Urteil des LSG Hessen vom 13.03.2017

LSG Hes: ausbildungszulage, behandlung, kreis, anmerkung, arbeitsamt, ergänzung, getrenntleben, drucksache, gesetzeslücke, lebenserfahrung

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 07.12.1966 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt
Hessisches Landessozialgericht L 3 Kg 847/66
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 8. Juli 1966 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der verheiratete Kläger beantragte am 26. Juli 1966 die Gewährung von Ausbildungszulage für seinen aus einer
anderen Ehe stammenden, 1943 geborenen Sohn H., der sein einziges Kind ist und seit dem 1. Mai 1964 die
Universität F. besucht.
Mit Bescheid vom 30. Juli 1965 lehnte das Arbeitsamt F. den Antrag ab, weil gemäß § 14 a des
Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) bei verheirateten Antragstellern neben dem Kind, für das eine Ausbildungszulage
beantragt werde, ein weiteres Kind vorhanden sein müsse.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und trug vor, es sei zu berücksichtigen, daß er seit 1959
von seiner Ehefrau getrennt lebe und allein den Lebensunterhalt seines bei ihm wohnenden Sohnes bestreite. Er
werde auch vom Finanzamt in die Steuerklasse II. eingruppiert. Das Arbeitsamt F. half dem Widerspruch mit
Bescheid vom 27. September 1965 nicht ab, weil die Anspruchsvoraussetzungen des § 14 a BKGG nicht vorlägen, da
der Kläger weder verwitwet noch geschieden oder ledig sei.
Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG) Frankfurt/Main Klage, die mit Urteil vom 8. Juli 1966 abgewiesen
wurde. Das SG schloß sich der Auffassung der Beklagten an.
Gegen das ihm am 28. Juli 1966 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24. August 1966 Berufung eingelegt. Er führt
unter anderen aus, zwar werde in § 14 a Abs. 1 BKGG bestimmt, daß nur für einzige Kinder von Ledigen, Verwitweten
und Geschiedenen Ausbildungszulage zu gewähren sei.
Die gleichen Voraussetzungen träfen aber auch für Getrenntlebende zu, die ebenfalls alleinstehend seien. Es gebe
keinen vernünftigen Grund, weshalb dieser Personenkreis anders zu behandeln sei. Auch liege ein Verstoß gegen den
Gleichheitsgrundsatz vor, weil er nach der Lohnsteuergesetzgebung nicht als Verheirateter betrachtet, sondern in die
Steuergruppe II. eingestuft werde. Wenn das rechtens wäre, müßte man dem Gesetzgeber unterstellen, daß er je
nach Bedarf den Personenstand seiner Bürger manipuliere, und zwar einmal als geschieden, wenn der Bürger zahlen
müsse, und einmal als verheiratet, wenn der Staat zahlen sollte.
Er beantragt, den Bescheid des Arbeitsamtes F. vom 30. Juli 1965 sowie den Widerspruchsbescheid vom 27.
September 1965 und das Urteil des SG Frankfurt/Main vom 8. Juli 1966 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von
Ausbildungszulage ab 1. April 1964 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Sie führt u.a. Aus, § 14 a Abs. 1 BKGG könne nicht erweitert im Sinne des Klägers ausgelegt werden. Die Steuerliche
Behandlung hinsichtlich der Einreihung des Klägers in eine ihn begünstigende Steuerklasse sei hierbei ohne Belang.
Entgegen der Auffassung des Klägers liege ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nicht vor.
Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124
Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger steht keine Ausbildungszulage
für sein einziges Kind H. zu.
Gemäß § 14 a Abs. 1 Satz 1 BKGG erhalten Personen für jedes Kind, das zwischen der Vollendung des fünfzehnten
und der Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres u.a. eine Hochschule besucht, eine Ausbildungszulage.
