Urteil des LSG Hessen vom 22.10.1996

LSG Hes: vorläufige einstellung, härte, anweisung, zukunft, ungültigerklärung, anmerkung, auszahlung, beiladung, rücknahme, freiheitsentzug

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 22.10.1996 (rechtskräftig)
Sozialgericht Wiesbaden S 6 V 417/93
Hessisches Landessozialgericht L 4 V 687/96
Auf die Berufungen der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. August 1994 sowie der
Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1992
abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Versorgungsleistungen in dem im Bescheid vom 9. Januar 1984
festgestellten Umfang bis zum 31. Juli 1992 auszuzahlen.
Im übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreites zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Leistungen nach dem Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Personen, die aus politischen
Gründen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in Gewahrsam genommen wurden (Häftlingshilfegesetz –HHG–).
Der 1932 in Belgrad geborene Beschädigte, der am 4. November 1994 verstarb und dessen Ehefrau als seine Erbin
den Rechtsstreit fortführt, lebte mindestens zwischen 1962 und 1970 in der Bundesrepublik Deutschland. Am 5. Mai
1968 wurde der Beschädigte vom Landgericht Verden wegen gemeinschaftlichen Betruges zu zwei Jahren und acht
Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. 1974 wurde der Beschädigte in dem ehemaligen Jugoslawien verhaftet und durch
das Kreisgericht Rijeka zu acht Jahren Zuchthaus wegen Spionage zugunsten des Westens verurteilt. Er befand sich
daraufhin vom 19. September 1974 bis 17. September 1982 in den Zuchthäusern L. und St. G. in Gewahrsam. Durch
Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 des HHG erkannte der Regierungspräsident in Darmstadt diese Zeit der Inhaftierung
als politischen Gewahrsam im Sinne der §§ 1 Abs. 1 und 1 Abs. 5 HHG an. Nach seiner Entlassung siedelte der
Beschädigte in die Bundesrepublik Deutschland über und beantragte am 13. Dezember 1982 Leistungen nach dem
HHG bei dem Beklagten. Er gab an, sich nach fünf Jahren der Haft einer Magenoperation unterzogen haben zu
müssen sowie Zähne in der Haft verloren zu haben. Nach medizinischen Ermittlungen, unter anderem der Einholung
eines internistischen Gutachtens bei (Wiesbaden) vom 2. Dezember 1983 und der Beiziehung von eidesstattlichen
Versicherungen zweier Zeugen, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 9. Januar 1984 als Schädigungsfolgen,
hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen nach §§ 4 ff. HHG fest: 1. Operation nach Billroth II mit Dumping-
Syndrom und 2. Verlust der oberen vier Schneidezähne und des rechten oberen Eckzahnes. Den Grad der Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) setzte er mit 40 v.H. fest. Nach der Einholung von Auskünften aus dem
Bundeszentralregister stellte der Beklagte fest, daß der Beschädigte am 30. Juli 1985 zu einer Freiheitsstrafe von drei
Monaten und am 26. Februar 1986 zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat und zwei Wochen jeweils durch das
Amtsgericht Wiesbaden verurteilt worden war. Mit Beschluss vom 16. Oktober 1986, rechtskräftig seit dem 30.
Oktober 1986, bildete das Amtsgericht Wiesbaden nachträglich bezüglich dieser beiden Verurteilungen eine
Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten. Durch das Landesversorgungsamt wurde daraufhin am 18. April 1988
festgestellt, daß wegen der Gesamtstrafenbildung von einer Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der Verurteilung
aus dem Jahre 1968 von drei Jahren auszugehen sei. Damit, so heißt es in einem Vermerk, läge ein
Ausschließungsgrund nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 HHG noch nicht vor. Mit Schreiben vom 19. April 1990 teilte das
Hessische Sozialministerium dem Beklagten mit, daß der Beschädigte wegen Strafverfolgung gesucht werde und es
daher gebeten werde, die Zahlung der Versorgungsbezüge umgehend vorläufig einzustellen. Mit Schreiben vom 11.
