Urteil des LSG Hessen vom 27.05.2010

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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 27.05.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Gießen S 6 KN 84/06 KR
Hessisches Landessozialgericht L 1 KR 304/09
Bundessozialgericht B 3 KR 21/10 B
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 21. September 2009 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin die für Januar 2001 bis November 2002 angefallene
Mehrwertsteuerdifferenz zwischen dem ermäßigten Steuersatz von 7 % und dem Regelsteuersatz von 16 % für
Sondennahrung zu erstatten hat.
Die Klägerin stellt Sondennahrung (enterale Nahrung) her und vertreibt diese. Die Lieferung an die Beklagte beruht auf
dem Vertrag vom 24. September 1999. Gemäß § 10 Abs. 4 des Vertrages können Forderungen aus
Vertragsleistungen nach Ablauf eines Jahres, gerechnet vom Ende des Monats, in dem die Leistungen abgegeben
worden sind, nicht mehr erhoben werden. In Anlage 1 des Vertrages (am Ende) ist geregelt: "Die vorstehenden Preise
enthalten sämtliche Nebenkosten, wie z.B. Beratung, Einweisung und Lieferung in die Wohnung. Die jeweils gültige
Mehrwertsteuer kann zusätzlich berechnet werden."
Nach Einführung der Sondennahrung in den 80er Jahren gingen die Hersteller von Sondennahrung davon aus, dass
der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden sei. Ende der 90er Jahre wurde von manchen Oberfinanzdirektionen die
Auffassung vertreten, dass der Regelsteuersatz maßgeblich sei. Die Hersteller von Sondennahrung sowie die
gesetzlichen Krankenkassen forderten jedoch eine Besteuerung nach dem ermäßigten Steuersatz.
Am 17. November 2000 erteilte die Oberfinanzdirektion D. der Klägerin die Zolltarifauskunft, dass Trinknahrung
(Anwendungsgebiet: Bilanzierte Diät zur ausschließlichen Ernährung und als Zusatznahrung, Trinknahrung für
Heranwachsende und Erwachsene) dem Umsatzsteuersatz von 16 % unterliege. Am 17. Januar 2001 gab sie diese
Auskunft gegenüber der Klägerin auch hinsichtlich der Sondennahrung. Die Klägerin stellte der Beklagten dennoch
weiterhin für die Lieferung von Sondennahrung den ermäßigten Umsatzsteuersatz in Höhe von 7 % in Rechnung.
Am 13. Oktober 2003 beschlossen die Referatsleiter der obersten Finanzbehörden der Länder folgende
Nichtbeanstandungsregelung: "Bis zum 31. Dezember 2001 wird es in allen offenen Fällen gemäß § 163
Abgabenordnung nicht beanstandet, wenn Hersteller auf die Umsätze mit diätetischer Trink- und Sondennahrung, die
dem allgemeinen Steuersatz unterliegen, den ermäßigten Steuersatz angewendet haben. Soweit den Herstellern
allerdings Zolltarifauskünfte vorlagen, nach denen die Lieferung der Trink- und Sondennahrung dem Regelsteuersatz
unterliegt und trotz anders lautender Zolltarifauskunft der ermäßigte Steuersatz angewandt wurde, ist die
Nichtbeanstandungsregelung nicht anzuwenden."
Die Firma E., umsatzsteuerlicher Organträger der Klägerin, unterwarf die Umsätze aus dem Vertrieb von Produkten
der enteralen Ernährung in den Jahren 2001 bis 2003 dem Regelsteuersatz von 16 %. Die entstandenen
Umsatzsteuerbeträge wurden laut Bescheinigung des Finanzamtes A-Stadt vom 11. Mai 2009 beglichen.
Daraufhin berechnete die Klägerin die Umsatzsteuer für die Jahre 2001 bis 2003 neu und machte diese mit Schreiben
vom 5. Dezember 2003, bei der Beklagten eingegangen am 17. Dezember 2003, geltend. Die Beklagte verweigerte die
Zahlung sowie den Verzicht auf die Einrede der Verjährung.
