Urteil des LSG Hessen vom 13.03.2017

LSG Hes: berufliche tätigkeit, mangel des verfahrens, meisterprüfung, fahrkosten, umschulung, verordnung, zwischenbeschäftigung, wohnung, kurzarbeit, unterricht

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 14.12.1978 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt S 7 Ar 398/76
Hessisches Landessozialgericht L 1 Ar 33/78
I. Die Berufung der Beklagten gegen des Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Oktober 1977 wird als
unzulässig verworfen, soweit die Erstattung von Lehrgangsgebühren, Prüfungsgebühren und Kosten für Material- und
Werkstattbenutzung anläßlich der praktischen Meisterprüfung im Streit stehen. Im übrigen wird die Berufung der
Beklagten zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Oktober 1977
abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit seiner Teilnahme an dem Lehrgang zur Vorbereitung
auf die Meisterprüfung im Kraftfahrzeughandwerk vom 26. Januar 1976 bis 28. Mai 1976 Unterhaltsgeld in
gesetzlichem Umfang zu gewähren sowie Kosten für Lernmittel und Fahrkosten in gesetzlichem Umfang zu erstatten.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Teilnahme des Klägers an dem Lehrgang der Lehrstätte und Meisterschule des
Kraftfahrzeughandwerks in F. zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung vom 26. Januar 1976 bis 28. Mai 1976 durch
Unterhaltsgeld (Uhg) und durch Erstattung von Kosten für Lehrgangs- und Prüfungsgebühren, Lernmittel und
Fahrkosten zu fördern ist.
Der 1953 geborene Kläger ist seit 1. August 1978 bei dem Autohaus G. in F. beschäftigt. Er machte eine Lehre als
Kraftfahrzeugmechaniker durch, die er mit der Gesellenprüfung abschloß. Anschließend arbeitete er bei diesem
Arbeitgeber als Kraftfahrzeugmechaniker. Vom 4. bis 15. Februar 1975 nahm der Kläger an einem von dem
Arbeitgeber durchgeführten Lehrgang "Automatik-Getriebe-Bedford-Blitz” teil. Die Beklagte förderte die Teilnahme des
Klägers an diesem Lehrgang durch Gewährung von Uhg und Fahrkosten (Bescheide des Arbeitsamtes Frankfurt am
Main vom 15. Februar 1975). In der Leistungsakte wurde hinsichtlich der Teilnahme des Klägers an diesem Lehrgang
von dem Förderungsberater des Arbeitsamtes zum Förderungsantrag vom 24. Januar 1975 vermerkt, bei der an sich
interessengebundenen Maßnahme habe ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse im Sinne des § 43 Abs. 2
Arbeitsförderungsgesetz (AFG) bestanden, um Kurzarbeit zu vermeiden.
Der Unterricht des Meisterlehrganges fand vom 26. Januar 1976 bis 28. Mai 1976 jeweils an sechs Werktagen der
Woche statt, montags bis freitags zehn Stunden, samstags fünf Stunden. Die Lehrgangsgebühren betrugen 1.270,–
DM und waren bis 26. Januar 1976 fällig. Für die Ablegung der Prüfung (die Meisterprüfung schloß an den Lehrgang
an) waren Prüfungsgebühren von 400,– DM bei der Anmeldung zur Prüfung bei der Handwerkskammer F. und für
Kosten für Material- und Werkstattbenutzung anläßlich der praktischen Meisterprüfung ein Betrag von 170,– DM an
den Maßnahmeträger zu entrichten, der ebenfalls bis zum 26. Januar 1976 fällig war (Bescheinigung der Lehrstätte
und Meisterschule des Kraftfahrzeughandwerks, F., vom 20. Oktober 1975). In dieser Bescheinigung wurde ferner
ausgeführt (während des Lehrgangs) entstünden dem Kläger Kosten für Lernmittel in Höhe von ca. 400,– DM. Der
Kläger nahm an dem Lehrgang teil und schloß ihn mit der Ablegung der Meisterprüfung ab.
