Urteil des LSG Hessen vom 01.06.1999

LSG Hes: auskunft, hessen, berufsunfähigkeit, erwerbsunfähigkeit, eisen, arbeitsmarkt, ausbildung, kreis, auszug, arbeitsstelle

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 01.06.1999 (rechtskräftig)
Sozialgericht Kassel S 8 RJ 236/95
Hessisches Landessozialgericht L 2 RJ 1435/98
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 5. August 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1942 geborene Kläger hat nach seinen Angaben in Jugoslawien von 1960 bis 1963 eine Lehre als
Maschinenschlosser absolviert. Im September 1971 ist er in die Bundesrepublik Deutschland gekommen und war hier
zunächst als Bauschlosser und zwischen dem 9. April 1973 bis 31. Januar 1994 als A- und E-Schweißer und
Vorrichter bei der Firma B.-Rohrleitungsbau beschäftigt. Nach der Arbeitgeberauskunft vom 27. September 1994 war
der Kläger Facharbeiter und wurde nach der Lohngruppe 9 des MTV der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW
bezahlt.
Am 25. Januar 1993 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt und wurde nachfolgend stationär behandelt (M. hospital und St.-
J. Hospital G. Heilverfahren in B. N.). Unter Vorlage von Befundberichten des Orthopäden O. G. vom 4. Februar 1994
und des Arztes Dr. R. vom 25. Februar 1994 mit Befundunterlagen beantragte der Kläger am 1. März 1994 bei der
Beklagten die Gewährung von Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Unter zusätzlicher Beiziehung von
Befundunterlagen des Med. Dienstes der Krankenversicherung (MDK) sowie eines Neufeststellungsbescheides des
Versorgungsamtes Kassel vom 11. Juni 1993 (GdB 70 %) ließ die Beklagte den Kläger sozialmedizinisch durch die
Internistin und Sozialmedizinerin Dr. H. untersuchen. Im Gutachten vom 20. Juli 1994 wurden diagnostiziert
Restbeschwerden nach durchgemachtem Posterolateralinfarkt im Januar 1993 mit Lysetherapie, ein chronisch
degeneratives Wirbelsäulensyndrom, eine Struma nodosa cystica mit kaltem Knoten bei peripherer Euthyreose,
wiederkehrende Ulcera ventriculi und duodeni sowie ein psychophysischer Erschöpfungszustand. Der Kläger könne
leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen, ohne häufiges Klettern und Steigen, ohne
besonderen Zeitdruck, ohne häufiges Bücken, Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten und nicht an gefährdenden
Maschinen vollschichtig verrichten. Im bisherigen Beruf könne er nicht mehr eingesetzt werden. Darauf gestützt
lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 8. August 1994 ab. Der Kläger erhob dagegen am 1.
September 1994 Widerspruch. In diesem Zusammenhang gab der behandelnde Arzt des Klägers Dr. R. in einem
Schreiben gegenüber dem MDK eine Stellungnahme ab (Eingang 15. September 1994). Er hielt den Kläger für
außerstande, irgendeine körperliche Tätigkeit zu verrichten. Die Beklagte hörte dazu ihre ärztliche Beraterin Dr. K.
(Stellungnahmen vom 2. November 1994 und 5. Dezember 1994). Außerdem holte die Beklagte eine
Arbeitgeberauskunft der Firma B. Rohrleitungsbau GmbH vom 27. September 1994 ein. Durch Bescheid vom 24.
Januar 1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit liege nicht vor. Mit dem
festgestellten Leistungsvermögen könne der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten unter Beachtung qualitativer
Leistungseinschränkungen verrichten. Auch wenn er als Rohrleitungsbauer nicht einsatzfähig sei, müsse er sich auf
Tätigkeiten als Maschinen- und Gerätezusammensetzer, Bediener von Werkzeug- und Spezialmaschinen für kleine
Teile, Anschweißer von Böden an zylindrische Rumpfteile zumutbar verweisen lassen.
Der Kläger erhob dagegen am 21. Februar 1995 beim Sozialgericht Kassel Klage. Er vertrat die Auffassung, sein
Gesundheitszustand sei so schwer beeinträchtigt, daß eine vollschichtige Tätigkeit nicht mehr möglich sei. Er
übersandte Arztbriefe des Kardiologen Dr. M. vom 14. Februar 1995, des Orthopäden W. Sch. vom 9. März 1995 und
ein ärztliches Attest des Arztes Dr. R. vom 1. Juli 1997. Demgegenüber verblieb die Beklagte bei ihrer Auffassung.
Sie legte einen Versicherungsverlauf vom 17. März 1995 vor, ferner Stellungnahmen ihrer ärztlichen Berater Dr. K.
vom 21. April 1995, Dr. M. vom 28. August 1995, Dr. L. vom 26. August 1997 und Dr. R. W. vom 17. April 1998 und
17. Juli 1998. Hinsichtlich der dem Kläger nach ihrer Auffassung noch zumutbaren Verweisungstätigkeiten übersandte
die Beklagte ein Urteil des LSG Berlin vom 27. April 1994 (Az.: L 6 J 8/93), einen Auszug aus einem INDOS-
Gutachten (Unternehmensberatung GmbH) sowie eine Auskunft des Landesarbeitsamtes Südbayern vom 6. August
1996.
Das Sozialgericht holte Befundberichte ein von der Ärztin für Kardiologie Dr. S. vom 23. Juni 1995 mit Arztbrief vom
14. Februar 1995 sowie dem Arzt Dr. R. vom 11. August 1995. Anschließend erhob das Sozialgericht Beweis durch
Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Dr. D. vom 5. Januar 1996. Danach erwies sich die Erwerbsfähigkeit
des Klägers beeinträchtigt durch ein rezidivierendes Cervikalsyndrom bei Spondylose/Spondylarthrose im unteren
Abschnitt der Halswirbelsäule, eine rezidivierende Dorsalgie/Lumbalgie, eine Periarthritis humeroscapularis beidseits
sowie eine mediale Kapselinsuffizienz des linken Kniegelenks mit Femoropatellarsyndrom. Der Kläger könne noch
leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten, ohne Heben oder Tragen von mehr als 5 kg, nicht an laufenden
Maschinen, nicht in Wechsel- oder Nachtschicht, keine Überkopfarbeiten, in wechselnder Körperhaltung. Eine
Besserungsaussicht sei nicht gegeben, eine weitere fachärztliche Begutachtung nicht erforderlich. Anschließend
veranlaßte das Sozialgericht berufskundliche Stellungnahmen des Landesarbeitsamtes Hessen vom 15. November
1996 und 12. Februar 1997. Schließlich erhob das Sozialgericht noch Beweis durch Einholung eines
arbeitsmedizinischen Gutachtens des Dr. L ... Im Gutachten vom 28. Januar 1998 stellte Dr. L. beim Kläger eine
Vielzahl von Gesundheitsstörungen fest. Meßbaren Einfluß auf das Leistungsvermögen habe die eingeschränkte
körperliche Belastbarkeit bei Zustand nach Herzinfarkt im Hinter-/Seitenwandbereich im Januar 1993, außerdem der
zugrundeliegende Verschluß eines Herzkranzgefäßastes und die Verengung eines anderen Herzkranzgefäßastes
(Zweigefäß-KHK), der Zustand nach Ballon-Kathetererweiterung des verengten Astes im Juni 1997, eine
persistierende uncharakteristische, wiederkehrend auftretende Schmerzsymptomatik im linken Brustkorb, die
relevante Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule in fast allen Ebenen (derzeit ohne wesentliche
Bewegungsschmerzhaftigkeit, begründet durch degenerative Verschleißumformungen im unteren
Lendenwirbelsäulenbereich), die schmerzhafte Funktionseinschränkung der linken Schulter in Armabspreizung zur
Seite sowie Armanhebung nach vorne bei klinischem und röntgenologischem Verdacht auf Sehnenengpaßsyndrom
(Impingement), die schmerzlose Außenrotationseinschränkung beider Hüftgelenke sowie ein Beugedefizit der linken
Hüfte, ferner die Neigung zu Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren. Der Kläger sei noch in der Lage, regelmäßig
und vollschichtig leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Nicht möglich seien Tätigkeiten, die dauerhaft mittelschwere oder schwere körperliche Arbeiten erforderten, bei denen
häufige oder wiederkehrende Überkopfarbeiten zum Arbeitsinhalt gehörten, bei denen die regelmäßige und häufige
Ausschöpfung des maximalen Greifraumes erforderlich sei, die die Einnahme von Wirbelsäulenzwangshaltungen
(insbesondere Rumpfvorbeugung) erforderlich machten, bzw. Arbeiten, die in beengten Räumlichkeiten durchgeführt
werden müßten, die die wiederkehrende oder häufige Einnahme von Hockpositionen erforderten, bei denen eine
Exposition gegenüber Schweißrauchen bestehe und die im Dreischichtbetrieb (einschl. Nachtschicht) durchgeführt
würden. Mit diesem Leistungsvermögen könne der Kläger im bisherigen Beruf als Rohrleger und Schweißer nur
eingeschränkt erwerbstätig sein. Die Durchführung von berufsfördernden Maßnahmen sei in Anbetracht des
Ausbildungsstandes und des Lebensalters des Klägers noch realistisch. Eine Begutachtung auf einem anderen
ärztlichen Fachgebiet sei nicht erforderlich.
