Urteil des LSG Hessen vom 24.04.1980

LSG Hes: wiedereinsetzung in den vorigen stand, gericht erster instanz, hochschule, arbeitsamt, einschreibung, klagefrist, immatrikulation, besuch, arbeitslosenhilfe, fachschule

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 24.04.1980 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 18 Ar 518/78
Hessisches Landessozialgericht L 1 Ar 880/79
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Februar 1975 wird
zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat den Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Der 1941 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Februar 1970 bis 31. März 1972 als Anwaltsgehilfe beschäftigt. Ab
dem Wintersemester 1972/73 studierte er an der Gesamthochschule in K. und bestand am 19. Februar 1978 die
Prüfung als Diplom-Sozialarbeiter/Sozialpädagoge. Am 1. März 1978 meldete er sich arbeitslos und beantragte die
Gewährung von Alhi. Ab dem 1. Mai 1978 befand er sich niederer in einem Arbeitsverhältnis.
Bei der Alhi-Beantragung gab der Kläger an, er habe sich in der Zeit vom 10. April 1972 bis zum 9. Oktober 1972 im
Ausland aufgehalten, das Studium habe vom 10. Oktober 1979 bis 17. Februar 1980 gedauert.
Mit Bescheid vom 10. April 1978 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Alhi ab mit der Begründung,
innerhalb der letzten Jahren vor der Arbeitslosmeldung habe der Kläger weder Alg bezogen noch mindestens 10
Wochen in einer entlohnten Beschäftigung gestanden, auch ein Ersatztatbestand im Sinne des §§ 1 bis 5 der
Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (Alhi-VO) liege nicht vor.
Der am 21. April 1978 eingelegte Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 1978,
zugestellt am 10. Mai 1978, als unbegründet zurückgewiesen. Diese Zurückweisung wurde darauf gestützt, der Alhi-
Anspruch scheitere daran, daß der Kläger nicht innerhalb des letzten Jahres vor Beginn der Ausbildung mindestens
26 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden habe. Seine Ausbildung habe am 10. Oktober 1972 begonnen; die
sich danach ergebende Beschäftigungszeit vom 10. Oktober 1971 bis 31. März 1972 umfasse lediglich 24 Wochen
und 6 Tage.
Am 16. Mai 1978 ging beim Arbeitsamt H. ein Schreiben des Klägers vom 13. Mai 1978 ein, in dem der Kläger geltend
machte, eine entlohnte Beschäftigung von 26 Wochen innerhalb des letzten Jahres vor Beginn der Ausbildung liege
vor, da das Studium an der Gesamthochschule ... bereits am 1. Oktober 1972 begonnen habe; weiterhin hat der
Kläger in diesem Schreiben um eine Abänderung des Widerspruchsbescheides, da er anderenfalls Klage beim
zuständigen Sozialgericht fristgerecht einreichen werde.
Mit Schreiben vom 17. Mai 1978 teilte das Arbeitsamt H. dem Kläger mit, daß es den Bescheid vom 10. April 1978
und den Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 1978 im Verwaltungswege aufheben werde, wenn er nachweisen könne,
daß er sein Studium bereits am 1. Oktober 1972 aufgenommen habe. Am 26. Mai 1978 legte der Kläger ein
Grundstudienzertifikat des Gesamthochschule K. vom 4. August 1976 vor, in dem ihm bescheinigt wurde, er habe
sein Studium am 1. Oktober 1972 im graduierten Studiengang an der Gesamthochschule K. begonnen. Ebenfalls noch
im Mai 1978 bat der Kläger in einem Telefongespräch mit dem Arbeitsamt H. um eine Mitteilung vor Ablauf der
Klagefrist, ob die Verwaltungsentscheidung aufgehoben werde, sowie darum, ggf. sein Schreiben vom 13. Mai 1978
als Klage zu werten. Auf Anfrage teilte die Gesamthochschule K. der Arbeitsamt H. mit Schreiben vom 25. August
1978 mit, daß der Kläger ab 10. Oktober 1972 als ordentlicher Student an der Gesamthochschule K. immatrikuliert
war.
