Urteil des LSG Hessen vom 24.06.2009

LSG Hes: vergütung, ausdehnung, verhinderung, arztpraxis, bindungswirkung, vergleich, ergänzung, anpassung, versorgung, unterliegen

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 24.06.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 530/07
Hessisches Landessozialgericht L 4 KA 85/08
Bundessozialgericht B 6 KA 27/09 R
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. September 2008 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Umstritten ist die Höhe des Honorars des Klägers im Quartal IV/05, wobei sich die Beklagte mit der Berufung gegen
die Verpflichtung wendet, sämtliche Leistungen aus Abschnitt III. 4.1 des Beschlusses des Bewertungsauschusses
vom 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen (BRLV) außerhalb des Regelleistungsvolumens zu
vergüten und auf eine Kürzung des Honorars im Rahmen der Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 der Vereinbarung
zur Honorarverteilung (HVV) in der ab 1. April 2005 geltenden Fassung zu verzichten.
Nach Ziffer 7.5 des HVV der Beklagten galt folgende Ausgleichsregelung:
"7.5.1 Zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000 plus erfolgt nach
Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziffer 7.2 ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal
berechneten fallbezogenen Honoraranspruches (Fallwert in EUR) der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen
Honorarzahlung in EUR im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 ausschließlich beschränkt auf
Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen
genehmigungsbedürftigen psychotherapeutischen Leistungen. Bei der Ermittlung des Fallwertes bleiben Fälle, die
gemäß Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.1 zur Honorierung kommen, unberücksichtigt. Zeigt der Fallwertvergleich eine
Fallwertminderung oder Fallwerterhöhung von jeweils mehr als 5% (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004),
so erfolgt eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5%. Die für eine Stützung bei
Fallwertminderungen - Einzelheiten siehe Ziffer 7.5.2 - notwendigen Honoraranteile gehen zu Lasten der jeweiligen
Honorar(unter)gruppe, der die Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet ist, und sind gegebenenfalls durch
weitergehende Quotierung der Bewertungen bzw. Punktwerte zu generieren, falls die aus der Begrenzung der Fallwerte
auf einen Zuwachs von 5% resultierende Honoraranteile hierfür nicht ausreichen sein sollten. Sollte durch eine solche
Quotierung die Fallwertminderung (wieder) auf einen Wert oberhalb von 5% steigen, führt dies zu keinem
weitergehenden Ausgleich.
7.5.2 Ein Ausgleich von Fallwertminderungen bis zu der Grenze von 5% erfolgt grundsätzlich auf der Basis
vergleichbarer Praxisstrukturen und maximal bis zu der Fallzahl, die im entsprechenden Quartal des Jahres 2004 zur
Abrechnung gekommen ist. Ein Ausgleich ist in diesem Sinne u. a. dann ausgeschlossen, wenn im aktuellen Quartal
im Vergleich zum Vorjahresquartal erkennbar (ausgewählte) Leistungsbereiche nicht mehr erbracht wurden oder sich
das Leistungsspektrum der Praxis, u. a. als Folge einer geänderten personellen Zusammensetzung der Praxis,
verändert hat. Er ist des Weiteren ausgeschlossen, wenn sich die Kooperationsform der Praxis entsprechend Ziffer
5.2 Buchstaben g. im Vergleich zum entsprechenden Vorjahresquartal geändert hat. Beträgt die Fallwertminderungen
mehr als 15%, ist eine auf die einzelne Praxis bezogene Prüfung im Hinblick auf vorstehend aufgeführte Kriterien
durchzuführen, bevor eine Ausgleichszahlung erfolgt. Ausgleichsfähige Fallwertminderungen oberhalb von 15%
müssen vollständig ihre Ursache in der Einführung des EBM 2000 plus haben.
7.5.3 Die vorstehende Ausgleichsvorschrift steht im Übrigen unter dem Vorbehalt, dass von Seiten der Verbände der
Krankenkassen mindestens eine gegenüber dem Ausgangsquartal vergleichbare budgetierte
Gesamtvergütungszahlung geleistet wird und die aufgrund der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses vom
29. Oktober 2004 vorzunehmenden Honorarverschiebungen nach Abschluss des Abrechnungsquartals siehe Ziffer 2.5
der Anlage 1 bzw. 2 zu Ziffer 7.2 - noch ein ausreichendes Honorarvolumen für diese Maßnahme in der einzelnen
Honorar(unter)gruppe belassen".
Der Kläger ist als Facharzt für Anästhesiologie mit Praxissitz in C-Stadt zugelassen. Er führte bis zum Quartal IV/05
eine Einzelpraxis. Seit dem Quartal I/06 ist er mit dem Facharzt für Anästhesiologie Dr. D. D. in einer überörtlichen
Gemeinschaftspraxis tätig.
Die Beklagte setzte in den Quartalen I bis IV/05 das Honorar des Klägers zunächst mit Honorarbescheid vom 28.
November 2006 fest, den sie dann wegen verschiedener Neuregelungen zum ambulanten Operieren für das Quartal
IV/05 durch den Honorarbescheid vom 06.08.2007 ersetzte.
Für das Quartal IV/05 setzte die Beklagte das Nettohonorar der Klägerin auf insgesamt 62.467,16 EUR fest, das
Bruttohonorar betrug bei einer Fallzahl von 321 (Primärkassen - PK und Ersatzkassen - EK) 61.283,43 EUR. Bei
einem Fallpunktwert von 1.616,0 Punkten ergab sich bei der zuvor genannten Fallzahl ein praxisbezogenes
Regelleistungsvolumen in Höhe von 518.736,0 Punkten, hinter dem das abgerechnete Honorarvolumen von 518.425,0
Punkten zurückblieb.