Mit Urteil vom 5. August 1998 wies das Sozialgericht die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente
wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Er sei nicht berufsunfähig und damit erst recht nicht erwerbsunfähig. Zwar
könne er aus gesundheitlichen Gründen seinen erlernten bzw. zuletzt ausgeübten Beruf eines Maschinenschlossers
oder Rohrleitungsbauers bzw. Schweißers nicht mehr ausüben, wie das Gutachten des Dr. L. und die eingeholten
Stellungnahmen des Landesarbeitsamtes bestätigten. Als Facharbeiter müsse er sich vorliegend aber objektiv wie
subjektiv noch zumutbar verweisen lassen auf die Tätigkeit eines Versandfertigmachers bzw. eines
Warenaufmachers. Nach Auskunft des Landesarbeitsamts erfordere diese Tätigkeit eine maximale Einarbeitungs-
bzw. Einweisungszeit von 3 Monaten Dauer. Nach ihrer tarifvertraglichen Einstufung handele es sich um angelernte
Tätigkeiten, die durch besondere Qualifikationsmerkmale sich deutlich aus dem Kreis sonstiger einfacher Arbeiten
herausheben würden. Nach den einschlägigen Auskünften der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen
sowie des Landesverbandes des Groß- und Außenhandels Hessen, die vom Landessozialgericht in ähnlich gelagerten
Fällen eingeholt worden seien, sei die Tätigkeit eines Warenaufmachers bzw. Versandfertigmachers in die Lohngruppe
III nach dem Gehalts- und Lohntarifvertrag für Arbeiter/innen des Groß- und Außenhandels Hessen eingestuft und
dem Kläger damit zumutbar (Hess. LSG, Urteile vom 10. Dezember 1996, Az.: 12 J 1255/92 betreffend einen
Schreiner und vom 10. Dezember 1996, Az.: 12 J 1039/92 betreffend einen Maler und Lackierer). Die Tätigkeiten
seien auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch in nennenswertem Umfang vorhanden. Das Risiko, eine geeignete
Arbeitsstelle zu finden, sei kein Risiko, das die Beklagte zu tragen habe.
Gegen das ihm am 1. Oktober 1998 zugestellte Urteil richtet sich die vom Kläger am 16. Oktober 1998 eingelegte
Berufung. Der Kläger trägt vor, nach den eingeholten Gutachten könne er in seinem erlernten und auch zuletzt
ausgeübten Beruf als Rohrleger und Schweißer nicht mehr tätig sein. Bei Berücksichtigung seiner Qualifikation und
seines Status als Facharbeiter seien die ihm vom Sozialgericht genannten Tätigkeiten eines Versandfertigmachers
bzw. Warenaufmachers nicht zumutbar. Der Hinweis des Sozialgerichts, daß diese Tätigkeiten durch besondere
Qualifikationsmerkmale aus dem Kreis sonstiger einfacher Arbeiten herausragten, da sie in der Lohngruppe III nach
dem Gehalts- und Lohntarifvertrag von Arbeitnehmern des Groß- und Außenhandels Hessen eingestuft seien, reiche
nicht aus. Dazu hätte es einer Gegenüberstellung der tatsächlich innegehabten Lohngruppe mit der Lohngruppe der in
Betracht gezogenen Verweisungstätigkeiten bedurft. Dabei hätte sich ein erheblicher sozialer Abstieg und die
Unzumutbarkeit der in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten bestätigt (65 % Lohnhöhe anstelle von 140 bis
150 %). Dies bedeute faktisch den Verlust der Lohnhälfte. Der Kläger bezieht sich auf einen Auszug aus der
Lohntabelle vom 18. Dezember 1996 für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen, gültig ab 1. April
1998, ferner auf eine Aufschlüsselung der Lohnkomponenten zum Stundenlohn der Lohngruppe 9 (Stand 1. Februar
1982) des MTV der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 5. August 1998 aufzuheben und die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 8. August 1994 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1995 zu
verurteilen, ihm ab 1. April 1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise, Rente wegen Berufsunfähigkeit in
gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie hat einen Versicherungsverlauf von 23. November 1998 zu den
Akten gereicht. Es entspreche den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen und der hierzu ergangenen
Rechtsprechung, daß der Kläger einen gewissen sozialen Abstieg hinnehmen müsse, der sich natürlich nicht in Mark
und Pfennig ausdrücke.