Am 4. Oktober 1978 hat das Arbeitsamt H. das Schreiben des Klägers vom 13. Mai 1978 dem Sozialgericht Frankfurt
am Main vorgelegt.
Der Kläger hat sich darauf berufen, das Wintersemester 1972/73 habe am 1. Oktober 1972 begonnen. Ab diesem
Zeitpunkt habe er Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhalten und eine Wohnung
gemietet, eine Einschreibung sei erst ab dem 9. Oktober 1972 möglich gewesen. Weiterhin hat er ein
Hauptstudienzertifikat vom 31. Oktober 1977 vorgelegt, in dem als Studienbeginn der 15. Oktober 1972 genannt wird,
sowie Kopien von Schreiben der Gesamthochschule K. an eine Mitstudentin, in denen als Vorlesungsbeginn einmal
der 2. Oktober 1972, zum anderen den 16. Oktober 1972 aufgeführt ist. Schließlich hat er nicht darauf berufen, er
habe bei Antragstellung (1. März 1978) nicht gewußt, welche ausschlaggebende Bedeutung den von ihm damals
genannten Daten für die Leistungsgewährung zukomme. Die Beklagte hat demgegenüber an ihrer Auffassung
festgehalten, daß der Kläger seine Ausbildung erst am 10. Oktober 1972, dem Tag der Einschreibung, begonnen
habe.
Die Gesamthochschule K. hat dem Sozialgericht auf Anfrage mit Auskunft vom 8. Januar 1979 mitgeteilt, daß die
Vorlesungen im Wintersemester 1972/73 vom 2. Oktober 1972 bis 10. Februar 1973 dauerten. Mit Urteil vom 12.
Februar 1979 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main unter gleichzeitiger Zulassung der Berufung die Beklagte
verurteilt, dem Kläger Alhi ab 1. März 1978 gemäß seinem Antrag zu bewilligen, und dabei ausgeführt, dass die
Beklagte über die Einzelheiten der Alhi Bewilligung (z.B. § 138 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -) noch zu
befinden habe. Hinsichtlich des Vorliegens einer entlohnten Beschäftigung von 26 Wochen innerhalb des letzten
Jahres vor Beginn des Studiums wird in den Entscheidungsgründen ausgeführt, daß diese Voraussetzung eigentlich
nicht erfüllt sei, da als Beginn der Ausbildung die Immatrikulation angesehen werden müsse; denn erst mit dieser
Immatrikulation könne ein Student die Rechte als Mitglied der Universität in Anspruch nehmen. Dennoch müsse das
Vorliegen der genannten Voraussetzungen aber deshalb bejaht werden, weil das Semester bereits am 1. Oktober 1972
begonnen habe und eine Einschreibung erst ab des 9. Oktober 1972 möglich gewesen sei. Es dürfe nicht zu Lasten
des Klägers gehen, daß das Sekretariat der Hochschule vorher keine Einschreibungen durchgeführt habe, vielmehr
müsse der Kläger so gestellt werden, als ob er sich bereits am 1. Oktober 1972 eingeschrieben hätte.
Gegen dieses der Beklagten am 3. Juli 1979 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, eingelegt mit
einem am 3. August 1979 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz vom 1. August 1979.
Die Beklagte macht geltend, den Kläger sei erst ab dem 10. Oktober 1972 in Ausbildung gewesen, da er sich erst an
diesem Tage, an der Gesamthochschule K. immatrikuliert habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Februar 1979 aufzuheben und die
Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich ergänzend darauf, er sei mit Bescheid der Gesamthochschule K. vom August 1972 zum Studium
zugelassen worden und habe noch im August 1972 den ihm zugeteilte Studienplatz angenommen. Bereits vor dem 1.
Oktober 1972 sei er mehrmals in K. gewesen und habe sich über den Studienbeginn informiert sowie auch über das
Studentenwerk der Hochschule ein Zimmer angemietet. An welchem Tage er das erste Mal an einer Lehrveranstaltung
teilgenommen habe, könne er nicht mehr angeben; er habe sich jedoch zum 1. bzw. 2. Oktober 1972 völlig auf die
neue Studiensituation durch Zimmermietung, BAföG-Beantragung, Teilnahme an Studienberatungen usw. einstellen
müssen.
Auf Antrage des Gerichts hat die Gesamthochschule K. mit Schreiben vom 14. April 1980 mitgeteilt, daß die
Vorlesungen für den Studiengang Sozialarbeit an der Gesamthochschule K. im Wintersemester 1972/73 am 2.
Oktober 1972 begonnen haben. Aus verwaltungstechnischen Gründen sei die Einschreibefrist in die Zeit vom 9.
Oktober bis 10. November 1972 gelegt worden, eine frühere Einschreibung sei nicht möglich gewesen. Weiterhin hat
die Gesamthochschule K. eine Kopie des Zulassungsbescheides vom August 1972 und einer am 23. August 1972 bei
der Gesamthochschule eingegangenen Erklärung, daß der Kläger das Studium in der Organisationseinheit Sozialarbeit
zum Wintersemester 1972/73 aufnehmen werde, vorgelegt.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Leistungsakten der Beklagten, Stamm-Nr. xxxxx,
Arbeitsamt H. der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG–) sowie
durch Zulassung statthaft (§ 150 Nr. 1 SGG).
Sie ist jedoch unbegründet. Das von der Beklagten angefochtene Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12.
Februar 1979 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt eine fristgerechte Klage des Klägers vor; dessen Anspruch
auf Alhi für die Zeit vom 1. März 1978 bis 30. April 1978 ist auch insoweit begründet, als die
Anspruchsvoraussetzungen des § 134 Abs. 1 Nr. 4 AFG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur
Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes
vom 18. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3113 – HstruktG-AFG) erfüllt sind. Über das Vorliegen der weiteren
Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere der Bedürftigkeit des Klägers (§§ 134 Abs. 1 Nr. 3, 138 AFG), wird die
Beklagte, wie bereits in dem Urteil erster Instanz hervorgehoben worden ist, noch zu befinden haben.
Hinsichtlich der Einhaltung der Klagefrist (§ 87 SGG) ist zwar davon auszugehen, dass das innerhalb dieser Frist am
16. Mai 1978 bei dem Arbeitsamt H. eingegangene Schreiben des Klägers vom 13. Mai 1978 – damals – noch keine
Klageschrift dargestellt hat, da der Kläger in diesem Schreiben ausdrücklich androht, dass er im Falle der Nichtabhilfe
durch die Beklagte Klage beim zuständigen Sozialgericht fristgerecht einreichen werde, und damit zum Ausdruck
gebracht hat, dass er noch nicht unmittelbar eine Klage erheben will. Andererseits hat der Kläger im Mai 1978 und
damit noch innerhalb der Klagefrist dem Arbeitsamt H. gegenüber sich dahingehend geäußert, daß er für den Fall der
Nichtabhilfe sein Schreiben als Klage gewertet wissen will. Diese noch vor Ablauf der Klagefrist vorgenommene
Festlegung des Klägers, daß sein Schreiben vom 13. Mai 1978 gegebenenfalls eine Klageschrift darstellen soll,
erachtet der erkennende Senat jedoch als ausreichend für eine fristgerechte Klageerhebung. Daß für sie aufgrund der
telefonischen Mitteilung des Klägers nicht die für eine Klageerhebung geltende (Schrift-)Form (§§ 90, 91 Abs. 1 SGG)
gewahrt worden ist, ist in diesem Falle unschädlich. Der Kläger hat bereits in seinem Schreiben vom 13. Mai 1978,
und damit schriftlich, mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß er eine weitere, ggf. auch
gerichtliche Überprüfung anstrebt, selbst wenn er damals noch eine separate Klageerhebung angedroht hat. Auch
wenn man dieses damalige Schreiben noch nicht als Klageschrift ansehen kann, so ist es doch nachträglich, und
zwar noch innerhalb der Klagefrist, aufgrund der, wenn noch telefonisch vorgenommenen, nachträglichen
Zweckbestimmung des Klägers zu einer Klageschrift geworden, die die gesetzlichen Formerfordernisse erfüllt, im
übrigen wäre dem Kläger, falls die Einhaltung der Klagefrist hätte verneint werden müssen, hinsichtlich dieser
Nichteinhaltung eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) zu gewähren gewesen
In der Sache selbst hat das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil zu Recht das Vorliegen des im Rahmen dieses