Mai 1990 wurde der Beschädigte darüber informiert, daß anzunehmen sei, daß die Voraussetzungen für die Zahlung
von Versorgungsbezügen aufgrund der Ausschlußgründe gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 HHG nicht mehr gegeben seien, so
daß die Zahlung der Bezüge zunächst mit dem Ende des Monats Mai 1990 eingestellt werde. Die Rente für den Monat
Mai 1990 werde zurückgefordert. Am 4. Dezember 1990 teilte das Hessische Sozialministerium dem
Regierungspräsidenten mit, daß die Annahme bestünde, daß beim Beschädigten bereits die Voraussetzungen des § 1
Abs. 1 HHG nicht erfüllt seien. Im übrigen, so heißt es weiter in einer Anmerkung einer Durchschrift an den Beklagten,
seien die Versorgungsbezüge unabhängig von dem Ausgang des Verfahrens zur Überprüfung nach § 10 Abs. 4 HHG
durch den Regierungspräsidenten zu entziehen, da der Beschädigte aufgrund der erneuten Verurteilung durch das
Amtsgericht Wiesbaden vom 16. Juli 1990 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten insgesamt Freiheitsstrafen von
drei Jahren und fünf Monaten erhalten habe. Da die Versorgungsbezüge bereits vorläufig seit dem 1. Juni 1990
entzogen seien, könne zunächst der Ausgang des Verfahrens durch den Regierungspräsidenten abgewartet werden.
Dieser hob durch Bescheid vom 12. Februar 1992 die Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG auf und erklärte sie für
die Zukunft für ungültig. Nachdem ein Auszug aus dem Bundeszentralregister vom Generalbundesanwalt beim
Bundesgerichtshof vom 30. Oktober 1990, eingegangen bei dem Beklagten am 9. November 1990, zu den Akten
gelangt war, stellte der Beschädigte einen Antrag auf Weitergewährung von Versorgungsleistungen nach § 12 HHG im
Wege einer Härteregelung. Mit Bescheid vom 30. Juni 1992 hob der Beklagte den Bescheid vom 9. Januar 1984
wegen einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB 10) nach der
rechtskräftigen Verurteilung zu Freiheitsstrafen von mehr als drei Jahren auf. Zugleich stellte er fest, daß der
Beschädigte ab dem 1. Mai 1990 keinen Anspruch mehr auf die Zahlung von Versorgungsbezügen habe. Nach § 60
Abs. 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) trete eine Minderung oder Entziehung der Leistungen mit Ablauf des Monats
ein, in dem die Voraussetzungen für ihre Gewährung weggefallen seien. Hiergegen legte der Beschädigte am 23. Juli
1992 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 1992 zurückwies. Zuvor hatte
der Regierungspräsident in Darmstadt mit Bescheid vom 23. Juli 1992 seinen Bescheid vom 12. Februar 1992
aufgehoben und den ursprünglichen Rechtszustand wieder hergestellt. Der Antrag des Beschädigten auf Gewährung
von Leistungen im Rahmen der Härteregelung wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 12. November 1992 nach
Anweisung des Hessischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Sozialordnung vom 10. August 1992 und 8.
September 1992 abgelehnt. Der Widerspruch des Beschädigten vom 3. Dezember 1992 wurde mit
Widerspruchsbescheid vom 29. April 1993 vom Beklagten zurückgewiesen.
Wegen der Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides hat der Beschädigte am 3. Oktober 1992 Klage
beim Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Dieses hat durch Urteil vom 23. August 1994 die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, daß im vorliegenden Fall eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48
Sozialgesetzbuch 10 die Aufhebung und Rentenentziehung rechtfertige. Nach der Verurteilung zu einer weiteren
Freiheitsstrafe von fünf Monaten durch das Amtsgericht Wiesbaden, habe sich in der Person des Beschädigten ein
Ausschließungsgrund im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 HHG verwirklicht. Die Rentenentziehung sei auch zum Mai 1990
rechtmäßig, denn bereits im Mai 1990 habe eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr, als drei
Jahren vorgelegen, die lediglich durch den Beschluss zur Bildung einer Gesamtstrafe gemindert worden sei. Darüber
hinaus sei nach § 2 Abs. 5 HHG die Auszahlung einmaliger Leistungen auszusetzen, wenn ein Ermittlungsverfahren
oder Strafverfahren schwebe, welches zu einem Ausschluß unter anderem nach Abs. 1 Nr. 3 führen könne;
wiederkehrende Leistungen könnten ausgesetzt werden. So sei es zutreffend im Streitfall geschehen. § 2 HHG knüpfe
an objektiv nachprüfbare Tatsachen an, für Billigkeitserwägungen sei schon nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 HHG
kein Raum. Die Berücksichtigung der Verurteilung zur Freiheitsstrafe am 5. April 1968 trotz des Tilgungsgebotes nach
dem Bundeszentralregistergesetz (BZRG) unterläge nicht dem Verwertungsverbot.
Gegen dieses an den Beschädigten am 25. November 1994 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15. Dezember 1994
Berufung beim Sozialgericht Wiesbaden eingelegt.
