Urteil des LSG Hessen vom 01.03.1989

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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 01.03.1989 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 5 Ar 121/85
Hessisches Landessozialgericht L 6 Ar 215/87
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. Januar 1987 aufgehoben. Die
Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 26. Februar 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
10. April 1985 verurteilt, das dem Kläger ab 15. März 1985 bewilligte Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines
Bruttomonatsentgeltes in Höhe von DM 2.411,68 DM zu zahlen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Höhe des ab 15. März 1985 bis 17. Juni 1985 gewährten Arbeitslosengeldes.
Der 1935 geborene Kläger war u.a. von 1955 bis Januar 1982 als Fliesenleger beschäftigt. Im letzten voll
abgerechnetem Monat betrug sein Bruttoentgelt DM 3.008,43 (August 1981). Für die Zeit vom 21. September bis 5.
Dezember 1981 bestand Arbeitsunfähigkeit.
Mit Bescheid vom 26. Oktober 1981 bewilligte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen die Umschulung des
Klägers zum medizinischen Bademeister und Masseur als Rehabilitationsmaßnahme. Nach einer Vorschulung vom
11. Januar bis 8. April 1982 folgte die eigentliche Ausbildung vom 16. April 1982 bis zum Abschluß mit dem
Staatsexamen am 14. April 1983. Es folgte ein Praktikum vom 2. Mai bis 30. November 1983 (DM 1.326,00 brutto
monatlich), ein Lehrgang für manuelle Lymphdrainage vom 9. Januar bis 4. Februar 1984 sowie ein weiteres
Praktikum vom 1. März 1984 bis 31. Januar 1985 (zuletzt DM 1.461,00 brutto monatlich). Die Praktika waren
Voraussetzung für die staatliche Anerkennung zum medizinischen Bademeister und Masseur. Von der LVA Hessen
bezog der Kläger Übergangsgeld für die gesamte Zeit, während der Praktika unter Abzug des erzielten Nettoentgeltes
(das tägliche Bemessungsentgelt betrug DM 100,24 und ab 1. August 1984 DM 115,75).
Am 28. Januar 1985 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Von der
LVA Hessen bezog er noch weiter Übergangsgeld bis zum 14. März 1985. Am 18. Juni 1985 meldete sich der Kläger
in Arbeit ab.
Mit Bescheid vom 26. Februar 1985 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 15. März 1985 nach
einem Monatslohn von DM 1.461,00 (entsprechend DM 335,00 wöchentlich). Dagegen hat der Kläger am 1. März 1985
Widerspruch eingelegt, da er die Bemessung nach dem Praktikantenentgelt als unbillig hart empfinde, zumal er als
Fliesenleger wesentlich mehr verdient habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. April 1985 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück mit der
Begründung, nach § 112 Abs. 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei von dem zuletzt im Januar 1985 erzielten
Bruttoentgelt von DM 1.461,00 auszugehen. Bei einer Anwendung des § 112 Abs. 5 Nr. 2 AFG ergebe sich keine
Besserstellung, da der Kläger zu Beginn einer beruflichen Tätigkeit als Masseur und medizinischer Bademeister nach
dem maßgeblichen Tarifvertrag monatlich DM 1.870,00 erhalten würde, wovon die Hälfte zu berücksichtigen wäre.
Aus § 112 Abs. 7 AFG ergebe sich keine höhere Bemessung, da der Kläger in den letzten drei Jahren (15. März 1982
bis 14. März 1985) kein höheres Entgelt als zuletzt erzielt habe. Die Tätigkeit als Fliesenleger liege vor dieser Zeit.
Hiergegen hat der Kläger am 25. April 1985 Klage erhoben mit dem Ziel der Berücksichtigung eines monatlichen
Nettoentgeltes vom DM 1.688,70, hilfsweise des tariflichen Arbeitsentgeltes eines Masseurs und medizinischen
Bademeisters nach BAT VII in Höhe von DM 2.678,77 brutto. Der Kläger hat vorgetragen, während der gesamten
Rehabilitations-Maßnahme habe er über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von DM 1.688,70 verfügt, und zwar
durch das von der LVA gewährte Übergangsgeld, das während der Praktikantenzeiten in Form eines
Aufstockungsbetrages gezahlt worden sei. Nach § 112 Abs. 5 Ziff. 8 AFG werde bei der Berechnung des
Arbeitslosengeldes das Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, nach dem das Unterhaltsgeld zuletzt bemessen worden sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Unterlagen der LVA Hessen beigezogen.
