Urteil des LSG Hessen vom 13.03.2017

LSG Hes: rente, versicherungsträger, auszahlung, arbeitslosigkeit, finanzausgleich, erfüllung, slowakei, abkommen, behandlung, armee

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 28.10.1975 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt
Hessisches Landessozialgericht L 2 J 102/74
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Januar 1974 und der
Bescheid der Beklagten vom 25. März 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 1971 mit der
Maßgabe aufgehoben, daß für die Zeit vom 1. Februar 1971 bis 31. März 1973 die Beklagte und für die Zeit weit 1.
April 1973 die Beigeladene verurteilt werden, die Rente des Klägers insoweit auch in das Ausland zu zahlen, als sie
auf Zeiten einer Beitragsleistung zum tschechoslowakischen Versicherungsträger in der Zeit von 1926 bis 23.
September 1938 und auf die Ersatzzeiten vom 1. Oktober 1928 bis 30. März 1930 entfällt.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu 3/4 zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1908 geborene Kläger – Verfolgter im Sinne von § 1 des Bundentschädigungsgesetzes (BEG) und deutscher
Staatsangehöriger – machte in seinem Geburtsort S., Kreis E. in B. bis 1925 eine Schlosserlehre durch und arbeitete
seit März 1926 dort und in S. als Schlosser und Monteur bis 16. September 1938. Vom 17. September 1938 bis 23.
September 1938 arbeitete er als Monteur bei den S.-Werken in P ... Auf Grund dieser Beschäftigungen legte der
Kläger in den Zeiten von 1926 bis 23. September 1938 Beitragszeiten bei dem tschechoslowakischen
Versicherungsträger (Zentral-Versicherungsanstalt in Prag) zurück. Vom 1. Oktober 1928 bis 30. März 1930 leistete er
militärischen Dienst in der tschechoslowakischen Armee. Vom 10. Oktober 1938 bis 23. Dezember 1938 war der
Kläger aus verfolgungsbedingten Gründen im Konzentrationslager B. inhaftiert.
Vom 1. April 1939 bis April 1940 war der Kläger als Heizer in B. beschäftigt. Von Mai 1940 bis Juni 1945 war der
Kläger wieder als Schlösser in S. beschäftigt. Am 1. Oktober 1946 siedelte der Kläger nach K. W. im Kreis G. über,
wo er seit 1947 als Schweißer arbeitete. Im Juni 1948 wanderte er nach Kanada aus.
Der Kläger gab zu seinem Rentenantrag vom 19. Dezember 1960 hinsichtlich des militärischen Dienstes nur den
Dienst in der tschechoslowakischen Armee von 1928 bis 1930 an.
Mit Bescheid vom 26. November 1964 gewährte die Beklagte dem Kläger vom 1. Dezember 1960 an
Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit. Die Rente wurde dem Kläger in Kanada insoweit ausgezahlt, als sie nicht
auf die bei der Berechnung der Inlandsrente berücksichtigten Zeiten einer Beschäftigung von Dezember 1924 bis Juni
1926 und den nachfolgenden, beim tschechoslowakischen Versicherungsträger zurückgelegten Beitragszeiten vom 1.
Juli 1926 bis 23. September 1938 sowie einer dazwischen liegenden Ersatzzeit des militärischen Dienstes vom 1.
Oktober 1928 bis 30. März 1930 beruhte.
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage machte der Kläger Auszahlung der Rente auch aus den bis 1938 beim
tschechoslowakischen Versicherungsträger zurückgelegten Beitragszeiten sowie aus Ersatzzeiten eines militärischen
Dienstes vom 24. September 1938 bis 9. Oktober 1938 und der verfolgungsbedingten Inhaftierung im Jahre 1938
geltend. Er trug vor, an 24. September 1938 habe er sich auf Grund des allgemeinen tschechischen
Mobilisierungsbefehls bei seiner Militäreinheit in der Slowakei melden müssen; am 9. Oktober 1938 sei er wieder in
seinen Heimatort entlassen worden. Aus der verfolgungsbedingten Haft in D. sei er im Dezember 1938 krank
entlassen worden. Er habe sich bei einem Dr. M. in S. wegen einer Neurose in Behandlung befunden. Der Kläger legte
hierzu Erklärungen des J. K. vom 23. Juni 1966, des A. B. vom 14. Juni 1966 und des E. B. vom 16. Juni 1966 vor,
in denen die Haft des Klägers in D. bestätigt wurde. J. K. führte weiter aus, der Kläger sei vom 23. Dezember 1938
bis 31. März 1939 arbeitslos und während dieser Zeit in ärztlicher Behandlung bei Dr. M. in S. gewesen. A. B.
bezeichnete den Kläger als "längere Zeit” krank nach der Haft. E. B. führte aus, der Kläger habe durch die Haft
gesundheitliche Schäden davongetragen.