Am 27. Dezember 2005 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben, welches mit
Beschluss vom 26. Juni 2006 das Verfahren an das Sozialgericht Gießen verwiesen hat.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Zahlung von 125.045,99 EUR nebst Zinsen für das Jahr
2003 anerkannt. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Mit Urteil vom 21. September 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Beteiligten hätten eine
Nettopreisabrede getroffen. Danach sei die Beklagte zwar grundsätzlich verpflichtet, Nacherhebungen der
Mehrwertsteuer zu bezahlen. Dem Zahlungsanspruch stehe aber entgegen, dass die Klägerin die gültige
Mehrwertsteuer erst mit der Nachberechnung im Dezember 2003 für die Jahre 2001 und 2002 - und damit nach Ablauf
der Frist gemäß § 10 Abs. 4 des Vertrages - geltend gemacht habe. Bei dieser Frist handele es sich um eine
materielle Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung scheide aus. Diese Frist sei auch anwendbar, eine besondere
Schutzwürdigkeit der Klägerin stehe dem nicht entgegen. Die Klägerin sei schon durch Zolltarifauskünfte im Jahr 2000
über die Auffassung der Finanzbehörden informiert worden, dass für die Lieferung von Sondennahrung 16 %
Mehrwertsteuer zu entrichten sei. Dies habe zwar nicht dem Bestreben der Beteiligten entsprochen. Dennoch hätte
die Klägerin, nachdem sich Hinweise auf die Heranziehung des Regelsteuersatzes mehrten, diese der Beklagten in
Rechnung stellen können. Auch hätte die Klägerin mit der Beklagten Vertragsverhandlungen hinsichtlich der
Erstattung der Steuer aufnehmen können, da den Beteiligten die Problematik schon bei Abschluss des Vertrages
bekannt gewesen sei. Das Gericht gehe daher davon aus, dass es dem bewussten Willen der Klägerin entsprochen
habe, den höheren Steuersatz nicht in Rechnung zu stellen. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Ausschlussfrist
dem Rechtsfrieden dienen solle. Nach Ablauf eines Jahres sollten beide Vertragsparteien keinerlei wechselseitige
Ansprüche mehr geltend machen können. Die Ausschlussfrist sei auch nicht deshalb unwirksam, weil keine
Ausnahmen vorgesehen seien. Es sei der materiellen Ausschlussfrist immanent, dass diese nach Fristablauf ohne
weitere Einschränkung zu einem Rechtsverlust führe. Die Frist von einem Jahr sei als angemessen zu erachten. Eine
Vergleichbarkeit mit dem Sachverhalt, welcher dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 3. August 2006 (B 3 KR
7/06 R) zugrunde liege, bestehe nicht.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 10. November 2009 zugestellte Urteil unter dem gleichen Datum Berufung
eingelegt. Das Sozialgericht habe verkannt, dass eine materielle Ausschlussfrist nur dann Wirkung entfalten könne,
wenn eine Ausnahmeregelung für besonders gelagerte Fälle existiere. Andernfalls liege ein ungerechtfertigter Eingriff
in das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Klägerin aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vor. Das
Bundessozialgericht habe mit Urteil vom 3. August 2006 entschieden, dass eine Ausschlussfrist nicht rigide und
undifferenziert sein dürfe. Die Beteiligten seien bis zum Jahr 2003 davon ausgegangen, dass Sondennahrung dem
ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 % unterliege. Ab dem Jahr 2000 habe es unterschiedliche Ansichten der
Oberfinanzdirektionen gegeben. Erst im Oktober 2003 habe jedoch festgestanden, dass die Regelbesteuerung
vorzunehmen sei. Ansonsten wäre eine Nichtbeanstandungsregelung durch die Finanzministerien nie getroffen
worden. Da die Beteiligten einvernehmlich von dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz ausgegangen seien und diesen
über die Dauer von 15 Jahren zugrunde gelegt haben, sei vorliegend von einer ungewöhnlichen Fallkonstellation
auszugehen. Dementsprechend müsse die vertragliche Ausschlussfrist eine Ausnahmeregelung vorsehen. Darüber