Gegen den die Weitergewährung der Versorgungsleistungen im Wege des Härteausgleichs ablehnenden Bescheid hat
der Beschädigte am 27. Mai 1993 ebenfalls beim Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben. Nach Vorlage des
Erbscheins durch die Ehefrau des Beschädigten hat das Sozialgericht Wiesbaden durch Urteil vom 14. Mai 1996 die
Klage insoweit ebenfalls abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die angefochtenen Bescheide nicht zu
beanstanden seien, wobei wegen der ablehnenden Entscheidung ein Mitwirken des Bundesministers nicht erforderlich
sei. Unter Berücksichtigung der Ausschließungsgründe des § 2 HHG, die vom Gesetzgeber normiert worden seien,
kämen Billigkeitserwägungen nicht in Betracht. Insoweit läge eine Ermessensreduzierung auf Null vor, so daß die
Ablehnung der Leistung nicht mit Ermessenserwägungen zu treffen gewesen sei.
Gegen dieses der Klägerin am 17. Mai 1996 zugestellte Urteil hat sie am 30. Mai 1996 Berufung beim Hessischen
Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß die Argumentation des erstinstanzlichen
Gerichts nicht zwingend sei. Die Stellung des § 12 HHG innerhalb des Gesetzes lasse deutlich erkennen, daß die
Bestimmung sämtliche in den vorhergehenden Vorschriften angegebenen Maßnahmen umfassen solle. Zumindest
seien die Versorgungsleistungen bis zum Tod des Beschädigten im Wege des Härteausgleichs weiter zu gewähren.
Die Klägerin beantragt, die Urteile des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. August 1994 und 14. Mai 1996 sowie die
Bescheide des Beklagten vom 30. Juni 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1992 und
12. Juni 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1993 aufzuheben und den Beklagten zu
verurteilen, über den 1. Mai 1990 hinaus bis zum 30. November 1994 Versorgungsleistungen nach einer MdE von 40
v.H. an sie auszuzahlen, hilfsweise, diese Auszahlung im Wege des Härteausgleichs vorzunehmen, hilfsweise, den
Beklagten zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt, die Berufungen zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen in den erstinstanzlichen Urteilen für zutreffend.
Der Senat hat durch Beschluss vom 22. Oktober 1996 beide Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und
Entscheidung verbunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie zum Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten sowie den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen sind zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§
143, 151 SGG i.V.m. § 10 Abs. 3 HHG). Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist auch für die
von der Klägerin begehrten Leistungen nach § 12 HHG im Wege des Härteausgleichs gegeben. Die Leistungen des
Härteausgleichs nach § 12 HHG betreffen im vorliegenden Fall die dem verstorbenen Beschädigten ursprünglich
bewilligten Leistungen nach § 4 HHG. Für die Gewährung dieser Leistungen ist nach § 10 Abs. 1 HHG eine
Zuständigkeit der Behörden gegeben, denen die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes obliegt. In diesen
Fällen ist wiederum nach § 10 Abs. 3 HHG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben, denn
es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, soweit das HHG von den für die Kriegsopferversorgung
zuständigen Verwaltungsbehörden durchgeführt wird. Für dieses Verfahren sind die Vorschriften des
Sozialgerichtsgesetzes für Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung maßgebend (vgl. auch Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 1973, Az.: BVerwG VIIIc 140.72 in BVerwGE 42, 272 ff. und vom 19.
August 1986, Az.: 9 C 7/86 in ZfSH-SGB 1987, 201 f.).