Der Senat hat eine weitere Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen vom 22. März 1999 zur Frage möglicher
Verweisungstätigkeiten auf der Grundlage des arbeitsmedizinischen Gutachtens des Dr. L. vom 28. Januar 1998
eingeholt. Danach kann der Kläger nicht mehr als Rohrleitungsbauer bzw. Schweißer eingesetzt werden. Für die
Ausübung anderer berufsnaher Facharbeiten oder Anlerntätigkeiten habe er sich nicht qualifiziert. Auf der Grundlage
seines eingeschränkten Leistungsvermögens komme der Kläger allenfalls noch für die Tätigkeiten als Montierer in der
Metall- und Elektroindustrie, Warenaufmacher/Versandfertigmacher und Warensortierer in Betracht. Bei diesen
Tätigkeiten handele es sich um Arbeiten, für die keine besondere Ausbildung erforderlich sei und die nach einer
entsprechenden Einarbeitungs- bzw. Einweisungszeit von maximal 3 Monaten Dauer verrichtet werden könnten. Die
genannten Tätigkeiten seien auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt des Bundesgebietes in nennenswertem Umfang
vorhanden.
Außerdem hat der Senat eine Auskunft der IG Metall vom 26. März 1998, eingeholt in einem anderen Rechtsstreit zur
Eingruppierung der Tätigkeiten des Gerätezusammensetzers, Montierers oder
Warenaufmachers/Versandfertigmachers, zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht. Danach sind die
Tätigkeiten nach den Bestimmungen des Lohnrahmen-Tarifvertrages für die Eisen- und Elektroindustrie des Landes
Hessen vom 15. Januar 1982 in die Lohngruppe 5 einzugruppieren. Weiter hat der Senat noch eine tarifliche Unterlage
von dem früheren Arbeitgeber des Klägers beigezogen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird Bezug genommen auf den
Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten, die vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist sachlich unbegründet.
Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf
Rente wegen Berufsunfähigkeit und darüber hinaus auch nicht auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hat, denn der
Kläger ist weder berufs- noch erwerbsunfähig im Sinne der Vorschriften der §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch
– SGB VI.
Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf des Klägers. Nach der Auskunft des
letzten Arbeitgebers des Klägers vom 27. September 1994 war der Kläger als Autogen- und Elektroschweißer und
Vorrichter beschäftigt. Inhalt der Tätigkeit war das Verlegen und Verschweißen von Rohrleitungen und
Rohrleitungssystemen, Demontage und Montage von Rohrleitungen und Verschweißen von Stahlkonstruktionen; dabei
arbeitete der Kläger nach Zeichnungen und Isometrien. Auf der Grundlage dieser Auskunft ist der Kläger als
Facharbeiter entsprechend dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema anzusehen (zur Frage der
Entwicklung des Teilbereichs eines anerkannten Ausbildungsberufs Schweißer zu einem eigenständigen Berufsbild
mit Facharbeiterqualität siehe BSG Urteil vom 8. Oktober 1992, Az.: 13 RJ 49/91). Danach werden die Berufe der
Versicherten in verschiedene "Leitberufe” untergliedert, nämlich die des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw.