Die Klage blieb ohne Erfolg. Sie wurde durch Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 1967
abgewiesen. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Die Beklagte erkannte die Zeit des verfolgungsbedingten
Freiheitsentzugs des Klägers vom 10. Oktober 1938 bis 23. Dezember 1938 als Ersatzzeit an. Der Kläger nahm
dieses Anerkenntnis an und beschränkte sein Begehren auf Auszahlung der Reute, soweit sie auf die beim
tschechoslowakischen Versicherungsträger zurückgelegten Beitragszeiten und der anschließenden Ersatzzeit des
militärischen Dienstes bis 9. Oktober 1938 entfiel. Die Berufung wurde durch Urteil des Hessischen
Landessozialgerichts vom 21.5.1968 – L 2/J-225/67 – zurückgewiesen. Das Landessozialgericht hielt die Auszahlung
der Rente aus den beim tschechoslowakischen Versicherungsträger zurückgelegten Beitragszeiten für nicht
begründet, weil die Rente insoweit nach § 1317 Reichversicherungsordnung (RVO) ruhe. Die Voraussetzungen für eine
Auszahlung ins Ausland gemäß § 1321 Abs. 1 RVO oder § 1321 Abs. 2 RVO seien nicht erfüllt. Für die Anwendung
des § 1321 Abs. 1 RVO fehle es an dem Übergang der Beitragszeiten auf einen deutschen Versicherungsträger, weil
der Kläger zuletzt vor den insoweit nach dem Abkommen zwischen dem Deutschen Reich und der Regierung des
Protektorats Böhmen und Mähern vom 14.3.1940 (RGBl. II S. 108) maßgebenden Stichtag (1.10.1938) auf Grund der
Beschäftigung in P. in den Protektoratsblock gefallen sei. Bei Versicherten dieses Protektoratsblocks sei ein
Beitragsübergang auf einen deutschen Versicherungsträger nicht erfolgt. § 1321 Abs. 2 RVO konnte schon deshalb
nicht angewendet werden, weil der Kläger nicht zum Personenkreis des § 1 Abs. 2 Nr. 1 des
Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) gehöre. Die Frage des Übergangs von Deckungsmitteln des
tschechoslowakischen Versicherungsträgers auf einen Rentenversicherungsträger im Reichsgebiet gemäß § 1321
Abs. 2 Satz 2 RVO könne deshalb offenbleiben.
Mit Bescheid vom 19. November 1968 stellten die Beklagte die Versichertenrente des Klägers vom Rentenbeginn an
neu fest; die anerkannte Ersatzzeit vom 1. Oktober 1938 bis 23. Dezember 1938 wurde mit 12 Versicherungswochen
zusätzlich angerechnet und bei der auszuzahlenden Rente berücksichtigt.
Am 4. März 1971 beantragte der Kläger "gemäß § 1300 RVO” die Neufeststellung der Rentenauszahlung in
Anwendung des § 19 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der
Sozialversicherung (WGSVG) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 22.12.1970 (WGSVÄndG).
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25. März 1971 ab, weil der § 19 WGSVG für den Kläger keine
günstigere Rechtslage hinsichtlich der auszuzahlenden Rente ergebe. Der gegen diesen Bescheid vom Kläger
eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober 1971 zurückgewiesen mit der
Begründung, der in Betracht zu ziehende § 19 Abs. 2 WGSVG bringe für den Kläger keine günstigere Rechtsstellung,
weil er die Voraussetzungen des § 1321 Abs. 2, 2. Halbs. RVO, daß Deckungsmittel auf die
Rentenversicherungsträger des Reiches zu übertragen gewesen sein müßten, nicht berühre.