Der Senat brauchte auch nicht die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister des Inneren und
das Hessische Ministerium für Frauen, Arbeit und Sozialordnung beizuladen. Es liegen insoweit weder die
Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 noch § 75 Abs. 2 SGG vor. Nach § 75 Abs. 1 SGG kann das Gericht von Amts
wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In
Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen. § 75 Abs. 2
SGG regelt die notwendige Beiladung bei Beteiligung an dem streitigen Rechtsverhältnis der Gestalt, daß die
Entscheidung gegenüber den Beteiligten und einem Dritten nur einheitlich ergehen kann. Die Bundesrepublik
Deutschland, vertreten durch Bundesminister des Inneren, hat keinen Antrag auf Beiladung gestellt. Auch werden die
berechtigten Interessen der Bundesrepublik Deutschland durch eine Entscheidung des Gerichts nach § 12 HHG im
vorliegenden Fall nicht berührt. Nach § 12 HHG kann die zuständige oberste Landesbehörde im Einvernehmen mit
dem für dieses Gesetz federführenden Bundesminister zur Vermeidung unbilliger Härten in Einzelfällen Maßnahmen
nach diesem Gesetz ganz oder teilweise zulassen. Bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt sich, daß ein
Einvernehmen mit dem federführenden Bundesminister nur dann herzustellen ist, wenn eine Maßnahme nach dem
Gesetz zugelassen werden soll. Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Im übrigen handelt es sich bei diesem
Einverständnis nicht um eine Voraussetzung, die zur Unwirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes führen
könnte. Genau wie dem Zustimmungserfordernis nach § 89 Abs. 1 BVG kommt dem Erfordernis der Herstellung des
Einverständnisses nur interne Bedeutung zu (vgl. hierzu nur Entscheidung des BSG vom 12. Dezember 1969, Az.: 8
RV 469/67, S. 10). Im sozialgerichtlichen Verfahren kann der Beschädigte nur die Versagung durch das
Versorgungsamt des betreffenden Landes angreifen, weil allein diese ihm gegenüber eine rechtliche Regelung
darstellt. Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle muß zugleich die gegebenenfalls erfolgte Versagung der Zustimmung,
an die das beklagte Land gebunden ist, auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden. Kommt das Gericht zu dem
Ergebnis, die Ablehnung des begehrten Verwaltungsaktes und der Zustimmung sei rechtswidrig, und ist die Sache
spruchreif, so verurteilt es die Behörde, die den Verwaltungsakt zu erlassen hat. Dies ist im vorliegenden Fall der
Beklagte. Soweit in § 12 HHG normiert ist, daß die Entscheidung über einen Härteausgleich durch die zuständige
oberste Landesbehörde zu treffen ist, ist auch, was die Beiladung betrifft, auf die Ausführungen zur
Rechtswegzuständigkeit zu verweisen. Im übrigen hat im vorliegenden Fall die oberste Landesbehörde durch das
Hessische Sozialministerium spätestens mit Schreiben vom 10. August 1992, in dem der Beklagte angewiesen
wurde, dem Beschädigten einen ablehnenden rechtsmittelfähigen Bescheid auf den Antrag nach § 12 HHG zu erteilen,
eine Entscheidung der obersten Landesbehörde getroffen. Daß diese Entscheidung durch den Beklagten auszuführen
war und damit auch nur dessen Verwaltungsentscheidung überprüfbar ist, ergibt sich zwangslos daraus, daß der
Beklagte auch für die Gewährung der über § 12 begehrten Leistungen des § 4 HHG zuständig wäre. Auch insoweit
besteht Weisungsbefugnis durch die zuständige oberste Landesbehörde, so daß diese nicht Dritte im Sinne des § 75
Abs. 2 SGG sein kann.
Die Berufungen sind auch teilweise begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 23. August 1994 ist
abzuändern. Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.
November 1992 ist teilweise rechtswidrig. Der verstorbene Beschädigte bzw. seine Erbin werden dadurch in ihren
Rechten verletzt. Der Beklagte ist verpflichtet, der Erbin des Beschädigten Versorgungsleistungen nach § 4 HHG,
nach einer MdE von 40 v.H., wie im Bescheid vom 9. Januar 1984 bewilligt, bis zum 31. Juli 1992 auszuzahlen. Für
den darüber hinausgehenden Zeitraum ist der Bescheid rechtmäßig. Dies gilt auch für den Bescheid des Beklagten
vom 12. November 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1993. Der verstorbene
vom 12. November 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 1993. Der verstorbene
Beschädigte wird hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt. Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 14. Mai
1996 ist nicht zu beanstanden. Die Berufung ist insoweit unbegründet.
Anders als vom Sozialgericht Wiesbaden angenommen, war der Beklagte nicht berechtigt, durch Bescheid vom 30.
Juni 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 1992 den Bescheid vom 9. Januar 1984
bereits mit Wirkung ab dem 1. Mai 1990 aufzuheben. Eine Rücknahme dieses Ausgangsbescheides für die
Vergangenheit ist nach § 48 SGB 10 nicht möglich. Nach § 48 Abs. 1 SGB 10 ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für
die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines
Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit
Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit zweitens der Betroffene einer durch
Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse
vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. § 45 Abs. 4 SGB 10 gilt entsprechend (§ 48 Abs. 4 SGB
10). Durch die rechtskräftige Verurteilung des Beschädigten am 24. Juli 1990 zu einer weiteren Freiheitsstrafe von
fünf Jahren ist eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 eingetreten. Durch dieses
Hinzutreten einer weiteren Haftstrafe ist der Beschädigte in der Bundesrepublik Deutschland zu insgesamt drei Jahren
und fünf Monaten Freiheitsentzug verurteilt worden. Damit lagen ab dem 1. August 1990 (§ 60 Abs. 4 Satz 3 BVG
i.V.m. § 4 Abs. 1 HHG) Ausschließungsgründe im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 HHG vor. Danach werden Leistungen
nach dem HHG nicht gewährt an Personen, die nach dem 8. Mai 1945 durch deutsche Gerichte wegen vorsätzlicher
Straftaten zu Freiheitsstrafen von insgesamt mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden sind.