Unter Anwendung der zuvor zitierten Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV gelangte die Beklagte je Fall zu einem
Korrekturbetrag in Höhe von 25,6758 EUR und somit bei 321 Fällen zu einem Honorarkürzungsbetrag in Höhe von
insgesamt 8.241,92 EUR.
Mit dem dagegen am 26. Januar 2007 eingelegten Widerspruch wandte sich der Kläger zum einen gegen die
Honorarkürzung nach Ziffer 7.5 HVV und begehrte die Vergütung sämtlicher Leistungen innerhalb des
Regelleistungsvolumens mit einem Punktwert von 5,11 Cent, der der Kalkulation der Leistungen nach dem
Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen ab 1. April 2005 (EBM 2000 plus) zugrunde gelegen habe.
Zwar habe die Beklagte im HVV für die innerhalb des Regelleistungsvolumens abzurechnenden Leistungen einen
Punktwert von 4,0 Cent mit den Krankenkassen vereinbart, dieser sei aber nach dem HVV weiter quotiert worden und
habe im Bereich der PK 2,344 Cent und im Bereiche der EK 3,087 Cent betragen. Außerdem verstoße der
Honorarbescheid gegen das Transparenzgebot, weil nicht nachvollziehbar sei, welche abgerechneten Leistungen
innerhalb oder außerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet worden seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 18. Dezember 2007 beim Sozialgericht Marburg Klage erhoben, mit der er weiterhin ein
höheres Honorar mit der Begründung angestrebte, innerhalb des Regelleistungsvolumens habe keine Quotierung
erfolgen dürfen und die Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV sei rechtswidrig, soweit sie zu einer Honorarkürzung
führe. Die Beklagte habe außerdem Ziffer III 4.1 BRLV nicht umgesetzt, weil sie danach außerhalb des
Regelleistungsvolumens zu vergütende Leistungen, wie etwa das Aufsuchen eines Kranken durch Anästhesiologen
(Nr. 05230 EBM), innerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet habe.
Anfang 2008 berechnete die Beklagte die Abrechnung des Quartals IV/05 neu unter zusätzlicher Berücksichtigung
von ca. 500 Operations-Codes (Begleit- bzw. Ankündigungsschreiben vom 14. Januar 2008, Abrechnung Stand 7.
Februar 2008, Honorarbescheid vom 06.08.07) unter Beibehaltung der vorliegend umstrittenen Berechnungspunkte.
Mit Urteil vom 24. September 2008 hat das Sozialgericht Marburg die Beklagte unter Abänderung ihres
Honorarbescheids für das Quartal IV/05 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2007 verurteilt,
die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen hat es die Klage als
unbegründet abgewiesen.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der angegriffene Honorarbescheid sei rechtswidrig, weil die
Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV, jedenfalls soweit sie zu Kürzungsbeträgen führe, gegen höherrangiges Recht
verstoße. Nach § 85 Abs. 4 S. 1 SGB V bestimme der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der
Gesamtvergütung nach § 85a Abs. 4 SGB V. Dem sei der Bewertungsausschuss u. a. durch den Beschluss in seiner
93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen
Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V (BRLV) mit Wirkung zum 1. Januar 2005 nachgekommen (DÄBl. 2004, Heft
46, S. A-3129). Hierbei handle es sich um verbindliche Vorgaben, die von der Beklagten zu beachten seien. Der BRLV
sei gemäß § 85 Abs. 4 S. 10 SGB V Bestandteil des HVV und gehe als bundeseinheitliche Regelung einer eventuell
abweichenden vertraglichen Regelung im HVV vor (Hinweis auf SG Marburg, Urteil vom 26. September 2007, S 12 KA
822/06 und Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 23. April 2008, L 4 KA 69/07, Juris, Revision beim BSG
anhängig, B 6 KA 31/08 R). Die Kürzungsregelung unter Ziffer 7.5 HVV führe faktisch zu einem praxisindividuellen
Individualbudget und verstoße damit gegen die Honorarverteilungsregelungen im BRLV. Auf die Ausnahmeregelung
unter Ziffer III 2.2 BRLV könne sich die Beklagte insoweit nicht berufen, denn danach hätten nur bereits vor dem 1.
April 2005 bestehende Steuerungsinstrumente noch bis zum 31. Dezember 2005 fortgeführt werden können, Ziffer 7.5
HVV sei aber erst zum 1. April 2005 als Ausgleichsregelung zur Einführung des EBM 2000 plus geschaffen worden.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) zur Verbindlichkeit der Bestimmungen des EBM für die
Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄV) bei der Aufstellung des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM), wonach ein
HVM, der sich in Widerspruch zu verbindlichen Vergütungsvorgaben des EBM setzt, rechtswidrig und nichtig ist
(Hinweis auf BSG, Urteil vom 8. März 2000, B 6 KA 7/99 R, Juris Rdnr. 34-36), sei entsprechend auf die Beachtung
des BRLV durch die KÄV zu übertragen. Damit gehe auch das BSG davon aus, dass der Bewertungsausschuss
verbindliche Vorgaben für die Honorarverteilung zu erlassen habe. Dass es sich hierbei um bloße "Empfehlungen"
handle, lasse sich weder aus dem Gesetz noch aus der Rechtsprechung herleiten. Auf eine von Anfang an
rechtswidrige Regelung seien aber auch die Grundsätze einer sogenannten Anfangs- und Erprobungsregelung nicht
anzuwenden.