des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer
Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer
Regelausbildungszeit bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters (siehe z.B. BSG, Urteil vom 23. März 1995,
Az.: 13 RJ 27/94). Entsprechend seiner tariflichen Einstufung ist der Kläger nach Auffassung des Senats zu den
qualifizierten Facharbeitern zu zählen, denn die Lohngruppe 9 ist die zweithöchste des maßgeblichen Tarifvertrages
für NRW. Der Kläger rechnet allerdings (noch) nicht zu den besonders hoch qualifizierten Facharbeitern, die mit den
Vorarbeitern mit Vorgesetztenfunktion, wie z.B. Meister auf eine – die höchste – Stufe im Rahmen des
Mehrstufenschemas gestellt werden, deren Berufstätigkeit infolge besonderer geistiger und persönlicher
Anforderungen die des Facharbeiters in ihrer Qualität noch deutlich überragt (so schon BSG Urteil vom 7. Juni 1988,
Az.: 8/5a RKn 14/87). Als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion war der Kläger nicht eingesetzt. Vielmehr hat er
nach Mitteilung des früheren Arbeitgebers durchgehend als Facharbeiter die gleichen
Tätigkeiten verrichtet, die sich im wesentlichen auf Schlosser- bzw. Schweißarbeiten bezogen haben.
Nach den vom Sozialgericht getroffenen Feststellungen ist der Kläger gesundheitlich nicht mehr in der Lage, seinen
bisherigen Beruf auszuüben. Dies bestätigt das zuletzt vom Sozialgericht eingeholte arbeitsmedizinische Gutachten
des Dr. L. vom 28. Januar 1998. Der Kläger ist nach Auffassung des Sachverständigen aber noch in der Lage,
regelmäßig und vollschichtig leichte und gelegentlich mittelschwere Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter
Beachtung zusätzlicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu verrichten (keine häufigen oder wiederkehrenden
Überkopfarbeiten, keine Arbeiten mit regelmäßigen oder häufigen maximalen Greifbewegungen, keine Arbeiten mit
Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne wiederkehrendes oder häufiges Hocken, ohne Exposition gegenüber
Schweißrauchen, kein Dreischichtbetrieb einschließlich Nachtschicht). Ebenso wie das Sozialgericht hat der Senat
keine Bedenken, sich der Beurteilung des Dr. L. hinsichtlich des dem Kläger verbliebenen Leistungsvermögens
anzuschließen. Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Beurteilung sind auch von den Beteiligten nicht geltend
gemacht worden.
Damit ist aber noch keine Berufsunfähigkeit festgestellt, denn für einen Rentenanspruch wegen Berufsunfähigkeit ist
entscheidend, ob ein Versicherter mit dem noch vorhandenen Leistungsvermögen einen zumutbaren
Verweisungsberuf ausüben kann. So räumt das Gesetz dem Versicherten einen Anspruch auf Gewährung von Rente
wegen Berufsunfähigkeit nicht schon dann ein, wenn er seinen – versicherungspflichtig ausgeübten – "bisherigen
Beruf” aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, vielmehr wird von einem Versicherten verlangt, daß er
– immer bezogen auf seinen "bisherigen Beruf” – einen "zumutbaren” beruflichen Abstieg in Kauf nimmt und sich vor
Inanspruchnahme einer Rente mit einer geringerwertigen Erwerbstätigkeit zufrieden gibt (vgl. BSGE 41, 129, 131 =
SozR 2200 § 1246 Nr. 11). Erst wer sich nicht in dieser Weise auf einen anderen Beruf verweisen lassen muß, ist
berufsunfähig im Sinne des Gesetzes. Zugemutet werden im Sinne von § 43 Abs. 2 SGB VI einem Versicherten alle
von ihm – nach seinen gesundheitlichen Kräften und beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten – ausführbaren, auch
"berufsfremden” Tätigkeiten, die nach der im Gesetz angeführten Kennzeichnung wie Ausbildung und deren Dauer,
besondere Anforderungen, Bedeutung des Berufs im Betrieb, d.h. nach ihrer beruflichen Qualität nicht völlig fern
stehen, also zumutbar sind. Das vom Bundessozialgericht aufgestellte Mehrstufenschema (vgl. z.B. BSG in SozR
2200 § 1246 Nrn. 126 und 132) gliedert denn auch die beruflichen Tätigkeiten nach ihrer Leistungsqualität – nicht nach
der Entlohnung oder nach dem Prestige – in hierarchisch geordnete Gruppen. Die Einstufung in dieses Schema hat
auch Bedeutung für die Frage der Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit. So kann insbesondere ein Facharbeiter
nicht pauschal auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden. Ihm sind nur Facharbeiten und
angelernte Arbeiten als Verweisungstätigkeiten zuzumuten, die er nach einer Einarbeitungszeit von höchstens 3
Monaten Dauer vollwertig ausüben kann. Darüber hinaus kann er auf ungelernte Arbeiten nur verwiesen werden, wenn
diese wegen ihrer Qualität und daraus resultierenden Tarifeinstufung einer angelernten Tätigkeit gleichgestellt sind
(vgl. z.B. BSG Urteil vom 12. September 1991, Az.: 5 RJ 34/90).