Anders als dies das Sozialgericht annimmt, kann nicht bereits mit der Verurteilung des Beschädigten am 26. Februar
1986 zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat und zwei Wochen von dem Vorliegen dieses Ausschließungsgrundes
ausgegangen werden. Diese Freiheitsstrafe ist nämlich zusammen mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von
drei Monaten am 30. Juli 1985 durch Beschluss vom 16. Oktober 1986 zu einer Gesamtstrafe von vier Monaten
zusammengefaßt worden. Die Versorgungsverwaltung ist hinsichtlich der Dauer des Freiheitsentzuges an die
Entscheidungen der Strafjustiz gebunden. Dies gilt auch dann, wenn nachträglich im Rahmen einer
Gesamtstrafenbildung die Gesamtfreiheitsstrafe reduziert wird. Anderenfalls müßte die Versorgungsverwaltung ihre
Bewertung anstelle die der Strafjustiz setzen, auch in Fällen, in denen eine Gesamtstrafenbildung wegen mehrerer
Straftaten von Anfang an erfolgt. Dies widerspricht dem System der Gewaltenteilung.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist in die Beurteilung zum Vorliegen eines Ausschließungsgrundes nach § 2
Abs. 1 Nr. 3 HHG jedoch auch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten vom 5.
April 1968 einzubeziehen. Dem stehen die Regelungen des BZRG nicht entgegen. Nach § 45 BZRG vom 18. März
1971 in der Fassung vom 21. September 1984 werden Eintragungen über Verurteilungen zwar nach Ablauf einer
bestimmten Frist getilgt. Im Falle des Beschädigten betrug die Tilgungsfrist nach § 46 Abs. 1 Nr. 3 BZRG 15 Jahre.
Wenn die Eintragung über eine Verurteilung zu tilgen ist, so dürfen die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen zwar
im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden (§ 51 Abs. 1 BZRG).
Allerdings werden gemäß § 51 Abs. 2 BZRG gesetzliche Rechtsfolgen der Tat, zum Beispiel die Verwirkung von
Ansprüchen nach dem HHG von dem Eintritt der Tilgungsreife nicht berührt (vgl. Erläuterungen in: Das Deutsche
Bundesrecht, II B 72, S. 40 zu § 51 BRZG, Stand: März 1995).
Die Ungültigerklärung der Bescheinigung des Regierungspräsidenten Darmstadt nach § 10 Abs. 4 HHG führt zwar
nach § 10 Abs. 8 HHG dazu, daß Leistungen nach dem HHG einzustellen sind. Durch Bescheid vom 23. Juli 1992 hat
der Regierungspräsident Darmstadt jedoch seine Ungültigerklärung wieder aufgehoben. Da aber die Bescheinigung
nach § 10 Abs. 4 HHG unabhängig von der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 HHG, der wiederum
voraussetzt, daß keiner der Ausschließungsgründe des § 2 HHG gegeben sind, erfolgt, ist das Handeln des
Regierungspräsidenten Darmstadt für die Feststellung einer wesentlichen Änderung im Sinne des § 48 SGB 10,
soweit es um die Gewährung von Leistungen nach § 4 HHG geht, nicht von Bedeutung. Damit war eine Aufhebung
des Bewilligungsbescheides vom 9. Januar 1984 mit Wirkung ab dem 1. August 1992, der Bescheid vom 30. Juni
1992 wurde dem Beschädigten im Juli 1992 bekannt gegeben, vorzunehmen.
Soweit der Beklagte vor dem Erlaß seiner Aufhebungsentscheidung vom 30. Juni 1992 kein förmliches
Anhörungsverfahren nach § 24 SGB 10 durchgeführt hat, ändert dies nichts an der Befugnis zur Aufhebung der
Bewilligungsentscheidung vom 9. Januar 1984 ab dem 1. August 1992. Zum einen ist nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts davon auszugehen (vgl. Entscheidung des BSG vom 28. Juli 1977, Az.: 2
RU 31/77, BSGE 44, 207), daß durch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens eine Möglichkeit zur Anhörung
eingeräumt wurde, so daß dieser Verfahrensmangel geheilt ist. Zum zweiten hat der Beklagte mit Schreiben vom 11.
