Urteil des LSG Hessen vom 21.07.2005

LSG Hes: eheähnliche gemeinschaft, schutz der ehe, eheähnliche lebensgemeinschaft, erlass, gleichbehandlung, zahl, homosexueller, hauptsache, einkünfte, aufenthalt

Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 21.07.2005 (rechtskräftig)
Sozialgericht Wiesbaden S 16 AS 36/05 ER
Hessisches Landessozialgericht L 7 AS 29/05 ER
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. Juni 2005 wird
zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten steht die Höhe der der Antragstellerin zustehenden Leistungen nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II), namentlich die Frage der Anrechenbarkeit des Einkommens des Lebenspartners, im
Streit.
Am 20. Februar 2005 beantragte die Antragstellerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. In dem
Antragsformular gab sie zur Frage nach den persönlichen Verhältnissen an, alleinstehend zu sein. Als "nicht dauernd
getrennt lebenden Lebenspartner" gab sie Herrn M. S. an, für den sie eine Einkommenserklärung abgab und Lohn- und
Gehaltsabrechnungen für die Monate November 2004 bis Januar 2005 vorlegte.
Mit Bescheid vom 11. März 2005 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für die
Antragstellerin und Herrn M. S. ab dem 23. Februar 2005 für die Dauer von 9 Monaten, wobei Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat Februar 2005 in Höhe von 56,13 Euro und für den Monat März 2005 in
Höhe von 436,06 Euro gewährt wurden. Nach dem dem Bescheid beigefügten Berechnungsbogen wurden für März
2005 für die Antragstellerin und Herrn M. S. Regelleistungen gemäß § 20 SGB II in Höhe von jeweils 311,00 Euro
sowie an Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II für Miete 700,00 Euro, insgesamt 1.322,00 Euro als Bedarf an
Leistungen zum Lebensunterhalt zugrunde gelegt. An Einkommen wurden Einkünfte des M. S. gemäß § 11 Abs. 1
SGB II in Höhe von 1.413,31 Euro berücksichtigt, von denen abzusetzende Beträge gemäß § 11 Abs. 2 SGB II für
Herrn M. S. bezüglich Arbeitsmitteln in Höhe von 15,33 Euro, ein Freibetrag für Erwerbstätigkeit in Höhe von 172,11
Euro, eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro, Fahrtkosten in Höhe von 84,96 Euro und sonstige
Versicherungen in Höhe von 20,21 Euro berechnet wurden, so dass ein Abzugsbetrag in Höhe von 1.090,70 Euro
zugrunde gelegt wurde. Die Summe der laufenden Leistungen betrug danach 231,30 Euro.
Am 22. März 2005 hat die Antragstellerin gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt und zur Begründung die
Auffassung vertreten, die Anrechnung von Einkünften des Herrn M. S. sei unzulässig. Zur Begründung hat sich die
Antragstellerin auf die Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. Februar 2005 (Az.: S 35 SO 28/05 ER)
gestützt. Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 29. März 2005 mitgeteilt, vor einer Entscheidung über den
Widerspruch den Abschluss der von der Antragstellerin genannten gerichtlichen Verfahren abwarten zu wollen.
Am 1. April 2005 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) um einstweiligen Rechtsschutz
nachgesucht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Anrechnung der Einkünfte des Herrn M. S. sei
verfassungswidrig, da sie einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) darstelle, indem sie heterosexuelle Paare
gegenüber homosexuellen benachteilige. Der Antragstellerin sei nicht zuzumuten, bis zum Abschluss des
Widerspruchs- bzw. Hauptsacheverfahren abzuwarten, da sie über keinerlei finanzielle Reserven verfüge und keine
weiteren Zeiträume mehr überbrücken könne. Das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zwischen der
Antragstellerin und Herrn M. S. werde nicht bestritten.