Nach dem zweiten Halbsatz dieser Bestimmung wird jedoch Personen, die nicht mehr als ein Kind haben, die
Ausbildungszulage nur gewährt, wenn sie verwitwet, geschieden oder ledig sind. Da der Kläger nur ein Kind hat und
von seinem Ehegatten lediglich getrennt, also noch in gültiger Ehe, lebt, steht ihm nach dem insoweit eindeutigen
Wortlaut des Gesetzes keine Ausbildungszulage zu. Da es sich um eine Ausnahmeregelung handelte, ist auch keine
erweiternde Auslegung möglich.
Eine gegebenenfalls richterlich auszufüllende Gesetzeslücke liegt ebenfalls nicht vor. In dem "Entwurf eines
Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes” (vgl. Bundestagsdrucksache IV 2649) hieß
es u.a.: "Personen, die nicht mehr als ein Kind haben, wird die Ausbildungsbeihilfe nur gewährt, wenn sie
alleinstehend sind.” Diese Definition wurde jedoch für zu unbestimmt gehalten und die jetzige Formulierung gewählt
(vgl. Den schriftlichen Ausschußbericht zu Drucksache IV/3028). Daraus folgt, daß der Gesetzgeber über den Kreis
der berechtigten Personen Erwägungen angestellt hat, die in dem jetzigen Gesetzeswortlaut ihren sprachlichen
Ausdruck gefunden haben. Aus dem – weiteren – Kreis der "alleinstehenden” Personen hat er nur den Gruppen der
Verwitweten, Geschiedenen und Ledigen eine Anspruchsberechtigung gewährt und damit offensichtlich bewußt die
noch in einer gültigen Ehe lebenden Personen ausgenommen. Dazu gehören auch getrennt lebende Personen und
solche, deren Ehegatte verschollen und noch nicht für tot erklärt worden ist. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor,
daß der Gesetzgeber an diese allgemein bekannten Personengruppen nicht gedacht hat.
Auch der Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Grundgesetz) ist damit nicht verletzt worden, wonach dem Sachverhalt nach
Gleiches rechtlich gleich zu behandeln ist (vgl. Von Mangold-Klein, Das Bonner Grundgesetz, Anmerkung III zu
Artikel 3). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob dieser Grundsatz im Falle eines Elternteils mit nur einem Kind
verletzt ist, wenn der andere Elternteil vermißt ist. Im vorliegenden Fall liegt eine Verletzung des
Gleichheitsgrundsatzes nach Auffassung des erkennenden Senates deshalb nicht vor, weil auch getrennt lebende
Ehegatten verpflichtet sind, zum angemessenen Familienunterhalt gemeinsam beizutragen. Da die Ausbildungszulage
eine besondere Art des Familienlastenausgleiches darstellt, ist es im Rahmen einer generalisierenden
Betrachtungsweise, auf die der Gesetzgeber angewiesen ist, gerechtfertigt, getrennt lebenden Ehegatten mit nur
einem Kind den Anspruch hierauf zu versagen, ihn aber ledigen, verwitweten und geschiedenen Personen zu
gewähren, weil diese in der Regel in ungünstigeren wirtschaftlichen Verhältnissen leben und es für sie nach der
Lebenserfahrung schwerer ist, ihr einziges Kind z.B. Studieren zu lassen, als dies für einen verheirateten Vater der
Fall ist (so auch Käss, Kommentar zum Kindergeldgesetz, Anmerkung 9 zu § 14 a). Hinzu kommt, daß das
Getrenntleben von Ehegatten nicht immer sicher nachweisbar ist, manipuliert und jederzeit beendet werden kann. Es
ist daher nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber rechtlich und tatsächlich eindeutige Kriterien als Voraussetzung
für die Gewährung von Ausbildungszulage beim Vorhandensein nur eines Kindes bestimmt hat.
Auch der Hinweis des Klägers auf seine lohnsteuerrechtliche Behandlung kann zu keinem anderen Ergebnis führen.
Es mag zweifelhaft sein, ob die Praxis der Steuerbehörden, getrennt lebende Ehegatten steuerlich nicht wie
Verheiratete zu behandeln, mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist. Dies kann und braucht hier aber nicht
entschieden zu werden.
Die Berufung des Klägers war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.