hinaus umfasse § 10 Abs. 4 des Vertrages nicht die Pflicht zur Entrichtung der Mehrwertsteuerdifferenz. Denn diese
Regelung diene dazu, eine möglichst zügige und kostengünstige Abrechnung der Krankenkassen mit den
Leistungserbringern zu gewährleisten. Dies könne sich aber nur auf die Ursprungsrechnungen beziehen. Bei der
Mehrwertsteuernachberechnung könne die Regelung hingegen nicht greifen. Zudem sei der Rechtsfrieden bereits
durch die Rechnungslegung innerhalb der Jahresfrist gewahrt worden. Die Erfüllung bzw. Nichterfüllung der Pflicht zur
Steuerabführung könne hingegen keinen Rechtsfrieden zwischen den Vertragsparteien begründen. Zudem bestehe die
Steuerabführungspflicht nur gegenüber den Finanzbehörden. Aber selbst wenn die Ausschlussfrist anwendbar wäre,
hätte die Klägerin diese gewahrt. Erst im Oktober 2003 habe die tatsächliche Höhe des Mehrwertsteuersatzes
endgültig festgestanden. Allein dieser Zeitpunkt sei unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben für den Beginn
der Ausschlussfrist maßgeblich. Dem stehe die Entscheidung des Bundessozialgericht vom 7. Dezember 2006 (B 3
KR 29/05 R) nicht entgegen, da in dem entsprechenden Fall die streitgegenständliche Forderung von Anfang an
bekannt gewesen und diese lediglich zu spät geltend gemacht worden sei. Schließlich habe es – entgegen der
Auffassung des Sozialgerichts – auch keiner zusätzlichen Vereinbarung zwischen den Beteiligten bedurft. Die
Regelbesteuerung sei den Beteiligten erst im Oktober 2003 bekannt gewesen. Ferner hatten sie eine Nettopreisabrede
getroffen, nach der der jeweils gültige Mehrwertsteuersatz zusätzlich berechnet werden könne. Da die Klägerin der
Beklagten nicht unterstelle, dass diese gegen das geltende Steuerrecht verstoßen wolle, sei es nur folgerichtig und
vertragstreu, dass die Beklagte den jeweils gültigen Mehrwertsteuersatz an die Klägerin leiste.
In der mündlichen Verhandlung am 27. Mai 2010 haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, dass die Differenz der
Mehrwertsteuer zwischen 7 % und 16 % im Monat Dezember 2002 10.800,00 EUR betragen hat. Über diesen Betrag
hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen
Basiszinssatz ab dem 15. Februar 2004 abgegeben, welches die Klägerin angenommen hat.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 21. September 2009 aufzuheben und die Beklagte
zur Zahlung von 149.895,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen
Basiszinssatz ab dem 15. Februar 2004 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten vom 27. Mai 2010 und die Erklärung der Beteiligten hinsichtlich des auf
den Dezember 2002 entfallenden Differenzbetrages ist noch über den Zeitraum 1. Januar 2001 bis 30. November 2002
zu entscheiden und von einer Klageforderung in Höhe von 149.895,00 EUR nebst Zinsen auszugehen.
Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Forderung. Das
angegriffene Urteil des Sozialgerichts Gießen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 69 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. § 433
Abs. 2 BGB analog. Hiernach bestimmen sich die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und
Leistungserbringern abschließend nach den Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V sowie dessen §§ 63 und 64 (§ 69
Satz 1 SGB V). Im Übrigen gelten die Vorschriften des BGB entsprechend soweit sie mit den Vorgaben des § 70
SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem 4. Kapitel des SGB V vereinbar sind.
Als Herstellerin und Lieferantin von Sondennahrung ist die Klägerin Leistungserbringerin im Sinne von § 69 Satz 1
SGB V.
Die Klägerin kann auch grundsätzlich gegenüber der Beklagten die Zahlung des vollen Betrags, zu dem sie zur
Umsatzsteuer herangezogen wird, geltend machen. Dies folgt aus der zwischen den Beteiligten getroffenen
Nettopreisabrede, wonach "die jeweils gültige Mehrwertsteuer zusätzlich berechnet werden kann" (Anlage 1 des
Vertrages vom 24. September 1999).
