Urteil des LSG Hessen vom 02.04.1992

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Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 02.04.1992 (rechtskräftig)
Sozialgericht Darmstadt S 10 Kr 1315/88
Hessisches Landessozialgericht L 1 Kr 242/91
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. Januar 1991 aufgehoben und
die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeträgen durch Einwurf
eines Schecks in den Hausbriefkasten der Beklagten.
Die Klägerin ist Inhaberin eines Betriebes für M.- und N. werk. Für die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer waren an die
Beklagte für den Monat Januar 1988 insgesamt 23.625,54 DM Gesamtsozialversicherungsbeiträge abzuführen.
Am 24. Februar 1988 (laut Aktenvermerk in der Beklagtenakte) stellte die Beklagte nach Durchsicht der per 22.
Februar 1988 vom Rechenzentrum gelieferten Saldenliste für Januar fest, daß für die Klägerin kein Eingang von
Beitragszahlungen zu verzeichnen war. Eine daraufhin veranlaßte telefonische Nachfrage ergab, daß der
Geschäftsführer der Klägerin, Herr L., persönlich einen Scheck nebst Beitragsnachweisung in einem an die Beklagte
adressierten und verschlossenen Umschlag in den Briefkasten der Geschäftsstelle H. eingeworfen habe, der der
Klägerin nach Auskunft der kontoführenden Bezirkssparkasse H. inzwischen am 19. Februar 1988 (Wertstellung 17.
Februar 1988) auf deren Konto belastet worden war. Der Gegenwert des Schecks wurde einem kurz zuvor
eingerichteten Konto bei der R. bank M. e.G. "K. O., Import-Export, 1800 GX A.” gutgeschrieben und ausgezahlt. Die
Klägerin vertrat gegenüber der Beklagten die Auffassung, daß sie durch Einwurf des Verrechnungsschecks in den
Geschäftsstellenbriefkasten am Donnerstag, den 11. Februar 1988, die geforderte Zahlung geleistet habe. Der spätere
Diebstahl des Umschlags mit dem Scheck sei nicht von ihr zu vertreten.
Mit Bescheid vom 19. Juli 1988 forderte die Beklagte die Klägerin zur Zahlung von
Gesamtsozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 23.625,54 DM auf. Da der ausgestellte und später entwendete
Scheck nicht von ihr habe eingelöst werden können, sei die Forderung nicht erfüllt und bestehe weiter.
Hiergegen legte die Klägerin am 27. Juli 1988 Widerspruch ein. Sie zahle die monatlichen Beiträge seit Jahren per
Scheck. Hiermit und mit dem Einwurf von Schecks in den Hausbriefkasten habe sich die Beklagte einverstanden
erklärt. Zum Zeitpunkt des Diebstahls habe sich der Verrechnungsscheck für Januar 1988 in der alleinigen
Verfügungsgewalt der Beklagten befunden, die deshalb das Verlustrisiko zu tragen habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 1988 zurück. Da Geldschulden
Bringschulden seien, müsse sie der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr auf seine Kosten dem Gläubiger an
dessen Wohnsitz übermitteln. Der Briefkasten bei der Auskunftsstelle H. sei weder vom Anbringungsort noch von
seiner Beschaffenheit dazu geeignet, Wertsachen einzuwerfen. Die Verlustgefahr sei mit dem Einwerfen des Schecks
nicht auf sie übergegangen. Folglich sei nicht ihr, sondern der Klägerin, der Scheck entwendet worden.
Am 4. November 1988 hat die Klägerin beim Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Der von ihr ausgestellte Scheck
sei aus dem an der Außenwand des Hauses der Geschäftsstelle befindlichen Briefkasten der Beklagten gestohlen
worden, vom Dieb bei der R. M. e.G. eingereicht und von der bezogenen Bezirkssparkasse H. zulasten ihres Kontos
eingelöst worden. Das auf dem Scheck vorgesehene Empfängerfeld habe der Dieb zuvor mittels eines
Negativstempels "K. O. Import-Export” überstempelt. Auf diese Art und Weise seien nach ihren Informationen auch
von anderen Beitragszahlern Schecks entwendet und manipuliert worden. Da bei natürlichem Verlauf der Dinge nur die
Beklagte nach Einwurf in den Briefkasten eine Zugriffsmöglichkeit auf den Scheck gehabt habe, sei der spätere
Diebstahl in ihrer Sphäre erfolgt. Wer jahrelang eine bestimmte Leistungshandlung des Schuldners anstandslos
akzeptiere, könne sich später nicht auf sein fehlendes Einverständnis berufen. Erst nach dem fraglichen Vorfall sei
der Einwurfschlitz für den Briefkasten der Beklagten unzugänglich gemacht worden, so daß in diesen nichts mehr
hineingeworfen werden könne. Im übrigen wäre bei einer rechtzeitigen Information der Beklagten über den Diebstahl
noch eine Schecksperre möglich gewesen.
Nach Auffassung der Beklagten habe die Klägerin damit rechnen müssen, daß Unbefugte einen normalen,
offensichtlich ungesicherten Briefkasten öffnen. Die Entwendung von Schriftstücken aus dem Briefkasten habe sie
auch nicht sofort, sondern – wie bei anderen betroffenen Firmen – erst nach Feststellung der fehlenden
Zahlungseingänge bemerken können. Zu diesem Zeitpunkt nach dem 22. Februar 1988 sei der Scheck aber bereits
eingereicht und an den Täter in bar ausgezahlt (22. Februar 1988) worden. Die Klägerin habe sich selbst bei der
Beklagten über den Eingang des Schecks rückversichern müssen. Bei dem dann früher festgestellten Verlust wäre es
noch möglich gewesen, das Konto der Klägerin zu sperren. Sie könne sich nicht dagegen wehren, daß in ihren
Briefkasten Schecks eingeworfen würden.
Ein von der Klägerin betriebenes Verfahren gegen die Sparkasse H. endete durch rechtskräftiges Urteil des
Landgerichts Darmstadt vom 28. September 1989, in dem festgestellt worden ist, daß die den Scheck einlösende
Sparkasse entstandenen oder entstehenden Schaden hieraus zu zwei Dritteln zu ersetzen hat. Ein Drittel des
Schadens müsse die Klägerin aber wegen Mitverschuldens selbst tragen, denn "wer nach Dienstschluß der gewollten
Scheckempfängerin einen Verrechnungsscheck in einen Hausbriefkasten der Scheckempfängerin in
Einfachstausführung einwirft, dessen Einwurfschlitz erkennbar gegen Manipulation Dritter nur mangelhaft gesichert ist,
anstatt den Scheck während der Dienststunden zu übergeben oder mit der Post zu übersenden, läßt diejenige Sorgfalt
außer Acht, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich selbst vor Schaden zu bewahren”.
Durch Urteil vom 17. Januar 1991 hat das Sozialgericht Darmstadt den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 1988 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 1988 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es
ausgeführt, daß der Anspruch auf Zahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge für Januar 1988 verwirkt sei.
Zwischen der Klägerin und der Beklagten sei stillschweigend vereinbart worden, daß die Beitragsentrichtung durch
Verrechnungsscheck erfolgen könne. Der Verrechnungsscheck der Klägerin sei so in die Verfügungsmacht der
Beklagten gelangt, daß diese sich hieraus hätte befriedigen können. Die Klägerin habe durch Ausstellung eines
Verrechnungsschecks alles getan, um einen Mißbrauch zu verhindern. Auch die Beklagte sei hiervon sicherlich
ausgegangen, da sie ansonsten den Briefkasten für den Zahlungsverkehr gesperrt bzw. eine Einbruchssicherung am
Briefkasten installiert hätte. Es widerspreche angesichts des bisherigen Verhaltens der Beklagten Treu und Glauben,
sich nunmehr auf die Unzulänglichkeit des Hausbriefkastens zu berufen.
Gegen dieses dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 18. Februar 1991
zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 4. März 1991 – eingegangen bei dem Hessischen
Landessozialgericht in Darmstadt am 6. März 1991 – eingelegte Berufung, mit der sich die Beklagte unter
Wiederholung ihres Rechtsstandpunktes gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts wendet.