Ferner sei der Honorarbescheid rechtswidrig, soweit die Beklagte Leistungen, die nach Abschnitt III.4.1 BRLV
außerhalb des Regelleistungsvolumens zu vergüten seien, innerhalb desselben vergütet habe. Die nach Ziffer 6.4
HVV nicht innerhalb des Regelleistungsvolumens sondern zu festen Punktwerten zu vergütenden Leistungen
umfassten nur zum Teil die in Abschnitt III. 4.1 BRLV aufgeführten Leistungen. Hierdurch sei auch die Berechnung
des Regelleistungsvolumens fehlerhaft. Die Beklagte sei insoweit zur Neubescheidung (des Honoraranspruchs des
Klägers für das Quartal I/06) verpflichtet.
Im Übrigen jedoch sei die Klage als unbegründet abzuweisen gewesen. Der Honorarbescheid sei ausreichend
begründet, er enthalte die für die Berechnung des Honorars maßgeblichen Faktoren: die Honoraranforderung, von der
die Beklagte ausgegangen sei, das Ergebnis der durchgeführten Honorarbegrenzungsmaßnahmen, die zu Grunde
gelegten Punktwerte und die vorgenommenen Abzüge. Auch soweit die Beklagte für die Leistungen innerhalb des
Regelleistungsvolumens keinen festen, im Vorhinein fest vereinbarten Punktwert vergütet habe, sei dies von der
Kammer nicht zu beanstanden.
§ 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V sehe zwar vor, dass insbesondere arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen sind,
bis zu denen die von einer Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind
(Regelleistungsvolumina). Entsprechend sehe Ziffer 6.4 HVV zunächst vor, dass die nach Abzug der
Vorwegvergütungen und zu festen Punktwerten vergüteten Leistungen dann noch verbleibenden Honorarforderungen
der Praxis der Bewertung mit einem Punktwert von 4,0 Ct. bis zu dem nach Ziffer 6.3 HVV für das aktuelle Quartal
festgestellten praxisindividuellen Regelleistungsvolumen unterliegen. Darüber hinausgehende Honorarforderungen
seien mit einem Punktwert von mindestens 0,51 Ct. zu bewerten.
Die Kammer halte die Vertragsparteien des Honorarverteilungsvertrages aber für gerade noch befugt, diesen
Punktwert zu quotieren, d. h. davon abhängig zu machen, welches Honorarvolumen den abgerechneten Leistungen
gegenübersteht, soweit die Quotierung auf honorarvertraglicher Grundlage erfolgt. Aber auch unterstellt, es sei von
einer Rechtswidrigkeit der Quotierungsregelungen auszugehen, so bestehe kein Anspruch auf eine Vergütung zu
einem Punktwert von 4 Ct. Die Regelungen zur Festvergütung von 4 Ct. und zur Quotierung bildeten insofern eine
Einheit. Hielte man eine Quotierung für unzulässig, so könne die Beklagte bzw. die Vertragsparteien nur verpflichtet
werden, einen festen Punktwert rückwirkend festzusetzen bzw. zu vereinbaren, der aber angesichts der begrenzten
Gesamtvergütung nicht höher als der im Ergebnis quotierte Punktwert liegen könne.
Es habe auch keine Verpflichtung zur Auszahlung eines festen Punktwerts von 5,11 Ct. bestanden. Zutreffend habe
die Beklagte dargelegt, dass der Bewertungsausschuss insofern zum Inkrafttreten des EBM 2005 keine bindende
Vorgabe - weder generell noch für einzelne Leistungsbereiche - gemacht habe. Soweit der EBM 2005 auf der
Grundlage einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation mit einem Punktwert von 5,11 Ct. erstellt worden sei, handele es
sich um eine Rechengröße. Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Auszahlung eines festen Punktwerts sei
nicht ersichtlich. Vielmehr beschränke sich der Anspruch des Vertragsarztes auf die Teilnahme an der
Honorarverteilung und beziehe sich nicht auf einen bestimmten Honoraranspruch (§ 85 Abs. 4 SGB V).
Auch soweit sich der Kläger letztlich gegen eine zu geringe Vergütung seiner Leistungen wende, könne dies keinen
höheren Honoraranspruch begründen.
Gegen das ihr am 6. Oktober 2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. Oktober 2008 Berufung zum Hessischen
Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Sie hält die Auffassung des Sozialgerichts und auch des erkennenden Senats zur Bindungswirkung des BRLV für
unzutreffend. Der Beklagten habe außerdem im Rahmen einer Anfangs- und Erprobungsregelung ein erweiterter
Gestaltungsspielraum zugestanden, der ihr Abweichungen von den Vorgaben des BRLV im geschehenen Umfang
erlaubt habe. Außerdem sei ihr durch den BRLV an verschiedenen Stellen ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt.