Zweck der getroffenen Nettopreisvereinbarung ist es, die Vertragsbeteiligten von dem Risiko einer zu ihren Lasten
unzutreffenden Steuerfestsetzung zu entlasten. Ohne eine entsprechende Abrede ist mit dem Preis auch der Aufwand
für die Umsatzsteuer abgegolten; er ist unselbstständiger Teil des zu zahlenden Entgelts. Bei einer solchen
Bruttopreisabrede sind beide Vertragsbeteiligte dem Risiko eines unzutreffenden Umsatzsteueransatzes ausgesetzt.
Ist die Steuer im Bruttopreis zu hoch veranschlagt, muss der Abnehmer den vereinbarten Preis in der Regel auch
dann zahlen, wenn nach objektiver Rechtslage ein niedrigerer Ausweis möglich gewesen wäre. Ist sie zu niedrig
ausgewiesen, kann der Unternehmer seinen zusätzlichen steuerlichen Aufwand nicht nachfordern, weil er insoweit
einem rechtlich unbeachtlichen Kalkulationsirrtum unterlegen ist. Dem entgehen die Beteiligten nur durch
Vereinbarung von "Nettopreisen", weil das Kalkulationsrisiko in diesem Fall nur den Nettopreis betrifft und die Höhe
der von dem Abnehmer zu tragenden Umsatzsteuer nach dem Betrag bemessen ist, der von dem Unternehmer an
den Steuerfiskus abzuführen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - B 3 KR 16/07 R - und Urteil vom 3. März 2009 –
B 1 KR 7/08 R). Ist die von dem Unternehmer abzuführende Umsatzsteuer im Verhältnis zur Finanzverwaltung durch
bindende Umsatzsteuerbescheide festgesetzt, so ist das grundsätzlich auch für das Verhältnis zwischen
Unternehmer und Abnehmer maßgebend, ohne dass die Krankenkasse dessen Überprüfung im finanzgerichtlichen
Verfahren verlangen kann (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2008 - B 3 KR 16/07 R). Dies gilt gleichermaßen, soweit der
Steuerschuldner – ohne dass ein Bescheid ergangen ist – einer unmissverständlichen Rechtsaufassung der
Finanzbehörde folgt (vgl. BSG, Urteil vom 3. März 2009 – B 1 KR 7/08 R; krit. Hummel, NZS 2010, 139 ff.).
Dennoch hat die Klägerin vorliegend keinen Anspruch auf die den Zeitraum Januar 2001 bis November 2002
betreffende Forderung. Wie vom Sozialgericht zutreffend ausgeführt steht dem der Ablauf der Frist gemäß § 10 Abs. 4
des Vertrages entgegen. Hierbei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, bei der eine Forderung nach Fristablauf
nicht mehr geltend gemacht werden kann und die von Amts wegen zu beachten ist. Die Ausgestaltung solcher
Abrechnungsfristen als materielle Ausschlussfristen bedarf vorliegend auch keiner ausdrücklichen - zusätzlichen -
gesetzlichen Ermächtigung (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2006 - B 3 KR 29/05 R zu Landesverträgen über die
Versorgung mit Hilfsmitteln).
Die Vergütung der Mehrwertsteuer ist eine "Forderung aus Vertragsleistungen" gemäß § 10 Abs. 4 des Vertrages und
wird damit auch von der Ausschlussfrist erfasst. Es ist nicht erkennbar, weshalb diese Regelung - wie von der
Klägerin vorgetragen - nur auf die Ursprungsrechnungen, nicht aber auf die Mehrwertsteuernachberechnungen
anwendbar sein sollte.