Mit Beschluss vom 1. Juni 2005 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht sei. Die
Voraussetzungen zur Einbeziehung des Herrn M. S. in die Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II
seien erfüllt, da unstreitig eine eheähnliche Lebensgemeinschaft bestehe. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser
Regelung bestünden nicht. Es liege kein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG darin, dass durch § 7 Abs. 3 Nr. 3 b, § 9
Abs. 2 Satz 1 SGB II eine Einkommens- und Vermögensberücksichtigung des Partners nur bei eheähnlichen
Gemeinschaften ebenso wie bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und Lebenspartnern, nicht aber bei
anderen Lebens-, Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften - wie etwa Gemeinschaften zwischen
gleichgeschlechtlichen Partnern, die nicht Lebenspartner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) seien, oder
Verwandten - vorgeschrieben sei. Das Sozialgericht Düsseldorf berücksichtige in seiner Entscheidung nicht, dass das
Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden Entscheidung vom 17. November 1992 die Berücksichtigung des
Einkommens des Partners der eheähnlichen Gemeinschaft in die Bedürftigkeitsprüfung des Hilfeempfängers zum
Schutz und zur Verhinderung einer Ungleichbehandlung der Ehe als vertretbare, verfassungsgemäße
gesetzgeberische Entscheidung angesehen habe. Ausgangs- und Bezugspunkt einer Verfassungsbetrachtung sei
allein die Ehe und nicht allgemein die Beziehung von Lebensgemeinschaften untereinander. Insoweit habe es das
Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber überlassen, welche Form von Lebensgemeinschaften zum Schutz der
Ehe in eine Bedarfs- und Einstandsgemeinschaft einzubeziehen seien. Die Berücksichtigung von anderen Lebens-,
Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften – wie etwa Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, die
nicht Lebenspartner nach dem LPartG seien, oder Verwandten – habe es nicht zwingend für erforderlich gehalten.
Auch sei davon auszugehen, dass entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Düsseldorf die eheähnliche
Gemeinschaft auch heute noch eine typische, häufiger anzutreffende Erscheinung des sozialen Lebens als eine
homosexuelle Gemeinschaft sei. Der Gesetzgeber hätte daher nach wie vor davon ausgehen dürfen, dass die
eheähnliche Gemeinschaft in weitaus größerer Zahl vorkomme und sich als sozialer Typus deutlicher herausgebildet
habe als die genannten anderen Gemeinschaften. Er sei daher nicht verpflichtet, alle denkbaren Fallgestaltungen
differenzierend zu berücksichtigen. Zudem lasse das Sozialgericht Düsseldorf in dem genannten Beschluss außer
Acht, dass es bei der Anrechnung der Mittel nichtehelicher (heterosexueller) Partner und Lebenspartner nach dem
LPartG darum gehe, eine Benachteiligung von Ehegatten zu verhindern. Würden allein die Mittel eines Ehepartners,
nicht aber die Mittel eines Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft oder von Partnern nach dem LPartG
bedarfsmindernd angerechnet, würde Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 GG verletzt. Damit könne jedenfalls unabhängig
von der Notwendigkeit der Erfassung anderer Gemeinschaften die Gleichbehandlung der eheähnlichen Gemeinschaft
eines Mannes und einer Frau – und ausschließlich darum gehe es hier – vom Ansatz her auch nicht im Lichte des Art.
3 GG verfassungswidrig sein. Selbst wenn man von einer grundrechtwidrigen Benachteiligung eheähnlicher
Gemeinschaften im Verhältnis zu entsprechenden homosexuellen Gemeinschaften ausgehen würde, könnte der
Eilantrag keinen Erfolg haben. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Regelungen von § 7 Abs. 3 Nr. 3 b, § 9 Abs. 2
Satz 1 SGB II, Leistungen nur bei Hilfebedürftigkeit eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft zu gewähren, könnte
eine das verfassungsrechtliche Benachteiligungsgebot verletzende Ungleichbehandlung zwischen Partnern
eheähnlicher Lebensgemeinschaften und homosexueller Gemeinschaften konsequent nur dadurch beseitigt werden,
dass auch das Einkommen des Partners einer homosexuellen Gemeinschaft zu berücksichtigen sei, nicht jedoch
durch Nichtanrechnung des Partnereinkommens bei eheähnlichen Gemeinschaften. Allerdings sei diese Frage, da
andere Lebensgemeinschaften nach dem Sachverhalt nicht betroffen seien, vorliegend nicht entscheidungserheblich.
Gegen den am 2. Juni 2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 1. Juli 2005 Beschwerde eingelegt, der
das SG mit Entscheidung vom 4. Juli 2005 nicht abgeholfen hat.
