der Verfassung zu
vereinbaren ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zuzulassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.