Den Förderungsantrag des Klägers vom 12. Dezember 1975 lehnte das Arbeitsamt F. ab, weil der Kläger nach
Abschluß der letzten geförderten Maßnahme nicht eine mindestens zweijährige praktische Berufstätigkeit
nachgewiesen habe (Bescheid vom 21. Januar 1976 und Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 1976).
Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, die Förderung des Kurzlehrganges seines Arbeitgebers, an dem er vom
4. bis 14. Februar 1975 teilgenommen habe, stehe der Förderung seiner Teilnahme an dem Meisterlehrgang nicht
entgegen.
Mit Urteil vom 18. Oktober 1977 hob das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main den Bescheid der Beklagten vom 21.
Januar 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 1976 auf und verurteilte die Beklagte "dem
Grunde nach” die Teilnahme des Klägers an dem Lehrgang "ab dem 26. Januar 1976” zu fördern. In den
Entscheidungsgründen des Urteils wurde ausgeführt, bei dem Lehrgang handele es sich für den Kläger inhaltlich um
eine berufliche Fortbildung im Sinne des § 41 AFG. Sie erfülle die Zugangsbedingungen des § 41 Abs. 1 AFG. An der
Eignung und Neigung des Klägers bestünden keine Zweifel.
Der Förderung stehe auch die Regelung des § 42 Abs. 2 AFG nicht entgegen, weil es sich bei der Maßnahme, an der
der Kläger vom 4. bis 14. Februar 1975 teilgenommen habe, nicht um eine solche im Sinne dieser Vorschrift handele.
Gegen dieses ihr am 13. Dezember 1977 zugestellte Urteil richtet sich die am 6. Januar 1978 beim Hessischen
Landessozialgericht eingegangene Berufung der Beklagten.
Sie ist der Auffassung, daß der Förderung die Regelung des § 42 Abs. 2 AFG in der Fassung des HStruktG-AFG vom
18. September 1975 (BGBl. I S. 3113) entgegenstehe. Durch die Einführung dieser Regelung habe der Gesetzgeber
Forderungsmittel einsparen wollen. Auf den zeitlichen Umfang der vorausgegangenen Förderung nach dem AFG sei
es dabei zweifellos nicht abgestellt worden. Auch eine sogenannte "Bagatellförderung” löse die Wirkung des § 42 Abs.
2 AFG aus.
Der Kläger hat sich mit dem am 28. November 1978 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenen Schriftsatz
vom 27. November 1978 der Berufung der Beklagten angeschlossen und begehrt Förderung seiner Teilnahme an dem
Meisterlehrgang durch Gewährung von Uhg, sowie Erstattung von Kosten für Lernmittel und für die Fahrten zwischen
Wohnung und Schulungsstätte, weil ihm diese Kosten durch die Lehrgangsteilnahme notwendig entstanden seien. Die
Fahrkosten habe er aufwenden müssen, weil die Entfernung zwischen Wohnung und Schulungsstätte 10 km betragen
habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. Oktober 1977 aufzuheben und die
Klage abzuweisen, sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten als unzulässig zu verwerfen, soweit die Erstattung von Kosten für
Lehrgangsgebühren, Prüfungsgebühren und Kosten für Material- und Werkstattbenutzung anläßlich der praktischen
Meisterprüfung im Streit steht, hilfsweise, insoweit die Berufung zurückzuweisen, im übrigen die Berufung
zurückzuweisen und die Beklagte im Wege, der Anschlußberufung unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts
Frankfurt am Main vom 18. Oktober 1977 zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit seiner Teilnahme an dem Lehrgang
zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung im Kraftfahrzeughandwerk vom 26. Januar 1976 bis 28. Mai 1976
Unterhaltsgeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren, sowie Kosten für Lernmittel und Fahrkosten in gesetzlichem
Umfang zu erstatten, ferner, falls dem hilfsweise gestellten Antrag auf Zurückweisung der Berufung entsprochen wird,
die Beklagte zu verurteilen, Lehrgangsgebühren, Prüfungsgebühren und Kosten für die Material- und
Werkstattbenutzung anläßlich der Prüfung in gesetzlichem Umfang zu erstatten.