Zur Beschwerdebegründung hat die Antragstellerin ihr seitheriges Vorbringen wiederholt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. Juni 2005 den Antragsgegner im Wege der
einstweiligen Anordnung unter Abänderung des Bescheides vom 11. März 2005 zu verpflichten, ihr Leistungen nach
dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ohne Anrechnung etwaigen Partnereinkommens zu
gewähren.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein seitheriges Vorbringen und nimmt Bezug auf den Inhalt des
angegriffenen Beschlusses des SG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von dem
Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakten (1 Band) Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung
gewesen ist.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat zu Recht den Erlass
einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in
Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden
Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug
auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen
Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege
des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt,
der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus.
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander, es besteht vielmehr eine
Wechselbeziehung derart, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw.
Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch
und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Meyer-
Ladewig, SGG – Kommentar § 86 b Rdnrn. 27 und 29 m.w.N.). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich
unzulässig oder unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund
grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache
dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund. In der Regel ist
dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf
einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine
vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer
Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind insbesondere die grundrechtlichen Belange des Antragstellers
umfassend in die Abwägung einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts müssen sich die
Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. zuletzt Bundesverfassungsgericht,
Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).
Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.
V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen. Dabei sind, soweit im Zusammenhang mit dem
Anordnungsanspruch auf die Erfolgsaussichten abgestellt wird, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch,
sondern abschließend zu prüfen (Bundesverfassungsgericht, a.a.O.). Die Glaubhaftmachung bezieht sich im Übrigen
lediglich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde
Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des
Anordnungsgrundes (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnrn. 16 b, 16 c, 40).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist dem Antrag der Antragstellerin vorliegend nicht zu entsprechen. Die
Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Zur Begründung wird zunächst Bezug
genommen auf die zutreffenden, an die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Hamburg (Beschluss vom 11. April
2005, Az. L 5 B 58/05 ER AS) angelehnten Gründe in dem angegriffenen Beschluss des SG vom 1. Juni 2005, denen
der Senat folgt (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist folgendes auszuführen: Ein Anordnungsanspruch auf die –
vorläufige – Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des Einkommens des Herrn M. S.
besteht vorliegend nicht. Nach § 7 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr
vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige) sowie Personen,
die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört neben
anderen die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt (§ 7 Abs. 3 Nr. 3
b SGB II). Zwischen den Beteiligten ist im vorliegenden Verfahren unstreitig, dass Herr M. S. mit der Antragstellerin in
eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Nach § 9 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in
Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht
ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem
zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen,
insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Bei Personen, die in einer
Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen, § 9 Abs. 1, 2
Satz 1 SGB II. In Anwendung dieser Vorschriften hat der Antragsgegner für die den Bescheid vom 11. März 2005
zugrunde gelegte Berechnung zutreffend das Einkommen des Herrn M. S. berücksichtigt und einbezogen.
Entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Auffassung steht der Anwendung der §§ 7, 9 SGB II in der
dargestellten Weise ein Verstoß gegen höherrangiges, namentlich Verfassungsrecht nicht entgegen. Insbesondere
vermag sich die Antragstellerin nicht auf einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG
berufen. Zunächst kann im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens ein derartiger Verstoß nicht darin gesehen werden,
dass durch § 7 Abs. 3 b, § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II zwar eine Einkommens- und Vermögensberücksichtigung des
Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft ebenso wie bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und
Lebenspartnern nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG), nicht aber auch bei anderen Lebens-, Haushalts- und
Wirtschaftsgemeinschaften - wie etwa Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern, die nicht
Lebenspartner nach dem LPartG sind, oder Verwandten - vorgeschrieben ist. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1
GG verbietet es, dass eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt
wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie
eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfGE 55, 72, 88). Die rechtliche Unterscheidung muss also in
sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen braucht der
Gesetzgeber allerdings nicht um die differenzierende Berücksichtigung aller denkbaren Fälle besorgt zu sein. Er ist
vielmehr berechtigt, von einem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den ihm vorliegenden Erfahrungen ergibt. Auf
dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden, ohne allein
schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die
Typisierung setzt allerdings voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur eine
verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist
(BVerfGE 87, 234, 255 ff.). In Anwendung dieser Grundsätze hat das BVerfG zu § 137 Abs. 2a des
Arbeitsförderungsgesetzes im Jahre 1992 entschieden, dass ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 GG nicht darin liege,
dass durch die dort maßgebliche Regelung nur eheähnliche Gemeinschaften, nicht aber auch andere Lebens-,
Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaften – wie etwa Gemeinschaften zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern
oder Verwandten – der verschärften Bedürftigkeitsprüfung unterworfen werden. Denn der Gesetzgeber hätte davon
ausgehen dürfen, dass die eheähnliche Gemeinschaft in weitaus größerer Zahl vorkomme und sich als sozialer Typus
deutlicher herausgebildet habe als die anderen Gemeinschaften. Im Lichte dieser Rechtsprechung vermag sich auch
im vorliegenden Fall die Antragstellerin nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu berufen.