Im Übrigen stehe der Katalog unter III. 4.1 BRLV selbst im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorgaben und sei daher
rechtswidrig. Der Handlungsspielraum des Bewertungsauschusses ergebe sich aus § 85 Abs. 4a SGB V. Danach
habe dieser Kriterien für die Verteilung der Gesamtvergütung nach § 85 Abs. 4 SGB V festzulegen, " ... diese aber
insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und fachärztliche Versorgung bzw. den Inhalt
der nach § 85 Abs. 4 S. 4, 6,7, und 8 SGB V zu treffenden Regelungen zu bestimmen". § 85 Abs. 4 SGB V stelle
bereits eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Einführung der Regelleistungsvolumina durch die
Vertragspartner dar, die nicht hinsichtlich einzelner Leistungen beschränkt sei. Eine Ermächtigung des
Bewertungsausschusses, bestimmte Leistungen von der Systematik des Regelleistungsvolumens auszunehmen,
enthalte das Gesetz nicht. Der Verteilungsmaßstab habe Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen
Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes seien insbesondere
arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer Arztgruppe erbrachten Leistungen mit
festen Punktwerten zu vergüten seien (Regelleistungsvolumina). Soweit der erkennende Senat in seiner Entscheidung
vom 23. April 2008 (L 4 KA 69/07) davon ausgehe, Regelleistungsvolumina seien nicht die einzige
Gestaltungsmöglichkeit für mengenbegrenzende Regelungen, wie sich aus der einleitenden Formulierung
"insbesondere" ergebe, möge dies auf den ersten Blick einleuchten. Hiergegen spreche jedoch bereits der vom Senat
gleichfalls angenommene und seiner Entscheidung zu Grunde gelegte gesetzgeberische Wille, Regelleistungsvolumen
verbindlich vorzuschreiben. Aber selbst wenn Regelleistungsvolumina nicht die einzigen zulässigen
Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Zusammenhang seien, sei der Bewertungsausschuss nicht ermächtigt, einzelne
Leistungen vom Regelleistungsvolumen auszunehmen. Der Bewertungsausschuss sei lediglich befugt, Regelungen
zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen, nicht jedoch
festzulegen, welche Leistungen einer übermäßigen Ausdehnung nicht zugänglich seien. Bundeseinheitlich vorgegeben
werden dürften lediglich solche Vergütungsstrukturen, die einer bundeseinheitlichen Regelung bedürften. Der
Beklagten stehe zusammen mit den Verbänden der Krankenkassen insoweit eine eigene Gestaltungsfreiheit zu.
Außerdem habe der Bewertungsausschuss auch Leistungen vom Regelleistungsvolumen ausgenommen, die
durchaus einer Mengenausweitung zugänglich seien. Es liege nahe, dass hier bestimmte Leistungen gefördert werden
sollten. Hierbei handle es sich jedoch um sachfremde Erwägungen, mit denen der Bewertungsausschuss die eigene
Gestaltungsbefugnis überschreite. Die Ausgleichsregelung unter Ziffer 7.5 HVV sei auch rechtmäßig, soweit dort
Kürzungsbeträge vorgesehen seien. Insoweit sei es nicht möglich, danach zu differenzieren, ob ein Ausgleichsbetrag
zu gewähren oder ein Kürzungsbetrag abzuziehen sei. Auch insoweit komme dem BRLV keine Bindungswirkung zu.
Schließlich stehe der Beklagten nach der Rechtsprechung des Senats unter dem Gesichtspunkt der Anfangs- und
Erprobungsregelung insoweit ein besonders weiter Ermessensspielraum zu (Hinweis auf Urteil vom 26. November
2008, L 4 KA 14/08).
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 24. September 2008 abzuändern und die Klage
insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er stützt sich auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils und trägt ergänzend vor, dass der
Bewertungsausschuss gemäß § 85 Abs. 4a SGB V zur Bestimmung der Kriterien zur Verteilung der
Gesamtvergütungen ermächtigt und hierbei nicht auf mengenbegrenzende Regelungen beschränkt sei. Bei der
Regelung unter Ziffer 7.5 HVV handele es sich um eine zum 1. April 2005 eingeführte Neuregelung und nicht um die
Fortführung einer bereits bestehenden Regelung. Der im Zusammenhang mit der Einführung von Anfangs- und
Erprobungsregelungen bestehende Gestaltungsspielraum erstrecke sich nicht auf den Erlass rechtswidriger
Regelungen wie etwa der Einbeziehung von Leistungen gemäß III.4.1 BRLV in die Regelleistungsvolumina. In der
Berufungsbegründung habe die Beklagte schließlich selbst eingeräumt, dass die Klägerin Leistungen (nach 05230
EBM 2000 plus) abgerechnet habe, die die Beklagte entgegen III.4.1 BRLV innerhalb des Regelleistungsvolumens
vergütet habe. Seine Ermittlungspflichten habe das Sozialgericht nicht verletzt, denn es sei nicht gehalten, im
einzelnen Art und Anzahl der bezüglich der Klägerin falsch berechneten Punktzahlen sowie die gesondert zu
vergütenden Leistungen zu ermitteln.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und
Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist sachlich unbegründet.
Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts ist im streitig gebliebenen Umfang rechtmäßig und zutreffend begründet.
Der Senat nimmt daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils,
die er sich zu Eigen macht, Bezug und sieht von einer erneuten Darstellung derselben ab (§ 153 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Sozialgericht den Untersuchungsgrundsatz nicht verletzt, denn unter
Berücksichtigung des eigenen Vortrages der Beklagten steht fest, dass sie jedenfalls auch im Falle des Klägers
Leistungen aus dem Abschnitt III. 4.1 BRLV im Regelleistungsvolumen vergütet hat, ohne hierzu befugt zu sein.
Soweit das Gericht hierzu keine weiteren Ermittlungen und Berechnungen durchgeführt und die Beklagte nur zur
Neubescheidung verurteilt hat, ist diese jedenfalls nicht beschwert. Darüber hinaus steht der Beklagten im
Zusammenhang mit der Ausgestaltung der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV ein Ermessen zu, so dass
Spruchreife im Honorarstreit ohnehin nicht herzustellen war, denn insoweit handelt es sich nur um unterschiedliche
Elemente der Honorarberechnung. Außerdem kann auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG Urteil vom 10. Dezember 2008, B 6 KA 45/07 R, Juris Rdnr. 29 ff.), der der erkennende Senat folgt,
insbesondere auch im Hinblick auf Honorarstreitigkeiten unter bestimmten Voraussetzungen bei der kombinierten
Anfechtungs- und Leistungsklage auch im Bereich der gebundenen Verwaltung ein Bescheidungsurteil statthaft sein.