Mit seiner Klage vertrat der Kläger die Ansicht, bei § 1321 Abs. 2, 2. Halbs. RVO komme es nur auf die globale
Übertragung von Deckungsmitteln an, die vorliege. § 19 Abs. 2 WGSVG in Verbindung mit der entsprechenden
Anwendung von § 1321 Abs. 2 RVO begründe deshalb eine Auszahlung der Rente in das Ausland auch aus den zum
tschechoslowakischen Versicherungsträger von 1926 bis 1938 zurückgelegten Beitragszeiten und der dazwischen
liegenden Ersatzzeit des militärischen Dienstes von 1928 bis 1930. Ferner sei die Rente auch unter Berücksichtigung
weiterer Ersatzzeiten, nämlich der Zeit des militärischen Dienstes vom 24. September 1938 bis 9. Oktober 1938 und
der Zeit einer verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit von Dezember 1938 bis 31. März 1939 auszuzahlen.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main wies mit Urteil vom 24. Januar 1974 die Klage ab mit der Begründung, § 19 Abs.
2 WGSVG bringe für den Kläger hinsichtlich der begehrten Auszahlung in das Ausland seine günstigere
Rechtsstellung. Die Anwendung des § 1321 Abs. 2. RVO scheitere daran, daß die Voraussetzung für eine Anwendung
dieser Bestimmung nicht gegeben sei. Entgegen der Auffassung des Klägers seien Deckungsmittel des
tschechoslowakischen Versicherungsträgers nicht auf einen Rentenversicherungsträger im Reichsgebiet zu
übertragen gewesen. Die Gründe, warum dies nicht der Fall gewesen sei, seien sowohl in dem Urteil des
Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 1967 als auch in dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts
vom 21. Mai 1968, erörtert worden.
Mit der am 7. Februar 1974 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Berufung macht der Kläger geltend,
sein Antrag sei von vorneherein als Antrag nach Art. 4 § 2 Abs. 1 WGSVÄndG auf Neufeststellung der in das Ausland
zu zahlenden Rente gemäß § 19 Abs. 2 WGSVG beabsichtigt und jedenfalls auch als solcher anzusehen gewesen.
Der Kläger meint ferner, daß im Rahmen dieser Neufeststellung auch die Berücksichtigung der Zeiten vom 24.
September 1938 bis 9. Oktober 1938 und vom 24. Dezember 1938 bis 31. März 1939 als Ersatzzeiten eines
militärischen Dienstes und einer verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit zu überprüfen sei.
Hinsichtlich der Zeiten der verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit verweist der Kläger auf die in dem früheren
Rechtsstreit übersandten Erklärungen des A. B., des J. K. und des E. B ...
Der Kläger beantragt (sinngemäß) das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Januar 1974 und den
Bescheid der Beklagten vom 25. März 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 1971
aufzuheben und für die Zeit ab 1. Februar 1971 bis 31. März 1973 die Beklagte und für die Zeit ab 1. April 1973 die
Beigeladene zu verurteilen, die Rente unter Berücksichtigung der bei der Inlandsrente in der Zeit von 1926 bis 23.
September 1938 angerechneten Beitrags- und Ersatzzeiten und unter Berücksichtigung weiterer Ersatzzeiten vom 24.
September 1938 bis 9. Oktober 1938 und vom 24. Dezember 1938 bis 31. März 1939 in das Ausland zu zahlen.
Die Beklagte und die Beigeladene, die die Zahlung der Rente an den Kläger mit Wirkung ab 1. April 1973 auf Grund
der Vorschriften des deutsch-kanadischen Sozialversicherungsabkommens übernommen hat, beantragen, die
Berufung zurückzuweisen.
Sie sind weiterhin der Ansicht, die Voraussetzungen des § 1321 Abs. 2, 2. Halbs. RVO seien nicht erfüllt.
Ergänzend wird auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Rentenakten und der Streitakten: S-7/J-159/65 Sozialgericht
Frankfurt bzw. L-2/J-225/67 Hessisches Landessozialgericht, die vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch statthaft (vgl. §§ 143, 151 Abs.
Sozialgerichtsgesetz –SGG–). Sachlich ist die Berufung auch zum Teil begründet.