Diese Frist war zum Zeitpunkt der Geltendmachung abgelaufen. Die Klägerin hat die streitgegenständliche Forderung
im Dezember 2003 geltend gemacht. Damit war die Frist für die Forderung verstrichen, soweit sie die Lieferungen bis
einschließlich November 2002 betrifft.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für den Lauf der Frist nicht darauf an, wann die Höhe des
Mehrwertsteuersatzes endgültig feststand. Denn der Klägerin war ausweislich der Zollauskunft vom 17. November
2000 bekannt, dass Trinknahrung mit 16 % zu versteuern ist. Hinsichtlich der Sondennahrung wurde die
entsprechende Auskunft am 17. Januar 2001 erteilt. Damit hätte die Klägerin mit Kenntnisnahme dieser Auskunft die
höhere Mehrwertsteuer geltend machen können. Auch eine Vereinbarung mit der Beklagten, dass die Ausschlussfrist
erst mit endgültiger Steuerfestsetzung zu laufen beginnt, wäre möglich gewesen. Den Ausführungen in der
Klageschrift ist jedoch nur zu entnehmen, dass die Klägerin von der Beklagten den Verzicht der Einrede der
Verjährung begehrt hat. Die vertragliche Ausschlussfrist ist - soweit ersichtlich - nicht Gegen¬stand der
Verhandlungen zwischen den Beteiligten gewesen. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, eine entsprechende
Vereinbarung zur Fristverlängerung sei entbehrlich gewesen, weil sie darauf habe vertrauen können, dass die Beklagte
nicht gegen geltendes Steuerrecht verstößt, ist dies unbeachtlich. Denn umsatzsteuerabführungspflichtig hinsichtlich
der gelieferten Sondennahrung war die Klägerin. Sie konnte der Beklagten aufgrund der vertraglichen Vereinbarung die
zu entrichtende Umsatzsteuer lediglich zusätzlich berechnen.
Die vertragliche Ausschlussfrist führt nicht zu einem ungerechtfertigten Eingriff in das verfassungsrechtlich
geschützte Recht der Klägerin aus Art. 12 GG. Insbesondere ist die Ausschlussfrist für die Klägerin als
Leistungserbringerin nicht einseitig benachteiligend, weil auch Beanstandungen der Beklagten innerhalb eines Jahres
geltend zu machen sind. Der Vertrag folgt insoweit dem Prinzip der Waffengleichheit – nach Ablauf eines Jahres
sollen sowohl Beanstandungen von Rechnungen als auch Forderungen aus Vertragsleistungen nicht mehr möglich
sein (vgl. BSG, Urteil vom 7. Dezember 2006 – B 3 KR 29/05 R).
Es kann dahinstehen, ob Fallkonstellationen denkbar sind, in denen Ausnahmen von der Ausgestaltung einer solchen
Abrechnungsfrist als Ausschlussfrist erforderlich sein könnten. Denn es geht hier nicht um die Eigengesetzlichkeit
eines auf einzelne Quartale bezogenen Gesamtvergütungssystems, welches darauf ausgerichtet ist, dass nach jedem
Quartal möglichst schnell und möglichst umfassend die für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge
ausgekehrt werden. Auch liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin die Jahresfrist gemäß § 10 Abs.
4 des Vertrages aus von ihr nicht zu vertretenden Umständen nicht hat einhalten können (vgl. BSG, Urteil vom 7.
Dezember 2006 - B 3 KR 29/05 R; Urteil vom 3. August 2006 - B 3 KR 7/06 R - Apotheker - und Urteil vom 22. Juni
2005 - B 6 KA 19/04 R - Vertragsärzte). Insbesondere hat sie nichts dazu vorgetragen, weshalb sie nach den
Zolltarifauskünften ihre Forderung nicht innerhalb der Jahresfrist geltend gemacht hat. Aufgrund dieser Auskünfte
kannte die Klägerin die Rechtsauffassung der entsprechenden Oberfinanzdirektion. Dennoch hat sie den ermäßigten
Steuersatz ihren Rechnungen zugrunde gelegt. Folgerichtig wurde auch die Nichtbeanstandungsregelung (Schreiben
des Bundesministeriums der Finanzen vom 13. Oktober 2003) auf die Klägerin nicht angewandt. Da die Klägerin
hiergegen nicht rechtlich vorgegangen ist, kann sie sich auch nicht auf hiervon abweichende Rechtsansichten berufen
(vgl. Bayerisches LSG, das von dem ermäßigten Umsatzsteuersatz für Sondennahrung ausgeht, Urteil vom 12.
Februar 2008 – L 5 KR 223/06).
Ob die Ausschlussfrist – wie die Klägerin meint – zur Herstellung von Rechtsfrieden ungeeignet ist, ist für deren
Anwendbarkeit unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.