Rechtsstreits zwischen den Beteiligten allein streitigen Tatbestandsmerkmale des § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe c
AFG, daß der Arbeitslose innerhalb des letzten Jahres vor Beginn der Ausbildung mindestens sechsundzwanzig
Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden haben muß, bejaht. Die Ausbildung des Klägers hat auch dann, wen
man nicht auf den Semesterbeginn (1. Oktober 1972) abstellt, jedenfalls am 2. Oktober 1972, den Tage des Beginns
der Vorlesungen an der Gesamthochschule K., begonnen, da das Jahr 1972 ein sogenanntes Schaltjahr gewesen ist,
hat der Kläger auch innerhalb des letzten Jahres vor Beginn diese Ausbildung (2. Oktober 1971 bis 1. Oktober 1972)
in der Zeit vom 2. Oktober 1971 bis 31. März 1972 genau 26 Wochen lang in einer entlohnten Beschäftigung
gestanden. Eine Entscheidung darüber, ob auf den Semesterbeginn oder auf den Vorlesungsbeginn abzustellen ist,
hat bei dieser Sachlage nicht getroffen werden müssen.
Die in ihrer Auslegung streitige Bestimmung des § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe c AFG hatte einen Vorläufer in § 2 Nr.
1 und 2 der Alhi-VO vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1929). Hiernach war eine vorherige entlohnte Beschäftigung im
Sinne des § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b AFG zur Begründung des Anspruchs auf Alhi u.a. dann nicht erforderlich,
wenn der Arbeitslose innerhalb eines Jahres von der Arbeitslosmeldung mindestens 26 Wochen oder 6 Monate oder
eine Semester entweder im Geltungsbereich des AFG eine allgemein bildende Schule einschließlich der
Abendhauptschule, der Abendrealschule, des Abendgymnasiums oder des Colleges, eine Fachoberschule, eine
Berufsaufbauschule oder eine diesen gleichwertige Ausbildungsstätte besucht hat und im letzten Jahr vor Beginn der
Ausbildung mindestens 26 Wochen oder 6 Monate nach § 168 AFG beitragspflichtig war - so § 2 Nr. 1 Alhi-VO -
""oder wenn er im Geltungsbereich des AFG eine Berufsfachschule, Fachschule, höhere Fachschule, Akademie,
Fachschule oder diesen gleichwertige Ausbildungsstätte besucht hat"” so § 2 Nr. 2 Alhi-VO. Die zuletzt genannte
Regelung des § 2 Nr. 2 Alhi-VO bezog damit auch Personen aus dem Vorfeld der beruflichen Tätigkeit in die Alhi ein.
In der Praxis hat sich, wie in der Begründung der Bundesregierung zum Entwurf dees HStruktG-AFG (BR-Drucks.
575/75, S. 53) hervorgehoben wird, gezeigt, daß damit der einbezogene Personenkreis zu weit abgegrenzt war. Nach
der durch das HStruktG-AFG getroffenen Neuregelung sollen daher "nur solche Absolventen allgemeinbildender,
beruflicher und Hochschulen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben, die kurz vor der Schulausbildung mindestens ein
halbes Jahr lang in entlohnter Beschäftigung gestanden haben” (BR-Drucks., a.a.O.). Der Gesetzgeber hat damit
seinen Willen zum Ausdruck gebracht, gerade auch den zweiten Bildungsweg zu fördern, indem diejenigen
Hochschulabsolventen, die ihre Ausbildung im zweiten Bildungsweg zurückgelegt haben, weiterhin im Schutzbereich
der Alhi belassen werden sollen (BSG, Urteil vom 2. Oktober 1979 – 7 RAr 101/98 –; BSG, Urteil vom 11. Dezember
1979 – 7 RAr 5/79 –). Der Bestimmung des § 134 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe o AFG liegt damit der Gedanke zugrunde,
demjenigen arbeitslosen (Hoch-)Schulabsolventen Alhi zu gewähren, der seine entlohnte Beschäftigung zugunsten
eines (Hoch-)Schulbesuches aufgegeben hat, weil der (Hoch-)Schüler während der Dauer der Ausbildung dem
Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden hat (BSG, Urteil vom 11. Dezember 1979 – 7 RAr 3/79 –). Mehr als die
Voraussetzung, daß ein naher zeitlicher Bezug zwischen entlohnter Beschäftigung, Ausbildung und Arbeitslosigkeit
bestehen muß (so BSG, a.a.O.), läßt sich dieser Entstehungsgeschichte des Gesetzes und seiner allgemeinen
Zweckbestimmung aber nicht entnehmen. Konkrete Schlußfolgerungen hinsichtlich der Auslegung des
Tatbestandsmerkmals "Beginn der Ausbildung” können hieraus nicht abgeleitet werden.
Aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift, nämlich aus der weiteren, in § 134 Abs.1 Nr. 4 Buchstabe c
AFG genannten Voraussetzungen, dass der Arbeitslose mindestens sechsundzwanzig Wochen oder sechs Monate
oder ein Semester im Geltungsbereich des AFG eine allgemeinbildende oder berufliche Schule oder eine Hochschule
besucht haben muss, lässt sich jedoch für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Beginn der Ausbildung” folgern,
dass es auch insoweit auf den Besuch der Hochschule ankommt und damit auf den – rein tatsächlichen – Beginn
dieses Besuchs, nicht aber auf die auf die Immatrikulation zurückgehende Begründung der – formalen –
Rechtsstellung als ordentlicher Studierender. Gegen die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Immatrikulation spricht
auch, dass oft, wie gerade der Fall des Klägers zeigt, bereits vor diesem Zeitpunkt Rechtsbeziehungen zwischen der
Hochschule und dem – zukünftigen – Studenten bestehen. So hat der Kläger bereits im August 1972 von der
Gesamthochschule K. einen Zulassungsbescheid erhalten und erklärt, dass er das Studium zum Wintersemester
1972/73 aufnehmen werde. Dies zeigt, dass der Kläger spätestens ab August 1972 und damit in jedem Falle schon
vor Semester- bzw. Vorlesungsbeginn in einem – öffentlich-rechtlichen – Rechtsverhältnis zur Gesamthochschule K.
stand. Aufgrund dieses Rechtsverhältnisses war er bereits vor einer Einschreibung zum Besuch von
Lehrveranstaltungen berechtigt, wie sich insbesondere daraus ergibt, dass eine Einschreibung im Falle des Klägers
erst nach dem Beginn des Semesters und der Vorlesungen frühestens am 9. Oktober 1972 möglich war. Diese, durch
die verwaltungsmäßige Handhabung der Hochschule bedingte Zufälligkeit kann aber, wie auch das Gericht erster
Instanz zutreffend hervorgehoben hat, nicht zu Lasten des Klägers gehen, zumal er sich unmittelbar nach dem
frühestmöglichen Termin, nämlich am 10. Oktober 1972, einschreiben ließ.
Fest steht damit aber lediglich, daß die Ausbildung – unabhängig von dem Tag der Immatrikulation – mit dem Besuch
der Hochschule beginnt, nicht jedoch, ab welchem Zeitpunkt die Hochschule besucht wird. Indem das Gesetz es
ausreichen läßt, wenn der Arbeitslose "ein Semester” lang eine Hochschule besucht hat, liegt es nahe, auch
hinsichtlich des Beginns der Ausbildung darauf abzustellen, wenn das Semester, ab dem der Arbeitslose die
Hochschule besucht hat, – rein tatsächlich – begonnen hat (so Krebs, Arbeitsförderungsgesetz, Kommentar, § 134
AFG, Randnummer 27 d). Hierfür spricht auch der Gedanke der Gleichbehandlung aller Arbeitslosen, die in dem
betreffenden Semester ihre Ausbildung begonnen haben, sowie die weitere Überlegung, daß es nach einer unter
Umständen jahrelangen Ausbildung, wie wiederum das Beispiel des Klägers zeigt, nahezu unmöglich ist, mit
hinreichender Sicherheit festzustellen, ab welchem Tage der Arbeitslose erstmalig an bestimmten
Lehrveranstaltungen teilgenommen hat.