Zutreffend hat die Beklagte die sachliche Überprüfung, ob bei der ins Ausland auszuzahlenden Rente des Klägers
weitere Versicherungszeiten steigernd zu berücksichtigen sind, auf § 19 WGSVG, insbesondere auf Abs. 2 dieser
Vorschrift beschränkt. Dem Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift des Art. 4 § 2 Abs. 1 WGSVÄndG entspricht es,
daß bindend gewordene Rentenbescheide nur insoweit zu überprüfen sind, als es sich um durch das WGSVG
eingeführte Leistungsverbesserungen handelt, wie es bei § 19 WGSVG der Fall ist; dahingehend war auch lediglich
der Antrag des Klägers gerichtet, worauf er im Berufungsverfahren auch, nochmals ausdrücklich hingewiesen hat. Es
darf dagegen hier nicht die Auszahlung der Rente unter Berücksichtigung weiterer Versicherungszeiten nach § 1321
RVO sowie die Vertriebeneneigenschaft des Klägers und damit die Auszahlung unter direkter Anwendung des § 1321
Abs. 2 RVO überprüft werden. Hierüber ist in den früheren Verfahren im ablehnenden Sinne rechtskräftig entschieden
worden. Diese Voraussetzungen sind deshalb nicht als erfüllt anzusehen. Die Beklagte hat sich insoweit zutreffend
auf die Rechtskraft der früheren Entscheidungen berufen. Auch die Frage der Auszahlung der Rente unter
Berücksichtigung der vom Kläger geltend gemachten weiteren Ersatzzeiten des militärischen Dienstes im
September/Oktober 1938 und einer verfolgungsbedingten Arbeitslosigkeit vom 24. September bis 9. Oktober 1938 und
vom 24. Dezember 1938 bis 31. März 1939 kann im vorliegenden Verfahren nicht überprüft werden. Diese Zeiten, die
bereits in dem früheren Rechtsstreit in Streit standen, sind bisher bei der Feststellung der Inlandsrente des Klägers
noch nicht berücksichtigt worden. Die Prüfung, ob nach § 19 WGSVG eine neue Feststellung der ins Ausland zu
zahlenden Rente durchzuführen ist, beschränkt sich aber auf die für die Inlandsrente des Klägers bereits
festgestellten Versicherungszeiten. Dem Kläger ist es unbenommen, hinsichtlich der angeführten Ersatzzeiten eine
dahingehende Neufeststellung bei der Beklagten zu beantragen.
Von den Neuregelungen des § 19 WGSVG, die auch für frühere Versicherungsfälle gelten (Art. 4 § 1 WGSVÄndG),
kann nur diejenige des Abs. 2 die Auszahlung der Rente aus den Beiträgen, die in dem Zeitraum von 1926 bis 1938
auf den tschechoslowakischen Versicherungsträger entfallen, begründen. Nach dieser Vorschrift ist bei der Zahlung
vom Renten in das Ausland § 1321 Abs. 2 RVO für Verfolgte entsprechend anzuwenden, welche in den dort
genannten Gebieten einschließlich des ehemaligen Protektorats Böhmen und Mähren am 8. Mai 1945 als deutsche
Staatsangehörige oder deutsche Volkszugehörige ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt und diese
Gebiete vor dem 1. Januar 1950 verlassen haben. Auf die Vertriebeneneigenschaft im Sinne des Abs. 2 Nr. 1 BVFG
wurde insoweit für die Verfolgten ein besonderer Tatbestand deutsche Staats- oder Volkszugehörigkeit abstellt. Der
Kläger, der Verfolgter ist und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, wohnte aber am 8. Mai 1945 in S., welches im
Gebiet des in das ehemalige Deutsche Reich eingegliederten Sudetenlandes lag. Er verließ dieses Gebiet auch vor
dem 1. Januar 1950, weil er 1946 in das Gebiet der Bundesrepublik kam. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen räumt
auch die Beklagte ein. Sie bestreitet jedoch die Erfüllung dem § 1321 Abs. 2, 2. Halbs. RVO, daß Deckungsmittel der
verpflichteten Versicherungsträger auf Rentenversicherungsträger im Reichsgebiet zu übertragen waren. Die Erfüllung
dieser Voraussetzung, die in der früheren Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 1968
ausdrücklich offen gelassen worden war, hat der Senat aber bejaht. Denn der tschechoslowakische
Versicherungsträger (Zentral-Versicherungsanstalt in Prag), zu des die Beitragsentrichtung in den Zeiten von 1926 bis
23. September 1936 erfolgte, hatte nach dem Abkommen vom 14. März 1940 einen Finanzausgleich durchzuführen
