Urteil des LSG Hessen vom 10.10.2003
LSG Hes: aufschiebende wirkung, auflage, duldung, aufnahme einer erwerbstätigkeit, vorläufiger rechtsschutz, genehmigung, verfügung, rückwirkung, besitz, abschiebung
Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 10.10.2003 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 33 AL 1348/00
Hessisches Landessozialgericht L 10 AL 974/02
Bundessozialgericht B 7 AL 12/04 R
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Juni 2002 wird
zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die rückwirkende Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg).
Der im Jahre 1964 geborene Kläger reiste im Jahre 1991 mit einem Pass der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien
in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er war vom Dezember 1991 bis zum 15. November 1999 als Arbeiter in der
Gärtnerei H., H., beschäftigt. Die Beklagte hatte ihm am 22. August 1994 eine unbefristete Arbeitsgenehmigung
erteilt. Aufgrund Verfügung der Ausländerbehörde des Landrates des Main-Kinzig-Kreises vom 10. November 1998
wurde die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und die Ausreisepflicht des Klägers festgestellt. Im
Zusammenhang mit Schwierigkeiten bei der Feststellung der kroatischen Staatsangehörigkeit erhielt der Kläger vom
Ausländeramt Duldungen. Am 15. November 1999 erhielt er dabei eine Duldung verbunden mit der Auflage, dass er
nicht zur Arbeitsaufnahme berechtigt sei. Daraufhin kündigte ihm der Arbeitgeber am 15. November 1999 fristlos.
Am 16. November 1999 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg.
Dies wurde ihm seitens der Beklagten zunächst bewilligt. Nachdem die Beklagte dann von der Ausländerbehörde in
Kenntnis gesetzt worden war, dass eine Arbeitsaufnahme mit Ablauf des 14. November 1999 nicht mehr gestattet sei,
hob sie mit Bescheid vom 23. November 1999 die Alg-Bewilligung auf. Der Bescheid wurde bindend.
Mit weiterem Bescheid vom 18. November 1999 teilte die Beklagte dem Kläger darüber hinaus mit, dass die
Arbeitsgenehmigung nach § 8 Abs. 1 Arbeitsgenehmigungsverordnung (ArGV) erloschen und er zur Rückgabe der
Genehmigung verpflichtet sei. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 1.
Dezember 1999 zurück. Vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S 33 AL 434/00 ER) erwirkte der Kläger am
13. März 2000 einen Beschluss des Inhalts, dass die aufschiebende Wirkung der gegen die angefochtenen Bescheide
erhobenen Klage vor dem SG Frankfurt (Az.: S 13 AL 4532/99) angeordnet werde. Die Beschwerde der Beklagten
wurde durch Beschluss des Hessischen Landessozialgerichtes vom 29. September 2000 (Az.: L 10 AL 783/00 ER)
als unzulässig verworfen.
Am 20. März 2000 meldete sich der Kläger erneut bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Er
legte die Duldung vom 15. November 1999, die bis zum 10. Mai 2000 verlängert und weiterhin mit der Auflage
"berechtigt nicht zur Arbeitsaufnahme und Gewerbeausübung" versehen war, vor.
Mit Bescheid vom 30. März 2000 lehnte die Beklagte die Zahlung von Alg erneut ab. Der Kläger sei zur
Arbeitsaufnahme nicht berechtigt. Dem widersprach der Kläger am 4. April 2000 und verwies darauf, dass er der
Auflage in der ausländerrechtlichen Duldung widersprochen habe und insoweit der Suspensiveffekt eingetreten sei.
Mit Bescheid vom 7. April 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die
Entscheidung der Ausländerbehörde Tatbestandswirkung für sie entfalte. Der Kläger sei durch aufenthaltsrechtliche
Auflagen gehindert gewesen, einer Beschäftigung nachzugehen.
Hiergegen richtete sich die am 11. April 2000 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhobene Klage. Der Kläger
meldete sich im Verlaufe des Klageverfahrens am 17. Juli 2000 erneut bei der Beklagten arbeitslos und teilte mit, am
17. April 2000 die Arbeit wieder aufgenommen zu haben. Ihm sei am 9. Juni 2000 wiederum gekündigt worden,
nachdem anlässlich der Verlängerung der Duldung am 9. Juni 2000 erneut ein Verbot der Arbeitsaufnahme
ausgesprochen worden sei. Der Kläger legte den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main (Az.: 1 G
2736/00 (3)) vom 7. Juli 2000 vor. Darin ordnete das Verwaltungsgericht (VG) die aufschiebende Wirkung des
Widerspruches des Klägers vom 16. November 1999 gegen die Auflage in der Duldung "berechtigt nicht zur
Arbeitsaufnahme und Gewerbeausübung" bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens an. Zur Begründung führte
das VG aus, dass zwar grundsätzlich die Auflage zur Duldung in den Fällen zulässig sei, in denen, wie hier
geschehen, der Betreffende offensichtlich die Bemühungen um die kroatische Staatsangehörigkeit absichtlich
verzögert habe. Vorliegend habe die Behörde indes selbst den Passantrag ausgefüllt und sich direkt an das Konsulat
gewandt, so dass nicht ersichtlich sei, inwieweit der Kläger selbst noch Einfluss darauf habe, ob das kroatische
Generalkonsulat nun Heimreisepapiere ausstelle oder nicht. Insoweit sei nicht ersichtlich, inwieweit jetzt das
Arbeitsverbot eine Beschleunigungswirkung für die Ausreise haben könne. Im Hinblick auf den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit sei es deshalb angebracht, die Auflage zu suspendieren. Der Widerspruch des Klägers gegen die
Auflage in der Duldung wurde letztlich vom Regierungspräsidium Darmstadt mit Bescheid vom 10. Oktober 2001
zurückgewiesen.
Die Beklagte bewilligte Leistungen mit Bescheid vom 25. September 2000 für die Zeit ab 17. Juli 2000.
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass aufgrund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs
gegen die Auflage in der Duldung seitens des VG seine Verfügbarkeit nunmehr hergestellt sei und ihm Alg auch ab
20. März 2000 sowie erneut ab 9. Juni 2000 zustehe. Er habe sich bei der Beklagten am 9. Juni 2000 arbeitslos
gemeldet, diese Meldung sei vom Arbeitsamt aber nicht entgegengenommen worden.
Das SG hat Beweis erhoben und die Ehefrau des Klägers sowie die Arbeitsvermittlerin, Frau M. F., als Zeuginnen
vernommen. Sodann hat das SG durch Urteil vom 21. Juni 2002 die Beklagte zur Zahlung von Alg für die Zeit vom 20.
März 2000 bis zum 9. April 2000 und vom 9. Juni 2000 bis zum 16. Juli 2000 verurteilt. Zur Begründung hat sich das
SG darauf gestützt, dass aufgrund der durch das VG angeordneten aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen
die Auflage in der Duldung rückwirkend zum Zeitpunkt des Erlasses der Duldung die Verfügbarkeit des Klägers
anzunehmen sei. Die aufschiebende Wirkung trete rückwirkend ein. Dem Kläger stehe Alg ab 20. März 2000 zu.
Nachdem der Kläger darüber hinaus angegeben habe, bereits ab 10. April 2000 wieder gearbeitet zu haben, sei der
Anspruch auf die Zeit bis zum 9. April 2000 beschränkt. Am 9. Juni 2000 sei indes ein neuer Anspruch auf Alg
entstanden aufgrund der erneuten Arbeitslosmeldung durch den Kläger. Dieses stehe zur Überzeugung des Gerichtes
fest aufgrund der glaubhaften und glaubwürdigen Aussagen des Klägers und seiner Ehefrau. Die Zeugin F. habe sich
verständlicherweise an die zurückliegenden Ereignisse nicht mehr erinnern können. Sie habe indes bestätigt, dass die
Arbeitsverwaltung von vornherein eine Arbeitslosmeldung nicht zu den Akten nehme, wenn sie den Arbeitslosen
aufgrund der ausländerrechtlichen Situation für nicht verfügbar halte.
Gegen das ihr am 19. August 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 11. September 2002 eingelegte Berufung der
Beklagten. Diese steht auf dem Standpunkt, dass das sozialgerichtliche Verfahren und das Verwaltungsverfahren
betreffend die Untersagung der Arbeitsaufnahme zu trennen seien. Eine Fiktion dahin, dass der Arbeitslose dem
Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden habe, komme bei der Frage der Verfügbarkeit nicht in Betracht. Die
einstweilige Anordnung, mit der die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen die Auflage in der
ausländerrechtlichen Duldung hergestellt worden sei, wirke vorrangig zwischen den Beteiligten, also der
Ausländerbehörde und dem Kläger. Ihr, der Beklagten, dürfe nicht der Schaden auferlegt werden, den sie nicht
verursacht habe. Die Anspruchsvoraussetzungen hätten erst vorgelegen, als sie von der aufschiebenden Wirkung
Kenntnis gehabt habe, somit ab 17. Juli 2000.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 21. Juni 2002 aufzuheben und die Klage
abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger beruft sich auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Jedenfalls aufgrund der
verwaltungsgerichtlichen Entscheidung habe er einen Anspruch darauf, dass das arbeitsrechtliche Verbot nicht
vollzogen werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten, auch im Vorbringen der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene
Gerichtsakte des SG Frankfurt (Az.: S 33 AL 434/00 ER) sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug
genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, indes nicht begründet.
Das SG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger im streitigen Zeitraum vom 20. März 2000 bis zum 9. April 2000
und vom 9. Juni 2000 bis zum 16. Juli 2000 Alg zusteht. Rechtsgrundlage ist § 117 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes
Buch (SGB III). Danach haben Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, die 1. arbeitslos sind, 2. sich beim
Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.
Streitig ist vorliegend das Vorliegen der Voraussetzung nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Arbeitslos ist der
Arbeitnehmer u. a. dann, wenn er eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende
Beschäftigung sucht (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Dies setzt seinerseits voraus, dass der Betreffende den
Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (§ 119 Abs. 1 Ziff. 2 SGB III). Diese sog.
Verfügbarkeit lag beim Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen vor. Zur Verfügung steht nur, wer im geltend
gemachten Zeitraum eine Beschäftigung ausüben kann und darf. Ausländische Staatsangehörige, die ohne
Aufenthaltsbefugnis zur Ausreise verpflichtet sind, stehen der Arbeitsvermittlung objektiv nicht zur Verfügung, weil sie
ohne Aufenthaltsbefugnis in Deutschland eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes
nicht ausüben dürfen. Ausländische Staatsangehörige dürfen daher eine Beschäftigung nur mit Genehmigung des
Arbeitsamtes ausüben (§ 284 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Nach § 284 Abs. 4 SGB III wird die Genehmigung als
Arbeitserlaubnis erteilt, wenn nicht Anspruch auf die Erteilung als Arbeitsberechtigung besteht. Sie darf zudem nur
dann erteilt werden, wenn der Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 des Ausländergesetzes besitzt,
soweit durch Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist, und wenn die Ausübung einer Beschäftigung nicht durch
eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen ist (§ 284 Abs. 5 SGB III).
Unstreitig befand sich der Kläger im maßgeblichen Zeitraum nicht im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung im Sinne
von § 5 des Ausländergesetzes. Er besaß weder eine Aufenthaltserlaubnis (§§ 15, 17 Ausländergesetz - AuslG -),
eine Aufenthaltsberechtigung (§ 27 AuslG), Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG) oder Aufenthaltsbefugnis (§ 30
AuslG). Vom Vorliegen einer Aufenthaltsgenehmigung können indes Ausnahmen durch Verordnung zugelassen
werden. Insoweit sieht § 5 Nr. 5 ArGV vor, dass bei Ausländern, die eine Duldung gemäß § 55 AuslG besitzen, d. h.
bei denen die Abschiebung zeitweise ausgesetzt ist und denen insoweit der Aufenthalt lediglich "gestattet" ist, von
einem rechtmäßigen Aufenthalt auszugehen ist. Vorliegend besaß der Kläger eine Duldung im Sinne dieser Regelung.
Seine Abschiebung war ausgesetzt worden. Im Übrigen befand er sich auch im Besitz einer Arbeitsgenehmigung.