Das Urteil des SG ist auch im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Honorarbescheide für das Quartal IV/05 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. November 2007 sind
insoweit rechtswidrig, als die Beklagte die nicht dem Regelleistungsvolumen unterliegenden Leistungen , wie etwa das
Aufsuchen eines Kranken durch Anästhesiologen (Nr. 05230 EBM) entgegen den Vorgaben in Abschnitt III.4.1 des
Beschlusses des Bewertungssauschusses vom 29. Oktober 2004 innerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet
hat.
Nach § 85 Abs. 4 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14. November 2003, BGBI l S. 2190 mit Gültigkeit ab
1. Januar 2005, verteilt die Kassenärztliche Vereinigung in der vertragsärztlichen Versorgung die Gesamtvergütungen
getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung an die Vertragsärzte (§ 85 Abs. 4 Satz
1 SGB V). Sie wendet dabei ab dem 1. Juli 2004 den mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den
Verbänden der Ersatzkassen erstmalig bis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden
Verteilungsmaßstab (vorliegend der HVV) an (§ 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Der Verteilungsmaßstab hat unter anderem
Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes vorzusehen (§ 85 Abs.
4 Satz 6 SGB V). Insbesondere sind arztgruppenspezifische Grenzwerte festzulegen, bis zu denen die von einer
Arztpraxis erbrachten Leistungen mit festen Punktwerten zu vergüten sind (Regelleistungsvolumina, § 85 Abs. 4 Satz
7 SGB V). Für den Fall der Überschreitung der Grenzwerte ist vorzusehen, dass die den Grenzwert überschreitende
Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten vergütet wird (§ 85 Abs. 4 Satz 8 SGB V). Nach § 85 Abs. 4a Satz 1
SGB V bestimmt der Bewertungsausschuss Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB
V, unter anderem erstmalig bis zum 29. Februar 2004 auch den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V
zu treffenden Regelungen. Die nach § 85 Abs. 4 a SGB V zu beschließenden bundeseinheitlichen Vorgaben für die
regionalen Honorarverteilungsmaßstäbe sind nach § 85 Abs. 4 Satz 10 SGB V Bestandteil der an die Stelle der
bisherigen Beschlussfassung durch die kassenärztlichen Vereinigungen tretenden HVM-Vereinbarungen nach § 85
Abs. 4 Satz 2 SGB V in der Fassung des GMG, was in seiner rechtlichen Bindungswirkung der Vereinbarung des
Bundesmanteltarifvertrages als "allgemeiner Inhalt der Gesamtverträge" nach § 82 Abs. 1 SGB V entspricht. Dabei
kommen im Falle einer divergenten Regelung den bundeseinheitlichen Beschlussregelungen des
Bewertungsausschusses der Vorrang zu. Die Vertragspartner des HVV waren und sind an die Beschlussregelungen
des Bewertungsausschusses in der Weise gebunden, dass sie rechtswirksam keine abweichenden Regelungen
treffen konnten (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 23. April 2008, L 4 KA 69/07; BSG, Urteil vom 28. Januar
2004, B 6 KA 52/03 R).
Der Bewertungsausschuss ist u. a. mit dem Beschluss in seiner 93. Sitzung am 29. Oktober 2004 zur Festlegung von
Regelleistungsvolumen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch, Fünftes
Buch - SGB V - mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (BRLV) seinen Regelungsverpflichtungen nach § 85 Abs. 4 a SGB V
nachgekommen. Darin bestimmt er, dass Regelleistungsvolumina gemäß § 85 Abs. 4 SGB V arztgruppenspezifische
Grenzwerte sind, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum im jeweiligen
Kalenderjahr (Quartal) erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des
Honorarverteilungsvertrages (gegebenenfalls jeweils) vereinbarten, festen Punktwert (Regelleistungspunktwert) zu
vergüten sind, überschreitende Leistungsmengen sind mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwerten) zu vergüten
(III. 2. 1 BRLV). Für die in Anlage 1 genannten Arztgruppen sind im Honorarverteilungsvertrag die nachfolgend
genannten Regelleistungsvolumina zu vereinbaren, für die dieser Beschluss die Inhalte der Regelungen vorgibt (III.3.1
Abs. 1 BRLV).
Bereits in seinem Urteil vom 23. April 2008, a. a. O., hat der Senat klargestellt, dass der BRLV selbst rechtmäßig ist,
sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage hält und die Grenzen des bestehenden
Gestaltungsspielraums wahrt. Auf die dortige Begründung wird Bezug genommen. Regelleistungsvolumina sind nicht
die einzige Gestaltungsmöglichkeit für Mengen begrenzende Regelungen, wie sich aus der einleitenden Formulierung
"insbesondere" ergibt (siehe bereits BSG Urteil vom 10. Dezember 2003 a. a. O. sowie Hess in Kasseler Kommentar,
§ 85 Rdnr. 70 (Stand Mai 2003), auch wenn der Gesetzgeber diese verbindlich vorschreiben wollte (vgl. BT-Drucks.