Zumindest aber muß auf den regelmäßig nach dem Semesterbeginn liegenden Tag des Beginns der
Lehrveranstaltungen für Erstsemester in dem betreffenden Studiengang – hier den 2. Oktober 1972 – abgestellt
werden. Auch dieser Tag ist mit der gleichen Sicherheit wie der Semesterbeginn nach Jahren noch rückwirkend
feststellbar. Gegenüber einem Abstellen auf den Tag des Besuchs der ersten Lehrveranstaltung durch den
Arbeitslosen wird zudem vermieden, daß der betreffende Arbeitslose sich innerhalb des Angebotes der
Lehrveranstaltungen solche Veranstaltungen herausgesucht hat, die – zufälligerweise – zeitlich erst nach dem
allgemeinen Vorlesungsbeginn begonnen haben, und hierdurch einen Nachteil erleidet, den er in seine Überlegungen
bezüglich der Wahl der Lehrveranstaltungen nicht einzukalkulieren brauchte. Dies bedeutet, daß der Beginn der
Ausbildung jedenfalls mit dem Beginn der Lehrveranstaltungen an der Hochschule für den betreffenden Studiengang
zusammenfällt. Mit dieser generalisierenden Lösung, die nicht den Zeitpunkt der individuellen Teilnahme an diesen
Lehrveranstaltungen maßgeblich sein läßt, steht in Einklang, daß das Gesetz noch hinsichtlich des Erfordernisses
des Besuchs eines Semesters sowie hinsichtlich der Festlegung der zeitlichen Grenze des letzten Jahres vor Beginn
der Ausbildung generalisierende Regelungen getroffen hat, die nicht auf die individuellen Besonderheiten der
Verhältnisse des Arbeitslosen abstellen.
Die Nichtberücksichtigung des Zeitpunktes der ersten Teilnahme an Lehrveranstaltungen ist weiterhin auch deshalb
gerechtfertigt, weil ein Hochschulstudium regelmäßig faktisch bereits vor dieser ersten Teilnahme beginnt. So hat der
Kläger zu Recht darauf hingewiesen, daß er bereits zum Beginn des Monats Oktober 1972 ein Zimmer in K. anmieten
sich um die Beantragung von Leistungen nach der BAföG kümmern sowie an Studienberatungen teilnehmen mußte.
Er hat sich damit, wie er anschaulich hervorhebt und wie auch aufgrund seiner glaubhaften Einlassung zur
Überzeugung des erkennender Senates feststeht, bereits zum 2. Oktober 1972 völlig auf die neue Studiensituation
einstellen müssen, selbst wenn er erst später – den genauen Zeitpunkt vermag er verständlicherweise nicht mehr
anzugeben – erstmals an einer Lehrveranstaltung teilgenommen haben sollte. Damit hat er seine Ausbildung aber
bereits im Rechtssinne jedenfalls zum Zeitpunkt des Beginns der Vorlesungen (2. Oktober 1972) begonnen.
Schließlich ist auch zu beachten, daß es nicht, wie etwa bei der Frage der Gewährung von Unterhaltsgeld, darum
geht, ob dem Kläger ab dem Tage des Beginns der Ausbildung Leistungen zu gewähren sind, sondern lediglich darum,
ob er die Voraussetzungen für eine zeitlich nach dem Abschluß der Ausbildung liegende Leistungsgewährung erfüllt.
Läßt das Gesetz eine vor dem Beginn der Ausbildung liegende Beschäftigung von (nur) einem halben Jahr
ausreichend sein, so besteht schließlich auch von den so gelockerten Voraussetzungen einer Leistungsgewährung
her keine Veranlassung, hinsichtlich des Beginns der Ausbildung einen streng differenzierenden, auf die jeweiligen
Verhältnisse des konkreten Einzelfalles abstellenden Standpunkt einzunehmen, zumal dieser mit allen Zufälligkeiten
des individuellen Einzelfalles belastet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160
Abs. 2 Nr. 1 SGG).