Streitentscheidend sei allein die Frage, ob die Klägerin durch Einwurf eines Schecks in einen gewöhnlichen
Hausbriefkasten alles getan habe, um die Erfüllung der gegen sie gerichteten Forderung zu bewirken. Da die Erfüllung
unstreitig nicht eingetreten sei, gehe es nur um die Entscheidung, wer für den Verlust des Schecks die
Übermittlungsgefahr zu tragen habe. Entgegen den Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts habe sie überhaupt
nicht die Möglichkeit einer Befriedigung aus dem Scheck gehabt. Da der Verlust des Schecks zwischen
Leistungsbewirkung und Erfüllung eingetreten sei, müsse die Klägerin diesen bei Schickschulden übernehmen. Der
einfache Hausbriefkasten habe zu besonderer Vorsicht gemahnt. Da niemand auf die Idee käme, Bargeld in der hier
streitigen Größenordnung in diesen Briefkasten zu werfen, sei aber ein höheres Vertrauen in einen Scheck nicht
angebracht. Daß die Zahlungsmodalitäten zwischen den Beteiligten seit geraumer Zeit üblich gewesen seien, ändere
hieran nichts.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. Januar 1991 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und bezieht sich zur Begründung auf die Entscheidungsgründe
und ihr bisheriges Vorbringen. Der Scheck sei – entgegen der Darstellung der Beklagten – bereits am 11. Februar
1988 nach Dienstschluß gegen 17.00 Uhr in den Briefkasten der Beklagten eingeworfen worden. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergäbe sich, daß sie hierdurch mit befreiender Wirkung geleistet habe. Wer
einen Briefkasten aufhänge, signalisiere, daß er Briefsachen über diesen Briefkasten entgegennehmen wolle. Es sei
dann seine Sache, diesen ggf. gegen Diebstahl abzusichern. Für Verlust von Briefsendungen auf dem Postweg habe
der Schuldner nicht einzustehen. Wäre die Auffassung der Beklagten richtig, daß der Verlust eines
Verrechnungsschecks und eines Barbetrages hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen gleichzusetzen sei, wäre der
Scheckverkehr zwischen Geschäftspartnern nicht mehr möglich.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der
beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151
Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung der Beklagten ist auch sachlich begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt mußte aufgehoben werden, denn der Anspruch der Beklagten auf Zahlung der
Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer im Januar 1988 ist bisher
nicht erfüllt. Insbesondere ist mit dem Einwurf eines Verrechnungsschecks in den ungesicherten Hausbriefkasten der
Beklagten das Verlustrisiko bei einem späteren Diebstahl nicht auf die Beklagte übergegangen.
Nach § 1396 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung in der hier noch anzuwendenden bis zum 31. Dezember
1988 geltenden Fassung (RVO a.F.) sind Beiträge versicherungspflichtiger Beschäftigter von dem Arbeitgeber zu
entrichten. Dieser hat gemäß § 1399 Abs. 2 RVO a.F. die Beiträge grundsätzlich an die Krankenkasse, die für die
Erhebung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zuständig ist, abzuführen.
Gesetzliche Bestimmungen über die Art und Weise der "Entrichtung” bzw. "Abführung” der Beiträge gibt es nicht. § 23
Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften (SGB IV) regelt lediglich deren Fälligkeit (vorliegend am 15. Februar
1988 nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV i.V.m. der Satzung der Beklagten), § 25 SGB IV deren Verjährung.
Angesichts dessen muß auch für die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen auf die Regelungen des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über Rechte und Pflichten bei der Erbringung von Leistungen, den Leistungsort bei
der Zahlung von Geldschulden, usw. zurückgegriffen werden, da diese insoweit Ausdruck allgemeiner
Rechtsüberzeugungen sind (BSG, Urteil vom 11. Dezember 1987 – 12 RK 40/85).
Nach § 269 BGB ist Leistungsort der Wohnsitz des Schuldners bzw. der Ort seiner gewerblichen Niederlassung,
sofern – wie hier – nichts anderes bestimmt ist oder sich aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des
Schuldverhältnisses, ergibt. Das gilt auch für Geldschulden (§ 270 Abs. 4 BGB). § 270 Abs. 1 BGB regelt aber
darüber hinaus, daß der Schuldner Geld im Zweifel auf seine Gefahr und seine Kosten dem Gläubiger an dessen
Wohnsitz zu übermitteln hat. Geldschulden sind demnach Schickschulden mit der Besonderheit, daß der Schuldner
mit der Gefahrtragung, dem Risiko des Verlustes, belastet ist. Diese Auslegungsregel ist vorliegend maßgebend, da
sich weder – wie ausgeführt – aus dem Gesetz noch nach einer anderweitigen Parteivereinbarung (ungeachtet ihrer
Zulässigkeit) etwas anderes ergibt. Die Klägerin hat zwar Gesamtsozialversicherungsbeiträge schon seit Jahren ohne
Widerspruch der Beklagten per Scheck bezahlt und sich hierbei des Hausbriefkastens der Beklagten für den in einem
Umschlag nebst Beitragsnachweisung befindlichen Scheck bedient. Eine von § 270 Abs. 1 BGB abweichende
Vereinbarung über die Gefahrtragung ist hierdurch aber auch nicht stillschweigend zustande gekommen. Da über die
Art der Übermittlung von Sozialversicherungsbeiträgen ebenfalls gesetzliche Bestimmungen bzw. Parteiabreden
fehlen, ist diese von der Klägerin bestimmt worden, die sich regelmäßig für eine Tilgung der Schuld durch Scheck
entschieden hat.
Durch den Einwurf eines Umschlags mit einem Verrechnungsscheck in den Hausbriefkasten der Beklagten ist die
Klägerin nicht von ihrer Verpflichtung zur Leistung der Januarbeiträge freigeworden. Weder das geschuldete Geld noch
der erfüllungshalber (§ 364 Abs. 2 BGB) ausgestellte Scheck sind bei der Beklagten eingegangen, da dieser zuvor
von einem unbekannten Dritten aus dem Briefkasten der Beklagten entwendet worden ist. Die Beklagte hatte somit
keine Gelegenheit, sich aus dem Scheck zu befriedigen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Verlust auf
Gefahren beruhte, die aus der Sphäre der Beklagten stammen (Palandt/Heinrichs, BGB, 50. Aufl. 1991, § 270 Rdnr.