Mai 1990 den Beschädigten bereits darauf hingewiesen, daß anzunehmen sei, daß die Ausschlußgründe des § 2 Abs.
1 Nr. 3 HHG in Zukunft gegeben seien. Hierzu hat der Beschädigte durch seinen Prozeßbevollmächtigten auch mit
Schriftsatz vom 17. September 1990 Stellung genommen.
Eine Aufhebung des Bescheides vom 9. Januar 1984 vom Zeitpunkt der Änderung an, durch Bescheid vom 30. Juni
1992, also ab dem 1. August 1990 und nicht wie von dem Beklagten angenommen ab dem 1. Mai 1990, es wird
insoweit auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen, war jedoch nicht möglich. Zwar hat der Beschädigte eine
Mitteilungspflicht im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB 10 bezüglich der Freiheitsstrafen ab 1986 verletzt. Auch
wäre er verpflichtet gewesen, insbesondere die wesentliche Verurteilung vom 16. Juli 1990, die zum Vorliegen des
Ausschließungsgrundes nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 HHG führte, mitzuteilen. Er ist auf diese Verpflichtung in der Anlage
zum Bescheid vom 9. Januar 1984 hingewiesen worden. Dort heißt es unter der Überschrift Hinweise über die
Anzeigeverpflichtung der Versorgungsberechtigten nach dem Bundesversorgungsgesetz: " Sie werden gebeten, die
für sie zutreffenden nachstehenden Hinweise genau zu beachten: Bei allen Versorgungsberechtigten sind
insbesondere folgende Veränderungen der Verhältnisse anzuzeigen, auch wenn nur Anspruch auf Grundrente besteht:
c) Die Verbüßung einer Freiheitsstrafe oder die Anordnung der Sicherheitsverwahrung oder einer anderen mit
Freiheitsentzug verbundenen Maßnahme der Sicherung und Besserung ”. Allerdings war dem Beklagten durch
Schreiben des Hessischen Sozialministeriums vom 19. April 1990, also noch vor Rechtskraft der letzten
entscheidenden Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bereits bekannt, daß der Beschädigte wegen Strafverfolgung
gesucht wurde. Der Beklagte hat daraufhin auf Anweisung des Sozialministeriums auch die Zahlung von
wiederkehrenden Leistungen durch Verfügung vom 23. April 1990 vorläufig eingestellt. Im Dezember 1990 ist der
Beklagte von dem Hessischen Sozialministerium darauf hingewiesen worden, daß der Beschädigte zu einer
Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt worden ist und es heißt in einer an den Beklagten gerichteten Verfügung
des Ministeriums unter drittens Anmerkung: " Die Versorgungsbezüge nach dem HHG sind unabhängig vom Ausgang
des Verfahrens zu Ziffer 1) (dies betrifft die Ungültigerklärung der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG) zu
entziehen, da Herr T. aufgrund der erneuten Verurteilung durch das Amtsgericht Wiesbaden vom 16. Juli 1990 zu fünf
Monaten Freiheitsstrafe insgesamt Freiheitsstrafen von drei Jahren und fünf Monaten erhalten hat. Die Rente ist daher
nach § 2 Abs. 1 Ziffer 3 HHG zu entziehen ”. Der Bundeszentralregisterauszug ist bei dem Beklagten am 12.
November 1990 eingegangen. Damit hatte der Beklagte spätestens am 12. November 1990 Kenntnis von den, die
Aufhebung wegen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse rechtfertigenden
Tatbestandsmerkmalen. Auch hatte er aufgrund der Anweisung des Ministeriums im Dezember 1990 bereits die
rechtlichen Konsequenzen dieser neuen Tatsachen erkannt. Damit hätte der Beklagte nach § 48 Abs. 4 i.V.m. § 45
Abs. 4 Satz 2 innerhalb eines Jahres spätestens nach dem 12. November 1990 den damit rechtswidrig gewordenen
Bescheid vom 9. Januar 1984 zurücknehmen müssen. Nur dann wäre eine Rücknahme für die Vergangenheit
gerechtfertigt gewesen. Dies hat der Beklagte jedoch nicht getan, sondern er hat erst am 30. Juni 1992, also 19
Monate nach sicherer Kenntnis der die Aufhebung rechtfertigenden Tatsachen den Rücknahmebescheid erlassen. Der
Senat hat bei seiner Bewertung insoweit auch die Entscheidung des 13. Senats des Bundessozialgerichts vom 8.
