Urteil des LSG Hessen vom 11.03.1986

LSG Hes: materielle rechtskraft, eintritt des versicherungsfalles, waisenrente, verwaltungsakt, hinterbliebenenrente, wartezeit, witwenrente, tod, begriff, versicherter

Hessisches Landessozialgericht
Urteil vom 11.03.1986 (rechtskräftig)
Sozialgericht Frankfurt
Hessisches Landessozialgericht L 2 J 1005/85
Die Berufungen der Klägerinnen zu 1) und 2) gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juli 1985
werden zurückgewiesen. Auf die Anschlußberufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am
Main vom 22. Juli 1985 insoweit abgeändert, als der Bescheid vom 14. März 1984 aufgehoben worden ist.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin zu 1) ist die Witwe, die Klägerin zu 2) die Tochter des 1928 geborenen und 1955 verstorbenen R. S. (im
folgenden: R. S.). Dieser wurde Ende 1944 zum Reichsarbeitsdienst und Wehrdienst eingezogen und befand sich von
April 1945 bis Sommer 1945 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft in den Lagern und. In der Zeit vom 1. Januar
1946 bis 15. August 1948 wurden für R. S. Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet (34 Kalendermonate). Der am
11. Februar 1955 eingetretene Tod – chronischer Nephritis, Urämie – des R. S. stand mit Wehrdiensteinflüssen in
ursächlichem Zusammenhang (Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Februar 1979, Az.: S-3/V-62/57).
Als wesentliche Ursache für das Entstehen der zum Tode führenden Nierenerkrankung waren die katastrophalen
Zustände in den Gefangenenlagern angesehen worden, denen der gerade 17-jährige R.S. ausgesetzt gewesen war.
Ein erster Antrag vom 28. August 1959 auf Gewährung von Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des R. S. war
durch Bescheid der Beklagten vom 21. April 1960 rechtskräftig abgelehnt worden (Urteil des Hessischen
Landessozialgerichts vom 27. Februar 1962, Az.: L-2 (8) J-76/63; Beschluss des Bundessozialgerichts vom 11. Juni
1963, Az.: 4 RJ-231/82). Weitere Anträge lehnte die Beklagte mit Bescheiden vom 4. August 1966 und 1. Oktober
1976 ab. Der folgende Ablehnungsbescheid vom 20. Februar 1981 war Gegenstand sozialgerichtlicher Überprüfung
(Sozialgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25. Oktober 1982, Az.: S-16/J-227/82; Hessisches Landessozialgericht,
Urteil vom 14. Juni 1983, Az.: L-2/J-1325/82). Das Sozialgericht Frankfurt am Main hielt die Klage für unzulässig. Die
gegen dieses Urteil erhobene Berufung blieb – aus Gründen in der Sache – erfolglos. Die Nichtzulassungsbeschwerde
wurde zurückgenommen (Az.: 5b BJ 266/83).
Am 21. April 1984 beantragten die Klägerinnen zu 1) und 2) erneut die Gewährung von Hinterbliebenenrente mit der
Begründung, die Übergangsvorschrift des Art. 2 § 5 i.V.m. Art. 2 § 10 ArVNG betreffend die Fortgeltung des § 1263 a
RVO a.F. für den Versicherungsfall vor dem 31. Dezember 1956 sei wegen Verstoßes gegen das Sozialstaatsprinzip,
Art. 3 sowie Art. 6 Abs. 1 GG verfassungswidrig.
Durch Bescheid vom 14. März 1984 lehnte die Beklagte es ab, dem Antrag auf Witwen- und Waisenrente zu
entsprechen. Der Ablehnungsbescheid vom 21. April 1960 sei bindend geworden. Nach eingehender Prüfung der
Angelegenheit ergäbe sich, daß weder durch gesetzliche Änderung oder höchstrichterliche Rechtsprechung noch
durch eine fehlerhafte Würdigung des zugrundeliegenden Sachverhalts eine Rücknahme möglich sei.