10). Wenn sich etwa ein Gläubiger Postsendungen an ein Postfach übermitteln läßt und der Verlust erst bei der
Abholung eintritt, braucht der Schuldner hierfür nicht einzustehen (RGZ 69, 137 ff.). Vergleichbares dürfte gelten,
wenn der in den Hausbriefkasten gelangte und von der Beklagten auch tatsächlich empfangene Scheck später von
einem Mitarbeiter der Beklagten unterschlagen werden würde. Ein entsprechender Fall liegt aber hier nicht vor.
Vielmehr hat sich durch den Eingriff des Diebes die typische Gefahr realisiert, die nach der Auslegungsregel des §
270 Abs. 1 BGB von der Klägerin zu tragen ist. Daran ändert weder die durch den Briefkasten eröffnete Möglichkeit
des Einwurfs von Sendungen etwas noch die Tatsache, daß dieser Briefkasten – für jedermann erkennbar – völlig
ungesichert war. Angesichts des breiten Einwurfschlitzes und der gegebenen Möglichkeit eines Eingriffs von außen
mußte sich der Klägerin das Risiko eines Einwurfs von Wertsachen, zu denen auch Verrechnungsschecks gehören,
geradezu aufdrängen. Das hat bereits das Landgericht Darmstadt in seinem rechtskräftigen Urteil vom 28. September
1989 festgestellt. An den sich aus § 270 Abs. 1 BGB ergebenden Rechtsfolgen ändert auch das von der Klägerin
herangezogene Urteil des Bundesgerichtshofs (NJW 1969, 875 f.) nichts. Da in der Entscheidung nicht über die
Gefahrtragung bei Verlust eines Schecks zu befinden war, sondern nur die Rechtzeitigkeit der Leistungsbewirkung bei
Übergabe oder Einwerfen in den Briefkasten des Gläubigers im Streit stand, ist diese vorliegend nicht einschlägig.
Angesichts der klaren Risikoverteilung in § 270 Abs. 1 BGB und der fehlenden Einflußmöglichkeit der Beklagten auf
die Art und Weise der Beitragsentrichtung sieht der Senat auch keine Veranlassung, auf eine Generalklausel wie Treu
und Glauben zurückzugreifen. Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß bei
außergewöhnlichen Störungen eine Teilung des Verlustes erfolgen kann. Entsprechende Entscheidungen sind im
Zusammenhang mit steckengebliebenen Banküberweisungen im Verkehr zwischen den Westzonen (Bundesrepublik)
und den ehemaligen Ostgebieten (spätere DDR) im Jahre 1945 vor Einmarsch der Russen ergangen (BGHZ 2, 218 ff.;
10, 319 ff.). Vergleichbare Umstände wie Post- und Kontensperre haben aber hier nicht vorgelegen. Es war allein
Sache der Klägerin, das Risiko einzugehen, daß der ausgestellte und in den Briefkasten eingeworfene
Verrechnungsscheck auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt der Beklagten gelangt, um ihr die Möglichkeit einer
Befriedigung aus dem Scheck zu eröffnen. Gerade weil die Klägerin das Verlustrisiko zu tragen hatte, bestand auch
für die Beklagte keine Veranlassung, für eingeworfene Schecks einen gesicherten Briefkasten vorzuhalten, bzw. auf
die Risiken für Schuldner bei Diebstahl von Schriftgut hinzuweisen. Daß sie dennoch später entsprechende
Warnhinweise auf dem Briefkasten angebracht hat, ändert jedenfalls an der Risikoverteilung im vorliegenden Fall
nichts. Auch eine Abwendung des eingetretenen Schadens war der Beklagten nicht möglich. Zwar hätte bei
rechtzeitiger Entdeckung des Diebstahls noch eine Schecksperre veranlaßt werden können, um die erfolgte
Auszahlung an den Dieb zu verhindern. Die Beklagte war aber nicht dazu verpflichtet, bereits am Tag nach Fälligkeit
der Beiträge zu ermitteln, ob alle zur Beitragsabführung verpflichteten Arbeitgeber auch tatsächlich gezahlt hatten. Die
Klägerin ihrerseits hätte durch telefonische Rückfrage leichter feststellen können, ob der Scheck die Beklagte erreicht
hat oder nicht.
Da somit eine Erfüllung des Anspruchs auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge im Januar 1988 noch nicht eingetreten
ist, mußte auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt aufgehoben und die Klage
abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG nicht vorliegen.