Februar 1996 (Az.: 13 RJ 35/94) berücksichtigt. Dort hat der 13. Senat ausgeführt, daß die Jahresfrist des § 45 Abs. 4
Satz 2 SGB 10 erst dann zu laufen beginne, wenn die Behörde entweder objektiv eine sichere Kenntnis der Tatsachen
hatte, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit
rechtfertigen, oder subjektiv von der Richtigkeit und Vollständigkeit der ihr vorliegenden Informationen überzeugt war.
Unter Berücksichtigung der Anweisung des Hessischen Sozialministeriums in der Anmerkung zum Schreiben vom 4.
Dezember 1990 und des Eingangs des Bundeszentralregisterauszuges am 12. November 1990 bei dem Beklagten
bestand bei diesem spätestens am 13. November 1990 ausreichende Gewißheit hinsichtlich Art und Umfang der
entscheidungserheblichen Tatsachen, selbst unter Berücksichtigung seines rechtlichen Standpunktes bzw. der vom
Sozialministerium gegebenen Anweisungen (vgl. hierzu Entscheidung des BSG vom 8. Februar 1996, a.a.O., S. 9).
Soweit es in der Anmerkung aus dem Sozialministerium vom 4. Dezember 1990 heißt: da die Versorgungsbezüge
bereits vorläufig seit dem 1. Juni 1990 entzogen seien, könne zunächst der Ausgang des Verfahrens bezüglich der
Ungültigerklärung der Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 HHG abgewartet werden, so ist dies zwar in Bezug auf die
Fristen nach § 48 SGB 10 i.V.m. § 45 SGB 10 eine unzutreffende rechtliche Folgerung. Dies kann jedoch keine
Auswirkungen auf die Bemessung der Frist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB 10 haben. So hat auch das
Bundessozialgericht in der zuvor benannten Entscheidung (a.a.O., S. 9) ausdrücklich festgestellt, daß von § 45 Abs.
4 Satz 2 SGB 10 auch die – dazwischen liegenden – Fälle erfaßt würden, in denen die Behörde ihr bekannte
Tatsachen falsch interpretiere und deshalb noch im tatsächlichen Bereich, also nicht erst bei der Rechtsanwendung
falsche Schlüsse ziehe. Eine falsche Interpretation im tatsächlichen Bereich ist im vorliegenden Fall nicht gegeben,
denn der Beklagte war mit der Anweisung des Sozialministeriums ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß dem
Beschädigten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 die Leistungen nach § 4 HHG nicht mehr zustünden.
Der vom Sozialministerium offensichtlich vertretenen Auffassung, daß die vorläufige Entziehung der
Versorgungsbezüge ab dem 1. Juni 1990 bzw. 1. Mai 1990 bereits ausreiche, vermag der Senat nicht zu folgen. Die
Mitteilung über die vorläufige Einstellung der Zahlung von Versorgungsleistungen an den Beschädigten vom 11. Mai
1990 entspricht in keiner Weise den Anforderungen, die an einen Bescheid nach § 48 SGB 10 zu stellen sind.
Abgesehen davon, daß in diesem Schreiben weder eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 9. Januar 1984
erwähnt wird, was allerdings nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 8. März 1995 (Az.: 9 RVh 1/93, S.
3 f.) nicht von Bedeutung ist, ist in dieser Mitteilung ausdrücklich nur die Rede von einer Einstellung der Bezüge:
"zunächst”. Diese Mitteilung entspricht darüber hinaus nicht den gesetzlichen Vorschriften des § 2 Abs. 5 HHG. Dort
heißt es nämlich, daß dann, wenn ein Strafverfahren schwebt, wiederkehrende Leistungen ausgesetzt werden können.
Ermessenserwägungen hat der Beklagte in dieser Mitteilung jedoch nicht erkennbar zum Ausdruck gebracht, sondern
er hat ausschließlich darauf hingewiesen, daß sich ein gesetzlicher Ausschlußtatbestand durch eine weitere
Strafverfolgung verwirklichen könne. Selbst wenn es sich also bei dieser Mitteilung um einen Bescheid handeln sollte,
so wäre der Formfehler der mangelnden Begründung nach den §§ 42 und 41 SGB 10 gegenüber dem Beschädigten
frühestens durch Bescheid vom 30. Juni 1992 geheilt worden. Dies kann jedoch nicht dazu führen, daß die Frist des §
48 Abs. 4 Satz 2 SGB 10, die zudem unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ausführungen erst vier Monate
nach Erteilung der Mitteilung zu laufen begonnen hat, keine Rechtswirkung mehr entfaltet. Dies gilt um so mehr, als §
2 Abs. 5 HHG nach dem ausdrücklichen Wortlaut nur eine vorläufige Regelung zulassen will und die Frist des § 48
Abs. 4 Satz 2 die Funktion hat, einen Schwebezustand, von dem ein Betroffener Kenntnis hat, spätestens nach
einem Jahr zumindest insoweit zu beenden, als dann nur noch eine Aufhebung einer ursprünglich begünstigenden
Verwaltungsentscheidung und damit gegebenenfalls eine Rückforderung von Leistungen nach § 50 SGB 10 für die
Zukunft erfolgen darf.