Der Kläger ist der Auffassung, die Maßnahme, die hier nur zur Vermeidung einer Kurzarbeit im betrieblichen Interesse
vom Arbeitgeber durchgeführt worden sei, sei nicht geeignet die Wirkung des § 42 Abs. 2 AFG auszulösen. Ferner
habe der Kläger nach dem damaligen Recht nicht davon ausgehen können, daß er durch die Teilnahme an einer
kurzzeitigen und betrieblichen Interessen dienenden Maßnahme die Förderung der bereits seinerzeit beabsichtigten
Ausbildung zum Meister des Kraftfahrzeughandwerks gefährde.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gem. § 158 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als
unzulässig zu verwerfen, soweit die Erstattung von Kosten für Lehrgangsgebühren (1.270,– DM), Prüfungsgebühren
(400,– DM) und Kosten für Material- und Werkstattbenutzung anläßlich der praktischen Meisterprüfung (170,– DM) im
Streit steht. Diese Erstattungsansprüche sind jeweils als einmalige Leistungen anzusehen, bei denen der
Berufungsausschuß gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG eingreift. Wie sich aus der Bescheinigung des Maßnahmeträgers
vom 20. Oktober 1975 eindeutig ergibt, waren diese Kosten jeweils in einem Betrag zum Lehrgangsbeginn am 26.
Januar 1976 (Lehrgangsgebühren und Kosten für Material- und Werkstattbenutzung anläßlich der praktischen
Meisterprüfung) bzw. bei Antragstellung auf Zulassung zur Prüfung (Prüfungsgebühr) fällig. Insoweit handelt es sich
um selbständige prozessuale Ansprüche, bei denen die Zulässigkeit des Rechtsmittels jeweils gesondert zu
überprüfen ist. Die Rechtsmittelbelehrung in dem urteil des SG, daß dieses mit der Berufung angefochten werden
könne, ist deshalb unrichtig erteilt, weil kein Anhalt besteht, daß es sich hierbei etwa um eine
Zulassungsentscheidung gem. § 150 Nr. 1 SGG handelt. Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens, der zur
Zulässigkeit der Berufung führen könnte, ist nicht gerügt (§ 150 Nr. 2 SGG) und liegt ersichtlich auch nicht vor.
Im übrigen ist die Berufung statthaft. Auch soweit es um die Erstattung von Kosten für Lernmittel geht, greifen
Berufungsausschließungsgründe im Sinne der §§ 144 bis 149 SGG nicht ein, insbesondere fehlt der für den
Berufungsausschuß nach § 144 Abs. 1 SGG erforderliche Charakter der Einmaligkeit oder der Beschränkung auf
längstens 13 Wochen oder 3 Monate. Denn das Erstattungsbegehren betrifft die jeweiligen während der Gesamtdauer
des Lehrgangs entstehenden Kosten für Lernmittel, wie sich aus der Bescheinigung des Maßnahmeträgers vom 20.
Oktober 1975 entnehmen läßt. Die Leistung erschöpft sich deshalb nicht im einem einmaligen Gewähren (vgl. hierzu
BSG, Urt. v. 27.1.1977 – 7 RAr 17/76 – und die dort angeführte Rechtsprechung). Dies gilt auch für die Fahrkosten.
Sachlich ist die Berufung der Beklagten unbegründet und die Anschlußberufung des Klägers begründet.