und Deckungsmittel an den deutschen Versicherungsträger abzuführen. Zwar gingen die Versicherungsverhältnisse
bei den tschechoslowakischen Versicherungsträgern nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen in der Person
des Versicherten oder Rentenberechtigten auf die deutsche Rentenversicherung über. Die Rentenberechtigten und
Versicherten der tschechoslowakischen Versicherungsträger wurden in je einen "Sudetenblock” und einen
"Protektoratsblock” geteilt. Je nach dem, ob die Voraussetzungen für den Übergang in der Person des Versicherten
oder Rentenberechtigten erfüllt waren oder nicht es sei denn, daß sich nicht die gleiche Blockzugehörigkeit für alle
Rentenberechtigten oder Versicherten des Versicherungsträgers ergab oder die Ansprüche oder Anwartschaften auf
die Slowakei oder Ungarn übergegangen sind. Die Blockzugehörigkeit war in Art. 5, 7 des Abkommens vom 14.3.1940
und in Art. 11 der Zusatzvereinbarung (Abweichungen von den Grundsätzen Art. 5, 7 des Abkommens) vom
5.11.1940 (AN S. 394) geregelt. Die Zentral-Versicherungsanstalt in Prag gehörte danach aber nicht zu den
Versicherungsträgern, die keinen Finanzausgleich mit den zuständigen deutschen Versicherungsträgern
durchzuführen hatten, etwa weil alle Rentenberechtigten und Versicherten Protektoratsblockzugehörige waren. Es
entfiel deshalb nicht die Übertragung von Deckungsmitteln. Entgegen der Auffassung der Beklagten und der
Beigeladenen ist die individuelle Zugehörigkeit des Klägers zum Protektoratsblock auf Grund der zuletzt vor dem
Stichtag (1.10.1938) im Gebiet des ehemaligen Protektorats Böhmen und Mähren in Pilsen ausgeübten Beschäftigung
für die Kannleistung nach § 19 WGSVG, § 1321 Abs. 2 RVO unschädlich, weil es genügt, daß der
Versicherungsträger (Zentral-Versicherungsanstalt in Prag) einen Finanzausgleich durchzuführen und Deckungsmittel
für andere Berechtigte oder Versicherte, die die Voraussetzungen für die Sudetenblockzugehörigkeit erfüllten, an den
deutschen Versicherungsträger abzuführen hatte (vgl. Verbandskomm. zur RVO, Anm. 17 zu § 1321;
Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, 5. Auflage, Anm. 13 zu § 1321
RVO). Diese Auffassung wurde bereits zu § 9 Abs. 5 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) in der
Fassung des 1. und 2. Gesetzes zur Änderung des FAG vom 21.1.1956, der durch § 1321 RVO ersetzt werden ist,
vertreten. Weil es nicht darauf ankomme, inwieweit im Einzelfall Deckungsmittel übertragen worden seien (schriftlicher
Bericht des. Ausschusses für Sozialpolitik, 2. Deutscher Bundestag, zur Drucksache 1732), dürfe Abs. 5 auch auf
Versicherte, die individuell dem Protektoratsblock zugehörig waren, anwendbar sein (vgl.
Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, Anm. 27 zu § 9 FAG).
Bei der Zahlung der Rente des Klägers in das Ausland sind deshalb nach § 19 Abs. 2 WGSVG in Verbindung mit der
entsprechenden Anwendung des § 1321 Abs. 2 RVO die in den Zeiten von 1926 bis 1938 entrichteten Beiträge
steigernd zu berücksichtigen und zwar ab 1.2.1971 (Inkrafttreten des WGSVG, Art. 4 § 2 Abs. 2, § 5 WGSVÄndG).
Zu berücksichtigen sind dabei nicht nur die nichtdeutschen Beitragszeiten selbst, sondern auch die auf Grund dieser
Beitragszeiten bei der Inlandsrente angerechneten Ersatzzeiten des militärischen Dienstes des Klägers vom
1.10.1928 bis 30. März 1930. Bei der Nichterwähnung der Ersatz- und Ausfallzeiten in § 1321 Abs. 2 RVO handelt es
sich um eine Gesetzeslücke, die durch entsprechende Anwendung des Abs. 1 Satz. 1 auszufüllen ist (vgl.
Verbandskomm. Anm. 16 zu § 1321 RVO mit weiteren Literaturhinweisen). Der Abs. 2 des § 1321 RVO wollte die in
FAG (§ 9 Abs. 5) getroffene Regelung nicht einschränken, sondern lediglich der neuen Systematik anpassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der entschiedenen Rechtsfrage
grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat.