Urteil des LSG Hessen vom 18.12.2006

LSG Hes: gleichbehandlung im unrecht, innere medizin, ermächtigung, versorgung, persönliche eignung, erlass, niedergelassener, zugehörigkeit, bedürfnis, vertragsarzt

Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 18.12.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht Marburg S 12 KA 972/06 ER
Hessisches Landessozialgericht L 4 KA 70/06 ER
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 13. November 2006 wird
zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Der Streitwert wird auf 10.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens die Ermächtigung zur Teilnahme an der
vertragsärztlichen Versorgung.
Der Antragsteller ist Internist und Oberarzt der medizinischen Abteilung eines Kreiskrankenhauses im
Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners. Zuletzt hatte der Zulassungsausschuss (ZA) dem Antragsteller mit
Beschluss vom 14. September 2004 eine bis zum 30. September 2006 befristete Ermächtigung zur Durchführung
besonderer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf dem Gebiet der Pneumologie auf Überweisung
niedergelassener Vertragsärzte, abzurechnen nach den Ziffern 1, 74, 75, 691, 698, 700, 707, 710, 715, 718, 720 –
722, 725, 726, 3659 und 3827 des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM), erteilt.
Am 6. März 2006 beantragte der Antragsteller die Verlängerung der Ermächtigung im Bereich des bisherigen
Leistungskataloges zuzüglich der Leistungen nach Ziffer 13651 des EBM 2000 plus. Nachdem sich die Beigeladene
zu 1.) mit Schreiben vom 26. Juli 2006 ablehnend zum Antrag geäußert hatte, lehnte der ZA mit Beschluss vom 12.
September 2006 den Antrag ab. Eine weitere Ermächtigung sei zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der
Versicherten nicht mehr erforderlich. Denn nach den Bestimmungen des EBM 2000 plus dürfe der Antragsteller die
meisten der im bisherigen Ermächtigungskatalog enthaltenen Leistungen nicht mehr durchführen und abrechnen. Die
in Unterziffer 13.3.7 des EBM 2000 plus aufgeführten pneumologischen Leistungen könnte nämlich nur noch von
Fachärzten für innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie und Lungenärzten berechnet werden. Gegen den am 12.
Oktober 2006 abgesandten Beschluss legte der Antragsteller am 20. Oktober 2006 Widerspruch ein.
Ebenfalls am 20. Oktober 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Marburg Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung gestellt mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm die beantragte Ermächtigung zur Teilnahme
an der vertragsärztlichen Versorgung auf dem Gebiet der Pneumologie auf Überweisung niedergelassener
Vertragsärzte im bisherigen Umfang einstweilen bis zum bestandskräftigen Abschluss des Antragsverfahrens,
hilfsweise bis zur Zustellung des Widerspruchsbescheides, zu erteilen. Mit Beschluss vom 13. November 2006 hat
das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller
für den wesentlichen Teil der Leistungen, für die er eine Ermächtigung beantragt habe, nach dem EBM 2000 plus nicht
mehr zur Abrechnung befugt sei. Die Bestimmungen des EBM 2000 plus würden für ermächtigte Ärzte ebenso wie für
niedergelassene Vertragsärzte gelten. Danach seien die abrechnungsfähigen Leistungen drei Bereichen zugeordnet:
Arztgruppenübergreifenden allgemeinen Leistungen, Arztgruppenspezifischen Leistungen und
Arztgruppenübergreifenden speziellen Leistungen. Arztgruppenspezifische Leistungen unterteilten sich in Leistungen
des hausärztlichen und des fachärztlichen Versorgungsbereichs. In den Arztgruppenspezifischen Kapiteln des
fachärztlichen Versorgungsbereichs seien entweder durch Aufzählung der Leistungsposition in den jeweiligen
Präambeln oder Auflistung im Kapitel alle von einer Arztgruppe abrechnungsfähigen Leistungen angegeben.
Arztgruppenspezifische Leistungen könnten nur von den in der Präambel des entsprechenden Kapitels genannten
Vertragsärzten, die die dort aufgeführten Kriterien erfüllten, berechnet werden. Als Internist ohne entsprechende
Schwerpunktbezeichnung könne der Antragsteller nur die in Ziffer 4, 6 und 7 der Präambel zu Abschnitt 13.1 EBM
2000 plus genannte Leistungen erbringen. Hierfür aber bestehe kein Versorgungsbedarf. Die Bestimmungen des EBM
2000 plus seien auch von ermächtigten Ärzten zu beachten. Ziffer 2.3 der allgemeinen Bestimmungen des EBM 2000
plus beinhalte keine Durchbrechung der Systematik mit einer Ausnahmeregelung für ermächtigte Ärzte. Es werde dort
lediglich klargestellt, dass ermächtigte Ärzte nicht sämtliche Leistungen ihres Fachgebietes abrechnen könnten,
sondern insoweit an den Ermächtigungsumfang gebunden seien. Ermächtigte Ärzte seien wie niedergelassene Ärzte
an sämtliche Bestimmungen des Vertragsarztrechts gebunden. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die
Beschränkung bzw. das Erfordernis der Berechtigung zum Führen eines Schwerpunktes nur für niedergelassene Ärzte
gelten solle, nicht aber für ermächtigte Ärzte.
Gegen den ihm am 15. November 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 20. November 2006
Beschwerde zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
Zur Begründung trägt er vor, als Krankenhausarzt mit abgeschlossener Weiterbildung zum Internisten benötige er zur
Erbringung der Leistungen nach Ziffer 13.3.7 des EBM 2000 plus im Rahmen einer Ermächtigung nicht des
Schwerpunktes Pneumologie. Diese Voraussetzung gelte nur für niedergelassene Ärzte nicht aber für ermächtigte
Ärzte, wie aus der Regelung unter Ziffer 2.3 des EBM 2000 plus hervorgehe. Danach sei die Berechnung der
Leistungen durch einen ermächtigten Arzt an das Fachgebiet und den Ermächtigungsumfang gebunden. Nach dieser
Sondervorschrift für ermächtigte Ärzte komme es nur auf das Fachgebiet, nicht aber auf eine etwaige zusätzliche
Schwerpunktbezeichnung an. Der Wortlaut sei insoweit eindeutig. Dies entspreche auch dem Zweck der
Ermächtigung, denn die persönliche Eignung eines Krankenhausfacharztes sei nicht wie bei einem niedergelassenen
Kollegen von der Führung eines Schwerpunktes abhängig. Während ein niedergelassener Internist ohne Schwerpunkt
in der Regel zu Schwerpunktleistungen auch nicht befähigt sei, könne ein Krankenhausfacharzt in seiner täglichen
Arbeit stationär regelmäßig alle Tätigkeiten des gesamten Fachgebietes erbringen, unabhängig davon, ob es sich um
solche handelt, die in einen Schwerpunkt des Fachgebietes fielen. So habe auch der Antragsteller sämtliche von der
beantragten Ermächtigung umfassten pneumologischen Tätigkeiten routinemäßig im Krankenhausdienst stationär
ausgeübt. Jeder Internist im Krankenhaus könne deshalb in den Grenzen seiner tatsächlichen Eignung und der
konkreten Versorgungslücke zu jeder Leistung seines Fachgebietes einschließlich aller Schwerpunktleistungen
ermächtigt werden. So habe der Antragsgegner auch in anderen Ermächtigungsverfahren unter Geltung des EBM
2000 plus Krankenhausärzten ohne Schwerpunkt Ermächtigungen für schwerpunktorientierte Leistungen erteilt.
Weshalb beim Antragsteller trotz gleicher Sachlage die Rechtslage eine andere sein solle, sei nicht nachvollziehbar.
Insoweit sei vielmehr eine Selbstbindung des Antragsgegners eingetreten.
Der Antragsteller beantragt, unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Marburg vom 13. November 2006
den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller die am 3. März 2006 beantragte befristete Ermächtigung zur
Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im bisherigen Umfang einstweilen bis zum bestandskräftigen
Abschluss des Antragsverfahrens, hilfsweise bis zur Zustellung des Widerspruchsbescheides, zu erteilen.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Er nimmt auf die Ausführungen im Beschluss des Sozialgerichts Marburg Bezug und führt ergänzend aus, Ziffer 2.3
der allgemeinen Bestimmungen des EBM 2000 plus beinhalte keine Erweiterung der Abrechnungsmöglichkeiten,
sondern eine Einschränkung in dem Sinne, dass die Abrechnungsmöglichkeiten eines ermächtigten Arztes innerhalb
der durch Ziffer 1.3 aufgestellten Grenzen durch den jeweiligen Ermächtigungskatalog konkretisiert würden. Außerdem
könne nicht davon ausgegangen werden, dass Krankenhausärzte grundsätzlich aufgrund der täglichen Befassung
unabhängig von einer Schwerpunktbezeichnung allein aufgrund ihrer jeweiligen Zugehörigkeit zu einer Facharztgruppe
die Eignung besäßen, Schwerpunktleistungen fachlich erbringen zu können. Auch in Krankenhäusern gelte, dass
keineswegs die Zugehörigkeit zu einer Facharztgruppe automatisch auch eine fachliche Eignung impliziere,
Schwerpunktleistungen unabhängig von der Führung einer Schwerpunktbezeichnung erbringen zu können. In
Krankenhäusern sei eine derartige Verfahrensweise innerhalb der stationären Versorgung aufgrund der Einbettung in
eine stringente ärztliche Fachaufsicht und Arbeitsteilung unter fachlichen Aspekten sachlich gerechtfertigt. Im Bereich
der Erbringung vertragsärztlicher Leistungen, die stets an die Personen des leistenden Arztes gebunden seien, müsse
jedoch auch unter dem Aspekt der Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit weiterhin auf die Einhaltung formaler Kriterien
und Qualifikationen bestanden werden. Auch der Hinweis auf eine in einem anderen Fall möglicherweise
ausgesprochene Ermächtigung ohne die Erfüllung der persönlichen Abrechnungsvoraussetzungen durch den
betreffenden Arzt führe nicht weiter. Selbst wenn eine solche Entscheidung unter Missachtung der
Abrechnungsvorgaben des EBM 2000 plus erfolgt sei, könne der Antragsteller hieraus keinen Anspruch auf
rechtswidrige Gleichbehandlung herleiten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gelte nur im Rahmen rechtmäßigen
Verwaltungshandelns. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht existiere nicht. Darüber hinaus sei auch ein
Anordnungsgrund nicht ersichtlich, denn eine Entscheidung könne ohnehin nur mit Wirkung bis zu einer
Widerspruchsentscheidung des Antragsgegners erfolgen. Dieser beabsichtige aber schon am 20. Dezember 2006 über
den Widerspruch des Antragstellers zu entscheiden. Schon angesichts dieses Zeitrahmens sei kein Bedürfnis für eine
vorläufige Regelung ersichtlich.
II.
Streitig ist der Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung i. S. d. § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz
(SGG), deren Erlass das Sozialgericht abgelehnt hat.
Die zulässige Beschwerde ist sachlich unbegründet. Der erkennende Senat folgt insoweit uneingeschränkt den
zutreffenden Entscheidungsgründen im angefochtenen Beschluss, weshalb zur Vermeidungen von Wiederholungen
von einer erneuten Darstellung derselben abgesehen wird (§§ 142 Abs. 2 Satz 2, 153 Abs. 2 SGG). Im Hinblick auf
die Beschwerdebegründung wird ergänzend darauf hingewiesen, dass Vertragsarzt im Sinne des Gesetzes nicht nur
der niedergelassene, sondern auch der ermächtigte Arzt ist. Deshalb gelten die Bestimmungen für niedergelassene
Vertragsärzte grundsätzlich ebenso für ermächtigte Vertragsärzte. Gemäß § 95 Abs. 4 Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB V) bewirkt die Ermächtigung nämlich, dass der ermächtigte Arzt zur Teilnahme an der
vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die
vertragsärztliche Versorgung sind für sie ebenfalls verbindlich. Aus § 120 Abs. 1 Satz 1 SGB V folgt die Einbindung
der ärztlichen Leistungen der ermächtigten Krankenhausärzte in das System der vertragsärztlichen Gesamtvergütung
gemäß § 85 SGB V, in dessen Ausführung die kassenärztlichen Bundesvereinigungen mit den Spitzenverbänden der
Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen
Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen zu vereinbaren haben (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGB
V). Hierbei sind die Leistungen der fachärztlichen Versorgung in der Weise zu gliedern, dass den einzelnen
Facharztgruppen die von ihnen ausschließlich abrechenbaren Leistungen zugeordnet werden (§ 87 Abs. 2 a Satz 5/2.