Dagegen haben beide Klägerinnen beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Die jetzige Klägerin zu 2) hat
das Sozialgericht durch Beschluss vom 23. November 1984 zum Verfahren der Klägerin zu 1) gemäß § 75 Abs. 1
Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerin zu 1) und die (damalige)
Beigeladene beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 14. März 1984 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
der Klägerin eine Witwenrente sowie der Beigeladenen eine Waisenrente zu gewähren. Durch Urteil vom 22. Juli 1985
hat das Sozialgericht Frankfurt am Main den Bescheid der Beklagten vom 14. März 1984 aufgehoben und die Klage
abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unzulässig. Der Streitgegenstand sei mit dem der
früheren Verfahren identisch, ebenso die Argumente. Die materielle Rechtskraft der früheren gerichtlichen
Entscheidung stehe einer erneuten gerichtlichen Entscheidung durch das Sozialgericht entgegen. Die Vorschrift des §
44 SGB X beziehe sich nur auf das Verwaltungsverfahren der Rentenversicherung und vermöge keine Wirkung zu
entfalten, wenn über den streitigen Anspruch durch gerichtliches Urteil entschieden worden sei, weil gerichtliche
Urteile nur durch gerichtliche Wiederaufnahmeverfahren außer Kraft gesetzt werden könnten, es sei denn, die
Beklagte wolle den streitigen Anspruch anerkennen. Wollte man §§ 44 ff. SGB X auch auf Gerichtsurteile anwenden,
dann wären die Vorschriften des § 179 SGG praktisch ohne Anwendungsbereich. Eine derartige Gesetzesauslegung
wäre auch wegen Verstoßes gegen Art. 92 GG verfassungswidrig. Der Bescheid der Beklagten vom 14. März 1984
sei aufzuheben gewesen. Die Beklagte könne bei Vorliegen eines für sie günstigen rechtskräftigen Urteils zwar den
Anspruch trotzdem anerkennen und einen Bewilligungsbescheid erlassen, sie dürfe aber keinen wiederholten
Ablehnungsbescheid erlassen, weil dies gegen ihre Bindung nach § 141 SGG verstoßen würde.
Gegen das ihr am 12. August 1985 zugestellte Urteil haben die Klägerinnen zu 1) und 2) am 10. September 1985
Berufung eingelegt. Sie meinen, die Beklagte habe zu Unrecht den Neufeststellungsanspruch gemäß § 44 SGB X
abgelehnt, denn der Tod des R. S. sei infolge Feindeinwirkung im Sinne des § 1263 a RVO – a.F. eingetreten. Die
Bestrebungen der Besatzungsmächte seien seinerzeit dahin gegangen, die Kriegsgefangenen durch eine schlechte
Versorgung und durch unmenschliche Lebensbedingungen derart zu schädigen und zu schwächen, daß sich auf diese
Weise die Zahl der Lagerinsassen von selbst vermindert habe. Der Versicherte habe auch die erforderliche Wartezeit
gemäß § 1263 a RVO a.F. erfüllt. Er habe vor dem Versicherungsfall, nämlich vor seinem Tode,
Rentenversicherungsbeiträge gezahlt. Die enge Auslegung der Bestimmungen des § 1263 a RVO a.F. bzw. des §
1252 Abs. 1 RVO n.F. verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG sowie gegen den
Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG. Diese verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte habe das
Landessozialgericht auch in seiner Entscheidung aus dem Jahre 1983 nicht hinreichend berücksichtigt, was nunmehr
im Berufungsverfahren nachzuholen sei.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 11. März 1986 den Beiladungsbeschluß des Sozialgerichts Frankfurt
am Main vom 23. November 1984 aufgehoben.
Die Klägerinnen zu 1) und 2) beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juli 1985
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu 1) Witwenrente sowie der Klägerin zu 2) Waisenrente aus
der Versicherung des R. S. zu gewähren, ferner, die Anschlußberufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, ferner, im Wege der Anschlußberufung, das Urteil des
Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juli 1985 insoweit abzuändern, als der Bescheid vom 14. März 1984
aufgehoben wurde.
Sie bezieht sich auf die Regelung des § 44 SGB X sowie ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Januar 1981
(Az.: 9 RV 29/80). Sie habe sich auf Grund des gleichen Sachverhalts nicht davon überzeugen müssen, daß die
bisherigen Bescheide unrichtig seien.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, ferner die
Akten L-2 (8)/J-76/81, L-2/J-388/80 sowie L-2/J-1325/82, die vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässigen Berufungen der Klägerinnen zu 1) und 2) sind unbegründet. Die Anschlußberufung der Beklagten führt
zur Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. Juli 1985 insoweit, als der Bescheid vom
14. März 1984 wiederherzustellen ist. Der Beiladungsbeschluß des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23.
November 1984 war aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, denn die Voraussetzungen für eine Beiladung
lagen nicht vor. Neben der von der Klägerin zu 1) beanspruchten Witwenrente war die von der Klägerin zu 2) begehrte
Waisenrente von Anfang an im Streit. Beide Hinterbliebenen haben gegen den gegen sie ergangenen Bescheid der
Beklagten vom 14. März 1984 Klage erhoben und das Sozialgericht hat auch über beide Ansprüche entschieden.
Folglich war die Klägerin zu 2) auch nicht beizuladen.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerinnen ist § 44 SGB X (zur Anwendbarkeit siehe Entscheidung des
Großen Senats des BSG vom 15. Februar 1982 in BSGE 54, 223 = SozR 1300 § 44 Nr. 3). Nach dieser Vorschrift
(Abs. 1 Satz 1) ist die Beklagte, soweit sie bei Erlaß des früheren Bescheides vom 21. April 1960 das Recht unrichtig
angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb Sozialleistungen
nicht erbracht hat, trotz Unanfechtbarkeit des Bescheides verpflichtet, den Verwaltungsakt mit Wirkung für die
Vergangenheit (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X) zurückzunehmen.
Die Beklagte ist entsprechend § 44 SGB X verfahren und hat auf die gestellten Anträge hin unter dem 14. März 1980
einen Bescheid erteilt. Wird ein Antrag gestellt, so muß er auch sachlich beschieden werden (Zweng/Scherer § 44
SGB X Anm. 3). An der rechtlichen Qualität dieses Bescheides als ein neuer im Rechtsweg überprüfbarer
Verwaltungsakt ändert nicht daß das sachliche Begehren erneut abgelehnt worden ist und der Verfügungssatz des
neuen Verwaltungsaktes dem des ursprünglichen vom 21. April 1960 im Ergebnis entspricht. Die Vorschrift des § 44
SGB X gibt der Beklagten unter den dort genannten Voraussetzungen die Befugnis, unter Verzicht auf die materielle
Rechtskraft eines zu ihren Gunsten ergangenen Sachurteils durch Erteilung eines neuen sachlichen Bescheides eine
nochmalige gerichtliche Überprüfung herbeizuführen und eine abweichende Sachentscheidung zu treffen (vgl. Wiesner
in Schroeder – Printzen/Engelmann/Wiesner/von Wulffen, SGB X Sozialgesetzbuch Verwaltungsverfahren
Vorbemerkung zu §§ 44 bis 49 Ziff. 2, siehe auch Hofe, Das System einer Bescheidkorrektur bei rechtwidrigen nicht
begünstigenden Verwaltungsakten (SGB X) im SGG 1986 S. 11, 14, 15). Die Rechtskraft (§ 141 – Abs. 1 SGG) eines
den früheren Verwaltungsakt bestätigenden Urteils steht dem nicht entgegen, denn auch ein durch rechtskräftige
Abweisung einer Klage bestandskräftig gewordener Verwaltungsakt ist ein unanfechtbarer Verwaltungsakt (vgl.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13. September 1984 in NJW 1985 Seite 280). Ein nachfolgendes
Urteilsverfahren beträfe auch – wegen Änderung der Sach- bzw. Rechtslage – einen anderen Streitgegenstand.
Aber auch wenn sich bei der nach § 44 SGB X beantragten Überprüfung und Entscheidung ergibt, daß keine
veränderte Sach- und Rechtslage vorliegt, wird durch die Sachentscheidung der Behörde der Rechtsweg trotz
Rechtskraftwirkung eines früheren Urteils eröffnet. Zwar handelt es sich bei der Bestimmung des § 44 SGB X um eine
solche des Verwaltungsverfahrensrechts und § 141 Abs. 1 SGG bindet die Beteiligten – anders als § 77 SGG – ohne
den Vorbehalt "soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt ist”. Die Bindung im Rahmen des § 141 Abs. 1 SGG
reicht aber nur soweit, wie über den Streitgegenstand, der sich mit denjenigen des "erhobenen Anspruchs” deckt
(BSG Urteil vom 22. Mai 1985, Az.: 1 RA 33/84) entschieden worden ist. Dieser wird durch § 44 SGB X
verfahrensrechtlich beeinflußt (vgl. Sachs in Jus 1985 S. 447, 448). Die Vorschrift des § 44 SGB X enthält eine
gesetzliche Abwägung zwischen den Prinzipien der materiellen Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit zugunsten der
materiellen Gerechtigkeit und eine darauf gestützte behördliche Entscheidung ist gemäß dem Art. 19 IV GG einer
sozialgerichtlichen Kontrolle zugänglich. Deswegen haben die §§ 44 ff SGB X auch im Rahmen des § 141 Abs. 1
SGG Bedeutung und beeinflussen den Streitgegenstand. Bei einer auf einen Zugunstenbescheid gerichteten Klage
kontrolliert dann das Gericht auch nicht unmittelbar rechtskräftige Gerichtsurteile, sondern das Verhalten der
Verwaltung daraufhin, ob sie das neue Sachbegehren ungeachtet rechtsverbindlicher Regelungen ablehnen durfte
(BSG, Urteil vom 21. Januar 1981, Az.: 9 RV 29/80 = BSGE 51 S. 139, 141).