Bei Anwendung dieser Grundsätze im vorliegenden Fall kann mit Recht in Zweifel gezogen werden, ob das
Sozialgericht den Kläger auf die berufsfremden Tätigkeiten als Warenaufmacher/Versandfertigmacher oder
Warensortierer verweisen durfte, denn diese Tätigkeiten weisen überhaupt keinen Bezug zum bisherigen qualifizierten
Beruf des Klägers auf. Darauf kommt es aber vorliegend deswegen nicht an, weil der Kläger sich zumindest auf die
Tätigkeit als Montierer verweisen lassen muß. Dies bestätigt zur Überzeugung des Senats die von ihm eingeholte
weitere Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen vom 22. März 1999, das seine Auskunft in Kenntnis des
Arbeitsmarktes und der Akten des vorliegenden Rechtstreits erteilt hat. Damit ist die Benennung eines typischen
Arbeitsplatzes mit der üblichen Berufsbezeichnung (vgl. dazu BSG in SozR 2200 § 1246 Nr. 98) bei Beachtung der
gesundheitlichen und fachlichen Anforderungen erfolgt. Nach der eingeholten berufskundlichen Auskunft des
Landesarbeitsamtes ist der Kläger auch in der Lage, die benannte Verweisungstätigkeit innerhalb einer
Einarbeitungszeit von höchstens 3 Monaten vollwertig auszuüben (vgl. für Facharbeiter BSG in SozR 2200 § 1246
Nrn. 23, 101, 102). Der Kläger verfugt aufgrund seines qualifizierten Ausgangsberufs über die Fähigkeit, nach
Zeichnungen und Isometrien zu arbeiten, so daß ein Einsatz in entsprechend anspruchsvollen Montiertätigkeiten in
Betracht kommt. Dabei erscheint das berufliche Potential des Klägers noch nicht ausgeschöpft, wie Dr. L. unter
Hinweis auf Möglichkeiten des Einsatzes von berufsfördernden Maßnahmen ausgeführt hat. Diese (Reha)-
Maßnahmen sind ohnehin gegenüber einer Rentenzahlung vorrangig (vgl. § 7 RehaAngl.-Gesetz, § 9 Abs. 1 SGB VI).
Schließlich wird auch die soziale Zumutbarkeit der für den Kläger noch in Betracht kommenden Tätigkeiten durch die
vom Senat zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemachte Auskunft der IG Metall vom 26. März 1998
bestätigt, die im vorliegenden Verfahren im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden kann (vgl. dazu BSG,
Urteil vom 17. Juni 1993, Az.: 13 RJ 33/92). Die Lohngruppe 5 des nur 9 Lohngruppen umfassenden Tarifvertrages für
die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen – die zugehörige Lohntabelle wurde vom Kläger im
Berufungsverfahren vorgelegt – umfaßt Spezialarbeiten, die eine Ausbildung in einem Anlernberuf oder ein Anlernen
mit zusätzlichen Erfahrungen erfordern. Als Facharbeiter muß sich der Kläger auf Tätigkeiten der oberen Anlernebene
zumutbar verweisen lassen, denn der soziale Abstieg beträgt nur eine Stufe im Rahmen des dargestellten
Mehrstufenschemas.
Weiterhin gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger nicht ausreichend umstellungsfähig ist, um die vom
Landesarbeitsamt genannte, noch in Betracht kommende Verweisungstätigkeit zu verrichten. Die Vermittlung in eine
geeignete Arbeitsstelle ist Aufgabe der Arbeitsverwaltung und fällt nicht in den Risikobereich der Rentenversicherung.
Damit besteht kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit und erst recht nicht wegen Erwerbsunfähigkeit.
Die Berufung des Klägers konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG
fehlt.