Die Teilnahme des Klägers an dem Lehrgang ist nach dem AFG durch Gewährung von Uhg (§ 44 AFG) sowie
Erstattung von Kosten für Lernmittel und Fahrkosten (§ 45 AFG) in gesetzlichem Umfange zu fördern. Die Teilnahme
an dem Lehrgang war für den Kläger inhaltlich eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung im Sinne des § 41 Abs. 1
AFG. Es hat sich insbesondere nicht um eine Maßnahme der beruflichen Umschulung gehandelt. Für die Abgrenzung
zwischen Fortbildung und Umschulung ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entscheidend,
ob die in dem bisherigen Beruf erlernten Fertigkeiten in dem angestrebten Beruf inhaltlich mit übernommen werden,
oder ob diese Fertigkeiten entweder nicht oder nur unwesentlich für die "andere geeignete berufliche Tätigkeit” im
Sinne des § 47 AFG Bedeutung haben, insoweit also ein Beruf mit neuem Inhalt erlernt wird (vgl. BSG SozR 4100 §
41 AFG Nr. 11). Der Kläger sollte durch den Lehrgang in die Lage versetzt werden, als Meister des
Kraftfahrzeughandwerks tätig zu sein. Durch den Lehrgang sind seine in seinem erlernten Beruf als
Kraftfahrzeughandwerker erworbenen Fertigkeiten deshalb erweitert worden. Auch die Voraussetzung des § 41 AFG,
daß die Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme nur gefördert wird, wenn die Maßnahme als solche eine
abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung voraussetzt, liegen vor (Bescheinigung der
Handwerkskammer F. vom 24.11.1978). Im übrigen besteht hierüber zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Der Kläger erfüllt auch die übrigen Voraussetzungen für die begehrte Förderung. Die Teilnahme an der
Fortbildungsmaßnahme war auf etwa vier Monate begrenzt (§ 41 Abs. 3 S. 2 AFG).
Der Kläger hatte auch, bevor er in die Maßnahme eintrat, bei der Firma G. in F. als Kraftfahrzeugmechaniker mehrere
Jahre in Beschäftigung gestanden (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 3 AFG). Ferner hat der Kläger die Maßnahme mit Erreichen
des Zieles, der Ablegung der Meisterprüfung, abgeschlossen. Damit steht rückschauend fest, daß er die Fähigkeiten
besaß, an der Fortbildungsmaßnahme erfolgreich teilzunehmen, womit sich zugleich die Eignung des Klägers für die
Maßnahme bestätigt hat (§ 36 AFG).
Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 AFG in der hier maßgebenden Fassung des HStruktG-
AFG. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift wird ein Antragsteller, der bereits einmal als Teilnehmer an einer
Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme nach dem AFG gefördert worden ist, erneut nur gefördert, wenn er danach
mindestens weitere drei Jahre beruflich tätig gewesen ist. Die berufliche Tätigkeit verkürzt sich um ein Jahr, wenn der
Antragsteller an einer Maßnahme mit Vollzeitunterricht und einer Dauer bis zu 6 Monaten oder an einer Maßnahme mit
Teilzeitunterricht und einer Dauer bis zu 12 Monaten teilnimmt (§ 42 Abs. 3 AFG). Der Kläger hatte vom 4. bis 14.
Februar 1975 an einem Lehrgang teilgenommen und war als Teilnehmer nach dem AFG gefördert worden. Er ist
danach weniger als ein Jahr berufstätig gewesen. Danach liegen nach dem Wortlaut des § 42 Abs. 2 AFG weder die
Voraussetzungen dieser Vorschrift vor, noch diejenigen in Verbindung mit § 42 Abs. 3 AFG. Ein Förderungsanspruch
ergibt sich auch nicht abweichend von dem Wortlaut des § 42 Abs. 2 AFG aus § 2 der am 1. Januar 1976 in Kraft
getretenen Verordnung zur Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung bei ungünstiger Beschäftigungslage
vom 3. März 1976 (BGBl. I S. 411). Die Verordnung begünstigt arbeitslose Antragsteller; indessen ist der Kläger bis
zum Beginn der Maßnahme als Kraftfahrzeugmechaniker beschäftigt gewesen. Er wäre auch nicht ohne die
Maßnahme arbeitslos geworden. Nach der Verordnung zur Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung bei
ungünstiger Beschäftigungslage vom 17. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3606) wird außerdem gefördert, wer zuvor
während der Teilnahme an einer Vollzeitmaßnahme mit einer Dauer bis zu drei Monaten oder an einer Teilzeit- oder
Fernunterrichtsmaßnahme mit einer Dauer bis zu zwölf Monaten gefördert worden ist. Diese Verordnung ist jedoch
erst am 1. Januar 1977 in Kraft getreten, sie erfaßt deshalb die Teilnahme des Klägers an dem Meisterlehrgang nicht.