Entgegen der Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 16. Februar 2005, Az.: S 35 SO 28/05
ER, NJW 2005, S. 845 ff.) ist auch unter Beachtung der seit dieser Entscheidung erfolgten gesellschaftlichen
Entwicklung an den vom Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung herausgearbeiteten Grundsätzen
festzuhalten. Dies gilt auch und gerade im Hinblick auf das zwischenzeitliche Inkrafttreten des
Lebenspartnerschaftsgesetzes. Der Gesetzgeber hat, wie sich namentlich an der Vorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 3c
SGB II zeigt, diese Entwicklung berücksichtigt und ihr dadurch Rechnung getragen, dass der nicht dauernd getrennt
lebende Lebenspartner, d.h. der Lebenspartner nach dem LPartG (vgl. Brühl in Lehr- und Praxiskommentar SGB II, §
7 Rdnr. 46), anders als noch nach den Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 17.
Juli 2003, 1 BvF 1/01, NJW 2002, 2543, 2548) zur Bedarfsgemeinschaft zu rechnen ist. Zu einer weitergehenden
Einbeziehung anderer Gemeinschaften, wie etwa der homosexuellen Partnerschaften außerhalb des LPartG, war der
Gesetzgeber indes im Hinblick auf den ihm bei der Ordnung von Massenerscheinungen durch typisierende
Regelungen eingeräumten weiten Gestaltungsspielraum nicht verpflichtet. Aber selbst wenn eine Gleichbehandlung
eheähnlicher Lebensgemeinschaften mit sonstigen Gemeinschaften, wie etwa der homosexuellen
Lebensgemeinschaft außerhalb des LPartG von Verfassungs wegen geboten wäre, könnte dies vorliegend dem
Begehren der Antragstellerin nicht zum Erfolg verhelfen. Denn im Rahmen der Umsetzung einer derartigen
Gleichbehandlung wären konkurrierenden Grundrechte der ehelichen Lebensgemeinschaften nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a
SGB II aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG (Ehe und Familie) zu beachten. Wollte man eine Gleichbehandlung
der eheähnlichen Lebensgemeinschaften mit den sonstigen Gemeinschaften dadurch erreichen, dass auch die
eheähnlichen Lebensgemeinschaften aus dem Kreis der Bedarfsgemeinschaft des § 7 SGB II herausgenommen
würde, ginge damit im Hinblick auf die Gruppe der ehelichen Lebensgemeinschaften zwangsläufig ein Verstoß gegen
Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs.1 GG einher. Eine verfassungskonforme Lösung wäre, sofern aus
verfassungsrechtlichen Gründen überhaupt Handlungsbedarf angenommen würde, daher nur in der Weise erreichbar,
dass neben den bereits vom SGB II berücksichtigten Lebensgemeinschaften auch weitere Gemeinschaften, wie etwa
diejenigen homosexueller Paare außerhalb des LPartG, zur Bedarfsgemeinschaft hinzugerechnet würden. Eine
derartige Regelung könnte indes den von der Antragstellerin geltend gemachten Anordnungsanspruch nicht tragen, da
es auch dann bei der Einbeziehung ihres Lebenspartners in ihre Bedarfsgemeinschaft bliebe.
Nach alledem hat das SG zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).