15/1525, a. a. O.) Abgesehen von einigen Sonderregelungen für bestimmte Leistungen beinhalten die gesetzlichen
Regelungen jedoch keinen konkreten (auf einzelne Leistungsarten oder Arztgruppen bezogene) Abwägungen im
Hinblick auf kumulierende oder divergente Steuerungsinstrumente, auf Maßnahmen der Bedarfsteuerung und
hinsichtlich der übergeordneten Ziele der leistungsgerechten Honorarverteilung (§ 85 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 SGB V)
und der Honorargerechtigkeit. § 85 Abs. 4 Sätze 6 und 7 SGB V sind daher verfassungskonform im Zusammenhang
mit der Befugnis des Bewertungsausschusses zur Bestimmung des Inhalts der hiernach zu treffenden Regelungen (§
85 Abs. 4a SGB V) zu interpretieren. Diese Kompetenz des Bewertungsausschusses zur Inhaltsbestimmung von
Mengen begrenzenden Regelungen umfasst auch die Kompetenz und Verpflichtung, den aus Artikel 12 Abs. 1 i.V.m.
Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) abzuleitenden Grundsätzen der Honorarverteilungsgerechtigkeit und der
Leistungsgerechtigkeit der Honorarverteilung Rechnung zu tragen. Daher kann der Auffassung der Beklagten, bei einer
grundsätzlich dem Regelleistungsvolumen unterliegenden Arztpraxis hätten durch den Bewertungsausschuss alle
ärztlichen Leistungen ohne Ausnahme dem Regime des Regelleistungsvolumens unterworfen werden müssen,
weshalb der Beschluss des Bewertungsausschusses rechtswidrig sei, nicht gefolgt werden. Im Ergebnis hat damit der
Bewertungsausschuss mit der Herausnahme bestimmter Leistungen aus dem Regelleistungsvolumen gemäß
Abschnitt III.4.1 BRLV seine Befugnisse nicht überschritten, auch wenn einzelne dort aufgeführte Leistungen einer
Mengenausweitung zugänglich sein mögen.
Der Honorarbescheid für das Quartal IV/05 ist auch insoweit rechtswidrig, als die Honorarkürzung auf Ziff. 7.5 HVV
gestützt worden ist. Die in Ziff. 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung verstößt gegen zwingende Vorgaben des BRLV
und ist nicht durch die Ermächtigungsgrundlage in § 85 Abs. 4 SGB V i. V. m. Art. 12 GG gedeckt.
Nach Wortlaut und Zweck der Neufassung des § 85 Abs. 4 SGB V durch das GMG ist davon auszugehen, dass die
Gestaltungsfreiheit der Kassenärztlichen Vereinigungen und ihrer Vertragspartner bei der Honorarverteilung nunmehr
jedenfalls insoweit eingeschränkt ist, als für alle Honorarverteilungsverträge Regelleistungsvolumina nach
arztgruppenspezifischen Grenzwerten und eine Vergütung der den Grenzwert überschreitenden Leistungsmenge mit
abgestaffelten Punktwerten verbindlich vorgegeben worden sind. Die bis dahin verwendeten Steuerungsinstrumente
sind nur noch einsetzbar, wenn sie das System der Regelleistungsvolumina und abgestaffelten Punktwerte ergänzen,
nicht jedoch zu ihnen im Widerspruch stehen (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Oktober 2008, L 5
KA 2054/08). Die Inhaltsbestimmung durch den Bewertungsausschuss gemäß § 85 Abs. 4 a Satz 1 2. Halbsatz SGB
V hat sich ebenfalls an den gesetzlichen Vorgaben zu orientieren.
Die im Rahmen der Ziff. 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung ist nicht mit dem in § 85 Abs. 4 SGB V in der Fassung
des GMG sowie im BRLV als Teil des HVV verbindlich vorgegebenen System der Regelleistungsvolumina nach
arztgruppenspezifischen Grenzwerten und der abgestaffelten Restleistungsvergütung vereinbar und stellt auch keine
zulässige Ergänzung zu diesem System dar. Zum einen wurde vom SG zutreffend davon ausgegangen, dass die
Ausgleichsregelung für Praxen, die zu Kürzungsbeträgen herangezogen wurden, praktisch eine Vergütung nach einem
praxisindividuellen Individualbudget darstellt, das aus dem Produkt von Fallwert im Referenzquartal und aktueller
Fallzahl errechnet wurde. Individualbudgets sind jedoch mit dem System der Regelleistungsvolumina nach § 85 Abs.
4 SGB V in der Fassung des GMG nicht vereinbar, da ihnen keine arztgruppenspezifischen Grenzwerte zu Grunde
liegen, bis zu denen die Leistungen des Vertragsarztes bzw. hier der Gemeinschaftspraxis mit einem festen
Punktwert zu vergüten sind, und für eine eventuell überschreitende Leistungsmenge keine (abgestaffelte)
Restleistungsvergütung vorgesehen ist (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Oktober 2008, L 5 KA
2054/08). So führte im Falle des Klägers die Anwendung von Ziff. 7.5 HVV im Quartal IV/05 zu vom Fallwert im
Referenzquartal abgeleiteten Fallwertbegrenzungen ohne Restleistungsvergütung.