Diese war ihm von der Beklagten am 22. August 1994 unbefristet erteilt worden. Der Umstand, dass die Beklagte mit
Bescheid vom 18. November 1999 das Erlöschen der Genehmigung festgestellt und den Kläger zur Rückgabe der
Arbeitsgenehmigung aufgefordert hat, kann hier nicht berücksichtigt werden. Denn durch Beschluss des SG Frankfurt
am Main vom 13. März 2000 wurde die aufschiebende Wirkung der Klage des Klägers gegen die Rückforderung der
unbefristet erteilten Arbeitsgenehmigung angeordnet. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Beschwerde wurde
am 29. September 2000 als unzulässig verworfen. Das von der Beklagten festgestellte Erlöschen der Genehmigung
entfaltete aufgrund der einstweiligen Anordnung des SG im streitbefangenen Zeitraum somit keine Wirkung. Der
Kläger war bei seiner Arbeitslosmeldung am 20. März 2000 so zu behandeln, als habe er sich im Besitz einer
Arbeitsgenehmigung befunden.
Dem steht nicht entgegen, dass nach § 284 Abs. 5 SGB III die Genehmigung nur erteilt werden kann, wenn die
Ausübung der Beschäftigung nicht durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen ist. Vorliegend hat der
Landrat des Main-Kinzig-Kreises als Ausländerbehörde aufgrund der am 15. November 1999 ausgesprochenen
Duldung zwar die Auflage erteilt, dass eine Arbeitsaufnahme untersagt sei. Insoweit ist die Beklagte an diese
Entscheidung der Ausländerbehörde gebunden und entfaltet deren Entscheidung im Verfahren auf Erteilung einer
Arbeitsgenehmigung auch Tatbestandswirkung (BSG SozR 4100 § 19 Nr. 1 u. 3).
Zur Frage, ob die Tatbestandswirkung auch eintritt, wenn die ausländerrechtliche Auflage mit Rechtsbehelfen
angefochten ist, hat das BSG zwar mit Urteil vom 9. August 1990 entschieden, dass die aufschiebende Wirkung
ausgeschlossen sei (SozR 3-4100 § 103 Nr. 1). Dies betraf jedoch die alte Regelung des § 21 Abs. 3 AuslG 1965, die
durch § 72 Abs. 1 AuslG in der seit 1991 geltenden Fassung ersetzt worden ist. Danach haben nur Rechtsbehelfe
"gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung" keine
aufschiebende Wirkung (vgl. Bundestags-Drucksache 11/6321 S. 48), so dass Rechtsbehelfe gegen
ausländerrechtliche Auflagen nicht von dieser Regelung erfasst sind. Allerdings ist die aufschiebende Wirkung von
Rechtsbehelfen aufgrund der Ermächtigungsnorm des § 80 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zum Teil kraft
Landesrechts im Bereich der Verwaltungsvollstreckung ausgeschlossen worden, wie hier in § 12 des Hessischen
Ausführungsgesetzes zur VwGO (HessAGVwGO). Danach haben auch Rechtsbehelfe gegen die Duldung
einschließlich Auflage im Sinne von § 56 AuslG als Verwaltungsakte in der Verwaltungsvollstreckung keine
aufschiebende Wirkung. Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass es sich dabei nicht um Maßnahmen der
Verwaltungsvollstreckung handele (OVG Berlin, Beschluss vom 7. Juli 1998, NVwZ 1998, 992). Der Senat schließt
sich indes der Auffassung des VG in dessen Beschluss vom 7. Juli 2000 an, wonach sich die Duldung und die mit ihr
im Zusammenhang stehenden Regelungen auf die Aussetzung der Vollziehung einer Ausreisepflicht beziehen und
deshalb Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung darstellen (so auch Hessischer VGH, Beschluss vom 12. Juli
1984, InfAuslR 1985, 290; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 19. Januar 1999, DÖV 1999, 393). Aufgrund des
Antrags des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Untersagung der
Erwerbstätigkeit in der Duldung, dem seitens des VG durch Beschluss vom 7. Juli 2000 auch entsprochen wurde, ist
somit die Tatbestandswirkung dieser ausländerrechtlichen Feststellung entfallen.