Der Beklagte ist mithin verpflichtet, bis zum Ablauf des Monats der Bekanntgabe des Bescheides vom 30. Juni 1992,
der, wie eingangs ausgeführt, für die Zukunft rechtmäßig ist, Versorgungsbezüge in dem durch Bescheid vom 9.
Januar 1984 bewilligten Umfang an die Erbin des verstorbenen Beschädigten auszuzahlen.
Darüber hinaus hat sie keinen Anspruch auf Leistungen, auch nicht im Wege des Härteausgleichs nach § 12 HHG.
Danach kann die zuständige oberste Landesbehörde im Einvernehmen mit dem für dieses Gesetz federführenden
Bundesminister zur Vermeidung unbilliger Härten in Einzelfällen Maßnahmen nach diesem Gesetz ganz oder teilweise
zulassen. Zutreffend geht das Vordergericht davon aus, daß unter Maßnahmen nach dem HHG auch die Gewährung
von Leistungen nach § 4 HHG zu verstehen sind und zwar dann, wenn im Einzelfall eine unbillige Härte vorliegt, die
es zu vermeiden gilt. Diese Regelung ist der des § 89 Bundesversorgungsgesetz (BVG) nachgebildet (vgl. BT-
Drucksache II (1953) 1450, S. 11). Bei dem Begriff der unbilligen Härte oder, wie es in § 89 BVG heißt, der
besonderen Härte, handelt es sich nach der herrschenden Lehre um einen unbestimmten Rechtsbegriff (vgl.
Rohr/Sträßer, BVG-Kommentar, § 89, Anm. 1, 48. Lieferung, Stand: August 1995). Die Ausfüllung dieses Begriffs
unterliegt damit der vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit. Zu berücksichtigen ist dabei, daß zu differenzieren ist
zwischen einer Härte, die der Gesetzgeber gewollt hat, bzw. bewußt in Kauf genommen hat und einer unbewußten
Härte, die er im Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes übersehen hat bzw. die nicht vorgesehen war. So heißt
es denn auch in der Gesetzesbegründung zu § 12 HHG, daß die Erfahrungen bei der Anwendung des
Bundesversorgungsgesetzes gezeigt hätten, daß die Aufnahme einer Härteklausel auch in das HHG notwendig sei
(vgl. BT-Drucksache, a.a.O., S. 11 und II (1953) 2637, S. 4). Dabei dürfen allerdings die fundamentalen Vorschriften
des jeweiligen Rechtsbereiches nicht durch einen Härteausgleich ausgehöhlt oder umgangen werden. Dies wäre
jedoch der Fall, wollte man der Klägerin einen Anspruch auf Auszahlung der Leistungen nach § 4 HHG über den 31.
Juli 1992 im Wege des Härteausgleichs zubilligen. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich in § 2 Abs. 1 Nr. 3 HHG den
Ausschließungsgrund der rechtskräftigen Verurteilung zu einer vorsätzlichen Straftat von mehr als drei Jahren
Freiheitsentzug normiert. Er hat damit bewußt in Kauf genommen, daß den Personen, bei denen dieses
Tatbestandsmerkmal des Ausschließungsgrundes verwirklicht ist, keine Leistungen nach dem HHG mehr gewährt
werden. Der Ausschluß dieses Personenkreises von der Leistungsgewährung nach dem HHG entspricht mithin dem
Plan des Gesetzgebers. Inwieweit trotzdem eine Gewährung von Leistungen nach § 4 Abs. 1 HHG wegen einer
finanziellen Notlage in Betracht käme, ist keine Frage der unbilligen Härte, sondern wäre allenfalls im Rahmen der
Ermessensausübung zu berücksichtigen. Bei der Ermessensentscheidung ist nämlich zu prüfen, ob ein
wirtschaftliches Bedürfnis für die Ausgleichsleistung vorliegt (vgl. Rohr/Sträßer, a.a.O., § 89, Anm. 3). Derartige
Ermessenserwägungen waren jedoch vom Beklagten nicht mehr anzustellen, denn im vorliegenden Fall liegt bereits
das Tatbestandsmerkmal der unbilligen Härte nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht gegeben sind.