Mit Urteil vom 28. Januar 1987 hat das Sozialgericht Kassel die Klage im wesentlichen mit der Begründung
abgewiesen, Bemessungszeitraum sei der Monat Januar 1985 und Bemessungsgrundlage das als Praktikant erzielte
Entgelt von DM 1.461,00 pro Monat. Das zusätzlich gezahlte Übergangsgeld könne daneben nicht berücksichtigt
werden, da es kein Arbeitsentgelt sei. Nach der Berechnung des § 112 Abs. 5 Nr. 2 AFG sei keine Besserstellung
möglich, da die Hälfte des tariflichen Arbeitsentgeltes eines Masseurs und medizinischen Bademeisters niedriger als
DM 1.461,00 sei. § 112 Abs. 5 Nr. 8 AFG finde keine Anwendung, da der Kläger kein Unterhaltsgeld bezogen habe
und dies auch nicht auf der Vorrangigkeit anderer Leistungen im Sinne des § 37 AFG beruhe. Wenn der Kläger kein
Übergangsgeld von der LVA erhalten hätte, hätte er von der Beklagten nach § 54 ff. AFG ebenfalls Übergangsgeld
und kein Unterhaltsgeld erhalten. Auch § 112 Abs. 7 AFG komme nicht in Betracht, da der Kläger in den letzten drei
Jahren nur Tätigkeiten als Praktikant ausgeübt und kein höheres Entgelt als zuletzt erzielt habe. Das SG hat die
Berufung im Tenor zugelassen.
Gegen das am 10. Februar 1987 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. März 1987 Berufung eingelegt, die er darauf
beschränkt hat, daß er die Berücksichtigung eines Bemessungsentgelts von DM 2.411,68 begehrt. Der Kläger trägt
vor, es habe sich bei der von ihm zurückgelegten Maßnahme nicht um eine Berufsausbildung i.S. des § 112 Abs. 5
Nr. 2 AFG gehandelt, da diese Vorschrift nicht auf Umschulungsmaßnahmen passe. Umschüler hätten nämlich in
aller Regel vor der notwendigen Umschulung höheres Entgelt erzielt. Es sei deshalb § 112 Abs. 7 anzuwenden; dies
könne nicht daran scheitern, daß während der Umschulung ein Berufspraktikum mit Entgeltzahlung abgeleistet worden
sei. Die darin liegende Bevorzugung von Umschülern ohne Praktikum sei sachlich nicht gerechtfertigt. Es solle aber
auch eine entsprechende Anwendung des § 112 Abs. 5 Nr. 8 AFG geprüft werden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. Januar 1987 aufzuheben, sowie den Bescheid der
Beklagten vom 26. Februar 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 1985 zu ändern und die
Beklagte zu verurteilen, das ab 15. März 1985 bewilligte Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung eines tariflichen
Arbeitsentgeltes in Höhe von monatlich DM 2.411,68 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte trägt vor, eine Bemessung sei weder nach § 112 Abs. 5 Nr. 8 AFG noch nach § 112 Abs. 7 AFG
zulässig. Gegen eine Anwendung des § 112 Abs. 5 Nr. 8 AFG spreche sowohl der Wortlaut (nur Unterhaltsgeld) als
auch die Entstehung. Bis 31. Dezember 1983 habe es auch eine spezielle Vorschrift für den Vorbezug von
Übergangsgeld gegeben, § 112 Abs. 5 Nr. 6 AFG a.F. Diese Vorschrift habe ausdrücklich bestimmt, daß für die Zeit,
in der der Arbeitslose wegen einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation beitragspflichtig gewesen sei, das
Arbeitsentgelt nach § 112 Abs. 7 AFG der Bemessung zugrunde zu legen sei. Parallel dazu habe § 112 Abs. 5 Nr. 8
AFG die Bemessung des Arbeitslosengeldes bei Vorbezug von Unterhaltsgeld geregelt. Die spezielle
Bemessungsvorschrift bei Vorbezug von Übergangsgeld sei entfallen, als § 168 Abs. 1 a AFG durch das
Haushaltsbegleitgesetz 1984 mit Wirkung vom 1. Januar 1984 gestrichen worden sei. Diese Bestimmung habe bisher
die Beitragspflicht von Personen geregelt, die nach dem AFG oder einem anderen Gesetz Übergangsgeld bezogen
haben. Aus der dargelegten Entwicklung, sowie aus dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschriften ergebe sich, daß es
sich bei dem in § 107 Abs. 1 Nr. 5 c (seit 1. Januar 1986 Buchst. b) genannten Übergangsgeld nur um Übergangsgeld
nach dem AFG handele. § 37 Abs. 1 AFG regele nicht die Vorrangigkeit im Verhältnis zu Rehabilitations-Leistungen
wie Übergangsgeld. Darüber hinaus bestimme § 58 Abs. 1 AFG für den Bereich der Rehabilitation ausdrücklich, daß §
37 Abs. 1 AFG nicht gelte.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, der Verwaltungsakten
der Beklagten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die als sogenannter Höhenstreit eigentlich unzulässige Berufung, § 147 SGG, ist kraft Zulassung im Tenor des
angefochtenen Urteils zulässig, § 150 Nr. 1 SGG.