Insoweit kann sich die Beklagte nicht auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. Oktober 1989 (SozR 4100 §
103 Nr. 44) berufen. Dort hatte das Bundessozialgericht zum Fall eines Asylbewerbers, dessen Abschiebung mit der
Auflage ausgesetzt war, dass eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei, entschieden, dass Widerspruch und
Anfechtungsklage gegen die mit der Auflage versehene Duldung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine
aufschiebende Wirkung hätten. Es hätte gegebenenfalls vorläufiger Rechtsschutz gesucht werden müssen, was in
dem entschiedenen Fall seinerzeit indes nicht geschehen sei. In dem Zusammenhang hat das BSG explizit
ausgeführt, dass über die Frage, wie zu entscheiden gewesen wäre, wenn einstweiliger Rechtsschutz beansprucht
worden wäre, nicht zu entscheiden sei.
Hier hat der Kläger jedoch eine für ihn günstige Entscheidung des VG im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz
erwirkt. Diese hat für die Beklagte Tatbestandswirkung. Davon ist die Beklagte auch selbst ausgegangen. Denn sie
hat mit Bescheid vom 25. September 2000 aufgrund Antrages des Klägers vom 17. Juli 2000 ab diesem Zeitpunkt
Leistungen bewilligt. Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Beklagten, sozialgerichtliches Verfahren und
Verwaltungsverfahren seien getrennt zu beurteilen, nicht nachvollziehbar.
Entscheidungserheblich ist somit allein die Frage, ob die Entscheidung des VG vom 7. Juli 2000 auf den Zeitpunkt
der Antragstellung des Klägers am 20. März 2000 zurückwirken kann. Dies ist nach Auffassung des Senates der Fall.
Aufgrund der gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO über die einstweilige Anordnung tritt die
aufschiebende Wirkung rückwirkend ein, d. h. sie wirkt zurück auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes
(vgl. Eyermann/Schmidt, VwGO, 11. Aufl., 2000, § 80 Rz. 15; Kopp, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 80 Rz. 54; Renner,
AuslG, 7. Aufl. 1999, § 72 Rz. 5). Damit ist eine Rückwirkung zum 15. November 1999 eingetreten mit der Folge,
dass die Auflage des Verbots der Arbeitsaufnahme keine Wirkungen entfalten konnte. In dem Zusammenhang kann
die Beklagte sich nicht darauf berufen, dass hier Wirkungen nur zwischen dem Kläger und der Ausländerbehörde
betroffen seien. Denn die Ausländerbehörde ist insofern in das Arbeitsgenehmigungsverfahren mit eingeschaltet, als
sie den Aufenthaltsstatus bestimmt und ausländerrechtliche Auflagen - wie hier die Untersagung der Arbeitsaufnahme
- festlegt. Damit kann die Bundesanstalt für Arbeit nicht selbst die ausländerrechtlichen Voraussetzungen prüfen.
Solange eine ausländerrechtliche Auflage nicht vollstreckbar ist, da sie mit aufschiebender Wirkung angefochten ist,
besteht insoweit eine Bindungswirkung für die Beklagte.
Dem kann die Beklagte ebenso wenig entgegenhalten, dass jedenfalls Ansprüche auf Erziehungsgeld nach dem
Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) bei rückwirkender Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht rückwirkend
begründet werden könnten. In dem in Bezug genommenen Urteil des Bundessozialgerichtes vom 9. Februar 1994
(Az.: 14/14 b REg 9/93) wird die fehlende Rückwirkung des auslandsaufenthaltsrechtlichen Verwaltungsaktes damit
begründet, dass die Zahlung von Erziehungsgeld voraussetze, dass sich die Antragsteller nach der Formulierung in §
1 Abs. 1 Satz 2 BErzGG "im Besitz" des Aufenthaltstitels befinden müssten. Dies wird u. a. damit begründet, dass
die Systematik des Ausländerrechtes dafür spreche, dass der Gesetzgeber bei Einfügung von Satz 2 in § 1 Abs. 1
BErzGG davon ausgegangen sei, dass die dort genannten Aufenthaltsgenehmigungen nur für die Zukunft erteilt
würden. Diese Erwägungen sind indes in keiner Weise auf den vorliegenden Fall übertragbar. Denn es ist vorliegend
völlig unstreitig, dass - wie ausgeführt - die verwaltungsgerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung des
Widerspruches gegen die Auflage der Duldung auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes zurückwirkt.