Die Beklagte hat zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Rücknahmebescheid gemäß § 44 SGB X
verneint. Sie war auch nicht aufgrund des neuerlichen Vertrages der Klägerinnen oder anderer Erkenntnisse, z.B.
wegen Änderung der Rechtsprechung, veranlaßt, ihre durch rechtskräftige Urteile bestätigten Entscheidungen
abzuändern. Der verstorbene R. S. hatte zum Zeitpunkt seines Todes am 11. Februar 1955 (Versicherungsfall)
lediglich 34 Kalendermonate Versicherungszeit aufzuweisen. Damit war die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten für die
Gewährung von Hinterbliebenenrente nicht erfüllt. Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte nur dann Anspruch auf
Hinterbliebenenrente (Witwenrente, Waisenrente) bestehen, wenn die Voraussetzungen des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3
RVO in der bis 31. Dezember 1956 geltenden Fassung vorlagen, wenn "der Versicherte infolge Feindeinwirkung
gestorben ist.” Auch diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Begriff "Feindeinwirkung” ist vom
Bundessozialgericht wiederholt unter Berufung auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte eng ausgelegt worden (vgl.
BSGE 7, 159; 15, 182; 16, 26; SozR Nr. 1, 2, 10–12 zu § 1263 a RVO a.F.). Auch die Einwirkungen aufgrund
schlechter Verhältnisse während russischer Kriegsgefangenschaft wurden nicht als "Feindeinwirkung” betrachtet (BSG
Urteil vom 30. Oktober 1958, Az.: 1 RA 182/57). Dieses Ergebnis wurde im Einklang mit dem ab 1. Januar 1957 an
geltenden Rentenrecht gesehen, in dem der Begriff der "Feindeinwirkung” durch den der "unmittelbaren
Kriegseinwirkung im Sinne des § 5 BVG” ersetzt wurde, zu der die Kriegsgefangenschaft nicht gehörte, die in § 1 Abs.
2 b BVG neben der "unmittelbaren Kriegseinwirkung” (§ 1 Abs. 2 a BVG) gesondert aufgeführt und behandelt war. Von
dieser Rechtsprechung im konkreten Fall abzuweichen besteht weiterhin kein Anlaß.
Darüber hinaus war R.S. auch zu der Zeit, als er den Strapazen der Gefangenschaft ausgesetzt war, die nach dem
rechtskräftigen Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Februar 1959 für seinen Tod ursächlich waren,
kein Versicherter nach damaligen Recht, für den die Anwartschaft aus wenigstens einem Beitrag erhalten war oder als
erhalten galt. Die Bedeutung des § 1263 a RVO a.F. hat sich darauf beschränkt, einem Versicherten bei der Erfüllung
der Wartezeit zu helfen bzw. vor dem Verlust bereits erworbener Anwartschaften zu schützen (vgl.
Verbandskommentar § 1252 RVO Anm. 3). Es sollten Härten beseitigt werden, die sich daraus ergeben konnten, daß
ein zur Wehrmacht eingezogener Versicherter bei Eintritt des Versicherungsfalles als Folge seines Wehrdienstes die
Wartezeit noch nicht erfüllt hatte. Vor Verwirklichung des in § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO a.F. aufgeführten
Tatbestandes mußte deshalb bereits eine Versicherung bestanden haben (s. BSG Urteil vom 20. Juli 1962 Az.: 12/4
RJ 278/60). Es kommt deshalb nicht darauf an, daß der Kläger vor Eintritt seines Todes, dem Versicherungsfall,
Rentenversicherungsbeiträge gezahlt hat.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt darin kein Verstoß gegen den Versicherungsgedanken der
Sozialversicherung. Die Vorschrift des § 1263 a RVO a.F. ist schon an sich versicherungsfremd (BSG Urteil vom 20.
Juli 1962, Az.: 12/4 RJ 268/60) und inhaltlich eine Schutzvorschrift zur Erhaltung von Anwartschaften. Die Vorschrift
betrifft vorkonstitutionelles Recht. Hoheitsakte, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes endgültig wirksam
geworden sind, können nicht rückwirkend am Grundgesetz gemessen werden (BVerfGE 29, 166, 175). Es besteht
auch keine aus dem Grundgesetz herzuleitende Verpflichtung für den Senat, der Versichertengemeinschaft
versicherungsfremde Risiken aufzubürden, die auch der Gesetzgeber nach dem 1. Januar 1957 durch das
Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 23. Februar 1957 (BGBl. I S. 45) nicht übernommen hat. Es
handelt sich um ein Risiko, das vom Bundesversorgungsgesetz erfaßt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht
vorliegen.