Die Berufung ist auch in vollem Umfang begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. Januar 1987 ist
rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 1985 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. April 1985 ist rechtswidrig. Die Beklagte hat das dem Kläger ab 15.
März 1985 gewährte Arbeitslosengeld rechtswidrig zu niedrig festgesetzt.
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld für die streitbefangene Zeit vom 15.
März bis 17. Juni 1985 und zwar ausgehend von einem Bemessungsentgelt in Höhe von DM 2.411,68 monatlich, auf
das der Kläger sein Begehren beschränkt hat.
Kein Streit besteht zwischen den Beteiligten darüber, daß der Kläger am 15. März 1985 (nach Beendigung der
Zahlung von Übergangsgeld durch die LVA Hessen) sämtliche Voraussetzungen nach § 100 Abs. 1 AFG für die
Zahlung von Arbeitslosengeld erfüllt hat, das die Beklagte ihm schließlich auch bewilligt hat. Der Kläger hatte sich am
28. Januar 1985 bei dem Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld beantragt, er war arbeitslos, stand der
Arbeitsvermittlung zur Verfügung und hatte die Anwartschaftszeit erfüllt.
Streit besteht allerdings über die Höhe des von der Beklagten bewilligten Arbeitslosengeldes und insbesondere über
die Höhe des der Berechnung zugrunde zu legenden Bemessungsentgeltes.
Nach § 111 Abs. 1 AFG beträgt das Arbeitslosengeld bei dem verheirateten Kläger, der kein zu berücksichtigendes
Kind hat, 63 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten
Arbeitsentgeltes.
Nach § 112 Abs. 2 AFG (in der bis zum 31. Dezember 1987 geltenden Fassung, geändert durch Gesetz vom 14.
Dezember 1987 – BGBl. I S. 2602) ist Arbeitsentgelt i.S. des § 111 Abs. 1 AFG das im Bemessungszeitraum in der
Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge vervielfacht mit der Zahl der
Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der
Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt.
Nach § 112 Abs. 3 AFG (in der bis zum 31. Dezember 1985 geltenden Fassung, geändert durch Gesetz vom 20.
Dezember 1985 – BGBl. I S. 2484) sind Bemessungszeitraum die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers
aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden
Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des
Anspruches.
Bemessungszeitraum ist ausweislich der Arbeitsbescheinigung vom 1. Februar 1985 der Januar 1985, für den der
Kläger ein festes Monatsbruttoentgelt von DM 1.461,00 (einschließlich DM 26,00 vermögenswirksame Leistungen) als
Praktikant in der Kurklinik Alte Mühle in W. erhalten hat. Unter Berücksichtigung dieses Entgeltes (DM 1.461,00
monatlich × 3 geteilt durch 13 = DM 337,15 wöchentlich, nach § 112 Abs. 9 AFG a.F. abzurunden auf DM 335,00)
sowie der Leistungsgruppe C (§ 111 Abs. 2 Nr. 1 c AFG) und des sich aus § 111 Abs. 1 Nr. 2 AFG ergebenden
Satzes von 63 % hat die Beklagte das wöchentliche Arbeitslosengeld des Klägers entsprechend Anlage 2 der AFG-
Leistungsverordnung 1985 mit DM 162,60 festgesetzt.
Auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 112 Abs. 5 Nr. 2 AFG ergibt sich kein höheres Bemessungsentgelt.
Danach ist bei der Feststellung des Arbeitsentgeltes zugrunde zu legen für die Zeit einer Beschäftigung zur
Berufsausbildung, wenn der Arbeitslose die Abschlußprüfung bestanden hat, die Hälfte des Arbeitsentgeltes nach
Abs. 7, mindestens das Arbeitsentgelt dieser Beschäftigung. Bei fiktiver Bemessung entsprechend § 112 Abs. 7 des
vom Kläger als Masseur und medizinischer Bademeister zu erzielenden Einkommens ergibt sich kein höherer Betrag
als das doppelte Praktikantenentgelt (DM 2.922,00). Es verbliebe danach bei der Bemessung nach dem zuletzt
bezogenen Praktikantenentgelt.
Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld nach § 112 Abs. 7 AFG. Diese Vorschrift
lautet:
"Wäre es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend
ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart, von dem Arbeitsentgelt nach den Absätzen 2 bis 6 auszugehen oder liegt
der letzte Tag des Bemessungszeitraumes bei Entstehung des Anspruchs länger als drei Jahre zurück, so ist von
dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Arbeitslosen (§ 129) maßgeblichen tariflichen oder mangels
einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der
Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und
seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt.”
Die oben dargelegte Regelbemessung würde im Falle des Klägers zu einer unbilligen Härte führen. Dabei ist die
Regelbemessung auf der einen Seite zu vergleichen mit der vom Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor
Arbeitslosmeldung ausgeübten beruflichen Tätigkeiten und den daraus erzielten Entgelten auf der anderen Seite (vgl.
Urteil des BSG vom 11. Februar 1988 – 7 RAr 75/86).
Als berufliche Tätigkeit ist nach Auffassung des erkennenden Senats die Umschulung des Klägers zum Masseur und
medizinischen Bademeister (16. April 1982 bis 14. April 1983) einschließlich Vorschulung (11. Januar bis 8. April
1982) und der beiden Praktikantenzeiten (2. Mai bis 30. November 1983 und 1. März 1984 bis 31. Januar 1985)
anzusehen (vgl. BSG vom 11. Juni 1987 – 7 RAr 29/86). Der Drei-Jahres-Zeitraum des § 112 Abs. 7 reicht entgegen
dessen Wortlaut nicht nur bis zum Tag der Arbeitslosmeldung (hier 28. Januar 1985), sondern bis zum Tag bevor alle
Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren (hier 14. März 1985). Davon geht auch unausgesprochen das BSG in den
genannten Entscheidungen vom 11. Juni 1987 und vom 11. Februar 1988 (siehe oben) aus. Es kommt also auf die
genannten Entscheidungen vom 11. Juni 1987 und vom 11. Februar 1988 (siehe oben) aus. Es kommt also auf die
berufliche Tätigkeit des Klägers in der Zeit vom 15. März 1982 bis 14. März 1985 an. In diese Zeit fallen ca. drei
Wochen Vorschulung, ein Jahr Umschulung und 18 Monate Praktikantenzeit. Zeitlich überwiegend und mehr als die
Hälfte des Drei-Jahres-Zeitraumes hat der Kläger als Praktikant versicherungspflichtig gearbeitet. Danach entspräche
die Berücksichtigung des Praktikantenentgelts bei wörtlicher Auslegung auch § 112 Abs. 7 AFG und eine unbillige
Härte wäre nicht feststellbar. Allerdings hat der Kläger während des gesamten Drei-Jahres-Zeitraumes von der LVA
Hessen Übergangsgeld erhalten, das während der Praktikantenzeit in Form eines Aufstockungsbetrages gewährt
wurde. Damit erzielte der Kläger während der gesamten drei Jahre vor dem 15. März 1985 (die letzten sechs Wochen
noch in Form der Weitergewährung nach § 1241 e Abs. 3 Reichsversicherungsordnung – RVO –) ein wesentlich
höheres Einkommen, als das der Regelbemessung zugrunde gelegte Praktikantenentgelt. Bei der Anwendung des §
112 Abs. 7 AFG ist das dem Übergangsgeld zugrunde liegende Bemessungsentgelt der LVA Hessen zu
berücksichtigen, das kalendertäglich zunächst DM 100,24 (3.007,20 pro Monat) und zuletzt ab 1. August 1984 DM
115,75 (3.472,50 pro Monat) betrug. Das vom Kläger während der drei zu berücksichtigenden Jahre überwiegend
erzielte Entgelt in Höhe von DM 3.007,20 war damit mehr als doppelt so hoch, wie das der Bemessung nach § 112
Abs. 2 bzw. Abs. 5 Nr. 2 AFG zugrunde gelegte Praktikantenentgelt im Januar 1985 in Höhe von DM 1.461,00.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß die LVA Hessen für die Zeiten des Bezugs von Übergangsgeld Beiträge zur
Beklagten zu zahlen hatte, § 186 Abs. 2 AFG, und diese Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung
gleichstanden, § 107 Nr. 5 a AFG. Dann muß aber im Fall der Praktikantentätigkeit auch die Summe des vom Kläger
bezogenen Einkommens (Praktikantenentgelt und aufgestocktes Übergangsgeld) in die Bewertung einfließen können.