Soweit sich daran die Frage anschließt, ob der Kläger vor diesem Hintergrund rückwirkend als verfügbar anzusehen
ist, folgt der Senat den Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil, wonach der Ausschluss einer Rückwirkung im
konkreten Fall als Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz anzusehen wäre. Dabei
bleibt festzustellen, dass Verfügbarkeit im Sinne von § 119 SGB III grundsätzlich bedeutet, dass der Arbeitslose
durch nichts gehindert sein darf, ohne Verzug eine zumutbare Beschäftigung aufzunehmen. Beschrieben wird damit
ein Zustand der Verhältnisse des Arbeitslosen, wie er von vornherein täglich vorhanden sein muss. Alle
Voraussetzungen müssen an jedem Tag, für den Alg erbracht werden soll, in vollem Umfang vorliegen ( BSG Urteil
vom 25. Oktober 1989 SozR 4100 § 103 Nr. 46 unter Hinweis auf BSG SozR 4100 § 103 Nr. 8 und Nr. 39). Dieser
Rechtsprechung folgend hätte das Arbeitsamt somit in der Zeit vor dem 17. Juli 2000 dem Kläger keine
Vermittlungsangebote unterbreiten können, weil dieser wegen des Verbots der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit an
einer Arbeitsaufnahme gehindert gewesen wäre.
Wollte man vor diesem Hintergrund die rückwirkende Annahme der Verfügbarkeit ausschließen, hätte der Kläger indes
mit dem sowohl vor dem SG erreichten Beschluss über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen
die Rückgabepflicht betreffend die Arbeitsgenehmigung als auch dem vor dem VG erwirkten Beschluss über die
Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Auflage in der Duldung einen "Pyrrhus-Sieg"
errungen. Denn trotz dieser für ihn günstigen Entscheidungen würde er gleichwohl so behandelt, als sei die
ausländerrechtliche Auflage doch vollziehbar und habe im Sozialrecht Tatbestandswirkung. Damit würde jedoch ein
Verstoß gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes des Art. 19 Abs. 4 GG vorliegen. Das Verfahrensgrundrecht
des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte
anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes. Der Bürger hat einen substantiellen Anspruch auf eine
tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle ( BVerfGE 35, 274; 51, 150, 156). Es besteht ein rechtsstaatliches
Grundgebot, materielle Gerechtigkeit zu verwirklichen (Leibholz/Rinck/Hesselberger, Art. 19 GG Rz. 226). Dieses
Gebot wird indes unterlaufen, wenn sich die sozial- bzw. verwaltungsgerichtliche Entscheidung praktisch nicht
auswirken würde.
Ungeachtet dessen ist es jedenfalls vom Wortlaut des § 119 SGB III her nicht ausgeschlossen, rückwirkend eine
Verfügbarkeit anzunehmen. Auch die Rechtsprechung, die den Begriff der Verfügbarkeit konkretisiert hat, verschließt
sich nicht generell einer Rückwirkung. Zumindest hat das BSG in seiner Entscheidung vom 9. August 1990 (SozR 3-
4100 § 105a Nr. 2) angedeutet, dass die Frage, ob in Fällen von Beratungsfehlern der Beklagten die Verfügbarkeit
rückwirkend ersetzt werden könne, neu überdacht werden solle. Dieser Gedanke ist auf die vorliegende
Fallkonstellation übertragbar, da sonst die Rechtsschutzgarantie ins Leere laufen würde.
Die vom VG angeordnete aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen die Auflage in der Duldung wirkte auch
bis zum Ende des streitigen Zeitraums am 16. Juli 2000 fort. Das VG hat die aufschiebende Wirkung "bis zum
Abschluss des Widerspruchsverfahrens" angeordnet. Der Widerspruch wurde durch das Regierungspräsidium
Darmstadt erst mit Bescheid vom 10. Oktober 2001 zurückgewiesen.
Soweit das SG hinsichtlich des Anspruchszeitraums vom 9. Juni 2000 bis zum 16. Juli 2000 aufgrund der
durchgeführten Beweisaufnahme davon ausgegangen ist, dass sich der Kläger tatsächlich am 9. Juni 2000 bei der
Beklagten arbeitslos gemeldet habe, sind diese Feststellungen von der Beklagten nicht angegriffen worden. Auf die
ausführliche Begründung im erstinstanzlichen Urteil wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 153
Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.