Nach Auffassung des Senats steht aber durch die Besonderheiten des vorliegenden Falles § 42 Abs. 2 AFG einem
Förderungsanspruch des Klägers nicht entgegen. Zwar hat das BSG in dem Urteil vom 30. Mai 1978 (7 RAr 10/77)
ausgeführt, die Vorschrift des § 42 Abs. 2 AFG sei systemgerecht und nicht verfassungswidrig; das AFG habe der
Bundesanstalt für Arbeit (BA) aus freier Entschließung und nicht aufgrund einer vorher bestehenden Verpflichtung der
Gemeinschaft auferlegt, Bildungsmaßnahmen zu fördern. Jedoch läßt auch das BSG in der angeführten Entscheidung
erkennen, daß in Ausnahmefällen auf die gemäß § 42 Abs. 2 AFG erforderliche Zwischenbeschäftigung verzichtet
werden kann. Einen solchen Ausnahmefall hielt der Senat hier für gegeben. Die nur kurzzeitige Maßnahme (vom 4.
bis 15. Februar 1975), die vom Arbeitgeber des Klägers durchgeführt wurde und die als interessengebundene
Maßnahme nach § 43 Abs. 2 Satz 1 AFG an sich nicht förderbar war, ist nur unter den besonderen Voraussetzungen
des § 4 Abs. 2 der Anordnung das Verwaltungsrats der BA über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung
und Umschulung vom 9. September 1971 (AFuU 1971) gefördert worden, weil der Betrieb die Maßnahme bei einer
besonders ungünstigen Beschäftigungslage für seine Arbeitnehmer durchführte, die andernfalls einen Anspruch auf
Kurzarbeitergeld gehabt hätten. Dies ergibt sich eindeutig aus dem in der Leistungsakte enthaltenen Vermerk des
Förderungsberaters des Arbeitsamtes zum Förderungsantrag vom 24. Januar 1975 und ist im übrigen zwischen den
Beteiligten auch nicht streitig. Im Vordergrund der Förderung hat deshalb weniger die Förderung einer
Bildungsmaßnahme als die Vermeidung der Bezahlung von Kurzarbeitergeld in dem Förderungszeitraum gestanden.
Dies gilt jedenfalls im vorliegenden Fall, weil es sich ohnehin nur um eine kurzzeitige Maßnahme handelte, die sich
zudem lediglich auf einen eng begrenzten Interessenbereich des Betriebes ("Automatik-Getriebe-Bedford-Blitz”)
bezog. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum HStruktG-AFG zielt die Regelung des § 42 Abs. 2 AFG
jedoch darauf ab, eine nicht vertretbare Dauerinanspruchnahme der Förderungsleistungen zu verhindern, ohne jedoch
den Ausbau und die Vertiefung der Fortbildung unmöglich zu machen. In der Begründung heißt es weiter, eine
stufenweise Fortbildung entspreche dem gegliederten System der beruflichen Bildung. Jede weitere Fortbildungsstufe
solle jedoch auf den Berufserfahrungen, die in der jeweils vorher erreichten beruflichen Ebene gewonnen worden sind,
ausbauen. Ein unmittelbarer "Durchstieg” zu einem von vornher ein ins Auge gefaßten Endziel sei mehr dem Bereich
der Ausbildung zuzuordnen und deshalb aus der Förderung nach dem AFG auszuschließen (vgl. BT-Drucks. 7/4127
zu Art. 20 § 1 Nr. 5 Abs. 2). Dieses Ziel des § 42 Abs. 1 AFG läßt es in Sonderfällen der vorliegenden Art nach
Auffassung des Senats zu, auf die erforderliche Zwischenbeschäftigung ausnahmsweise zu verzichten. Hieran ändert
auch der Umstand nichts, daß § 42 Abs. 2 AFG seine hier anzuwendende Fassung durch das HStruktG-AFG erhalten
hat, mit dem nach seiner allgemeinen Zielsetzung die öffentlichen Finanzen konsolidiert werden sollten (vgl. BT-
Drucks. 7/4127 S. 30).
Die Förderung der Teilnahme des Klägers an dem Lehrgang ist schließlich such zweckmäßig (§ 36 AFG i.V.m. § 8 der
hier maßgebenden Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die individuelle Förderung
der beruflichen Fortbildung und Umschulung (AFuU) vom 9. September 1971). Denn durch die Teilnahme des Klägers
an der Maßnahme ist jedenfalls seine Wettbewerbslage verbessert worden; zusätzlich zu den bereits vorhandenen
Kenntnissen hat er weitere hinzuerworben, die es ihm ermöglichen, den Beruf, den er bereits hat, besser auszuüben.
Es liegt auf der Hand, daß er mit der besseren Ausbildung auch höhere Chancen hat, einen Arbeitsplatz zu erwerben
und zu behalten. Fortbildung ist – anders als Umschulung – in der Regel auch bei eingeschränkten Aussichten in den
betreffenden Beruf zweckmäßig. Von der Zweckmäßigkeit der Förderung nach Lage und Entwicklung des
Arbeitsmarktes kann regelmäßig ausgegangen werden (vgl. BSG, Urt. v. 21.6.1977 – 7 RAr 37/76 –). So sind auch
Umstände, die gegen die Zweckmäßigkeit, der Förderung i.S.d. § 36 AFG sprechen, von der Beklagten nicht
vorgetragen worden.
Dem Kläger steht nach allem für die Zeit seiner Teilnahme an dem Lehrgang die begehrte Förderung zu. Die
Anspruchsvoraussetzungen für Uhg sind erfüllt. Der Lehrgang wurde in Vollzeitunterrichtsform (ganztägiger Unterricht)
durchgeführt (§ 44 Abs. 1 AFG). Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, daß sich durch die Anrechnung von
Einkommen aus unselbständiger oder selbständiger Tätigkeit (§ 44 Abs. 4 AFG) ein Anspruch des Klägers auf Uhg
nicht ergibt, nach dem er in dem Förderungsantrag glaubhaft angegeben hat, daß er solches Einkommen während des
Lehrgangsbesuches nicht erziele, und er insoweit auch später keine Änderung angezeigt hat. Die Erstattung von
Kosten für Lernmittel und Fahrkosten folgt aus § 45 AFG. Daß dem Kläger während der Zeit der Teilnahme an dem
Lehrgang laufend Kosten für Lernmittel in Höhe von insgesamt ca. 400,– DM entstanden sind, ergibt sich aus der
Bescheinigung des Maßnahmeträgers vom 20. Oktober 1975. Daß dem Kläger durch die Teilnahe/en dem Lehrgang
notwendige Fahrkosten entstanden sind, ergibt sich aus seinen glaubhaften Angaben.
Entsprechend dem Antrag des Klägers war nach allem ein Grundurteil au erlassen (§ 130 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der entschiedenen Rechtsfrage über die Auslegung des § 42 Abs. 2
AFG i.d.F. HStruktG – auch in Anbetracht des Urteils des BSG vom 30. Mai 1978 – 7 RAr 10/79 – besondere
Bedeutung beigemessen hat.