Es wäre sonst ein Widerspruch, wenn die LVA Hessen für das Übergangsgeld zwar Beiträge zu zahlen hätte, diese
auch bei der Gleichstellung von Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen wären, jedoch bei der Anwendung des § 112
Abs. 7 AFG ausgeschlossen wären (vgl. Urteil des BSG vom 11. Februar 1988 – 7 RAr 75/86). Das Vorliegen einer
unbilligen Härte ist damit nach Auffassung des erkennenden Senats festgestellt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Anwendung des § 112 Abs. 7 AFG im vorliegenden Fall nicht wegen
der Entstehungsgeschichte des § 112 Abs. 5 AFG ausgeschlossen. In der bis zum 31. Dezember 1983 geltenden
Fassung des § 112 Abs. 5 Nr. 6 AFG (davor § 112 Abs. 5 Nr. 4) war bestimmt, daß für die Zeit, in der der Arbeitslose
wegen einer berufsfördernden Maßnahme zur Rehabilitation beitragspflichtig war (§ 168 Abs. 1 a AFG), das
Arbeitsentgelt nach Abs. 7, der Feststellung des Arbeitsentgeltes zugrunde zu legen war. Durch den Wegfall dieser
Vorschrift (Art. 17 Nr. 17 a, dd Haushaltsbegleitgesetz 1984) entfiel die Möglichkeit der unmittelbaren Anwendung der
Rechtsfolge des § 112 Abs. 7 AFG (so ist von dem maßgeblichen Arbeitsentgelt auszugehen ), wobei es nicht auf
das Vorliegen der Voraussetzungen einer unbilligen Härte ankam. Durch die Gesetzesänderung ist jedoch nicht die
Möglichkeit entfallen, auch in den Fällen der vorliegenden Art, das Bestehen einer unbilligen Härte zu prüfen. § 112
Abs. 7 AFG dient zur Überprüfung einer unbilligen Härte bei jeder Bemessung aus den Absätzen 2 bis 6 des § 112
AFG (vgl. Urteil des BSG vom 11. Juni 1987 – 7 RAr 29/86).
Im Falle des Klägers ist von dem tariflichen Arbeitsentgelt des Masseurs und des medizinischen Bademeisters
auszugehen, das sich aus der Anwendung des BAT unter Berücksichtigung des Lebensalters des Klägers von 50
Jahren und der Tatsache ergibt, daß er Berufsanfänger war. Für diese Tätigkeit wurde der Kläger erfolgreich
umgeschult und es bestanden insoweit keine Einschränkungen der Einsetzbarkeit.
Die vom Kläger begehrte Berücksichtigung eines Bemessungsentgeltes in Höhe von DM 2.411,68 entspricht der
Vergütungsgruppe VIII BAT, Stufe 8, mit Ortszuschlag für Verheiratete (DM 710,34) und einer allgemeinen Zulage
(DM 67,–). Dieses Gehalt hat der Kläger ausweislich der Lohnabrechnung der Stadt W. im Juli 1985 tatsächlich erzielt
und steht auch in Übereinstimmung mit der Auskunft der Stadt Frankfurt am Main vom 16. Februar 1989 über eine
fiktive Eingruppierung des Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr.
1 SGG.