Zum anderen ist nach der Rechtsprechung des BSG eine Honorarverteilungsregelung, durch die der Honoraranspruch
bei Praxen mit hohem Fallwert vermindert wird, wegen des alleinigen Anknüpfens an den Fallwert durch § 85 Abs. 4
Abs. 1 SGB V i.V.m. Artikel 12 GG nicht gedeckt (BSG, Urteil vom 24. August 1994, 6 RKa 15/93, veröffentlicht in
Juris). Die in Ziff. 7.5 geregelte Honorarkürzung steht nicht mit der Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V
in der nach dem GMG maßgeblichen Neufassung in Einklang. Auch nach der Neufassung des § 85 Abs. 4 SGB V
ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Gesetz eine andere Verteilung der Gesamtvergütung als nach den
Gesichtspunkten der Qualität und Quantität der vom abrechnenden Arzt erbrachten Leistungen zulassen wollte. Für
eine Berücksichtigung der Einkommenssituation finden sich im Gesetzeswortlaut keine Anhaltspunkte. Auch die
gesetzliche Zielvorgabe zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes (§ 85 Abs.
4 Satz 6 SGB V) bietet keine Rechtsgrundlage dafür, dass von besonders ertragreichen Praxen (übermäßig
ausgedehnten Praxen) ein bestimmter Übermaßbetrag abgezogen, und anderen Praxen, die nicht übermäßig
ausgedehnt sind, zugewiesen wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass durch diese gesetzliche Vorgabe bereits
das Entstehen solcher Übermaßbeträge durch übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes verhindert werden
soll (BSG, a. a. O., Rdnr. 28).
Die in Ziff. 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung entspricht nicht den inhaltlichen Anforderungen einer wirksamen
Berufsausübungsregelung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Von einer Vereinbarkeit mit Art.
12 Abs. 1 Satz 2 GG kann ausgegangen werden, wenn die Regelung zur Erreichung des angestrebten Ziels
erforderlich, geeignet sowie den betroffenen Ärzten zumutbar ist. Die in Ziff. 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung ist für
den angestrebten Zweck weder geeignet noch zumutbar. Ziel der nach der Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4
SGB V vorzunehmenden Honorarverteilung ist unter anderem die Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der
Tätigkeit des Vertragsarztes. Nach der Rechtsprechung des BSG kann jedoch nicht ohne weiteres davon
ausgegangen werden, dass ein erheblich über dem Durchschnitt liegender Fallwert ein Indiz dafür ist, dass der
betreffende Arzt seine Leistungen über das medizinisch Erforderliche hinaus ausgedehnt hatte und weiter ausdehnen
würde, während dies bei Ärzten mit durchschnittlichem oder unterdurchschnittlichem Fallwert nicht zu befürchten ist
(BSG, a. a. O., Rdnr. 29). In diesem Zusammenhang hat das BSG ausgeführt, dass durch die Anknüpfung einer
Regelung ausschließlich an die Höhe der durchschnittlichen Vergütung pro Behandlungsfall, nicht auch an das
Gesamthonorar, diese nicht lediglich zu einer Stützung einkommensschwacher Praxen, sondern auch von Praxen mit
hoher Fallzahl, führt, sofern die Punktzahl je Behandlungsfall unter dem Durchschnittswert der Fachgruppe lag.
Umgekehrt führt eine solche Regelung bei Praxen mit geringer Fallzahl, bei denen der Fallwert z. B. wegen
Spezialisierung über dem Durchschnittswert lag, ungeachtet der möglicherweise schlechten Ertragssituation zu
weiteren Honorarbegrenzungen. Darüber hinaus ist das BSG davon ausgegangen, dass derartige Maßnahmen der
Regulierung den freien Wettbewerb zwischen den Ärzten beeinträchtigen und nach Ausmaß und Intensität so weit in
Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 GG eingreifen, dass sie nicht mehr von der KÄV als Vertreterin von Verbandsinteressen
vorgeschrieben werden dürften (BSG, a. a. O., Rdnr. 30). Auch wenn in der vom BSG entschiedenen Fallgestaltung
die Ausgleichsregelung an dem durchschnittlichen Fachgruppenwert und nicht wie vorliegend am praxisindividuellen
Fallwert des Referenzquartals anknüpfte, und der HVV von der Beklagten zusammen mit den Kassenverbänden
vereinbart wird, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Ebenso wenig wie in der vom BSG entschiedenen
Fallgestaltung kann vorliegend davon ausgegangen werden, dass eine Überschreitung des Fallwerts des
Referenzquartals von mehr als 5 % für sich betrachtet bereits ein Indiz dafür ist, dass der betreffende Arzt seine
Leistungen über das medizinisch Erforderliche hinaus ausgedehnt hatte und weiter ausdehnen würde, während dies
bei Ärzten innerhalb oder bei Unterschreiten des entsprechenden Korridors von vornherein nicht der Fall ist.
Entsprechend der Rechtsprechung des BSG führt die Anknüpfung der Regelung der Ziff. 7.5 HVV ausschließlich an
die Höhe der praxisindividuellen Fallwerts im Referenzquartal, nicht auch an das Gesamthonorar, nicht lediglich zu
einer Stützung einkommensschwacher, sondern auch von Praxen mit hoher Fallzahl und geringeren Fallwerten. Es
bleibt daher auch in dieser Konstellation dabei, dass die Regelung einer Minderung des Honoraranspruchs bei Praxen
mit hohem Fallwert wegen des alleinigen Anknüpfens an den Fallwert durch § 85 Abs. 4 Abs. 1 SGB V i.V.m. Artikel
12 GG nicht gedeckt ist, auch nicht mit der Zielsetzung des Bestandsschutzes. Es kann dahinstehen, ob eine
derartige Regelung im Rahmen der Individualbudgetierung zulässig ist, wie dies von der Beklagten unter Berufung auf
das BSG-Urteil vom 9. Dezember 2004, B 6 KA 44/03 vertreten wird, wenn sie wie vorliegend keine zulässige
Ergänzung zu den verbindlich geltenden Regelleistungsvolumina darstellt. Die Beklagte kann sich zur Stützung ihrer
entgegenstehenden Rechtsauffassung auch nicht auf den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses nach §
87 Abs. 4 SGB V in seiner 9. Sitzung am 15. Januar 2009 zur Umsetzung und Weiterentwicklung der arzt- und
praxisbezogenen Regelleistungsvolumina nach § 87 b Abs. 2 und 3 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2009 berufen,
wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen gemeinsam und einheitlich mit den Landesverbänden der Krankenkassen
und Ersatzkassen (Partner der Gesamtverträge) im Rahmen eines so genannten Konvergenzverfahrens eine
schrittweise Anpassung der Regelleistungsvolumina beschließen, sofern Honorarverluste durch die Umstellung der
Mengensteuerung auf die neue Systematik begründet sind. Der Beschluss ist weder im Hinblick auf seinen
Geltungszeitraum noch inhaltlich auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. § 87 b SGB V wurde mit Wirkung vom
1. April 2007 eingeführt und regelt die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen ab 1. Januar 2009 sowie die Festlegung
arzt- und praxisbezogener Regelleistungsvolumina (§ 87 b Abs. 1 - 3 SGB V). Nach § 87 b Abs. 4 SGB V hatte der
Bewertungsausschuss erstmalig bis zum 31. August 2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der
Regelleistungsvolumina nach § 87 b Abs. 2 und 3 SGB V sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der
Übermittlung der dafür erforderlichen Daten zu bestimmen. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses
vom 15. Januar 2009 beinhaltet lediglich die Umsetzung und Weiterentwicklung der arzt- und praxisbezogenen
Regelleistungsvolumina, wobei es sich um eine mit dem vorherigen System der Regelleistungsvolumina nach
arztgruppenspezifischen Grenzwerten nicht vergleichbare neue Systematik handelt. Rückschlüsse auf die
Rechtmäßigkeit der in Ziff. 7.5 HVV geregelten und von der Beklagten vorgenommenen Honorarkürzung können
daraus nicht gezogen werden. Unabhängig davon ist Regelungsinhalt der Ziff. 7.5 HVV nicht die Anpassung von
Regelleistungsvolumina, sondern der Ausgleich von Honorarverlusten u. a. durch praxisindividuelle
Fallwertbegrenzungen und dadurch resultierende Honorarkürzungen auch bei Praxen, die keinem
Regelleistungsvolumen unterliegen. Nachdem die Beklagte und die Kassenverbände bereits ab dem Quartal II/05 in
Ziff. 6.3 HVV und der Anlage hierzu die Einführung der Regelleistungsvolumina nach arztgruppenspezifischen
Grenzwerten vereinbart und umgesetzt haben, die in Ziff. 7.5 HVV geregelte Honorarkürzung dieses System jedoch
nicht in zulässiger Weise ergänzt, ist die Regelung auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und
Erprobungsregelung wirksam. Aus dem Urteil des erkennenden Senats vom 26. November 2008, L 4 KA 14/08 folgt
entgegen der Auffassung der Beklagten keine andere Beurteilung. Vielmehr hat der Senat im vorgenannten Urteil
bereits darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten mit den Kassenverbänden zu vereinbarende notwendige
Ergänzung des HVV 2005 in Bezug auf junge Praxen auch in einer vollständigen Umgestaltung oder Abschaffung der
unter Ziffer 7.5 HVV getroffenen Regelung bestehen könnte, die vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG
(Urteil vom 24. August 1994, L 6 RKa 15/93, Juris Rdnrn. 27-31 zur "Segeberger Wippe") zumindest bis zur Änderung
des HVV ab dem Quartal II/07 ohnehin als fragwürdig erscheinen möge. Die hinsichtlich der Honorarkürzung nicht von
der Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V i. V. m. Art. 12 GG gedeckte Regelung der Ziff. 7.5 kann auch
nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung Geltung beanspruchen.
Mit der in Ziff. 7.5 HVV geregelten Honorarkürzung werden nicht bisher vorhandene Steuerungsinstrumente im Sinne
der Ausnahmeregelung in Ziff. III.2.2 BRLV fortgeführt. Zum einen haben die Beklagte und die Kassenverbände
bereits ab dem Quartal II/05 in Ziff. 6.3 HVV und der Anlage hierzu Regelleistungsvolumina nach
arztgruppenspezifischen Grenzwerten und damit neue Steuerungsinstrumente vereinbart. Zum anderen wurde
eingangs bereits dargelegt, dass die bis dahin verwendeten Steuerungsinstrumente nur noch einsetzbar sind, wenn
sie das System der Regelleistungsvolumina nach arztgruppenspezifischen Grenzwerten und einer
Restleistungsvergütung nach abgestaffelten Punktwerten zulässig ergänzen, was hinsichtlich der in Ziff. 7.5 HVV
geregelten Honorarkürzung nicht der Fall ist. Nachdem Ziff. 7.5 HVV hinsichtlich der Honorarkürzung nicht von der
Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V i. V. m. Art. 12 GG gedeckt ist, kann die Regelung insoweit auch
nicht auf der Grundlage der Ziff. III.2.2 BRLV Geltung beanspruchen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO).
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Der Streitwert war endgültig mangels konkreter Anhaltspunkte auf 5.000,00 EUR festzusetzen (§ 197a SGG i.V.m. §§
47, 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 S. 1 Gerichtskostengesetz - GKG).