Halbsatz SGB V). Insoweit besteht für ermächtigte Ärzte gegenüber niedergelassenen Vertragsärzten keine
Sonderregelung, die sie aus dem vertragsärztlichen Vergütungssystem herausheben würde. Dementsprechend bildet
der EBM 2000 plus u.a. die besondere Arztgruppe der Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Pneumologie
und Lungenärzte, die alleine befugt sind, die unter Ziffer 13.3.7 des EBM 2000 plus aufgeführten pneumologischen
Leistungen abzurechnen, während Internisten ohne Schwerpunkt diese Abrechnungsmöglichkeit nicht zusteht. Ziffer
1.3 der allgemeinen Bestimmungen des EBM 2000 plus enthält dementsprechend auch keine Ausnahme für
ermächtigte Ärzte. Eine solche Ausnahme vermag der Senat auch Ziffer 2.3 der allgemeinen Bestimmungen des EBM
2000 plus nicht zu entnehmen, wenn es dort heißt, die Berechnung der Leistungen durch einen ermächtigten Arzt sei
"an das Fachgebiet und den Ermächtigungsumfang gebunden". Völlig zutreffend hat das Sozialgericht hierzu bereits
ausgeführt, dass dies keine Durchbrechung der gesamten Systematik der vertragsärztlichen Vergütung beinhalten
soll, sondern lediglich einschränkend klarstellt, dass ermächtigte Ärzte bei der Berechnung der Leistungen auch an
den Ermächtigungsumfang gebunden sind, der zusätzliche Einschränkungen enthalten kann. Über den EBM hinaus
gelten für ermächtigte Ärzte, Krankenhäuser und Institute daher weitere Einschränkungen, soweit sich diese aus dem
Umfang der erteilten Ermächtigung ableiten (so zutreffend: Wezel/Liebold, Kommentar zu EBM und GOÄ, Teil 8 -
Seite 3, 4). Die gegenteilige Ansicht des Antragstellers kollidiert mit dem vertragsärztlichen Vergütungssystem, dem
auch die ermächtigten Krankenhausärzte angehören, und widerspricht dem Ziel der Qualitätssicherung u.a. durch
Einführung von Fachkundenachweisen (§ 135 Abs. 2 SGB V). Insoweit weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin,
dass die Erbringung vertragsärztlicher Leistungen durch den ermächtigten Krankenhausarzt ebenso wie durch den
niedergelassenen Vertragsarzt an die Person des leistenden Arztes gebunden ist, weshalb insoweit auch nicht von
den individuellen Qualifikationsvoraussetzungen abgesehen werden kann. Sofern der Antragsgegner in anderen Fällen
ein Bedürfnis zur Erteilung von Ermächtigungen an Krankenhausärzte für solche Leistungen gesehen haben sollte, für
die eine Abrechnungsbefugnis nach den Bestimmungen des EBM 2000 plus nicht bestanden hätte, wäre dies als
rechtswidrige Verwaltungspraxis nicht geeignet, den Antragsgegner im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssatzes
gemäß Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zu binden, denn eine Gleichbehandlung im Unrecht kann niemand
beanspruchen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47, 52 Abs. 1
Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der Senat ebenfalls, ausgehend vom Antrag des Rechtsmittelführers, von einem
Jahreszeitraum bis zum bestandskräftigen Abschluss des Antragsverfahrens und den Angaben des Antragstellers in
der Antragschrift vom 13. Oktober 2006 zu dem von ihm jährlich erzielten Bruttoumsatz in Höhe von 10.500,00 Euro
ausgeht.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).